Das Glühen der Sterne

Sebahoma

Mitglied
Jovaris saß im unendlichen Nichts des Weltraumes und betrachtete den riesigen Ball vor sich, auf dessen Oberfläche gigantische Feuerstürme tobten. Schier unendliche Kettenreaktionen setzten in jedem Moment unglaubliche Mengen von Energie frei, das Lebenselixier seiner Zivilisation. Sein Licht reichte weit und die Wärme strahlte in alle Richtungen. Jovaris war in seinen Gedanken versunken. Schon sehr bald würde der Riese noch heller werden, zu einem letzten großen Strahlen ansetzen und dann in sich zusammenfallen.

Er bemerkte, wie eine ganz kleine Wolke, nur ein Fetzen von grünem Licht in seine Nähe flog, um ihn herumtanzte und schließlich neben ihm schweben blieb. Jovaris zog seine Augenbrauen hoch. Er hatte auch gar nicht erwartet, sich lange verstecken zu können.

Wieder setzte sich der winzige Nebel in Bewegung, gewann an Größe, formte sich, wurde Materie und dann stand neben ihm Ananis, ebenfalls in der Gestalt eines Menschen.

Zunächst betrachtete Ananis seine Form. Dann versuchte er, mit seiner Hand den glühenden und flammenden Ball vor seinen Augen zu verdecken, aber dazu waren sie ihm zu nah. Schließlich wendete er sich Jovaris zu:

„Hier treibst du dich also herum! Während sich andere an der Gestaltung eines hübschen Planeten erfreuen oder sich bei einem Wettrennen durch die Galaxie amüsieren, ziehst du es vor, an irgendeinem Lichtchen in einer so hässlichen Gestalt herumzusitzen!“

„Es ist nicht irgendein Licht. Hier hat alles angefangen. Dort drüben, auf dem kleinen blauen Ball. Dieser Stern hat die Wesen von früher auch schon versorgt.“

„Aber es ist Millionen von Jahren her, dass es sie gab! Außerdem waren sie primitiv und glaubten noch an Atome.“

„Gerade das macht sie so interessant. Sie mögen primitiv gewesen sein im Vergleich zu uns. Aber sie hatten wenigstens noch viel vor sich. Ihre Zeit war spannend und aufregend. Sie haben geforscht und entdeckt, Rätsel gelöst und Abenteuer bestanden. Sie hatten Neugier in sich, Leidenschaft, einen Drang danach, sich weiter zu entwickeln, da brannte etwas in ihnen, das sie antrieb. Unsere Existenz hingegen ist langweilig. Alles ist gedacht, alle Rätsel sind gelöst, nichts gibt es mehr zu tun. Wir glühen nur noch aus, genau wie das Universum selbst.“

„Ich lebe trotzdem lieber jetzt, reise durch die Galaxie und erfreue mich woran ich will.“

„Ja, macht alle nur ruhig so weiter. Springt durch das Universum und erfreut euch an der Gestaltung von Planeten. Glaubt ihr wirklich, dass alles nur dem einzigen Zweck dient, euch zu belustigen? Unsere Existenz ist eine einzige Orgie geworden. Wir fühlen uns wie Götter, wie die Gastgeber eines großen Balls, aber in Wirklichkeit führen wir uns auf wie betrunkene Gäste. Diese Wesen von früher hingegen guckten abends in den Sternenhimmel und bestaunten, was sie sahen. Die waren noch ehrfürchtig und wussten alles zu schätzen.“

„Ich weiß nicht. Eigentlich tun sie mir nur Leid. Wie schrecklich langweilig muss es sein, immer nur in einem Körper und auf einem Planeten zu leben. Das würde ich niemals aushalten.“

Unverstanden verdrehte Jovaris die Augen. Einen Moment betrachteten sie wieder das heiße Spektakel auf der Oberfläche, das ständig in Bewegung war und das Aussehen veränderte. Rote, gelbe und orangene Schlieren wechselten ihre Größe und Position. Gerade breitete sich sekundenschnell eine Kaskade über einen Teil der Oberfläche aus, dann mischten sich die glühenden Farben mit dem restlichen Meer aus Lava und die gerade noch so mächtig wirkende Eruption war verschwunden.

„Diese Wesen von früher glaubten, dass ein großer Meister all diese Geheimnisse in das Universum gelegt hat“, sagte Jovaris.

Ananis lachte. „Wir sind die Meister dieses Universums!“, rief er und erhob dabei siegreich seine Arme.

„Mit all unseren Erkenntnissen mögen wir uns wie so ein großer Meister fühlen. Aber eigentlich sind wir den Wesen von früher noch immer sehr ähnlich. Wir machen alles aus dem, was schon ist. Wir können neu formen, neu ordnen und neu gestalten. Aber neu schaffen können wir nicht. Kein Licht, keine Wärme und auch kein Leben. Wenn es diesen großen Meister gibt, hat er uns dieses letzte Geheimnis verwehrt.“

„Dich scheint der Anblick eines ausglühenden Sternes ja wirklich melancholisch zu machen. Du solltest die Zeit lieber nutzen, um Spaß zu haben.“

„Ich kann nicht. Ein Gedanke lässt mich nicht los. Wenn wir das letzte Fünkchen Energie vom letzten brennenden Stern abgesaugt haben und er nur noch Asche und Staub ist, werden wir nicht besser dran sein als einer von ihnen, der in einer dunklen Höhle sitzt, während das Feuer ausgeht. Dann wird unsere ganze Zivilisation untergehen und im Weltraum wird es kalt und dunkel.“

Ananis verdrehte seine Augen. „Zum Glück gibt es noch ein paar andere als diesen und bis alle verglüht sind, werde ich noch viel Spaß haben!“, meinte er seufzend. Er verwandelte sich zurück in einen Fetzen aus Energie und Licht, entschwand in den Weltraum und ließ Jovaris mit seinen Gedanken zurück.

Der guckte wieder ins Glühen. Manchmal hatte er den Eindruck, er könnte schon erkennen, wie der Stern zum letzten großen Strahlen ansetzte.
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Hallo Sebahoma,

Positives vorweg: Sprachlich finde ich deinen Text sehr solide. Es ist einfach und verständlich geschrieben, auch wenn ich mich an einer Stelle an das alte Problem sendete vs. sandte / wendete vs. wandte erinnert fühlte.

Auch den Aufbau, die Chronologie und deinen Einsatz von direkter Rede finde ich überzeugend. Es liest sich alles sehr angenehm.

Zum Inhalt: Das Topos - der Blick einer außerirdischen Art auf uns Menschen - finde ich auch spannend und lohnenswert, ich bin zwar eigentlich kein großer Fan von Science-Fiction, aber Raumschiff Enterprise und Geschichten von Isaac Asimov oder Stanislaw Lem kann ich durchaus etwas abgewinnen.

Ich finde aber, dass deine Geschichten mehr Fragen als Antworten gibt. Vor allem die Merkmale deiner außerirdischen Art empfinde ich persönlich als nicht schlüssig. An einer Stelle sagt Jovaris, dass alle Rätsel gelöst seien, aber etwas später heißt es, dass dieser große Meister (Gott) ihnen doch das letzte Geheimnis verwehrt habe. Somit sind doch nicht alle Rätsel gelöst und deine hoch entwickelte Spezies tappt bezüglich dieses einen wesentlichen Punktes (Ursprung der Welt) ebenso im Dunkeln wie die vermeintlich unterentwickelte Spezies Mensch.

Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden und du klärst mich auf.

Grundsätzlich finde ich Science-Fiction sehr schwierig als Topos, weil man als Autor versuchen muss, Unbeschreibliches zu beschreiben. So haben Aliens im Film immer menschliche Züge (Augen, Körper, etc.) oder werden als uns bekannte Phänomene beschrieben (Solaris bei Stanislaw Lem als Gasplanet, das Alien in Alien als Tier, etc.)

Deine Geschichte ist ein interessanter Beginn, eine nette Einführung in ein Thema, aber es muss m.E. noch weiter ausgebaut und schlüssiger sein, um mich als Leser zu packen.

Gruß,

CPMan
 

Sebahoma

Mitglied
Hallo CPMan,

vielen Dank für dein Feedback! Ich freue mich immer sehr zu lesen, wie meine Texte auf andere wirken.

Die Sache mit den gelösten Rätseln ist tatsächlich ein Widerspruch. Gemeint ist, dass diese hochentwickelte Spezies wissenschaftlich gesehen alles erforscht hat. Diese Erkenntnisse helfen ihnen aber nicht weiter, denn wenn die Sterne ausgebeutet sind, fehlt ihnen die Lebensgrundlage. Ich werde den Jovaris etwas Anderes sagen lassen.

Es ging mir darum, eine hochentwickelte und sehr wohlhabende Gesellschaft zu zeigen, die aber den Bezug zur Realität verloren hat und daher bald untergehen wird. Scheint mir eher mäßig gelungen zu sein.

Dann sagst du, dass die Geschichte mehr Fragen aufgibt als Antworten und hast damit ein Thema angesprochen, über das ich beim Schreiben immer wieder stolpere, aber keine Lösung finde. Ich frage mich, ob Geschichten möglichst eindeutig geschrieben werden sollten, damit der Leser genau weiß, worum es geht oder ob Geschichten einige Fragen offen lassen sollten (können), um dem Leser Interpretationsspielraum zu geben.

Zum Beispiel auch in Solaris wird meiner Meinung nach nicht alles aufgelöst, was es mit diesem Planeten auf sich hat. Am Ende weiß man zwar, woher diese Gäste auf der Raumstation kommen, aber weshalb der Ozean aufhört, Gäste zu schicken und warum er überhaupt damit anfing, bleibt im Dunkeln.

Wie ich sehe hast du schon viel mehr Erfahrung mit eigenen Texten als ich, vielleicht kannst du mir da weiterhelfen? Würde mich sehr freuen.

So, jetzt ist die Antwort fast länger geworden als der Text. Ich hoffe, du magst sie trotzdem lesen.

Viele Grüße,
Sebahoma
 



 
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