Blut ... der heimliche Eingang

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bluesnote

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Blut
... der heimliche Eingang.



Was war das Schrecklichste, das du je getan hast? Das werde ich dir nicht sagen, aber ich werde dir vom Schrecklichsten erzählen, das mir je widerfahren ist, ... vom Allerschrecklichsten ...

... aus Die Geisterstunde von Peter Straub.




Michelle Monnie ging den Yuppie Walk entlang.
Sie wanderte durch die teure Meile ihrer Stadt, sah hier in ein Schaufenster, betrat dort eine Boutique.
Es war die Geschäftszeile der Reichen, und reich war Michelle.
Schon vor ihrem dreißigsten Geburtstag stieg sie zum World Wide Dealer auf. Sie verstand es, nicht nur mit ihrem rassigen Aussehen, sondern auch durch Überzeugungskraft asiatischen Geschäftsleuten Schneeschieber zu verkaufen, wenn es nur nach Gewinn roch.
Und an diesen kalten, aber sonnigen Novembermorgen wurde eine Summe auf ihrem Bankkonto verbucht, die sie ermutigte, endlich diese kleine, aber exklusive Galerie zu besuchen.
Oh ja, sie hatte diesen „Ich stink vor Geld Blues“, daher atmete sie einige Male tief die klare Luft und betrat die enge Gasse, die ihren Verlauf zwischen grau verputzten Häuserwänden nahm.
Auf einem immer dunklen Hinterhof angelangt, erblickte sie die Galerie, - handle nicht und zahl den Preis-, Geschäftsfreunde hatten sie gewarnt, kein Argument für Lady Deal; fest griff sie die Klinke und öffnete die Eingangstür zu Daemons Bildergalerie.

Der Ausstellungsraum war durchweg dunkler als es vor der Tür schon war, das verschaffte den auf düster getrimmten Landschaftsmalereien einen gruseligen Flair.
Jedes Bild schritt Michelle ab, bis sie vor einem Werk in Öl stehen blieb. Dicker, schwerer Pinselstrich zog sie magisch an.
Eine Heidelandschaft, der Grund des Bildes voller Erika, dann eine Mauer, die sich endlos in dem Anblick verlor. Ein Eingang in dem Gemäuer, der den Betrachter einlud, in dessen Dunkelheit alles zu vermuten, was er sich nur vorstellte.
> Gefällt dir das Bild! < Michelle fuhr herum, eine Schönheit in Schwarz, hoch gewachsen wie sie entfachte eine erste Kerze.
Michelle saß der Schrecken noch zu tief, zu sehr war sie in das Bild vertieft, als das sie jetzt schon Worte fand. Lady Deal sprachlos, so was gab es nie.
Rote Lippen, die Wimpern ein schwarzer Strich und dann die grünen Augen. Das Weiß darin besaß keinen Glanz, dafür eine Tiefe; in der sie , so fürchtete Michelle, hinein gezogen und zu versinken drohte. Sie streckte Arme und Hände vom Körper, hielt sich an etwas imaginären fest.
Der Vamp gesellte sich zu ihr, beide schauten sie auf das Bild. Wie aus dem Nichts erschienen zwei Gläser und eine Flasche Wein auf einem bronzenen Tablett.

> Ich heiße Vonda! < Sie schenkte ein und reichte eines der Gläser ihrem Gast. Michelle nahm einen Schritt Abstand, stellte sich dann aber ebenfalls mit Vornamen vor. Sie lobte das Können des Malers, erwähnte die dunklen Farben, > die Erika haben das burgunderrot des Weines! < Sie sah auf das samtig schimmernde Glas und nippte daran.
> Was mag wohl hinter dem Tor sein? <
> Willst du es wissen, zahl mit deinem Blut, und du wirst es erfahren! <
> Warum mein Blut? Ich habe Kapital genug, um... <
> Du willst das Bild! Ich will dein Blut! <
- Nun, es nutzt nichts-, stellte sie fest. Sie würde sich auf zähe Verhandlungen einstellen müssen, wollte sie dieses Bild haben. Und sie wollte es haben.

> Haben wir wieder mal gepatzt! <
In den letzten Tagen bemerkten Michelles Mitarbeiter vermehrt ihre aggressive Laune. Keiner wurde verschont, schon die kleinste Kleinigkeit brachte ihre Chefin hoch und diesmal war es Frank, der seinen Kopf hinhalten musste.
> Aber Michelle, Sie... <
> Wie bitte! < Frank stand vor dem voluminösen Schreibtisch, seine Arbeitgeberin schaute wie desinteressiert auf einen Monitor, und Frank wusste - wusste, das er unten durch war. Ganz unten durch.
> Frau Monnie, ich wollte mich entschuldigen. <
Brach ihm vorher schon der Schweiß aus, quälte ihn jetzt auch noch heftiger Durchfall.
> Abgelehnt, aber du hast Glück. Setz dich, ich hab einen Plan! < Frank setzte sich und hörte zu wie nie zuvor in seinem jungen Leben.

Nackt stand sie vor dem riesigen Spiegel im Flur, betrachtete ihre langen, langen Beine, die alle so sehr bewunderten. Ihre Beine gingen ebenmäßig über in einen wohl gerundeten Hintern, die Brüste waren etwas zu klein, dafür fest und straff.
Am gegenüber liegenden Ende sollte das Bild hängen, seinen Ehrenplatz bekommen. Michelle schwärmte, doch jetzt schnell, sie musste sich ankleiden. Frank sollte gleich erscheinen; hoffentlich mit einer Vollzugsmeldung. Sie wusste, dass er sie heimlich verehrte und ihr Schaffen bewunderte. Das er in den letzten Tagen einen Handel in den Sand setzte, kam ihr gerade recht.
Sie hoffte, das alles so klappte, wie sie es sich vorstellte und er gleich mit dem Bild in der Hand bei ihr erschien – Sonst fress ich dich - ; sie zuckte zusammen, solche Gedanken waren ihr bisher fremd.

> Komm herein und berichte! < Enttäuscht, aber schon vorher wissend betrachtete sie den Strauss schwarzer Lilien in Franks zitternder Hand. > Es ist alles gut, ich weiß, du hast es wirklich versucht.<
Kleinlaut trat Frank einige Schritte in die Wohnung, ein Taschentuch zierte seinen linken Unterarm. >Was ist das <, sie entfernte das Tuch, darunter kam eine rohe Bisswunde zum Vorschein.
> Sie..., sie hat es nicht angenommen. Ja, fühlte sich gar beleidigt. Aber es ist doch Blut, mein Blut. Ich glaube, sie hat mich bestraft!< Er genoss es unter Tränen, als Michelle ihn verarztete.

Frank war gegangen. Michelle platzierte die wie künstlich schimmernden Lilien in eine Vase. Insgeheim rechnete sie schon vorher damit, das der Plan nicht klappte; ein Kärtchen fiel aus dem Strauss:

„Du willst das Bild. Komm und hol es dir, du kennst den Preis. Wähle ...666. Gruß, Vonda!“

Für Michelle gab es kein halten, sie griff zornig zum Telefon.
> Michelle! < Vonda wusste ihren Namen vor dem ersten Wort.
> Wann und wo? <
> Sofort, bei mir! <

> So, du wolltest mich also übers Ohr hauen, mir das unwerte Blut deines Dieners anbieten! <
Michelle fragte, warum sie das tue, > ach Michelle <, antwortete Vonda, > es sind die zwei Arten deiner Gier, deine Habsucht und deine Neugier! Ich fand es nicht nett, das du mich für so dumm hältst, das wird dich einen Liter deines kostbaren Saftes kosten. < Zumindest bewies die Kunsthändlerin soviel Geschick beim Einrichten der Transfusion, das Michelle Vertrauen fasste; Displays blinkten, etwas schlürfte, Schläuche färbten sich dunkelrot.

Als Vonda das Licht in dem Kellerraum einschaltete, flohen Schatten aus den Regalen, die wachend über Flaschen voll samtig rot schimmernden Wein lagen.
Stoben nach allen Seiten auseinander, als wollten sie voller Panik durchs Mauerwerk.
Sie hatte ihr Blut, Michelle schlief; betäubt mit Morphium und Schlaftabletten, aufgelöst in – wie konnte es anders sein, Wein!
Vonda hatte ihren Gast umgelagert, dann zapfte sie etwas von ihrem eigenen Blut ab. Ein wenig von dem verdorbenen Keim reichte. Beides mischte sie und nun „Plopp“, würde sie das Ganze mit dem uralten Elixier des Verderbens mischen. „Plopp“, abermals hallte das Geräusch durch die verschlungenen Flure der Kellergewölbe.
Wieder war ein Zyklus beendet.
Und eine neue Generation konnte geboren werden.
Michelles Generation eben!

> Noch ein Glas Wein? < Vonda schenkte reichlich nach, füllte hier ein Glas, wechselte dort einige Worte. Crepes, Häppchen, kleine Gyrostütchen mit den dazu gehörigen verschiedenen Dipps, Brotecken und Kräuterbutter, > keine Angst vor Knoblauch! < Die Ausstellung war in vollem Gange, Michelle wachte vor ein paar Minuten auf, kam vom Bad her. Vonda log ihr was von einem schwachen Kreislauf vor.
Zum Ende des Events ging es Michelle besser, Sie und Vonda standen vor ihrem Bild, das zwischen Kerzenschein einen Ehrenplatz besaß. > Du wolltest mir sagen, was hinter dem Eingang ist. <
> Du willst es wirklich wissen. Du wirst es erfahren! <

Die Gäste beseelte der Wein mittlerweile nicht nur, sie waren betrunken und von dem infiziertem Zeug regelrecht besessen. Von wegen, das in allem Wein der Geist liegen möge, er erweckte in ihnen wilde Zeichen. Die gesamte Kundschaft benahm sich wie zu den besten Zeiten Störtebeckers, als dieser noch komplett mit Kopf seinen Mannen das große Saufen, Fressen und andere bange Annehmlichkeiten befahl.
Michelle sah all die kleinen Pflaster auf ihren Armen, > du hast sie bezahlen lassen, nicht wahr. Mit ihrem Blut! Und dann hast du ihre Gier geweckt! <
> Glaub mir, sie haben sich lange danach gesehnt! <
Beide, Vonda und Michelle beobachteten, wie die Gäste einander gegenseitig mit Essen bewarfen und laut gröhlend – „dreizehn Mann auf des toten Manns Kist, hey ho und ne Buddel voll Rum“ – sangen.
> Ich will nicht mehr! Ich will mit dem hier alles nichts mehr zu tun haben! < Michelle stürmte zum Ausgang und lief –, lief in die unendliche Dunkelheit.
Vonda lächelte wissend, > du hast schon damit zu tun, alles hast du damit zu tun <, sprach sie in das Tosen der Gäste.

Erst beim dritten Versuch traf der Schlüssel das Schloss zur Eingangstür von Michelles Wohnung. So sehr zitterte sie, und zwar nicht nur von dem erschöpfenden Lauf.
Mit einem dumpfen Knall schlug sie die Tür hinter sich zu und lehnte ihren Rücken dagegen. Wer trat vor ihre Augen, > Frank! <, der Schrecken nahm kein Ende. Ein leiser Windhauch zeigte ihr die Richtung zu einem aufgehebelten Fenster. Er sah heut nacht merkwürdig wilder, männlicher aus, sein Körper sonderbar stark behaart.

Sie sah dunkelrote Flecken auf seiner Jacke, die aus allen Nähten platzte. > Ich hab hinter das Tor geschaut, während du schliefst! <
Mit einer theatralischen Bewegung streckte er seine Hände nach ihr aus, die plötzlich grobknochig und mit langen Krallen versehen.
> Hilf mir... Mutter! Hilf... mir! <

Wieder eine Nacht, dessen voller Mond auf den Kamm zwischen Finsternis und glühendem Morgenrot zusammen mit der Vergängnis einherschreitet, um dann für ein paar Stunden in irgend einem Ozean zu versinken.
Ein einsamer Wanderer, unterwegs zum Gipfel einer Halde im Ruhrgebiet, der diese Momente so gut kannte.
Er war mal wieder bereit, einer Stadt Lebewohl zu sagen. Einen Ort, der ihn als Vonda, der Kunsthändlerin viel Spaß bereitete. Für diesen Dämon zählte nicht, ob männlich oder weiblich. Er war nicht traurig, dieses Gefühl besass er nicht. Mit „Verlassen“ kannte er sich aus, er hatte den Herrn inklusive allen guten Geistern verlassen, allen Religionen den Rücken gekehrt; er wusste genau, was hinter dem Eingang auf Michelles Bild wartete: sein Reich!

Für euch ist er Leland Gaunt, ist er Randall Flagg, ja – ist er Dr. Rabbitfoot, wie immer ihr ihn auch sehen wollt. Er kommt zu euch allen.
Allen, die auch dann noch hinter den Dingen sehen können, wenn die Nacht am schwärzesten ist, und die sich ein kindliches Gespür für die alten Geschichten und Geheimnisse bewahrt haben. Hier, zwischen der Stadt Selene und dem Lande Oz.

Im Westen, November 2002


Anmerkung: Leland Gaunt und Randall Flagg sind Figuren aus der Feder Stephen Kings.
Über Dr. Rabittfoot schrieb Peter Straub.

Abschließend möchte ich mich bei einem Mitglied der Leselupe bedanken, ohne dessen Ermunterung diese kleine Geschichte niemals zustande gekommen wäre.
 
Was man meiner Meinung nach noch verbessern könnte, wäre ein wenig mehr Tempo und Spannung, die Idee ist ansonsten sehr gut. Es liest sich halt ein wenig zäh.

Gruß,
Michael
 

bluesnote

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Mehr Tempo durch Humor

Schreibst du für Leser im Internet, fass dich kurz!
Kurze Sätze, wenig Zeilen. Sonst wirst du weggezappt
wie manche Sendung im TV.
Hastig lesen, die Gebühren drücken. Auch ich schliesse mich
da nicht aus, sitze ich ungemütlich vorm Monitor, will ich,
das mich ein Text möglichst schnell zur Auflösung führt.
Den besten Kurzweil bietet meiner Meinung nach Humor.
Deshalb kam wohl auch mein Text "Dateivampire so gut an.
An dieser Stelle möchte ich an ein Mitglied der LL verweisen.
Ich finde, Arno 1808 bringt seine Storys hervorragend rüber.
Plausible Konflikte, keine allzu verschlungenen Metaphern und in seinen Texten sind immer einige Lacher eingebaut.
Ich persönlich les seine Sachen gerne.
Was ich gerade bemerke, ich werde schon wieder ausschweifend!

An dieser Stelle grüsse ich die gesamte Leselupe und keine Fragen über das Bewertungssystem!
 
Ich kann dir bei deinen Worten nur zustimmen.

Nur ist es bei Büchern auch so, wenn der Spannungsmoment zu lange fehlt, legt man den Schinken irgendwann weg. Außer du schwimmst auf der Erfolgswelle, dann wird alles von dir lobend erwähnt.

In dieser Geschichte fehlt meiner Meinung nach der Höhepunkt, du arbeitest nicht konsequent in Richtung
Auflösung, mir hat es trotzdem gefallen, nur wäre das ein Punkt, wo du verbessern könntest. Aus meiner Sicht, das muß nicht die richtige sein. Vielleicht gibt ja noch jemand einen Kommentar ab.

Also nix für ungut.
Grüße vom Rhein,
Michael
 



 
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