Der Lauf des Lebens

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Kitty-Blue

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Der Lauf des Lebens

Es geht das Leben schnell voran,
von Kindheit bis zum Alter.
Der kleine Junge wird zum Mann,
die Raupe wird zum Falter.

Der schöne Frühling geht vorbei,
aus Sommer wird bald Winter.
Kein Jahr besteht nur aus dem Mai,
da steckt viel Sinn dahinter.

Und wenn der Mensch auch noch so sehr
um seine Jugend trauert.
So weiß im Herbst er um so mehr,
dass doch der Tod schon lauert.

So geht das Leben still voran,
und bringt stets neue Lieder.
Es endet leis was einst begann,
und alles kehrt doch wieder.
 
Liebe Kitty-Blue!

Dein Gedicht liest sich sehr flüssig, und man begreift schnell die Wahrheit, die hinter deinen Zeilen steht - ja, bevor man überhaupt zu Ende gelesen hat - so klar kannst du deine Botschaft rüberbringen!

Die Erzählstimme ist die eines erfahrenen Menschen, der aus seinem Leben und dem anderer Resümee gezogen hat. Leider spiegelt sie das wieder, was die Medien uns unaufhörlich predigen: dass älter werden schlechter werden bedeutet. Und so ärgert man sich über das Ärgerliche, anstatt sich über das (noch) Erfreuliche zu freuen. Man trauert verlorenen Annehmlichkeiten nach, anstatt im Hier und Jetzt zu "leben".

Diese "Glas-halb-leer"-Mentalität gibt deinem Werk einen melancholischen Touch. Eine "Glas-halb-voll"-Mentalität würde es freundlicher erscheinen lassen.

Ich selbst habe 2005 ein Gedicht geschrieben, das fast haargenau dieselben Gedankenbilder verwendet. Es beginnt wie deines, mit der "Glas-halb-leer"-Mentalität, schlägt dann aber in die andere um, um mit einer kleinen Lebensweisheit zu schließen.

Ich schick's dir mal zu - zum Vergleich, zur Inspiration.


In Vers eins ist eindeutig der Rückblick aufs Leben erkennbar: "Es geht das Leben schnell voran". Im Nachhinein scheint es schnell verlaufen zu sein. In der Kindheit hat es ganz anders gewirkt, denn unser Zeitgefühl ändert sich ständig.

Die Strophe selbst beschreibt erst einmal nur das Werden, das Fertigwerden: "Junge zum Mann", "Raupe zum Falter".

Das Altern tritt erst in Strophe zwei in Erscheinung. Mit dem Bild der Jahreszeiten stellst du klar, dass es immer unangenehmer wird: "Frühling zum Winter", "Mai zu Nicht-Mai". Hier erst beginnt der melancholische Unterton.

In diesem Vers ist allerdings ebenso der ganze Zyklus angedeutet, das "Jahr" nämlich - von Juni bis April - und weist somit auf den Neubeginn nach dem Tode hin.

Der Tod selbst hat in Strophe drei seinen Auftritt. Schon steht er schreckverbreitend am Ende des sich verfinsternden Tunnels und wartet, bis der "Herbst" des Lebens durchlaufen ist, wohlwissend, dass das "Der-verlorenen-Jugend-Nachtrauern" schlussendlich seinen Triumph nicht verhindern wird.

In Strophe vier wird schließlich noch einmal der ganze Prozess von Werden und Vergehen reflektiert, beinhaltet im letzten Vers allerdings die tröstliche Gewissheit, dass sich alles im Leben wiederholt.

Kleiner Tipp: Der vorletzte Vers gefällt mir sehr wegen seiner Eleganz:
"Es endet leis, was einst begann,"

Dennoch möchte ich dir eine alternative Wortwahl vorschlagen:
"Es endet leis, was laut begann,"

Damit verstärkst du den Kontrast zwischen den beiden Zuständen in Vergangenheit und Gegenwart.

Man darf dir hier nicht vorwerfen, zu trübsinnig geschrieben zu haben - und kann es nicht. Denn die Sichtweise deines Gedichts hat durchaus seine Berechtigung, weil es wohl die der Mehrheit der Alten in unserer Gesellschaft ist. Somit gibt dein Gedicht lediglich wider, was Jahr für Jahr durchlebt wird, was aber nicht unbedingt nachahmenswert ist. Denn nur Frohsinn vermag wahres Glück zu bescheren. Auch - oder vielleicht gerade - im Alter. Denn nur im Alter besitzt man die Erfahrung aus allen Lebensaltern.

Ansonsten hat mir das Gedicht sehr gefallen. Weiter so!

Liebe Grüße
Markus
 

Kitty-Blue

Mitglied
Hallo Markus,

danke für deine Kritik.
Es freut mich sehr, dass dir mein Gedicht gefällt.
Ich habe mir deins auch durchgelesen.
Es gefällt mir auch sehr gut.

Liebe Grüße,
Kitty
 



 
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