Das Einhorn und der Mond

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poetix

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Märchenliebe


Es war einmal ein Einhorn, das lebte ganz allein im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt ist so groß. Er schwebt darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel ist er vielleicht schon, wie er so über der Erde thront; aber er ist ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wir wissen: das kann nicht sein, leider, das ist unmöglich. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht und seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Topf mit Salbe. "Geh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln. Die Späne mische unter die Salbe. Bestreiche damit die Wunde, wo das Horn war, und sprich dabei 'memet sacrum faciam'. Dann wird aus der Wunde eine wunderschöne Blume wachsen. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Danach musst du sterben. Jedoch wirst du noch Zeit haben, die Blume auf einen Hügel zu legen. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn. Das Einhorn mischte die Späne unter die Salbe, bestrich die Wunde damit, sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Am nächsten Morgen war aus der Wunde eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie schien von innen zu leuchten. Das Einhorn pflückte sie ab und ging mit letzter Kraft zu einem nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn immer noch nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Leider bemerkte er auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 

poetix

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Märchenliebe


Es war einmal ein Einhorn, das lebte ganz allein im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt ist so groß. Er schwebt darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel ist er vielleicht schon, wie er so über der Erde thront; aber er ist ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wir wissen: das kann nicht sein, leider, das ist unmöglich. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht und seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Topf mit Salbe. "Geh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln. Die Späne mische unter die Salbe. Bestreiche damit die Wunde, wo das Horn war, und sprich dabei 'memet sacrum faciam'. Dann wird aus der Wunde eine wunderschöne Blume wachsen. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Danach musst du sterben. Jedoch wirst du noch Zeit haben, die Blume auf einen Hügel zu legen. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn. Das Einhorn mischte die Späne unter die Salbe, bestrich die Wunde damit, sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Am nächsten Morgen war aus der Wunde eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie schien von innen zu leuchten. Das Einhorn pflückte sie ab und ging mit letzter Kraft zu einem nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn immer noch nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 

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Es war einmal ein Einhorn, das lebte ganz allein im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt ist so groß. Er schwebt darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel ist er vielleicht schon, wie er so über der Erde thront; aber er ist ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wir wissen: das kann nicht sein, leider, das ist unmöglich. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht und seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Topf mit Salbe. "Geh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln. Die Späne mische unter die Salbe. Bestreiche damit die Wunde, wo das Horn war, und sprich dabei 'memet sacrum faciam'. Dann wird aus der Wunde eine wunderschöne Blume wachsen. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Danach musst du sterben. Jedoch wirst du noch Zeit haben, die Blume auf einen Hügel zu legen. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn. Das Einhorn mischte die Späne unter die Salbe, bestrich die Wunde damit, sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Am nächsten Morgen war aus der Wunde eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie schien von innen zu leuchten. Das Einhorn pflückte sie ab und ging mit letzter Kraft zu einem nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn immer noch nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 
Hallo poetix!

Vielen Dank dafür, dass Sie dieses wundervolle Märchen hier eingestellt haben! Sie haben es geschafft, mich mit Ihrem Einhorn mitfühlen zu lassen. Außerdem mag ich Ihren Sprachfluss, das kann ich guten Gewissens als schön bezeichnen. (Ich bin sehr streng, was den Klang der deutschen Sprache angeht.)

Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die ich anmerken muss:

- Der erste Satz hat mich etwas gestört. Der Teil hinter Es war einmal und der zweite Satz sind sich für meinen Geschmack zu ähnlich.

- Gerade am Anfang schwanken Sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie sollten sich für eine Zeit entscheiden.

-
Doch wir wissen: das kann nicht sein, leider, das ist unmöglich.
Dieser Satz liest sich komisch. Vielleicht ändern Sie ihn zu Doch wir wissen, dass es unmöglich ist. oder ähnliches.

- Im darauf folgenden Satz würde ich das und in denn umwandeln.

- Die Idee mit der Salbe ist ja nett, allerdings frage ich mich, wie ein Einhorn die eigene Wunde (auf dem Kopf!) mit der Salbe bestreichen kann? Unklar ist mir auch, wie das Einhorn die Blume, die aus seinem Hornstumpf wächst, selbst pflücken kann. -> Bitte nachbessern!

-
Sie schien von innen zu leuchten.
Sagen Sie besser Sie leuchtete von innen. Es ist Ihre Geschichte, also gibt es keinen Grund, sich vage auszudrücken! :)

Das alles sind nur Vorschläge meinerseits, die Sie nicht beherzigen müssen. Trotzdem hoffe ich, Ihnen damit geholfen zu haben.

Liebe Grüße
Drachenprinzessin
 

poetix

Mitglied
Hallo Drachenprinzessin,
Vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar und die Bewertung. Ihre Vorschläge nehme ich sehr ernst und werde daran arbeiten. Die Sache mit der Salbe ist mir gar nicht aufgefallen. Da muss ich mir etwas überlegen. Der Tempuswechsel rührt daher, dass die Handlung in der Vergangenheit (Präteritum) spielt, ich aber allgemeingültige Tatsachen, die auch heute noch gelten ("die Welt ist so groß") ins Präsens gesetzt hatte. Ich weiß nicht so recht, ob sich "die Welt war so groß" nicht merkwürdig anhören würde. Da muss ich noch nachdenken. Vielleicht finde ich auch eine ganz andere Formulierung. Ich hoffe, bald die Korrekturen einstellen zu können.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Das Einhorn und der Mond


Es war einmal ein Einhorn. Ganz allein lebte es im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt war so groß. Er schwebte darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel war er vielleicht schon, wie er so über der Erde thronte; aber er war ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wie sollte das geschehen? Es schien unmöglich zu sein. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht. Wer in sein Herz hätte sehen können, hätte gewusst: Seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Käfer. "Geh morgen früh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln und die Späne mit Schlamm zu vermischen. Den Brei soll er auf den Stumpf streichen und du musst dabei die Worte sprechen: 'memet sacrum faciam'. Zu dieser Zeit dürfte es schon Nachmittag sein. Ruhe dann bis zum Einbruch der Nacht. Inzwischen wird aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen sein. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Du musst sterben. Jedoch wirst du noch ein wenig Zeit haben. Ruf die Fledermaus, gib ihr den Käfer und bitte sie, dir die Blume abzubeißen. Wenn der Mond aufgeht, geh auf einen Hügel und lege die Blume dort für den Mond nieder. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging am nächsten Morgen zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn und vermischte die Späne mit Schlamm. Es bestrich den Stumpf damit, das Einhorn sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Bei Einbruch der Nacht war aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie leuchtete von innen. Das Einhorn rief die Fledermaus, gab ihr den Käfer und bat sie, die Blume abzubeißen. Die Fledermaus musste weinen, als sie das sterbende Einhorn sah, aber sie tat, worum sie gebeten worden war. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Das Einhorn nahm die Blume und schleppte sich mit letzter Kraft auf einen nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn immer noch nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 
Hallo poetix!

Ich verstehe Ihre Überlegung zu Die Welt ist so groß. Mich hat der Satz, so wie er ist gestört, gerade weil er im Präsenz steht. Vielleicht bin ich auch einfach zu streng?

Herzliche Grüße
Drachenprinzessin
 

poetix

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Das Einhorn und der Mond


Es war einmal ein Einhorn. Ganz allein lebte es im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt ist so groß. Er schwebte darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel war er vielleicht schon, wie er so über der Erde thronte; aber er war ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wie sollte das geschehen? Es schien unmöglich zu sein. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht. Wer in sein Herz hätte sehen können, hätte gewusst: Seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Käfer. "Geh morgen früh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln und die Späne mit Schlamm zu vermischen. Den Brei soll er auf den Stumpf streichen und du musst dabei die Worte sprechen: 'memet sacrum faciam'. Zu dieser Zeit dürfte es schon Nachmittag sein. Ruhe dann bis zum Einbruch der Nacht. Inzwischen wird aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen sein. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Du musst sterben. Jedoch wirst du noch ein wenig Zeit haben. Ruf die Fledermaus, gib ihr den Käfer und bitte sie, dir die Blume abzubeißen. Wenn der Mond aufgeht, geh auf einen Hügel und lege die Blume dort für den Mond nieder. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging am nächsten Morgen zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn und vermischte die Späne mit Schlamm. Es bestrich den Stumpf damit, das Einhorn sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Bei Einbruch der Nacht war aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie leuchtete von innen. Das Einhorn rief die Fledermaus, gab ihr den Käfer und bat sie, die Blume abzubeißen. Die Fledermaus musste weinen, als sie das sterbende Einhorn sah, aber sie tat, worum sie gebeten worden war. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Das Einhorn nahm die Blume und schleppte sich mit letzter Kraft auf einen nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn noch immer nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 

poetix

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Hallo Drachenprinzessin,
nein, zu streng sind Sie nicht, man muss doch über die Dinge reden dürfen. Ich habe jetzt sicherheitshalber im Duden nachgesehen: Der Satz "die Welt ist so groß" muss als allgemeingültige Aussage im Präsens stehen. (Die Welt ist auch jetzt noch so groß.) Ich habe das also wieder zurückgeändert. Bei den darauffolgenden Sätzen kann man sich streiten, aber sie stehen im Text jetzt im Präteritum.
Nochmals viele Grüße
poetix
 
Hallo poetix,

ich finde die Idee mit dem Einhorn charmant. Steht das Tier doch als Symbol für das Gute.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass du das Pferdchen am Schluss nicht zerbröselst. Ich finde es auch schade, dass die schöne Blume zertrampelt wird.
Also, ich hätte mir ein versöhnlicheres Happy-End gewünscht.

Ich habe dann den Zauberspruch in Google nachgeschlagen. Ich lese einen Hinweis auf ein Frühlingsopfer.
In vielen Kulturen werden Opfer dargebracht, um die Naturkräfte mit den Menschen zu verbinden, so verstehe ich die Auslegungen. Allerdings opfert man wohl dann immer einen Stellvertreter (also ein Opfertier, Pflanzen u.ä. – oder ein Verhalten), und es opfert der Gläubige sich nicht selbst.
Also, die Wendung mit der Selbstaufopferung passt so nicht in mein Weltbild.

Was tun? Vielleicht sollte das Pferdchen seine starke Sehnsucht aufgeben, diese also sinnbildlich anstatt seines Körpers opfern. Der Mond könnte dann schmunzeln und sagen: „Ok, Pferdchen, komm zu mir als Feenstaub“ oder so ähnlich.

Na gut, es ist deine Geschichte.
Liebe Grüße. Rhondaly.
 

poetix

Mitglied
Hallo Rhondaly,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es tut mir leid, dass dich mein Ende enttäuscht hat. Es ist sicher kein gewöhnliches Happy End. Die Auflösung muss ja nicht so erfolgen, wie man sie erwartet hätte. Es ist eher etwas zum Darüber-Nachdenken und Mitfühlen. Aber ich gebe zu, dass es nicht jedermanns Sache ist. Was den Zauberspruch betrifft, der heißt übersetzt: "Ich werde mich selbst opfern." Er passt schon zu der Situation.
Viele Grüße
poetix
 

Artair

Mitglied
Hallo Poetix,

mir hat dieses Märchen sehr gut gefallen!!! So ein bisschen erinnert es mich an "Die kleine Meerjungfrau", weil sie, wie auch Dein Einhorn, bereit war, für ihre Liebe zu sterben.

Liebe Grüße,
Artair
 

poetix

Mitglied
Hallo Artair,
vielen Dank für deinen Kommentar und die Bewertung. Ja, es stimmt, die "kleine Meerjungfrau" enthält ähnliche Elemente. Einen kleinen Unterschied gibt es: Sie musste sterben, weil sich der Prinz nicht auch in sie verliebt hatte, das Opfer hatte sie gebracht in der Hoffnung, mit dem Prinzen leben zu können und diese Möglichkeit bestand. Das Einhorn dagegen hatte schon beim Erbringen des Opfers keine Hoffnung mehr, es wusste, dass es in jedem Fall sterben musste. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Meerjungfrau immerhin die Freundschaft des Prinzen erringen konnte, in seiner Nähe war. Die Liebe des Einhorns dagegen blieb völlig unerwidert, die Blume, Symbol der Liebe des Einhorns, wurde von den Schafen zertrampelt.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Hallo molly,
vielen Dank für deinen Kommentar und die Wertung. Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Ja, das Märchen ist traurig, und doch, gerade dadurch will es dem Leser etwas geben.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

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Das Einhorn und der Mond


Es war einmal ein Einhorn. Ganz allein lebte es im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt war so groß. Er schwebte darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel war er vielleicht schon, wie er so über der Erde thronte; aber er war ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wie sollte das geschehen? Es schien unmöglich zu sein. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht. Wer in sein Herz hätte sehen können, hätte gewusst: Seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Käfer. "Geh morgen früh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln und die Späne mit Schlamm zu vermischen. Den Brei soll er auf den Stumpf streichen und du musst dabei die Worte sprechen: 'memet sacrum faciam'. Zu dieser Zeit dürfte es schon Nachmittag sein. Ruhe dann bis zum Einbruch der Nacht. Inzwischen wird aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen sein. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Du musst sterben. Jedoch wirst du noch ein wenig Zeit haben. Ruf die Fledermaus, gib ihr den Käfer und bitte sie, dir die Blume abzubeißen. Wenn der Mond aufgeht, geh auf einen Hügel und lege die Blume dort für den Mond nieder. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging am nächsten Morgen zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn und vermischte die Späne mit Schlamm. Es bestrich den Stumpf damit, das Einhorn sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Bei Einbruch der Nacht war aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie leuchtete von innen. Das Einhorn rief die Fledermaus, gab ihr den Käfer und bat sie, die Blume abzubeißen. Die Fledermaus musste weinen, als sie das sterbende Einhorn sah, aber sie tat, worum sie gebeten worden war. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Das Einhorn nahm die Blume und schleppte sich mit letzter Kraft auf einen nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn noch immer nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub, dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 

poetix

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Das Einhorn und der Mond


Es war einmal ein Einhorn. Ganz allein lebte es im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür - mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt war so groß. Er schwebte darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel war er vielleicht schon, wie er so über der Erde thronte; aber er war ja auch wirklich schön anzusehen.

Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wie sollte das geschehen? Es schien unmöglich zu sein. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht. Wer in sein Herz hätte sehen können, hätte gewusst: Seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber - ach - der Mond konnte es nicht hören. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?

Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: "Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?" Das Einhorn erwiderte: "Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben." - "Nun gut", meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Käfer. "Geh morgen früh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib im den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln und die Späne mit Schlamm zu vermischen. Den Brei soll er auf den Stumpf streichen und du musst dabei die Worte sprechen: 'memet sacrum faciam'. Zu dieser Zeit dürfte es schon Nachmittag sein. Ruhe dann bis zum Einbruch der Nacht. Inzwischen wird aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen sein. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Du musst sterben. Jedoch wirst du noch ein wenig Zeit haben. Ruf die Fledermaus, gib ihr den Käfer und bitte sie, dir die Blume abzubeißen. Wenn der Mond aufgeht, geh auf einen Hügel und lege die Blume dort für den Mond nieder. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen."

Das Einhorn willigte ein und ging am nächsten Morgen zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: "Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme." Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.

Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn und vermischte die Späne mit Schlamm. Es bestrich den Stumpf damit, das Einhorn sprach "memet sacrum faciam" und wartete ab. Bei Einbruch der Nacht war aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie leuchtete von innen. Das Einhorn rief die Fledermaus, gab ihr den Käfer und bat sie, die Blume abzubeißen. Die Fledermaus musste weinen, als sie das sterbende Einhorn sah, aber sie tat, worum sie gebeten worden war. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Das Einhorn nahm die Blume und schleppte sich mit letzter Kraft auf einen nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn noch immer nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existiert. Er bemerkte auch die Blume nicht.

Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.

...

Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub. Dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond. Und in manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig-glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
 

poetix

Mitglied
Hallo Drachenprinzessin,
da hast du schon recht. Natürlich sind Vorschläge nur Vorschläge. Ich hatte deinen ja auch nicht ganz übernommen. Jetzt hatte ich aber zufällig doch einen Hinweis gefunden, dass du richtig gelegen hast. Der Gebrauch von Präsens und Präteritum in einer Geschichte unterscheidet sich nämlich von dem in der gesprochenen Sprache. Das hatte ich beachtet. Es wäre mir jetzt auch nicht weiter aufgefallen, wenn du mich nicht damals auf das Tempusproblem aufmerksam gemacht hättest. Dafür also auch jetzt noch einmal Dank.
Viele Grüße
poetix
 



 
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