Böses Mädchen
Franka fühlte sich manchmal unter der blanken Größe der Bankentürme erniedrigt, die ihr wuchtig mitteilten, was für ein unbedeutendes Würstchen sie war. Gigantomanie aus Stahl, Beton und Glas. Zur Mittagszeit spuckten sie ihre Krawattenträger auf die Straße, die sich mit den Buissnisfuzzis aus den umliegenden Büros der Unternehmensberater und Kanzeleien mischten. Sahen alle gleich aus. Austauschbar, Männer wie Frauen. Alle mit dem beruhigenden Einverständnis ausgestattet, dass sie dieselben Klamotten am Körper trugen, die in den Edelboutiquen in den Auslagen arrangiert waren. An den Dekorationen unschwer zu erkennen, in welcher Jahreszeit man sich befand.
Franka empfand eine tiefe Abneigung gegen die simple Verlockung und gleichermaßen raffinierten Zudringlichkeit, mit der all die Angebote und Artikel sich an der Aufmerksamkeit des Konsumenten rieben und an seiner Besitzlust leckten. Von allen Seiten wurde er umworben.
Schon als Kind hasste Franka, den offen zur Schau getragenen Wohlstand, den ihre Mutter, in Form von Dessignerklamotten, an sich selbst und ihren Kindern austobte.
Regelmäßig tauschte sie, zum Kummer ihrer Mutter, mit ihren Freundinnen Massenware vom Discounter, gegen ihre Markenartikel.
Franka mochte das kleine, italienische Restaurant lieber, dass etwas abgelegen in einer Seitenstraße lag, als die Edelrestaurants auf der großen Einkaufsstraße.
Marcella, die Wirtin, servierte was sie zuvor zubereitet hatte. Eine typisch italienische Mama, mit wogendem Busen, jenseits der Menopause. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Pappkollegen, der vor der Türe stand und das Tagesmenü anpries, war ihr nicht abzusprechen.
Heute Spaghetti Vongole.
Seit Franka nicht mehr für den Escort-Sevice arbeitete, verabredete sie sich mit ihren Kunden bei Marcella, unweit der Wohnung, die sie eigens zu diesem Zweck angemietet hatte. Marcella hatte sich zur Aufgabe gemacht, mittels Daumen hoch, Daumen runter, zu bewerten, ob der potenzielle Kunde jemals einen Fuß in Frankas Wohnung setzen wird. Und Franka verließ sich auf Marcellas Urteil.
Seit geraumer Zeit saß Franka vor ihren Spaghetti, drehte sie auf die Gabel und ließ sie wieder in den Teller zurückfallen. Marcella, die das eine Weile Kopfschüttelnd beobachtet hatte, putzte ihre Hände an einem blitzsauberen Handtuch ab, das sie sich an einer, um den Bauch gebundenen Schürze geklemmt hatte. Tief Luft holend war zu befürchten, dass die Knopflöcher ihrer Bluse, dem massiven Spannungsdruck nicht lange widerstehen würden.
"Kindchen, Kindchen, du musst essen, du bist sowieso zu dünn", maßregelte sie Franka.
Kindchen, dass ich nicht lache, dachte Franka. Gestern habe ich meinen vierzigsten Geburtstag gefeiert. Gefeiert? Ha, ha, ha. Saß alleine zu Hause mit ausgeschaltetem Telefon und Handy, um für niemanden erreichbar zu sein. Grundsätzlich nicht für meine Mutter; die sich eine Tochter wünschte, die ihre, vom Elternhaus gebotenen Möglichkeiten dankbar nutzte und wenn nicht, dann wenigstens mit einem standesgemäßen Ehemann aufwarten konnte. Einem Mann in gehobener Position, der genug Geld verdiente für ein Haus im angesagten Viertel und der Mitgliedschaft in den besten Clubs der Stadt.
Mein jüngerer Bruder Magnus zeigte wie es geht. Jurastudium, Abschluss summa cum laude. Juniorpartner in der Sozietät unseres Vaters; Schwerpunkt Strafrecht. Tochter aus gutem Haus geheiratet; Sohn gezeugt, Baum gepflanzt, Haus gebaut. Mit all dem konnte ich nicht dienen.
Seit Abbruch meines Jurastudiums, bestrafte mich mein Vater mit Missachtung. Seit fünfzehn Jahren. Für ihn hatte ich aufgehört zu existieren.
Zivielrecht hatte er mir zugedacht. Ob ein Gartenzaun zu weit rechts-oder links gezogen wurde. Wann, warum, welche und wie oft Musik, als all zu laut empfunden. Hunde bellen, Hähne krähen, Kinder schreien und Glocken läuten dürfen.
Ich wollte nicht mein Leben lang im Dreck scheidungswilliger Paare herumwühlen.
Nichts menschliches würde mir verborgen bleiben, alles war möglich. Ich wollte nicht alle Abgründe kennen lernen zu denen Menschen fähig sind; um sie dann auch noch zu verteidigen.
Meine Eigenen waren mir genug.
Er ließ ein Mindestmaß an Respekt vermissen, als er sich ungefragt auf den freien Stuhl an ihrem Tisch setzte. Ohne sie zu grüßen, belegte er sie mit einem Blick, dessen Ahnentafel, Generationen von Arroganz und Herablassung der Akademiker erkennen ließ. Nicht nur sein After Shafe war ursächlich für Frankas Übelkeit. Sie konnte es als Kind schon nicht riechen.
Er erkannte sie nicht.
Franka versuchte die Spannung zu entschärfen, in dem sie sich die erkalteten Spaghetti in den Mund schob.
Und schaffte es gerade noch rechtzeitig zu Toilette, um aus dem Mund zu bekommen, was sie ihm leichtsinnigerweise zugeführt hatte.
Als sie zurückkam, war der Platz an ihrem Tisch leer. Marcella beantwortete ihren fragenden Blick mit hochgezogenen Schultern.
Auf dem Zettel, den Franka auf dem Tisch vorfand, stand, in akkurater, mit Füllfederhalter geschriebener Schrift:
"Ich möchte, dass du wieder nach Hause kommst!" Vater
Franka fühlte sich manchmal unter der blanken Größe der Bankentürme erniedrigt, die ihr wuchtig mitteilten, was für ein unbedeutendes Würstchen sie war. Gigantomanie aus Stahl, Beton und Glas. Zur Mittagszeit spuckten sie ihre Krawattenträger auf die Straße, die sich mit den Buissnisfuzzis aus den umliegenden Büros der Unternehmensberater und Kanzeleien mischten. Sahen alle gleich aus. Austauschbar, Männer wie Frauen. Alle mit dem beruhigenden Einverständnis ausgestattet, dass sie dieselben Klamotten am Körper trugen, die in den Edelboutiquen in den Auslagen arrangiert waren. An den Dekorationen unschwer zu erkennen, in welcher Jahreszeit man sich befand.
Franka empfand eine tiefe Abneigung gegen die simple Verlockung und gleichermaßen raffinierten Zudringlichkeit, mit der all die Angebote und Artikel sich an der Aufmerksamkeit des Konsumenten rieben und an seiner Besitzlust leckten. Von allen Seiten wurde er umworben.
Schon als Kind hasste Franka, den offen zur Schau getragenen Wohlstand, den ihre Mutter, in Form von Dessignerklamotten, an sich selbst und ihren Kindern austobte.
Regelmäßig tauschte sie, zum Kummer ihrer Mutter, mit ihren Freundinnen Massenware vom Discounter, gegen ihre Markenartikel.
Franka mochte das kleine, italienische Restaurant lieber, dass etwas abgelegen in einer Seitenstraße lag, als die Edelrestaurants auf der großen Einkaufsstraße.
Marcella, die Wirtin, servierte was sie zuvor zubereitet hatte. Eine typisch italienische Mama, mit wogendem Busen, jenseits der Menopause. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Pappkollegen, der vor der Türe stand und das Tagesmenü anpries, war ihr nicht abzusprechen.
Heute Spaghetti Vongole.
Seit Franka nicht mehr für den Escort-Sevice arbeitete, verabredete sie sich mit ihren Kunden bei Marcella, unweit der Wohnung, die sie eigens zu diesem Zweck angemietet hatte. Marcella hatte sich zur Aufgabe gemacht, mittels Daumen hoch, Daumen runter, zu bewerten, ob der potenzielle Kunde jemals einen Fuß in Frankas Wohnung setzen wird. Und Franka verließ sich auf Marcellas Urteil.
Seit geraumer Zeit saß Franka vor ihren Spaghetti, drehte sie auf die Gabel und ließ sie wieder in den Teller zurückfallen. Marcella, die das eine Weile Kopfschüttelnd beobachtet hatte, putzte ihre Hände an einem blitzsauberen Handtuch ab, das sie sich an einer, um den Bauch gebundenen Schürze geklemmt hatte. Tief Luft holend war zu befürchten, dass die Knopflöcher ihrer Bluse, dem massiven Spannungsdruck nicht lange widerstehen würden.
"Kindchen, Kindchen, du musst essen, du bist sowieso zu dünn", maßregelte sie Franka.
Kindchen, dass ich nicht lache, dachte Franka. Gestern habe ich meinen vierzigsten Geburtstag gefeiert. Gefeiert? Ha, ha, ha. Saß alleine zu Hause mit ausgeschaltetem Telefon und Handy, um für niemanden erreichbar zu sein. Grundsätzlich nicht für meine Mutter; die sich eine Tochter wünschte, die ihre, vom Elternhaus gebotenen Möglichkeiten dankbar nutzte und wenn nicht, dann wenigstens mit einem standesgemäßen Ehemann aufwarten konnte. Einem Mann in gehobener Position, der genug Geld verdiente für ein Haus im angesagten Viertel und der Mitgliedschaft in den besten Clubs der Stadt.
Mein jüngerer Bruder Magnus zeigte wie es geht. Jurastudium, Abschluss summa cum laude. Juniorpartner in der Sozietät unseres Vaters; Schwerpunkt Strafrecht. Tochter aus gutem Haus geheiratet; Sohn gezeugt, Baum gepflanzt, Haus gebaut. Mit all dem konnte ich nicht dienen.
Seit Abbruch meines Jurastudiums, bestrafte mich mein Vater mit Missachtung. Seit fünfzehn Jahren. Für ihn hatte ich aufgehört zu existieren.
Zivielrecht hatte er mir zugedacht. Ob ein Gartenzaun zu weit rechts-oder links gezogen wurde. Wann, warum, welche und wie oft Musik, als all zu laut empfunden. Hunde bellen, Hähne krähen, Kinder schreien und Glocken läuten dürfen.
Ich wollte nicht mein Leben lang im Dreck scheidungswilliger Paare herumwühlen.
Nichts menschliches würde mir verborgen bleiben, alles war möglich. Ich wollte nicht alle Abgründe kennen lernen zu denen Menschen fähig sind; um sie dann auch noch zu verteidigen.
Meine Eigenen waren mir genug.
Er ließ ein Mindestmaß an Respekt vermissen, als er sich ungefragt auf den freien Stuhl an ihrem Tisch setzte. Ohne sie zu grüßen, belegte er sie mit einem Blick, dessen Ahnentafel, Generationen von Arroganz und Herablassung der Akademiker erkennen ließ. Nicht nur sein After Shafe war ursächlich für Frankas Übelkeit. Sie konnte es als Kind schon nicht riechen.
Er erkannte sie nicht.
Franka versuchte die Spannung zu entschärfen, in dem sie sich die erkalteten Spaghetti in den Mund schob.
Und schaffte es gerade noch rechtzeitig zu Toilette, um aus dem Mund zu bekommen, was sie ihm leichtsinnigerweise zugeführt hatte.
Als sie zurückkam, war der Platz an ihrem Tisch leer. Marcella beantwortete ihren fragenden Blick mit hochgezogenen Schultern.
Auf dem Zettel, den Franka auf dem Tisch vorfand, stand, in akkurater, mit Füllfederhalter geschriebener Schrift:
"Ich möchte, dass du wieder nach Hause kommst!" Vater