Begräbnis eines Malandros

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onivido

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Malandro = krimineller Slumbewohner

Ärgerlich bremste Martin. Schon wieder ein Stau; um diese Tageszeit, auf dieser Strecke eigentlich untypisch. Aber wann waren Staus untypisch in dieser Stadt? Langsam lenkte er seinen Pickup auf den Randstreifen und überholte die stehende Wagenkolonne im Schritttempo. Die nachkommenden Fahrer folgtem seinem unlöblichen Beispiel. Abrupt stoppte er. Am vorderen Ende des Staus stand mitten auf der Autobahn ein kranzgeschmückter Leichenwagen. Eine Meute von Motorradfahrern umkreiste ihn unermüdlich mit röhrenden Motoren. Ihre Kumpel und Flittchen auf den Rücksitzen ballerten mit Pistolen und Revolvern in die Luft. Die Autofahrer hinter ihnen wagten nicht vorbeizufahren, oder gar zu protestieren. Sie hatten in respektvollem Abstand angehalten. Martin lugte nach seiner Beretta im Fach der linken Autotür. Dann lächelte er über seinen selbstmörderischen Impuls. Minutenlang dauerte dieser Spetakel. Dann fuhr der Leichenwagen weiter. Wie ein Hornissenschwarm begleitete ihn die Horde von ratternden Motorrädern. Langsam folgte die Wagenkolonne, immer auf Abstand bedacht. Ein paar Minuten später wiederholte sich der Spuk. So würde das weitergehen bis zur Ausfahrt zum Friedhof. Martin war kein geduldiger Mensch. Dort wo ein, mit Abfall übersähter, ehemaliger Grünstreifen die Autobahn von einem Elendsviertel trennte, steuerte er in den Slum. Er bremste gerade noch rechtzeitig, bevor er eine Frau und ein kleines Mädchen überrollte. Bestürzt sah er, dass die Frau schluchzte. Sein Wagen hatte sie doch nicht einmal angetippt.
“Señora, haben Sie sich wehgetan?”fragte er trotzdem.
Die Frau sah ihn an, als hätte sie ihn nicht verstanden. Langsam schüttelte sie den Kopf.
“Wo wollen Sie denn hin?”
“Zur U-Bahn.”
“Steigen Sie ein”, sagte Martin und fragte sich gleichzeitig, was in ihn gefahren war.
Stumm hob die Frau das kleine Mädchen ins Auto, stieg ein und setzte das Kind auf ihren Schoss.
“Gracias”, mehr sagte sie nicht. Auch dass Mädchen blieb stumm.
“Was ist denn passiert?
Die Frau antwortete nicht. Martin versuchte nicht weiter mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ärger über sein spontanes Angebot begann in ihm zu keimen.
Er war froh, als sie nach ein paar Minuten an der U-Bahnhaltestelle angelangt waren.
Die Frau wandte sich zu ihm. Sie weinte immer noch lautlos.
“Mein Sohn war nicht wirklich schlecht. Er hat sich immer um mich gekümmert.”
Und nach einer Weile, “aber er wollte nie für eine Tüte Reis und ein paar Scheiben Mortadella arbeiten.”
Sie blickte auf Martins Pistole im Fach der Autotür.
“Er hat auch gemeint er könnte alles mit einer Pistole erledigen.”
Sie stieg aus und stellte das Kind auf die Strasse.
“Cuidese –passen Sie auf sich auf und werden Sie die Pistole los.”
 



 
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