Blutrache - Prolog

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Arathorn

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Es war eine klare, wolkenlose Nacht, erhellt von der schmalen Sichel des Mondes und den unzähligen Punkten der Sterne am Himmel.
Düster und riesig ragte das Haupthaus des Anwesens der Arels, einer einflussreichen, mächtigen und stolzen Familie, in den Himmel; es hatte etwas Unheilvolles an sich, das durch die Dunkelheit noch verstärkt zu werden schien. Mit Sicherheit war allein dieser Anblick im Stande, jeden etwaigen Dieb in die Flucht schlagen, bevor er auch nur einen Versuch unternommen hatte, ins Haus einzudringen.
Zumindest konnte man all das meinen, es entsprach jedoch nicht vollkommen der Realität: Eine ganze Horde dunkler, nur schemenhaft erkennbarer Gestalten näherte sich mit lauten, trampelnden Schritten der Hintertür, dazu ertönte das charakteristische Rasseln und Klappern von Metall. Die dunkle Horde gab außerdem immer wieder seltsame Laute von sich, die beinahe an ein Grunzen erinnerten.
Insgesamt veranstalteten sie einen solchen Lärm, dass sie fast nicht überhört werden konnten, doch hinter keinem der vielen Fenster leuchtete Licht auf oder regte sich etwas; alle mussten schlafen. Ein großes Glück, denn andernfalls wäre das ganze Vorhaben nicht umsetzbar gewesen. Es blieb nur zu hoffen, dass niemand im Haus zu früh aufwachte, sonst wäre alles umsonst und würde wohl oder übel mit dem Tod der gesamten Horde enden. Und das wollte selbstverständlich keiner.
Die Gestalten, fünfzehn an der Zahl, erreichten die robuste Hintertür, die sie in einem engen, zweireihigen Halbkreis umstellten. Ihr Anführer stellte sich mit dem Rücken zur Tür und wandte das Schweinsgesicht zu den Männern, denen er noch einmal kurz mit gedämpfter Stimme den an sich einfachen Plan erläuterte. Die anderen lauschten zwar gebannt und aufmerksam, und glotzten ihn dabei blöde an, scharrten aber nervös und angespannt mit den Füßen oder hantierten an den Griffen ihrer Waffen herum.
Der Sprecher selbst war nicht sehr groß und hatte kurze krumme Beine, überproportional lange Arme und schmieriges, ölig glänzendes, schwarzes Haar, das ihm in ungewaschenen und unordentlichen Zotteln über das hässliche Gesicht mit der platten, breiten Nase hing. Seine Haut hatte einen olivgrünen, fast schwarzen Farbton und war über und über mit Flecken, Narben und Schmutz übersät. Er trug ein altes, rostiges Kettenhemd, Bein- und Armschienen von derselben Qualität und einen eisernen Halbhelm mit Nasenschutz und etlichen, nur notdürftig ausgebesserten Dellen und Löchern.
In einer Rückenscheide aus altem, dunkelbraunem, schon halb verwittertem Leder steckte ein Langschwert, dessen Griff über die krumme Schulter ragte. Bei seinem zwar unbestreitbar hässlichen, jedoch äußerst muskulösen Körperbau konnte man es dem Ork gut und gerne zutrauen, dass er mit der großen, schweren Waffe einem Gegner mit einem einzigen Hieb den Kopf von den Schultern schlug. Und genau das hatte er auch vor.
Auch die restlichen vierzehn Gestalten entpuppten sich bei genauerem Hinsehen als Orks, die sich nicht großartig von ihrem Anführer unterschieden. Alle zusammen sahen sie ziemlich abgerissen und heruntergekommen aus, wie eben nur ein Haufen äußerst schlecht bezahlter, brutaler Söldner aussah. Dazu verströmten sie einen unbeschreiblichen Gestank.
»Toiak, Razuk, zu mir!«, befahl der Anführer mit seiner leicht zischenden, unangenehmen Stimme, woraufhin zwei weitere Orks nach vorn traten und ihn fragend aus ihren großen, gelblichen Augen anstierten. »Tretet die Tür ein. Und beeilt euch gefälligst.«, wies er sie an und ging einige Schritte zur Seite, um ihnen Platz zu machen.
Zuerst versucht Toiak, der Größere und Schwerere der beiden, die Tür allein mit seinem Körpergewicht einzurennen, doch das gelang ihm auch beim zweiten Versuch noch nicht, als er es mit mehr Anlauf probierte. Beide Male gab es nur ein dumpfes, lautes Geräusch, doch abgesehen davon tat sich nicht das Geringste. »Verdammt«, knurrte er und ließ die rechte Schulter kreisen, um den beißenden Schmerz daraus zu vertreiben, »Das machst du.«
Dann ging auch er zur Seite, und stattdessen trat Razuk vor, ein kleiner, eher schmächtiger Ork, der einen großen Streithammer mit wuchtigem eisernen Kopf in den Klauen hielt. Ein grausam anzuschauendes Grinsen spaltete sein hässliches, von einer langen, weißen Narbe durchzogenes Gesicht in zwei Teile, als er ausholte.
Mit voller Wucht ließ er die schwere Waffe hernieder sausen.
Beim ersten Schlag vibrierte die Tür dumpf in den Angeln und gab ein Knirschen und Knacken von sich, beim zweiten brach sie unter lautem Getöse, der dritte fegte sie vollständig weg. »Zufrieden?«, erkundigte sich Razuk beim Anführer, ohne dass das Grinsen aus seinem Gesicht verschwand. Offenkundig hatte er viel Spaß an seiner Arbeit.
Ohne auf ihn zu achten, sagte der Anführer: »Also, es geht los. Macht schnell, es ist bestimmt jemand aufgewacht von dem Lärm, wir haben also nicht viel Zeit. Macht jeden nieder, den ihr seht, und wenn sie tot sind, reißt euch alles unter die Klauen, was ihr kriegen könnt; danach verschwinden wir so schnell wie möglich wieder.«
Er zog das Langschwert und stürmte ohne zu Zögern durch die eingeschlagene Tür ins Innere des Hauses. Die anderen zückten ebenfalls ihre Waffen und stürmten hinter ihm her. Nach wenigen Sekunden waren alle im Dunkel verschwunden, und trotz des Lärms, den sie fabrizierten, schienen die Orks doch recht gut organisiert zu sein.
 



 
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