Der Bär

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TomaWriter

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In dem Zauberwald, dessen Wuchs gleich an der kleinen Holzbrücke zum jährlichen Plündermarkt des Verbandes der sprechenden Tiere begann, wohnte ein kleiner Bär.
Dieser Bär war anders als die anderen Waldbewohner. Sein Fell war viel weicher, seine Augen jedoch hart wie Bernstein. Sein Gesichtsausdruck war stets der gleiche, ein freundliches Grinsen, und seine Bewegungen liefen deutlich kantiger ab, als die der anderen Tiere.
Viele der Waldbewohner machten sich große Sorgen um den Kleinen.
Was wäre wenn er nicht wachsen würde, so wie in den Jahren zuvor? Und wenn doch, wie würde er dann jagen, mit diesen kantigen Bewegungen? Würde er je eine Lebenspartnerin finden? Und überhaupt, was war mit seiner Familie geschehen?
All das waren Fragen die sich die Waldbewohner täglich stellten, jedoch nicht beantworten konnten.
Frederic, ein älterer Kauz, war ein guter Freund des kleinen Bären. Er hatte ihn damals total erschöpft am Flussufer gefunden und ihn schließlich, mit Hilfe seines gelben Schnabels, mit in den Wald genommen. Dort stellte er ihm die anderen Waldbewohner vor. Damals freuten sich alle über den Zuwachs, doch mit der Zeit bekam auch der letzte Käfer des Waldes mit, dass etwas mit dem kleinen Bären nicht stimmen konnte.
Eines Tages marschierte der kleine Bär durch den Wald, und Frederic flatterte von Ast zu Ast neben ihm her. Der alte Kauz redete oft mit ihm, auch wenn dieser nie antwortete. Der kleine Bär konnte nicht sprechen, jedenfalls nicht die Sprache der anderen Tiere. Frederic machte das nichts aus, denn er war stolz darauf, in seinem hohen Alter noch, mit einem Bären befreundet zu sein.
Plötzlich gelangten die beiden an einen Bach. Der kleine Bär blieb sofort stehen und schaute Frederic mit dem einseitig grinsenden Gesichtsausdruck an. Dieser saß bereits auf einem Fels in der Mitte des Baches.
„Na los du kleiner Bär! Du schaffst das schon!“, krähte der alte Kauz ihm zu.
Der kleine Bär nahm all seinen Mut zusammen und machte den ersten Schritt. Doch als er vom ersten Fels abrutsche und mit seiner Tatze das kalte Wasser berührte, zog er sie umweglos zurück.
Frederic feuerte den kleinen Bären weiterhin an. Dies zog die Aufmerksamkeit zweier Elche auf die gesamte Situation, die auf der anderen Uferseite auf Futtersuche waren.
„Guck mal Steve.“, sagte der eine in einem ungerührtem Ton. „Ist das nicht dieser komische kleine Bär?“
„Ja Paul, du hast Recht!“, antwortete der Andere begeistert. „Will der etwa den Bach überqueren? Das schafft der doch nie!“
Beide lachten laut los und kamen zum Bachufer getorkelt, um sich das Geschehen nicht entgehen zu lassen.
„Verschwindet doch ihr schadenfreudigen Allesfresser!“, krähte Frederic aus seinem Schnabel und ballte seinen rechte Flügel zu einer federigen Faust.
Die beiden Elche ignorierten den alten Kauz und schauten gespannt auf den kleinen Bären, der aufgrund der dazugekommenen Zuschauer deutlich nervöser geworden war.
„Kleiner Bär, ignorier die beiden Banausen einfach!“, sprach Frederic ihm zu.
„Konzentriere dich mein Freund, dann schaffst du es auch. Du musst fester auf die Felsen treten, dann wirst du auch nicht abrutschen!“
Der kleine Bär fühlte sich durch die aufmunternden Worte seines Freundes gestärkt und startete entschlossen einen zweiten Versuch. Er hüpfte auf den ersten Fels, blieb kurz stehen und sprang weiter zum zweiten. Gespannt schauten die beiden Elche zu, innerlich hoffend auf einen Ausrutscher des kleinen Bären, um ihren Drang nach Schadenfreude doch noch befriedigen zu können.
Der kleine Bär schaffte es auch zum nächstliegenden Gestein und war jetzt nur noch einen Sprung vom gegenüberliegenden Ufer entfernt. Frederic klatschte in die Flügel und lobte seinen Kameraden: „Das machst du toll mein Freund! Du bist gleich drüben!“ Die beiden Elche hatten ihre Hoffnung mittlerweile schon fast aufgegeben. Doch dann sprang der kleine Bär und stieß in der Luft mit einem, aus dem Wasser hechtenden Fisch zusammen, und landete im kalten Nass.
Die beiden Elche hechelten nach Luft vor Lachen und krümmten sich auf dem Rücken. Frederic flatterte dem kleinen Bären hinterher, der durch die leichte Strömung einige Meter abwärts gespült wurde.
„Ich rette dich mein Freund!“, krähte es laut aus seinem gelben Schnabel. Kurz darauf zog er den kleinen Bär an einer seichten Stelle aus dem kalten Wasser. Das fiese Gelächter der Elche verstummte im durchwachsenen Gestrüpp des Waldes.
Der alte Kauz trocknete den kleinen Bären mit Hilfe seiner Flügel ab und versuchte ihn wieder glücklich zu machen.
„Du warst gut, sogar sehr gut, es hat nur ein wenig gefehlt und du hättest den Bach überquert!“, sprach Frederic seinem Freund zu. „Beim nächsten Mal schaffst du es bestimmt und dann wird sich keiner mehr über dich lustig machen können!“
Der kleine Bär jedoch war, obwohl man es ihm nicht ansehen konnte, sehr traurig und blickte niedergeschlagen auf das fließende Wasser des Baches. Frederic merkte ihm die Enttäuschung an und überlegte sich eine Idee.
„Hey kleiner Bär, wieso besuchen wir nicht meine beiden Enkel, Sven und Gören? Die werden dich bestimmt aufheitern!“, schlug der alte Kauz seinem Freund vor und flatterte auf den Ast einer Eiche.
Doch der kleine Bär saß niedergeschlagen auf dem feuchten Waldboden und ignorierte Frederics Vorschläge. Der alte Kauz ließ sich zurück auf den Untergrund schweben und stupste den kleinen Bären an.
„Komm schon mein Freund. Dort gibt es auch leckeren Lebkuchen, du kannst soviel essen wie du möchtest!“, versuchte Frederic ihn zu überreden. Doch der kleine Bär wandte sich ab.
Plötzlich erhuschte hinter den beiden ein weißer Hase aus dem Gebüsch!
„Hilfe!“, krähte der alte Kauz und eilte auf den nächstgelegenen Ast eines Baumes. „Herr Gott wer bist du denn?“, fauchte Frederic den Hasen an.
Dieser lachte sich halb kaputt ehe er antwortete: „Mein Name ist Sunita und ich bin ein Hase!“
„Das sehe ich auch, dass du ein Hase bist!“, pöbelte Frederic von seinem Ast zurück. „Das ist aber kein Grund einem alten Kauz so einen Schrecken einzujagen!“
Der Hase lachte wieder, diesmal etwas zurückhaltender. „Ich habe gehört wie du mit deinem Freund gesprochen hast, und muss sagen, mit diesem Bären stimmt etwas nicht!“, sprach der Hase Frederic zu. Der flatterte von seinem Ast direkt auf den Hasen zu und landete direkt vor dessen Nase. Dann sprach er mit erhobenen Flügel: „Das weiß der ganze Wald das mit dem kleinen Bären etwas nicht stimmt! Er ist trotzdem mein Freund und jetzt…“
„Er ist ein Teddybär!“, unterbrach ihn der Hase.
„Ein was?“, fragte Frederic und schaute verdutzt zu seinem abgewandt sitzenden Freund.
„Ein Teddybär und Teddybären wollen gekuschelt werden!“, antwortete der Hase, hoppelte auf den kleinen Bären zu und umarmte ihn mit beiden seiner Vorderpfoten.
Der kleine Bär explodierte förmlich vor Glück und Freude und wollte den weißen Hasen nie wieder loslassen! Er erlebte etwas, dass er nicht kannte, ein Gefühl, das ihn so glücklich machte, er dachte, er sei nur dafür geboren worden.

Ende
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
zu

erst einmal herzlich willkommen auf der lupe.
eine nette geschichte ist dir gelungen.
ich wünsche dir viel spaß beim lesen, schreiben, kommentieren und bewerten.
lg
 

Josi

Mitglied
Hallo,
Mir hat an deinem Text das Ende gut gefallen, dass der kleine Bär ein Teddybär ist und seine Bestimmung fand!
Liebe Grüße von Josi
 



 
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