Der Reim ist tot

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hermannknehr

Mitglied
Der Reim ist tot

Der Reim ist tot, man will es so,
der Zeitgeist lehrt es uns,
denn Reime braucht man anders wo,
nur nicht mehr in der Kuns(t).

Denn Reimen, das ist Kinderkram
aus unserer Jugendzeit,
wenn es auch Dichter anders sahn
in der Vergangenheit.

Und fällt das Reimen auch nicht schwer,
man hat doch Müh´ gehabt
und man sieht an dem Vers vorher,
dass es nicht immer klappt.

Drum merke: Reimen ist vorbei,
sonst hast du keine Chance
bei einem Contest- einerlei,
un fou qui mal y pense.
 

morgenklee

Mitglied
"Matthias, wo hat sich der Reim versteckt?"

hermannknehr

Auch das scheinbar Leichte ist schwer. Deshalb muss das Schwere aber keinesfalls leicht sein.

Du beweist es ja geradezu: Der Reim lebt! Nur ist er halt kein Exportschlager. Das verhindern schon die Übersetzungen - und seien diese noch so gut.

Der Reim lebt ... solange sich Lyriker daran versuchen.

Bezogen auf die augenblickliche Realität, ist mir das Gereimte lieber als das Ungereimte in der Welt.
 

Tula

Mitglied
Hallo Hermann

gut getroffen, war mir die '8' wert.

Es ist ja was dran - die moderne Lyrik 'verachtet' den Reim mehr oder weniger, einige Ikonen ausgenommen (wer denkt da nicht an Gernhardt ?)

Dennoch beweist dieses wie andere Gedichte - ohne den Reim wäre diese Umsetzung doch langweilig und gar nicht erfrischend!

Also ein Hoch auf den Reim!

LG
Tula
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Morgenklee, hallo Tula,
danke für eure Kommentare. Ich bin ganz eurer Meinung, das Gedicht war natürlich satirisch gemeint. Auch aus einen gewissen Frust heraus geschrieben. Wer schon einmal an öffentlichen Lyrik-Wettbewerben teilgenommen hat wird wissen, dass ein gereimtes Gedicht kaum Chancen auf einen der vorderen Plätze hat.
Nichtsdestotrotz halten wir weiter die Fahne des Reimes in der Lyrik hoch, auch wenn wir nur noch ein kleines Häufchen unter den Poeten sind, die von den selbsternannten Avantgardisten als hoffnungslos antiquiert nur müde belächelt werden.
Grüße
Hermann
 

morgenklee

Mitglied
hermannknehr; Tula / Gereimtes

So, wie das Fragezeichen das Ausrufezeichen braucht, so braucht es gleichsam das Gereimte und eben auch das Ungereimte.

Politiker, so scheint mir, stehen oft am Pult des Ungereimten und rechnen sich ihre neuen Diäten aus.

Es ist schon komisch, wenn ein Politiker Diät hält, wird er dicker.

Erich Kästner:

Die unzufriedene Straßenbahn

Sie hasste die gewohnte Strecke,
sprang aus dem Schienenstrang heraus
und wollte endlich einmal gradeaus,
statt um die Ecke.

Ein Unglück gab's. Und keine Reise.
Erinnert euch, bis ihr es wisst:
Wenn man als Straßenbahn geboren ist,
dann braucht man Gleise.
-

Mein Plädoyer:

Lasst uns trotzdem weiter reimen,
denn der Spaß soll heiter keimen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja

Lieber Hermann,
Du hast ja leider recht, und ich weiß es aus eigener Erfahrung: ich nehme an jedem denkbaren Wettbewerb teil. Und ich habe immer den "Fehler" gemacht, gereimte Lieder einzusenden. Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, daß in der Tat gereimte Gedichte von vorneherein aussortiert werden. Sie haben bei den seriösen Wettberwerben nicht die geringste Chance.
Wohlgemerkt, ich rede nicht von dem ganzen lustigen Zeug, das auch hier in der Leselupe im Gereimten abgeladen wird, sondern von Lyrik, Kunst, von der zur Steigerung des Lebens gestalteten Sprache. Spaß muß sein, auch Spiel, aber das Wesentliche in der Lyrik liegt in der Steigerung des Lebens, nicht in der Überheblichkeit des Besserwitzens. Ich habe aufgehört, das ganze lustige Gereime als gut zu bewerten.
Denn es geht dabei alles unter, was das Leben im Sinne von ernsthafter Originalität und Unerhörtheit steigert. Der ewige Humor macht mich müde, denn ihm fehlt der Witz, die zündende Erkenntnis, die augenöffnende Synästhesie der poetischen Welten.

Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Gereimtes kann poetisch sein, modern, unerhört, sogar avantgarde. Der Inhalt kann auch in klassischer Verkörperung zünden. Welch ein Formenreichtum!

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich will nicht so schnell darüber hinweggehen, daß Du eine wunderbar pointierte Schlußsequenz "zitiert" hast. Das französische Sprichwort, das (wenn ich der historischen "Tudors"-Fernsehserie glauben darf) der Hosenbandorden auf seinen Hosenbändern zitiert.
Und durchaus so bedenkenswert, daß man eine ganze Weile darüber nachdenken kann, um es auszuloten. Ist ja nicht untief.
 

morgenklee

Mitglied
Matthias R. / Gereimtes

Der Reim lebt!

Und er wird, wenn ich das richtig nachgeschlagen
habe, Ende November 60 Jahre alt.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Mondnein,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich kann nur jedem Deiner Worte beipflichten. Es ist eben so. Der "moderne" Poet (oder der, der sich für einen solchen hält) meidet den Reim, wie der Teufel das Weihwasser. Allein schon deshalb, um sein Ansehen als Avantgardist nicht zu gefährden. Dabei sind so manche ungereimte Gedichte Kunstwerke, die an Gehalt und lyrischer Qualität an Meisterwerke der Klassik oder Romantik heranreichen. Die letzte Vollendung erfährt aber ein Gedicht erst in der harmonischen Verschmelzung von Inhalt und Form, die meist neben der flüssigen Metrik den Endreim mit einschließt.
Dem Zeitgeist können wir nicht entfliehen, aber auch der wird sich wieder ändern.
LG
Hermann
 

morgenklee

Mitglied
In: Reims! / Gereimtes

hermannknehr

Im Reimersheimer Tageblatt. Das hatte ich mit, als ich übers verlängerte Wochenende in Reims war. Leider war Le Pen auch dort. Aber die habe ich zum Glück verpennt.

PS: Muss mich nochmal schnell ins Lupanum schleichen. Auf den Friedhof der Worte und Wörter.
Grüße m'klee
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo hermannknehr,

sauber verreimt und handwerklich gut gemacht!
Rein inhaltlich ist es mir einen Tick zu larmoyant.

lg wüstenrose
 

morgenklee

Mitglied
Arno Schmidt (Der hier im Gereimten?)

hermannknehr / Nachtrag zum Vortrag:
Statt im "Lulupanikum" bin ich doch glatt in Bargfeld gelandet. Muss verkehrt abgebogen sein.
Ein Arno Schmidt-Beitrag wurde auf arte gezeigt. Sehr interessant und manchmal überraschend.

Zettels Traum. Für viele ein Albtraum.
Ich habe mal während eines Vortrages darauf gesessen.

MfG m'klee
 



 
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