Das Märchen von Pommes

Pat Bateman

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DAS MÄRCHEN VON POMMES

Es war einmal, vor bestimmter Zeit, dass sich eine Situation zutrug. Nun, in einem Land lebte eine Fritte, mit dem schönen Namen Pommes. Leider war es aber so, dass wenn seine Eltern, die übrigens auch beide Pommes hießen, ihn riefen, gleich die ganze Nachbarschaft angerannt kam. Und nicht nur die, sondern alle, die hören konnten. Das machte Pommes sehr, sehr traurig, und er sprach: "Mama Pommes, Papa Pommes, warum heißen wir hier alle Pommes?" Der Vater gab ihm eine gesalzene Ohrfeige, damit er besser schmeckte und sagte: "Pommes, wenn Du anders heißen willst, dann fahre doch nach England. Da kannst Du dann Chip genannt werden. Und das ist dafür, daß Du so vorlaute Sprüche klopfst." Mit diesen Worten feigte er Pommes' Ohr aufs Neue. Jaja, das war kein schönes Leben für Pommes. Und so überlegte er zuerst hin und dann irgendwann auch her, doch kein Entschluss wollte in ihm reifen. Also legte er sich in eine von Beuys' Fettecken und ließ es sich gutgehen. Er hätte gerne noch ein kleines Bierchen getrunken, aber er hatte keinen Mund. Komisch, dass ich trotzdem sprechen kann, dachte er bei sich. Glücklicherweise klopfte es in diesem Moment, der beinahe die ganze Geschichte versaut hätte, an der Wanne. "Herein!", rief Pommes und konnte sich schon denken, wer das war. Pommes tat dennoch überrascht: "Mensch Pommes! Du bist's. Was machst Du denn hier?" Pommes war Pommes zweitbester Freund, knapp nach Pommes, aber noch vor Fischstäbchen, einem Asylanten. "Hey Pommes, alte Fritte, wollte einfach mal vorbeischau?n. Stör' ich?" Doch er störte nicht im Geringsten. Im Gegenteil, Pommes war froh, jemandem sein Leid klagen zu können. Also erklärte Pommes Pommes die gänzliche Problematik, und dieser hörte andächtig zu. Manchmal nickte er sogar mit der Kartoffel. Und als Pommes geendet hatte, machte Pommes ein wichtiges Gesicht. "Is' mir noch gar nicht aufgefallen, aber es stimmt: Wir tragen alle den selben Namen. Nicht, daß sich unsere Namen bloß ähneln, nein, sie sind gleich. Identisch womöglich. Dein Name unterscheidet sich von meinem nicht einmal in einem phonetischen Merkmal. Geschweige denn in zwei oder drei. Und mein Name..." "Ja, genau. Das meine ich", unterbrach ihn Pommes, weil er gemerkt hatte, daß sein Freund ihn verstanden hatte. Sie saßen ein Weilchen schweigend in ihrer fettigen Sitzecke. Schließlich sagte Pommes: "Ich glaub', ich kann Dir helfen!" Pommes war glücklich, aber skeptisch. So skeptisch sogar, daß er depressiv wurde und zu weinen anfing. "Na na, hab' Dich mal nicht so", sagte Pommes. "Ich kenn? da einen Chirurg, der wird Dir wohl helfen können." Pommes sah fragend auf. Wie sollte der ihm wohl helfen können? Pommes sah das Fragezeichen in Pommes Gesicht, erwähnte es aber nicht, in der Gewißheit, daß der Doktor ihm das auch noch entfernen würde. Also räusperte er sich und sagte: "Der Chirurg, ein gewisser Dr. Pommes, wird Dir einfach den blöden Namen operativ entfernen. Hast Du das verstanden?" Pommes nickte. "Gut, dann sei heute Nacht punkt 0.00 Uhr an der Friteuse. Und hänge Dir ein Namensschild um, damit er Dich erkennt." Sprach's und verschwand mit einer ungeheuer mysteriösen Geste. Pommes war zu aufgeregt, um einschlafen zu können. Also sah er auf die Uhr, um die Sekunden zu zählen, die bis zu dem geheimnisvollen Treffen noch fehlten. Es waren derer glücklicherweise nur noch dreiundzwanzig, und er lief los. Schnell noch das Namensschildchen, das er noch aus der Grundschule hatte, umgeworfen. Und schon war er an der Friteuse, die den Namen "Schönfritt" trug, worauf sich Pommes keinen Reim machen konnte. Er war zu aufgeregt. Pommes sah sich um, aber es war niemand auszumachen. Doch halt! Da war ein Geräusch oberhalb seines Kopfes. Er sah hinauf und er konnte beobachten, wie ein dünnes gelbes Etwas an einem Fallschirm hinuntergesegelt kam, um direkt neben ihm zu landen. Es war Dr. Pommes! Der geniale Arzt, der alles wieder gut macht. "Ich weiß alles. Sprechen Sie nicht, kommen Sie nur mit", flüsterte der Chirurg. In seiner linken Hand hielt er ein braunes Köfferchen, aus dem allerlei lustiges Schneidewerk hinauslugte. "So, da sind wir nun", eröffnete er Pommes nach einem kurzen Fußmarsch. ?Bitte, legen Sie sich hin.? Pommes folgte dem ärztlichen Rat. "Mh, gemütlich. Fast wie zuhause." "Kein Wunder, wir sind bei Ihnen zuhause", sagte der Arzt. Und tatsächlich, Pommes erkannte seine geliebte Fettecke wieder. "Oh, ich habe den Äther vergessen. Naja, was soll's. Dann eben ohne Narkose.? Der Arzt wühlte in seinem Köfferchen herum und prahlte mit allerhand Silberbesteck. "Wird es sehr wehtun?", fragte Pommes vorsichtig. "Keine Frage", beruhigte ihn Dr. Pommes. Er schien sehr viel Erfahrung zu haben, und seine Offenheit beruhigte Pommes schließlich. Er war, all dem Zittern zum Trotz, ganz ruhig. "Nun halten Sie doch mal still", rief der Doktor und zog Pommes seine Hand flach durchs Gesicht. Pommes wimmerte. Er hatte ein Vatertrauma. Wer nicht? Der zweite Schlag, unwesentlich kräftiger ausgeführt als der erste, beförderte Pommes endgültig ins Reich der Träume. Seine Träume waren sehr schön, und das war gut so, denn nun brauchte er nicht an den furchtbaren Grausamkeiten teilhaben, die ihm der Chirurg bescherte...

Oh, wie es blitzt und funkelt! Als ob hunderte von Skalpellen und Nadeln das Licht der Sonne reflektierten, geführt von den acht Tentakeln eines gewaltigen Oktopus. Auf und nieder gehen sie, wie in Lichtgeschwindigkeit. Reissen Wunden in gelbes Fleisch, um sie im nächsten Augenblick wieder zu schließen. Da, ein Gesicht! Kartoffelsaft besudelt es auf extreme Art. Die Augen zu engen Schlitzen zusammengekniffen. Eine Hand wischt die träge Flüssigkeit hinweg. Speichel rinnt aus dem Mund, trieft in den aufgespalteten
Körper. Überall Farben. Etwas Silbernes bohrt sich in einen Körper, bringt dampfende Innereien hervor, die sich über den Boden verteilen und wieder aufgelesen und in die
scheinbar leblosen Öffnungen gestopft werden. Überall Liebe. Eine brennende Zigarette schweißt zwei nicht zueinander gehörende Organe zusammen. Dann Faden, nein, kein Faden, aber rostiger Draht. Er schließt die klaffende Wunde. Was für ein schöner Traum.
Was jetzt? Dunkelheit. Endlose Dunkelheit. Nichts....

Der Patient schreckte vor Angst auf, war aber sofort glücklich, nichts von dem wahrscheinlich heftigen Eingriff mitbekommen zu haben. "Operation gelungen!", rief Dr. Pommes. "Sie heißen von nun ab nicht mehr Pommes!" Es war wie ein neugewonnenes Leben. Der Frischoperierte bedankte sich artig, lief nach Hause, um sich von den Strapazen zu erholen.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, sollten ihn einige Überraschungen erwarten. Er schritt fröhlich pfeifend in die Küche, aber weder Mutter noch Vater Pommes erkannten ihn. Sie schrien: "Huch, ein Einbrecher! Wer sind Sie?" Er überlegte. "Ich bin's, Euer Sohn. Erkennt Ihr mich nicht?" "Nein", kam die einhellige Antwort. "Unser Sohn ist Pommes!" ?Aber ich bin doch...nein, bin ich nicht. Bin ich doch...ich, ähhh....bin Euer Sohn." Er, der Namenlose, war mit seinem Latein am Ende. "Hau ab, Du Obst!", riefen die Eltern. "Du siehst zwar aus wie unser Sohn, aber das tun viele. Jedoch, Du bist nicht Pommes." "Das ist richtig", winselte der Angegriffene. "Aber auch falsch." Die Eltern, die absolut kein Interesse an einer philosophischen Diskussion hatten, warfen den vermeintlichen Eindringling einfach aus dem Haus. "Ach", seufzte der, "was habe ich getan?" Schnell taufte er sich um in Dietmar, was ihm Pfarrer Pommes gegen ein kleines Entgeld ermöglichte. Und so schritt er dahin, bis er ein schönes Fräulein namens Pommes traf. "Wie ist Dein Name?", fragte sie ihn. "Dietmar", sagte Dietmar. "Oh, das ist ja ein interessanter Name", sagte Fräulein Pommes und heiratete ihn vom Fleck weg. Schade nur, daß dieses Unterfangen nichts an ihrem Nachnamen änderte. Jedenfalls waren sie glücklich, bis ein neueröffneter Imbißss sie schied, aber Fräulein Pommes fand sehr schnell wieder neuen Anschluss.
 



 
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