Caramel

Caramel




"Ja gut, machen wir's so, bis später - Ciao!", Tina legt zufrieden das Telefon neben sich auf die Couch. Und um diesen unerwartet frohen Moment, dessen Frohsinn genau genommen eigentlich nur von einer künstlichen Zufriedenheit genährt wird, trotzdem so richtig zu genießen, beschließt sie sich so schnell wie möglich eine Zigarette anzuzünden. Rein zur Entspannung und in Anbetracht der Umstände, sogar völlig ohne schlechtes Gewissen. Jetzt ist es eh noch wurscht...
Ja, eine feine JPS Black, eine Gute von der Marke ihrer Wahl.
...wäre jetzt einfach voll herrlich!
Hektisch beginnen ihre moccabraunen Augen damit, umherzuwandern und halten Ausschau nach dem ersehnten schwarzen Päckchen. Auf dem Beistelltisch, neben dem Fernseher - dort auf dem Sofa, wo sie gerade ihre Handtasche entdecken. Ah, genau - da werd ich sie haben!; ein scheinbarer Triumph für Tina.
Mühelos gleitet sie prompt und ausgesprochen geschmeidig, ja fast schon elfenhaft über den glattgewetzten Raulederbezug rüber zum anderen Sofaende, zur Tasche und lässt ihre feingliedrige Hand blitzartig hineinschnellen. Ah, lässig, da sind sie ja- uff - so jetzt nur noch ein Feuerzeug...
Ein weiterer schneller Griff in die Tasche bleibt leider ohne den erhofften Erfolg. Ma, so eine Scheiße...
Leicht verärgert zieht Tina ihre Hand zurück und wirkt auf einmal überhaupt nicht mehr entspannt. Daraufhin erkennt sie zu ihrem Unmut auch noch, dass dieser Wunsch nach einer Zigarette sie wohl bald dazu zwingen wird, aufzustehen. Auf dem Sofa ist nämlich bestimmt weit und breit kein Feuerzeug, bemerkt sie; auch nicht in der großen Ritze entlang der Rückenlehne. Da sucht sie gerade höchst verzweifelt. Ach, ich will ja jetzt nicht aufstehen - verdammt! Ich will einfach gemütlich meine Zigarette rauchen!
Nach diesem internen Statement, steht Tina nun doch auf und weitet diese ungewollte Suche auf das gesamte Wohnzimmer aus. Mei wie stressig...
Und schon ein paar Minuten später ist von der eben noch vorhandenen (künstlichen) Zufriedenheit schon fast nichts mehr übrig. Tina, in deren Mundwinkeln schon, sozusagen startklar, die von ihr so begehrte Zigarette baumelt, ist nämlich noch immer nicht fündig geworden. Ach - das gibt´s ja nicht...
Bevor sie jedoch völlig die Beherrschung verliert und laut zu fluchen beginnt, hat sie unvermittelt Mukke`s (Spitzname ihres Freundes) schäbiges Benzinfeuerzeug vor ihrem inneren Auge. Etwas das sie normalerweise verdrängt. Denn: Sie mag es irgendwie nicht. Das quietscht immer so ungut wenn man es öffnet und das anschließende Klicken klingt nach einem lahmen Frosch (irgendwie), findet Tina. Das hätte er schon längst mal irgendwo entsorgen können - oder SIE hätte es entsorgen können. Doch das hat sie bis heute, so bedauerlich es auch sein mag, noch nicht fertig gebracht. Schließlich ist sie ja kein Arschloch, denn das Teil ist ihrem Freund immerhin wichtig. Sehr wichtig (Warum auch immer?). Zuhause, also hier in der Wohnung, benutzt er es beinahe ausschließlich. Selbst wenn er es auch die meiste Zeit in dem von ihm veranstalteten Chaos gar nicht finden kann!
Und so verwundert es nicht, dass er es nur selten irgendwohin mitnimmt - höchstens zu ganz besonderen Anlässen, auf keinen Fall will er riskieren, es irgendwo "anzubauen". Dieses räudige alte rostige, nervig quietschende Teil! Wo ist es?
Eilig stapft Tina in die Küche, öffnet alle Schubladen, schiebt anschließend einen Stuhl vor den Kühlschrank, steigt hinauf und sieht, dass dort oben auch kein Feuerzeug liegt. Dann denkt sie an das Schuhkästchen im Vorraum.
Warum nicht gleich so - Mädl...
Schnell tragen sie ihre Beine raus in den Vorraum und ihre rechte Hand streift im Blindflug über die Oberseite des "Kästchens", freudig zitternd. Siegessicher - aber auch für nichts...
Jetzt krieg ich aber langsam einen Schleim! Arghh -meistens legt er es ja hier aufs Kastl rauf. Mist...
Tina beginnt sich nun so richtig zu ärgern - trotz der Aussicht auf einen netten Feierabend in einer neu eröffneten Bar am anderen Stadtrand. Warum nur hat dieser Kerl nur die Angewohnheit, immer alle Feuerzeuge mitzunehmen, wenn er's mal packt seinen bequemen Hintern hochzukriegen und einmal raus zu gehen (außer zum Graskaufen).Und heute muss er auch noch sein dämliches Zippo mitnehmen! Ist es denn so besonders, bei seinem Bruder vor dem Lapi zu kauern? Verdammt! Das lässt er ja normal liegen...
Voll innerer Anspannung schnappt sie sich ihr Smartphone von der Couch und tippt auf das entsprechende Schellwahlsymbol. Mukke`s Handy wird sofort angepeilt und beginnt zu klingeln...
Das Telefonat:
Mukke: "Ja - hi! Du kann ich dich später zurückrufen, muss nur schnell diesen Absatz fertig schreiben - bin grad voll drinn!"
Tina: "Hey nein, warte mal..."
Mukke: "Ähm ja?"
Tina: "Ich will grad eine rauchen - und rate mal ..."
Mukke: " Hey, du sollst ja nicht mehr rauchen!"
Tina:" Ach komm, ist ja nicht mal fix!"
Mukke:" Aber...!"
Tina:" Nix aber! Fakt ist ja, dass du schon wieder..."
Mukke: "Mei ja - Tschuldigung..."
Tina: " Na klar, das sagst immer - Du, und außerdem: Is es wirklich so schwer auch mal an andere zu denken? Wenigstens bei ein paar Sachen, hm?"
Mukke: "Ähm..."
Tina: "Jetzt hock ich wieder mal alleine hier und kann keine rauchen - super, danke!"
Mukke: "Ähm, vielleicht is ja ein Feuerzeug in meiner grünen Jacke. Hängt auf der Seite vom Schukastl! Oder..."
Tina: "Naja, is eigentlich eh wurscht - schau ich dann mal. Ansonsten bin ich eh bald dahin!"
Mukke:" Was dahin? Was machst denn?"
Tina: "Ach, geh nur mit Kathi was Trinken! "
Mukke: " Was? Alkoh...? Ähm cool! Tja dann..."
Tina: "Jaaaa?!
Mukke: " Ähm, nix..."
Tina: " A ja -seufz- Und, geht wenigstens was weiter bei deiner Schreiberei?"
Mukke: " Ähm - grad nicht so viel! Aber sonst - Du, ähm ich..."
Tina: " Na komm, wollt ja nur wissen wo ein Feuer ist, eigentlich! Und auch, naja ob´s was bringt, wennst dich 3 Tage bei deim Bruder verkriechst bei dieser Sachlage! Muss schon was ..."
Mukke: " Du ja, ähm - meld ich mich später nochmal! Schau in der grünen Jacke nach! Und. Bussi..."
Tina: " Hey Tobias, wart mal kurz...
Tobias: " Ach - ja, was brauchst du noch?"
Tina: "Hab dich lieb und schreib was Lässiges! Vielleicht gwinnst ja!"
Tobias: " Ma, hab dich auch lieb - und passt mach ich - Bussi..."
Tina : "..."
Bevor Tina noch was darauf sagen kann, hat Mukke schon aufgelegt und widmet sich wieder seinem "Tagesgeschäft". Ein kurzer Moment der Stille folgt. Dann nimmt Tina das Telefon vom Ohr und blickt es für eine Zeit lang fragend und mit ernster Miene an, bevor sie es zurück auf das Sofa legt. Und nur ganz langsam lockert sich anschließend ihr fast schon zärtlicher Griff von dessen "kunststofflichen" Oberfläche. Tina steht bedachtsam auf und geht abermals rüber zum "Schuhkastl". Tatsächlich!
Diesmal hat sie Glück. In der abgeschundenen Außentasche von Mukke's schäbiger grüner (im Prinzip gestohlenen) Bundesheerjacke, befindet sich ein blaues Plastikfeuerzeug. Phoa...
Endlich ist Tina nun dazu befähigt, sich ihre mittlerweile so redlich verdiente 1te Zigarette dieses Tages anzuzünden. (Wieder künstlich) zufrieden lässt Tina das Feuerzeug aufblitzen und die rote Glut der Zigarette kündigt an was heute noch geschehen wird...


"Caramel? Also mir gefällt der Name schon gut!"
"Naja, ich find ihn schon a bisl einfallslos, eigentlich...", antwortet Tina gelangweilt und wirft ihrer Freundin einen ebensolchen Blick zu.
"Hab mir das schon a bisl fetziger vorgestellt, das hier, Kathi!"
"Ach komm, das wird schon noch lustig, Tini! Wirst sehn, bald kommen schon noch ein paar mehr Leute! Vielleicht auch ein paar fesche Typen!", meint Kathi lakonisch. Doch Tina schüttelt abweisend ihre Schultern und nimmt einen kräftigen Schluck aus ihrem bis dato noch vollen Bierkrug.
Na sicher, das ist genau das, was ich jetzt brauchen kann. Irgend einen Typen! Will nur a bisl feiern - jetzt wo ich's noch "darf"...
Doch zum Feiern braucht man ja die richtige Stimmung und die will irgendwie nicht aufkommen, findet Tina. Das sich das bald ändern wird, daran mag sie im Augenblick noch nicht so recht glauben. Ein flüchtiger Blick zur Theke bestärkt sie in dieser Überzeugung.
"Na komm, so wenig wie jetzt los ist! Außerdem interessieren mich Typen echt nicht Kathi, hab ja Tobias! Hätt nur gern ein bisschen mehr Stimmung in der Bude!", nach diesem Satz schnappt sich Tina ihren inzwischen nur mehr halbvollen Bierkrug und nimmt einen weiteren ausgiebigen Schluck. Während dieser Aktion wird sie von Kathi genauestens beobachtet.
"Ah, ja! Hey, genau! Wenn wir grad über den Namen der Bar gredet haben...!
Tina läuft es eiskalt den Rücken runter.
"Muss dich eh noch was fragen!", eine ihrer Augenbrauen schiebt sich verschwörerisch nach oben: "Die Dodi hat mir was gsagt über dich..."
"So, was ...", Tina verschluckt sich beinahe, was Kathi recht aufmerksam mitverfolgt. Tinas plötzliche und sichtbare Nervosität scheint ihr zu gefallen.
"Na...", eine kurze Pause folgt: "...dass du glaubst, dass du schwanger bist!"
Diese ausgesprochen "diskreten" Worte lassen Tina unvermittelt zusammenzucken - sie reflexartig nach Luft ringen. Und in den blassblauen Wolfsaugen ihrer besonders "netten" Gesprächspartnerin spiegelt sich die Idee eines kleinen Triumphes wider.
"Stimmt das echt?", ihre roten Lippen spitzen sich lästerhaft, während Kathi voll Genugtuung eine Zigarette aus ihrem Päckchen zieht. Tina schaut sie sehnsüchtig an - die Zigarette.
"Also, ich...", Tinas Stimme vollzieht einen (oder gleich mehrere?) Oktavenspru(ü)ng(e) nach oben, während das I von "ich" beinahe schon ein zweigestrichenes C erreicht. Erschrocken darüber fasst sie sich ihren Bierkrug und leert den geringen Rest in sich hinein. In ihrer Magengrube rumort es kurz - so als ob der hektisch hinuntergespülte letzte Schluck Bier, Tina's "Vielleicht-Bald-Baby" nicht so recht bekommen würde. Sie verdrängt diese Empfindung schleunigst und sucht aufgebracht nach den passenden Worten um diesem ungewollten Gesprächsthema den Nährboden zu entziehen. Ach Mist! Genau das wollt ich eben heute nicht - sowas...
"Tina! Ich höre...", Kathi klingt leicht genervt, zumindest versucht sie so zu klingen. Und Tina beginnt sich schon zu fragen, warum sie sich heute eigentlich mit diesem heimtückischen Mistvieh namens Katharina Rotstein überhaupt getroffen hat.
Sie atmet durch - bemüht sich darum abgeklärt zu klingen, aber diese Fassade hat schon gebröckelt bevor sie überhaupt hochgezogen war - und ihre vibrierenden Fingerspitzen verraten sie erneut, wie Kathi natürlich ebenfalls nicht übersieht - und sie ahnt (sieht) es, Tina ist nicht zufrieden mit dieser Situation. Ist ja auch kein Wunder - bei dem Vater! >Vater?< Eine Frage die für Kathi viele Antwortmöglichkeiten hat, aber letztlich auch noch mehr weitere Fragen aufwirft . >Ist Tobias womöglich gar nicht der Vater...<, geht ihr gerade durch den Kopf. >...weiß er gar nichts von der Sache?< Kathi kann sich das bei Tina nur allzugut vorstellen - obwohl...
"Kann schon sein!", entfährt es Tina, die ihre Stimme noch immer nicht so recht unter Kontrolle hat. Unvermittelt schreckt Kathi aus ihren umtriebigen Gedankenspielen hoch. "Jaaaaaa!?", sagt sie ganz langsam und behutsam - sorgfältigst darauf achtend, den Bogen nicht zu überspannen. Sie empfindet Tina's Nervenkostüm heute nicht mehr als allzu robust. Also hütet sie sich davor, dieses lustige Spielchen durch eine unbedachte Äußerung zu gefährden. Gelassen nimmt sie eine ausgiebigen Zug von ihrer Zigarette und bläst den Rauch in Tinas Richtung.
>Könnte zu massiver Aufregung führen. Wäre ja schließlich nicht gut für das zukünftige Kind, wenn sich die liebe Mama noch ein paar Gläser mehr auf die schnelle Art in die Birne knallt, außerdem erfahr ich so ja nichts...<, ergänzt Kathi im Gedanken.
"Ich habe einen positiven Test."
"Also schwanger! Glückwunsch!", fast schon wie aus einem schlechten Film erscheint für Tina die zu diesen Worten aufgesetzte "Ach mei!" -Maske auf dem Gesicht ihrer "Freundin". Sie gerät unvermittelt in Rage...
"Glückwunsch!?!", faucht sie ihre "Freundin" an. Den Rest des Satzes denk sie sich (leider) nur.
Glückwunsch, GLÜCKWUNSCH, Gratuliere Tina - jawohl! Endlich kriegt ihr euer so lange erhofftes Baby. So eine Scheiße...
"Dafür trinkst du aber schon a bisl arg!", sagt Kathi um diese kurze Pause, während Tina offensichtlich etwas um ihre Fassung ringt, zu nutzen - aus defensiver Überlegung heraus, nur um nicht verbal niedergemäht zu werden. >Schwangere können ja...<
Dann merkt sie aber gleich, dass das keine wirklich passende Bemerkung war.
Denn bevor Kathi diese blöde Aussage bedauern kann, erntet sie einen kurzen stechenden Blick und gerät jetzt wirklich in die Defensive.
"...das ist jetzt nicht dein Ernst! Oder Kathi?"
"Nunja, also..."
"Komm schon Kathi - du bist aber genau nicht so jemand!"
Blitzschnell wechselt Kathi ihre voreilig offensive Strategie und setzt sich, aus Tinas Sicht, die nächste schnulzige Maske auf.
"Ach Tini! Willst wohl noch nicht Mama werden - hm?", die Anteilnahme in Kathi's Gesicht wirkt gar nicht mal so unecht auf Tina. Natürlich trotzdem, sieht sie den Wolf hinter der Maske. Einen im sprichwörtlichen Schafspelz, einen der sich gerade nach vorne lehnt und seine stahlblauen Augen ganz nah an sie heranführt. Diese Augen funkeln kurz auf und eine Woge der Kälte entströmen deren klaren aber emotionslosem Blick.
Die hat ja noch nicht genug! Mei - warum hab ich mich nur nicht mit der Dodi getroffen... Dennoch gelingt es Kathis Mund auf irgendeine unerdenkliche Art, ein warmes Lächeln herbeizuzaubern und dadurch dafür zu sorgen, dass Tina trotz einer nunmehr schon extremen Gesprächsabneigung nicht einfach aufsteht und geht, sondern weiter spricht.
"Weiß nicht!", sagt sie wieder etwas ruhiger.
"Warum weißt du das nicht? So was spürt man ja - ob die richtige ..."
"Nein, eben nicht! Ich spür gar nichts!", Tina wird wieder lauter und greift hektisch in die Handtasche.
"Ist nämlich noch nicht fix! Und solange ich nicht beim Frauenarzt war, bin ich auch nicht schwanger!", wie zum Protest, bringt Tina's Hand eine schwarze Packung zum Vorschein und beinahe zeitgleich greift die andere Hand nach dem blauen Feuerzeug auf dem Tisch und zündet für Tina ihre Zigarette an. Dessen gelbe Flamme blitzt für sie somit schon das zweite Mal an diesem Tag auf. Gierig nimmt sie einen kräftigen Zug und greift nach dem leeren Bierglas - kurz herrscht ein Waffenstillstand...
Jetzt hol ich mir aber noch ein Bier, bevor...
"Rauchen und Trinken! Wie passt das eigentlich zu deiner Situation?"
Mei! Regt mich dieses blöde Weib vielleicht auf, das gibts ja nicht - es reicht jetzt aber langsam...
"Kann dir ja wurscht sein!", ätzt Tina, die ihre Hände schon abwehrend vor ihrem Brustkorb verschränkt hat und saugt unter einem arg abwertenden Blick ihrer "Lieblingsfreundin" noch mehr von diesem köstlichen Rauch in ihre sehnsüchtige Lunge. Dann bemüht sie sich darum, sich so schnell als möglich aus dieser unangenehmen Situation davonzustehlen.
"Ich werd dann noch was zum Trinken holen, Kathi! Brauchst du auch noch was? Ein Bier?", aber ihre verbale Fluchtvorbereitung misslingt. Kathi setzt schon wieder dazu an sich etwas von der Seele zu reden.
"Hey jetzt wart mal Tini! Wo liegt denn das Problem? Bist ja eh schon 27 und eine gute Arbeit hast ja auch! Oder ..."
"Merkst du das nicht? Ich will jetzt wirklich nicht darüber reden!", brüllt Tina schon fast, und das obwohl es ja insgeheim dann doch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Sie will ja nur mit Kathi nicht über diesen "Mist" reden. Sie wollte ja eigentlich überhaupt nicht reden - halt heute nicht. Aber reden darüber, will und muss sie schon (eh schon bald). Am liebsten natürlich mit Tobias - aber der...
Mit dem kann ich ja auch nicht richtig darüber reden. Der packts ja selber nicht...
Und während Tina sich aufgrund einer weiteren kurzen Konversationslücke fragt, was ihr Freund wohl gerade macht, zieht sich auch schon die nächste Ungeheuerlichkeit durch Kathis Sprechapparat.
"Na arg! Hey sag, ist das Kind etwa gar nicht vom Tob..., ähm "Mukke?"
Jetzt spinnt sie aber schon ein bisl...
"Hey Kathi...", Tina dreht die Augen über:"...ich bin ja nicht du! Und wenn ich schwanger bin dann..."
Kathi reagiert abermals theatralisch, findet Tina. Auf groteske Art verzieht Kathi ihr hübsch gepudertes Gesicht und rümpft die Nase - wie eine feine Dame die man derb beleidigt hat.
"Ach - uch! Nein, also sowas...", eh schon klar Kathi.
"Passt schon! Alles klar! Werdet's dann auch heiraten?", versucht sich Kathi zurückzukämpfen.
"Mensch! Wo lebst du? Man heiratet ja nicht gleich!"
"Aber zusammen bleiben werdets schon? Aber ich find nämlich..."
"Ich weiß schon was du denkst Kathi! Wir passen nicht zusammen und er hat keine gscheite Arbeit - auch kein Geld, eigentlich nichts - außer ein scheiß Zippo - aber ich lieb ihn und...", Tina nimmt einen weiteren kräftigen Zug von ihrer Zigarette.
"...ich will jetzt nicht darüber reden!"
" Und wie wirds heißen?"
"Argh! Na sicher nicht Caramel, Kathi - echt! Ich geh jetzt was zum Trinken holen!", Tina nimmt einen eiligen letzten Zug von ihrer Zigarette und drückt den Rest im Aschenbecher aus. Diese Frau raubt ihr noch den allerletzten Rest ihrer Vernunft, befürchtet Tina.
Nichts wie weg jetzt! So eine Kuh...
"Also Kathi! Noch ein Bier?"
"Ähm - Ja, doch..."


So ein freakiges Mistvieh! Echt...
Tausend wirre Gedanken streifen durch Tinas Kopf, dessen Innenleben einem überfüllten Autobus gleicht. So hat sie sich diesen Abend aber sicher nicht vorgestellt.
Ich wollt ja nur mal wieder raus! Echt - aber der Tobias...
Sie ahnt natürlich, dass sie selbst Schuld ist, an dessen Verlauf. Ist ja auch kein Wunder bei der Begleitung. Unter normalen Umständen hätte sie jemand anderen getroffen. Dodi zum Beispiel, aber eigentlich wollte sie heute ja nicht reden, sondern feiern - was mit Kathi im Prinzip ja immer recht lustig werden kann. Nur hat Tina ja nicht ahnen können, dass Kathi schon weiß, was los ist (sein könnte). So muss sie sich auch heute mit diesem, für sie, leidigen Thema auseinandersetzten. Mist auch...
Sehnsüchtig fixieren ihre Augen die Bar am hinteren Ende des Lokals, gegenüber einer kleinen, fast schon grotesk wirkenden Tanzfläche. Ihre Schritte beschleunigen sich zusehens - ein weiteres Bier ist bald in ihrer Rechweite.
Hab ich eigentlich was falsch gemacht? Scheiße! Jetzt bin ich auch noch schwanger von dem Hirschen...
Als sie die Bar schließlich erreicht hat, trifft ihr Blick direkt auf eine wirklich extrem tussige Blonde. Fast schon obszön hängt eine Zigarette zwischen ihren Lippen. Sie scheint etwas zu suchen.
Ein Feuerzeug! Na Tusschen, brauchst du ein Feuerchen?
Als sich Tina mit schnellen Schritten nähert, zieht die "Klischeeblondine" erwartungsvoll ihre Augenbrauen nach oben und setzt ein verhaltenes, total falsches Lächeln auf.
Das kenn ich ja von irgendwoher...
"Hey du! Hast du vielleicht ein Feuer für mich?"
"Nein - leider nicht!", wehrt Tina diese Bitte genüsslich ab und sucht Blickkontakt mit dem aufmerksamen Typen hinter der Bar.
Und das Lächeln im Gesicht der Blonden ist wie weggewischt. Schnell wendet auch sie ihren Blick ab und verzieht ihren ( wie Tina im Augenwinkel sehen kann ) extrem geschmacklos gefärbten Lippen nach unten. Bäää! Ich krieg kein Feuerchen! Oje - und so ein grässlicher Lippenstift!
"Was darfs denn sein?"
"Ähm - 2 große Bier, bitte!"
"Kommt sofort!"
Ein Auge hat Tina immer bei der Blonden, während sie mit dem anderen zuschaut, wie der Kellner das Bier zapft.
Vielleicht sollte ich mir jetzt einfach auch eine holen gehen! Pha - ist die blöd! Warum fragt sie nicht den Kellner nach einem Feuer.
"Ach, da ist eh das eine...", triumphiert die unsympathische Blonde plötzlich - exakt während Tina gerade zwei "große Bier" in Empfang nimmt..
Ach nein! Schade...
" 5 Euro 20!", sagt der fesche Typ hinter dem Zapfhahn und Tina entfährt ein scheues Lächeln.
"Da bitte sehr!", Tina drückt dem Typen das schon vorbereitete Geld in die Hand und verabschiedet sich innerlich von all ihrer aufgestauten Anspannung, während sie sich einen kräftigen Schluck von ihrem Bier gönnt.
Ahhh! So jetzt mag ich aber nicht so schnell zurück zu der Irren! Ist das ein schräger Abend! Und schwanger soll ich auch noch sein. Oder ich bins! Und ich rauche und trinke - aber nur bis zum Frauenarzttermin. Oder? Nein, vielleicht bin ich ja doch nicht schwanger - ach, aber egal! Das wird schon irgendwie gehen und das mitn Tobias auch..
Diesen relativ zuversichtlichen Gedanken wird jedoch ein jähes Ende bereitet.
-QUIETSCH & KLICK-
Tina schreckt auf! Dieses Geräusch...
Ihre Augen fixieren augenblicklich das Objekt, welches dieses Geräusch produziert hat. Dieses unsägliche Geräusch.
Völlig erstarrt sieht Tina DAS Zippo in den sorgfältig lackierten Fingern dieser blonden "Tussie". Das Feuer brennt und die Glut der Zigarette brennt alles nieder, was irgendwie mit Hoffnung zu tun hat. Als sie sich erschrocken abwendet und sich gleichzeitig verzweifelt einredet, dass das nicht DAS Zippo ist, nähert sich dessen Besitzer von hinten (vom Klo kommend).
"Hey Schnecke! Bin wieder da!"
Tobias!!!
Fast tödlich verwundet dreht Tina sich wieder herum und sieht in das sich aufhellende Gesicht der Blonden - diese beginnt zu lächeln.
Dann sieht sie in sein Gesicht und er lächelt ebenfalls - kurz...
 
Caramel




"Ja gut, machen wir's so, bis später - Ciao!", Tina legt zufrieden das Telefon neben sich auf die Couch. Und um diesen unerwartet frohen Moment, dessen Frohsinn genau genommen eigentlich nur von einer künstlichen Zufriedenheit genährt wird, trotzdem so richtig zu genießen, beschließt sie sich so schnell wie möglich eine Zigarette anzuzünden. Rein zur Entspannung und in Anbetracht der Umstände, sogar völlig ohne schlechtes Gewissen. Jetzt ist es eh noch wurscht...
Ja, eine feine JPS Black, eine Gute von der Marke ihrer Wahl.
...wäre jetzt einfach voll herrlich!
Hektisch beginnen ihre moccabraunen Augen damit, umherzuwandern und halten Ausschau nach dem ersehnten schwarzen Päckchen. Auf dem Beistelltisch, neben dem Fernseher - dort auf dem Sofa, wo sie gerade ihre Handtasche entdecken. Ah, genau - da werd ich sie haben!; ein scheinbarer Triumph für Tina.
Mühelos gleitet sie prompt und ausgesprochen geschmeidig, ja fast schon elfenhaft über den glattgewetzten Raulederbezug rüber zum anderen Sofaende, zur Tasche und lässt ihre feingliedrige Hand blitzartig hineinschnellen. Ah, lässig, da sind sie ja- uff - so jetzt nur noch ein Feuerzeug...
Ein weiterer schneller Griff in die Tasche bleibt leider ohne den erhofften Erfolg. Ma, so eine Scheiße...
Leicht verärgert zieht Tina ihre Hand zurück und wirkt auf einmal überhaupt nicht mehr entspannt. Daraufhin erkennt sie zu ihrem Unmut auch noch, dass dieser Wunsch nach einer Zigarette sie wohl bald dazu zwingen wird, aufzustehen. Auf dem Sofa ist nämlich bestimmt weit und breit kein Feuerzeug, bemerkt sie; auch nicht in der großen Ritze entlang der Rückenlehne. Da sucht sie gerade höchst verzweifelt. Ach, ich will ja jetzt nicht aufstehen - verdammt! Ich will einfach gemütlich meine Zigarette rauchen!
Nach diesem internen Statement, steht Tina nun doch auf und weitet diese ungewollte Suche auf das gesamte Wohnzimmer aus. Mei wie stressig...
Und schon ein paar Minuten später ist von der eben noch vorhandenen (künstlichen) Zufriedenheit schon fast nichts mehr übrig. Tina, in deren Mundwinkeln schon, sozusagen startklar, die von ihr so begehrte Zigarette baumelt, ist nämlich noch immer nicht fündig geworden. Ach - das gibt´s ja nicht...
Bevor sie jedoch völlig die Beherrschung verliert und laut zu fluchen beginnt, hat sie unvermittelt Mukke`s (Spitzname ihres Freundes) schäbiges Benzinfeuerzeug vor ihrem inneren Auge. Etwas das sie normalerweise verdrängt. Denn: Sie mag es irgendwie nicht. Das quietscht immer so ungut wenn man es öffnet und das anschließende Klicken klingt nach einem lahmen Frosch (irgendwie), findet Tina. Das hätte er schon längst mal irgendwo entsorgen können - oder SIE hätte es entsorgen können. Doch das hat sie bis heute, so bedauerlich es auch sein mag, noch nicht fertig gebracht. Schließlich ist sie ja kein Arschloch, denn das Teil ist ihrem Freund immerhin wichtig. Sehr wichtig (Warum auch immer?). Zuhause, also hier in der Wohnung, benutzt er es beinahe ausschließlich. Selbst wenn er es auch die meiste Zeit in dem von ihm veranstalteten Chaos gar nicht finden kann!
Und so verwundert es nicht, dass er es nur selten irgendwohin mitnimmt - höchstens zu ganz besonderen Anlässen, auf keinen Fall will er riskieren, es irgendwo "anzubauen". Dieses räudige alte rostige, nervig quietschende Teil! Wo ist es?
Eilig stapft Tina in die Küche, öffnet alle Schubladen, schiebt anschließend einen Stuhl vor den Kühlschrank, steigt hinauf und sieht, dass dort oben auch kein Feuerzeug liegt. Dann denkt sie an das Schuhkästchen im Vorraum.
Warum nicht gleich so - Mädl...
Schnell tragen sie ihre Beine raus in den Vorraum und ihre rechte Hand streift im Blindflug über die Oberseite des "Kästchens", freudig zitternd. Siegessicher - aber auch für nichts...
Jetzt krieg ich aber langsam einen Schleim! Arghh -meistens legt er es ja hier aufs Kastl rauf. Mist...
Tina beginnt sich nun so richtig zu ärgern - trotz der Aussicht auf einen netten Feierabend in einer neu eröffneten Bar am anderen Stadtrand. Warum nur hat dieser Kerl nur die Angewohnheit, immer alle Feuerzeuge mitzunehmen, wenn er's mal packt seinen bequemen Hintern hochzukriegen und einmal raus zu gehen (außer zum Graskaufen).Und heute muss er auch noch sein dämliches Zippo mitnehmen! Ist es denn so besonders, bei seinem Bruder vor dem Lapi zu kauern? Verdammt! Das lässt er ja normal liegen...
Voll innerer Anspannung schnappt sie sich ihr Smartphone von der Couch und tippt auf das entsprechende Schellwahlsymbol. Mukke`s Handy wird sofort angepeilt und beginnt zu klingeln...
Das Telefonat:
Mukke: "Ja - hi! Du kann ich dich später zurückrufen, muss nur schnell diesen Absatz fertig schreiben - bin grad voll drinn!"
Tina: "Hey nein, warte mal..."
Mukke: "Ähm ja?"
Tina: "Ich will grad eine rauchen - und rate mal ..."
Mukke: " Hey, du sollst ja nicht mehr rauchen!"
Tina:" Ach komm, ist ja nicht mal fix!"
Mukke:" Aber...!"
Tina:" Nix aber! Fakt ist ja, dass du schon wieder..."
Mukke: "Mei ja - Tschuldigung..."
Tina: " Na klar, das sagst immer - Du, und außerdem: Is es wirklich so schwer auch mal an andere zu denken? Wenigstens bei ein paar Sachen, hm?"
Mukke: "Ähm..."
Tina: "Jetzt hock ich wieder mal alleine hier und kann keine rauchen - super, danke!"
Mukke: "Ähm, vielleicht is ja ein Feuerzeug in meiner grünen Jacke. Hängt auf der Seite vom Schukastl! Oder..."
Tina: "Naja, is eigentlich eh wurscht - schau ich dann mal. Ansonsten bin ich eh bald dahin!"
Mukke:" Was dahin? Was machst denn?"
Tina: "Ach, geh nur mit Kathi was Trinken! "
Mukke: " Was? Alkoh...? Ähm cool! Tja dann..."
Tina: "Jaaaa?!
Mukke: " Ähm, nix..."
Tina: " A ja -seufz- Und, geht wenigstens was weiter bei deiner Schreiberei?"
Mukke: " Ähm - grad nicht so viel! Aber sonst - Du, ähm ich..."
Tina: " Na komm, wollt ja nur wissen wo ein Feuer ist, eigentlich! Und auch, naja ob´s was bringt, wennst dich 3 Tage bei deim Bruder verkriechst bei dieser Sachlage! Muss schon was ..."
Mukke: " Du ja, ähm - meld ich mich später nochmal! Schau in der grünen Jacke nach! Und. Bussi..."
Tina: " Hey Tobias, wart mal kurz...
Tobias: " Ach - ja, was brauchst du noch?"
Tina: "Hab dich lieb und schreib was Lässiges! Vielleicht gwinnst ja!"
Tobias: " Ma, hab dich auch lieb - und passt mach ich - Bussi..."
Tina : "..."
Bevor Tina noch was darauf sagen kann, hat Mukke schon aufgelegt und widmet sich wieder seinem "Tagesgeschäft". Ein kurzer Moment der Stille folgt. Dann nimmt Tina das Telefon vom Ohr und blickt es für eine Zeit lang fragend und mit ernster Miene an, bevor sie es zurück auf das Sofa legt. Und nur ganz langsam lockert sich anschließend ihr fast schon zärtlicher Griff von dessen "kunststofflichen" Oberfläche. Tina steht bedachtsam auf und geht abermals rüber zum "Schuhkastl". Tatsächlich!
Diesmal hat sie Glück. In der abgeschundenen Außentasche von Mukke's schäbiger grüner (im Prinzip gestohlenen) Bundesheerjacke, befindet sich ein blaues Plastikfeuerzeug. Phoa...
Endlich ist Tina nun dazu befähigt, sich ihre mittlerweile so redlich verdiente 1te Zigarette dieses Tages anzuzünden. (Wieder künstlich) zufrieden lässt Tina das Feuerzeug aufblitzen und die rote Glut der Zigarette kündigt an was heute noch geschehen wird...


"Caramel? Also mir gefällt der Name schon gut!"
"Naja, ich find ihn schon a bisl einfallslos, eigentlich...", antwortet Tina gelangweilt und wirft ihrer Freundin einen ebensolchen Blick zu.
"Hab mir das schon a bisl fetziger vorgestellt, das hier, Kathi!"
"Ach komm, das wird schon noch lustig, Tini! Wirst sehn, bald kommen schon noch ein paar mehr Leute! Vielleicht auch ein paar fesche Typen!", meint Kathi lakonisch. Doch Tina schüttelt abweisend ihre Schultern und nimmt einen kräftigen Schluck aus ihrem bis dato noch vollen Bierkrug.
Na sicher, das ist genau das, was ich jetzt brauchen kann. Irgend einen Typen! Will nur a bisl feiern - jetzt wo ich's noch "darf"...
Doch zum Feiern braucht man ja die richtige Stimmung und die will irgendwie nicht aufkommen, findet Tina. Das sich das bald ändern wird, daran mag sie im Augenblick noch nicht so recht glauben. Ein flüchtiger Blick zur Theke bestärkt sie in dieser Überzeugung.
"Na komm, so wenig wie jetzt los ist! Außerdem interessieren mich Typen echt nicht Kathi, hab ja Tobias! Hätt nur gern ein bisschen mehr Stimmung in der Bude!", nach diesem Satz schnappt sich Tina ihren inzwischen nur mehr halbvollen Bierkrug und nimmt einen weiteren ausgiebigen Schluck. Während dieser Aktion wird sie von Kathi genauestens beobachtet.
"Ah, ja! Hey, genau! Wenn wir grad über den Namen der Bar gredet haben...!
Tina läuft es eiskalt den Rücken runter.
"Muss dich eh noch was fragen!", eine ihrer Augenbrauen schiebt sich verschwörerisch nach oben: "Die Dodi hat mir was gsagt über dich..."
"So, was ...", Tina verschluckt sich beinahe, was Kathi recht aufmerksam mitverfolgt. Tinas plötzliche und sichtbare Nervosität scheint ihr zu gefallen.
"Na...", eine kurze Pause folgt: "...dass du glaubst, dass du schwanger bist!"
Diese ausgesprochen "diskreten" Worte lassen Tina unvermittelt zusammenzucken - sie reflexartig nach Luft ringen. Und in den blassblauen Wolfsaugen ihrer besonders "netten" Gesprächspartnerin spiegelt sich die Idee eines kleinen Triumphes wider.
"Stimmt das echt?", ihre roten Lippen spitzen sich lästerhaft, während Kathi voll Genugtuung eine Zigarette aus ihrem Päckchen zieht. Tina schaut sie sehnsüchtig an - die Zigarette.
"Also, ich...", Tinas Stimme vollzieht einen (oder gleich mehrere?) Oktavenspru(ü)ng(e) nach oben, während das I von "ich" beinahe schon ein zweigestrichenes C erreicht. Erschrocken darüber fasst sie sich ihren Bierkrug und leert den geringen Rest in sich hinein. In ihrer Magengrube rumort es kurz - so als ob der hektisch hinuntergespülte letzte Schluck Bier, Tina's "Vielleicht-Bald-Baby" nicht so recht bekommen würde. Sie verdrängt diese Empfindung schleunigst und sucht aufgebracht nach den passenden Worten um diesem ungewollten Gesprächsthema den Nährboden zu entziehen. Ach Mist! Genau das wollt ich eben heute nicht - sowas...
"Tina! Ich höre...", Kathi klingt leicht genervt, zumindest versucht sie so zu klingen. Und Tina beginnt sich schon zu fragen, warum sie sich heute eigentlich mit diesem heimtückischen Mistvieh namens Katharina Rotstein überhaupt getroffen hat.
Sie atmet durch - bemüht sich darum abgeklärt zu klingen, aber diese Fassade hat schon gebröckelt bevor sie überhaupt hochgezogen war - und ihre vibrierenden Fingerspitzen verraten sie erneut, wie Kathi natürlich ebenfalls nicht übersieht - und sie ahnt (sieht) es, Tina ist nicht zufrieden mit dieser Situation. Ist ja auch kein Wunder - bei dem Vater! >Vater?< Eine Frage die für Kathi viele Antwortmöglichkeiten hat, aber letztlich auch noch mehr weitere Fragen aufwirft . >Ist Tobias womöglich gar nicht der Vater...<, geht ihr gerade durch den Kopf. >...weiß er gar nichts von der Sache?< Kathi kann sich das bei Tina nur allzugut vorstellen - obwohl...
"Kann schon sein!", entfährt es Tina, die ihre Stimme noch immer nicht so recht unter Kontrolle hat. Unvermittelt schreckt Kathi aus ihren umtriebigen Gedankenspielen hoch. "Jaaaaaa!?", sagt sie ganz langsam und behutsam - sorgfältigst darauf achtend, den Bogen nicht zu überspannen. Sie empfindet Tina's Nervenkostüm heute nicht mehr als allzu robust. Also hütet sie sich davor, dieses lustige Spielchen durch eine unbedachte Äußerung zu gefährden. Gelassen nimmt sie eine ausgiebigen Zug von ihrer Zigarette und bläst den Rauch in Tinas Richtung.
>Könnte zu massiver Aufregung führen. Wäre ja schließlich nicht gut für das zukünftige Kind, wenn sich die liebe Mama noch ein paar Gläser mehr auf die schnelle Art in die Birne knallt, außerdem erfahr ich so ja nichts...<, ergänzt Kathi im Gedanken.
"Ich habe einen positiven Test."
"Also schwanger! Glückwunsch!", fast schon wie aus einem schlechten Film erscheint für Tina die zu diesen Worten aufgesetzte "Ach mei!" -Maske auf dem Gesicht ihrer "Freundin". Sie gerät unvermittelt in Rage...
"Glückwunsch!?!", faucht sie ihre "Freundin" an. Den Rest des Satzes denk sie sich (leider) nur.
Glückwunsch, GLÜCKWUNSCH, Gratuliere Tina - jawohl! Endlich kriegt ihr euer so lange erhofftes Baby. So eine Scheiße...
"Dafür trinkst du aber schon a bisl arg!", sagt Kathi um diese kurze Pause, während Tina offensichtlich etwas um ihre Fassung ringt, zu nutzen - aus defensiver Überlegung heraus, nur um nicht verbal niedergemäht zu werden. >Schwangere können ja...<
Dann merkt sie aber gleich, dass das keine wirklich passende Bemerkung war.
Denn bevor Kathi diese blöde Aussage bedauern kann, erntet sie einen kurzen stechenden Blick und gerät jetzt wirklich in die Defensive.
"...das ist jetzt nicht dein Ernst! Oder Kathi?"
"Nunja, also..."
"Komm schon Kathi - du bist aber genau nicht so jemand!"
Blitzschnell wechselt Kathi ihre voreilig offensive Strategie und setzt sich, aus Tinas Sicht, die nächste schnulzige Maske auf.
"Ach Tini! Willst wohl noch nicht Mama werden - hm?", die Anteilnahme in Kathi's Gesicht wirkt gar nicht mal so unecht auf Tina. Natürlich trotzdem, sieht sie den Wolf hinter der Maske. Einen im sprichwörtlichen Schafspelz, einen der sich gerade nach vorne lehnt und seine stahlblauen Augen ganz nah an sie heranführt. Diese Augen funkeln kurz auf und eine Woge der Kälte entströmen deren klaren aber emotionslosem Blick.
Die hat ja noch nicht genug! Mei - warum hab ich mich nur nicht mit der Dodi getroffen... Dennoch gelingt es Kathis Mund auf irgendeine unerdenkliche Art, ein warmes Lächeln herbeizuzaubern und dadurch dafür zu sorgen, dass Tina trotz einer nunmehr schon extremen Gesprächsabneigung nicht einfach aufsteht und geht, sondern weiter spricht.
"Weiß nicht!", sagt sie wieder etwas ruhiger.
"Warum weißt du das nicht? So was spürt man ja - ob die richtige ..."
"Nein, eben nicht! Ich spür gar nichts!", Tina wird wieder lauter und greift hektisch in die Handtasche.
"Ist nämlich noch nicht fix! Und solange ich nicht beim Frauenarzt war, bin ich auch nicht schwanger!", wie zum Protest, bringt Tina's Hand eine schwarze Packung zum Vorschein und beinahe zeitgleich greift die andere Hand nach dem blauen Feuerzeug auf dem Tisch und zündet für Tina ihre Zigarette an. Dessen gelbe Flamme blitzt für sie somit schon das zweite Mal an diesem Tag auf. Gierig nimmt sie einen kräftigen Zug und greift nach dem leeren Bierglas - kurz herrscht ein Waffenstillstand...
Jetzt hol ich mir aber noch ein Bier, bevor...
"Rauchen und Trinken! Wie passt das eigentlich zu deiner Situation?"
Mei! Regt mich dieses blöde Weib vielleicht auf, das gibts ja nicht - es reicht jetzt aber langsam...
"Kann dir ja wurscht sein!", ätzt Tina, die ihre Hände schon abwehrend vor ihrem Brustkorb verschränkt hat und saugt unter einem arg abwertenden Blick ihrer "Lieblingsfreundin" noch mehr von diesem köstlichen Rauch in ihre sehnsüchtige Lunge. Dann bemüht sie sich darum, sich so schnell als möglich aus dieser unangenehmen Situation davonzustehlen.
"Ich werd dann noch was zum Trinken holen, Kathi! Brauchst du auch noch was? Ein Bier?", aber ihre verbale Fluchtvorbereitung misslingt. Kathi setzt schon wieder dazu an sich etwas von der Seele zu reden.
"Hey jetzt wart mal Tini! Wo liegt denn das Problem? Bist ja eh schon 27 und eine gute Arbeit hast ja auch! Oder ..."
"Merkst du das nicht? Ich will jetzt wirklich nicht darüber reden!", brüllt Tina schon fast, und das obwohl es ja insgeheim dann doch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Sie will ja nur mit Kathi nicht über diesen "Mist" reden. Sie wollte ja eigentlich überhaupt nicht reden - halt heute nicht. Aber reden darüber, will und muss sie schon (eh schon bald). Am liebsten natürlich mit Tobias - aber der...
Mit dem kann ich ja auch nicht richtig darüber reden. Der packts ja selber nicht...
Und während Tina sich aufgrund einer weiteren kurzen Konversationslücke fragt, was ihr Freund wohl gerade macht, zieht sich auch schon die nächste Ungeheuerlichkeit durch Kathis Sprechapparat.
"Na arg! Hey sag, ist das Kind etwa gar nicht vom Tob..., ähm "Mukke?"
Jetzt spinnt sie aber schon ein bisl...
"Hey Kathi...", Tina dreht die Augen über:"...ich bin ja nicht du! Und wenn ich schwanger bin dann..."
Kathi reagiert abermals theatralisch, findet Tina. Auf groteske Art verzieht Kathi ihr hübsch gepudertes Gesicht und rümpft die Nase - wie eine feine Dame die man derb beleidigt hat.
"Ach - uch! Nein, also sowas...", eh schon klar Kathi.
"Passt schon! Alles klar! Werdet's dann auch heiraten?", versucht sich Kathi zurückzukämpfen.
"Mensch! Wo lebst du? Man heiratet ja nicht gleich!"
"Aber zusammen bleiben werdets schon? Aber ich find nämlich..."
"Ich weiß schon was du denkst Kathi! Wir passen nicht zusammen und er hat keine gscheite Arbeit - auch kein Geld, eigentlich nichts - außer ein scheiß Zippo - aber ich lieb ihn und...", Tina nimmt einen weiteren kräftigen Zug von ihrer Zigarette.
"...ich will jetzt nicht darüber reden!"
" Und wie wirds heißen?"
"Argh! Na sicher nicht Caramel, Kathi - echt! Ich geh jetzt was zum Trinken holen!", Tina nimmt einen eiligen letzten Zug von ihrer Zigarette und drückt den Rest im Aschenbecher aus. Diese Frau raubt ihr noch den allerletzten Rest ihrer Vernunft, befürchtet Tina.
Nichts wie weg jetzt! So eine Kuh...
"Also Kathi! Noch ein Bier?"
"Ähm - Ja, doch..."


So ein freakiges Mistvieh! Echt...
Tausend wirre Gedanken streifen durch Tinas Kopf, dessen Innenleben einem überfüllten Autobus gleicht. So hat sie sich diesen Abend aber sicher nicht vorgestellt.
Ich wollt ja nur mal wieder raus! Echt - aber der Tobias...
Sie ahnt natürlich, dass sie selbst Schuld ist, an dessen Verlauf. Ist ja auch kein Wunder bei der Begleitung. Unter normalen Umständen hätte sie jemand anderen getroffen. Dodi zum Beispiel, aber eigentlich wollte sie heute ja nicht reden, sondern feiern - was mit Kathi im Prinzip ja immer recht lustig werden kann. Nur hat Tina ja nicht ahnen können, dass Kathi schon weiß, was los ist (sein könnte). So muss sie sich auch heute mit diesem, für sie, leidigen Thema auseinandersetzten. Mist auch...
Sehnsüchtig fixieren ihre Augen die Bar am hinteren Ende des Lokals, gegenüber einer kleinen, fast schon grotesk wirkenden Tanzfläche. Ihre Schritte beschleunigen sich zusehens - ein weiteres Bier ist bald in ihrer Rechweite.
Hab ich eigentlich was falsch gemacht? Scheiße! Jetzt bin ich auch noch schwanger von dem Hirschen...
Als sie die Bar schließlich erreicht hat, trifft ihr Blick direkt auf eine wirklich extrem tussige Blonde. Fast schon obszön hängt eine Zigarette zwischen ihren Lippen. Sie scheint etwas zu suchen.
Ein Feuerzeug! Na Tusschen, brauchst du ein Feuerchen?
Als sich Tina mit schnellen Schritten nähert, zieht die "Klischeeblondine" erwartungsvoll ihre Augenbrauen nach oben und setzt ein verhaltenes, total falsches Lächeln auf.
Das kenn ich ja von irgendwoher...
"Hey du! Hast du vielleicht ein Feuer für mich?"
"Nein - leider nicht!", wehrt Tina diese Bitte genüsslich ab und sucht Blickkontakt mit dem aufmerksamen Typen hinter der Bar.
Und das Lächeln im Gesicht der Blonden ist wie weggewischt. Schnell wendet auch sie ihren Blick ab und verzieht ihren ( wie Tina im Augenwinkel sehen kann ) extrem geschmacklos gefärbten Lippen nach unten. Bäää! Ich krieg kein Feuerchen! Oje - und so ein grässlicher Lippenstift!
"Was darfs denn sein?"
"Ähm - 2 große Bier, bitte!"
"Kommt sofort!"
Ein Auge hat Tina immer bei der Blonden, während sie mit dem anderen zuschaut, wie der Kellner das Bier zapft.
Vielleicht sollte ich mir jetzt einfach auch eine holen gehen! Pha - ist die blöd! Warum fragt sie nicht den Kellner nach einem Feuer.
"Ach, da ist eh das eine...", triumphiert die unsympathische Blonde plötzlich - exakt während Tina gerade zwei "große Bier" in Empfang nimmt..
Ach nein! Schade...
" 5 Euro 20!", sagt der fesche Typ hinter dem Zapfhahn und Tina entfährt ein scheues Lächeln.
"Da bitte sehr!", Tina drückt dem Typen das schon vorbereitete Geld in die Hand und verabschiedet sich innerlich von all ihrer aufgestauten Anspannung, während sie sich einen kräftigen Schluck von ihrem Bier gönnt.
Ahhh! So jetzt mag ich aber nicht so schnell zurück zu der Irren! Ist das ein schräger Abend! Und schwanger soll ich auch noch sein. Oder ich bins! Und ich rauche und trinke - aber nur bis zum Frauenarzttermin. Oder? Nein, vielleicht bin ich ja doch nicht schwanger - ach, aber egal! Das wird schon irgendwie gehen und das mitn Tobias auch..
Diesen relativ zuversichtlichen Gedanken wird jedoch ein jähes Ende bereitet.
-QUIETSCH & KLICK-
Tina schreckt auf! Dieses Geräusch...
Ihre Augen fixieren augenblicklich das Objekt, welches dieses Geräusch produziert hat. Dieses unsägliche Geräusch.
Völlig erstarrt sieht Tina DAS Zippo in den sorgfältig lackierten Fingern dieser blonden "Tussie". Das Feuer brennt und die Glut der Zigarette brennt alles nieder, was irgendwie mit Hoffnung zu tun hat. Als sie sich erschrocken abwendet und sich gleichzeitig verzweifelt einredet, dass das nicht DAS Zippo ist, nähert sich dessen Besitzer von hinten (vom Klo kommend).
"Hey Schnecke! Bin wieder da!"
Tobias!!!
Fast tödlich verwundet dreht Tina sich wieder herum und sieht in das sich aufhellende Gesicht der Blonden - diese beginnt zu lächeln.
Dann sieht sie in sein Gesicht und er lächelt ebenfalls - kurz...
 



 
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