Der Pingeligkeitskrieg

Jalé

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Der Pingeligkeitskrieg
oder: Szenen einer Ehe
oder: Wie man in einer Beziehung sein Territorium absteckt


Die Fernseh-Mami strahlte. "Wunderwasch wäscht weißer als weiß", sagte sie und ihre Zähne blitzten dabei so weißer als weiß, dass sie zweifellos auch Werbung für eine Weißer-als-weiß-Zahncreme hätte machen können.
Ich wackelte gemütlich mit den Zehen und schob meine wollbesockten Füße noch weiter auf die Tischplatte. Anschließend mümmelte ich mich zufrieden in die Sofakissen. Ich schmunzelte. Eberhard war nicht zuhause.
Gerade wollte ich genießerisch nach dem Pralinenkasten hangeln, als die Fernseh-Mutti noch einmal ihre Zähne bleckte. Sie schüttelte die Weißer-als-weiß-Boxershorts ihres Mannes und zeigte ausgiebig vor Millionenpublikum, wo sich sonst normalerweise die Flecken befanden. Oh Gott! Die Nuss-Nougat-Praline, die ich mir während dieses Schauspiels in den Mund geschoben hatte, machte auf meiner Zunge einen unkontrollierten Hüpfer. Ich auch.
Die Weißwäsche! Ich hatte die Weißwäsche vergessen! Seit letzter Woche war dies ein mir selbst unverzeihlicher Fehler. Diese Genugtuung würde ich Eberhard nicht gönnen. Seit dem Streit vor sieben Tagen hatten wir - laut meiner besten Freundin Suse - die Grenze der Pubertät rückwärtig überschritten. Nachdem Eberhard und ich auszudiskutieren versucht hatten, wer für die Schlamperei in unserem Haushalt hauptsächlich zuständig sei, kam er auf die von ihm als überaus genial befundene Idee, per Strichliste den Schmuddelfaktor unserer Beziehung zu ermitteln. Natürlich sei ihm von vornherein klar, dass nur ich das sein konnte.
Während ich seinen Einfall zunächst ebenso wie Suse mehr als kindisch fand, machte mich diese Aussage so wütend, dass ich hektisch losstürzte, um den nächstbesten Block und Kugelschreiber an mich zu reißen. Auch Eberhard war zum Schreibtisch gehechtet, um nun mir nach hysterisch durch das ganze Haus zu hasten und die Mankos des anderen gezielt mit Datum und Uhrzeit in einer Tabelle festzuhalten.
Laufend hörte ich triumphierende Schreie, wie "Aha, natürlich!" oder "Ich wusste es doch!". Ich begann, panisch zu werden. Irgendetwas musste doch zu finden sein. ich raste ins Schlafzimmer, während er sich an der Küche zu schaffen machte. Wahrscheinlich dachte er, dass dies der Ort sei, an dem von einer Frau am ehesten etwas vernachlässigt werden konnte. Seinem siegreichen Gebrüll nach zu urteilen, schien er gar nicht Unrecht zu haben. Scheiße!
Entnervt schmetterte ich Eberhards Kopfkissen beiseite. Juhu! Taschentücher! Ich freute mich wahnsinnig und machte gleich sorfältig für jedes einzelne einen Strich auf die Liste. Nun kroch ich unters Bett. Ha, Socken! Erwischt, Ebi! Alt wirste aussehen! So langsam fand ich Gefallen an unserem Wettstreit. Als ich Eberhard in der Küche erneut aufschreien hörte, besann ich mich darauf, ganz penibel und korrekt zu sein. Das verlangte, eine neue Rubrik in die Tabelle aufznehmen. Neben "dreckige Socken auf dem Boden" eröffnete ich die Sparte "dreckige Socken auf links". Wie oft hatte ich ihm schon gesagt, dass ich es hasste, wenn ich sie umkrempeln sollte!
Seit letzter Woche herrschte bei uns jedenfalls Pingeligkeitskrieg. Heute morgen hatte ich verstohlen auf Eberhards Liste geschielt, als er gerade im Bad war. Es sieht nicht gut aus für mich. Dann später, als er ins Büro aufgebrochen war, hatte ich noch einmal das gesamte Haus durchstöbert und auf den Kopf gestellt, um die Eberhard-ist schlampiger-als-Sybille-Liste etwas auffüllen zu können, aber keine Chance. Mir dämmerte, dass Eberhard in der Nacht aufgestanden war... Hatte er geschickter Weise wirklich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion all seine Schlampspuren beseitigt?
- so ein Mist!
Also durfte ich mir jetzt nicht auch noch die Pleite mit der Weißwäsche erlauben! Ich stolperte ins Schlafzimmer und zerrte die weißen T-Shirts aus der Wäschtruhe. Danach stürzte ich ins Bad. Eberhard würde in einer Dreiviertelstunde zu Hause sein, wenn er sich beeilte. Wenn nicht, könnte ich es noch schaffen, die Wäsche auf die Leine zu hängen. Ich riss die Handtücher vom Haken - etwas Hellbläuliches strahlte mich von Eberhards Handtuch aus an. Zahnpasta! Gleich 1,2,3,4, nein 5, ach, sagen wir sechs kleine Flecken! Selbstgefällig zückte ich den Kugelschreiber und zog die Tabelle aus meiner rechten, hinteren Hosentasche. Dann machte ich feinsäuberlich sechs Striche in der Bad-, Zahnpasta- und Pinkelfleckenrubrik...
 

Jalé

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Liebevoller Geschlechterkampf

Vielen Dank für die positive Resonanz! Freut mich, dass Du Spaß beim Lesen hattest. Habe mich bemüht, dass einem weder Frau noch Mann unsympathisch werden, um so einen doch noch liebevollen Geschlechterkampf zu inszenieren. Und wollte vor allem, dass auch Männer drüber lachen können. Scheint ja geklappt zu haben. Also nochmal Danke!
 



 
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