Der Turnschuhkauf

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Marlene

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Der Turnschuhkauf

Meinem angetrauten Ehemann, der sich als fachlicher Berater angeboten hatte, nacheilend, betrat ich ein Sportartikelfachgeschäft – ein renomiertes – denn diesmal sollte es etwas ordentliches sein und kein Billigprodukt aus einem dieser Läden, die für gewöhnlich Kaffeebohnen veräußern.

In dem, ich sagte es schon renomierten, Sportartikelfachgeschäft, vor endlosen Regalen gefüllt mit Turnschuhen für diverse Zwecke, stehend, wollte mich gerade der Wunsch verlassen, mich zukünftig sportlich zu betätigen, als ein kompetent, sportlich aussehender dynamischer junger Mann, solariumgebräunt und hantelbankgestählt auf uns zu eilte. Sich an meinen Mann wendend, fragte er nach seinem Wunsch. Jovial verwies mein Mann auf mich und murmelte etwas wie „Turnschuhe für meine Frau“.

Der sportlich kompetente Sportartikelfachverkäufer ließ sein fachlich geschultes Auge über mich gleiten, wohl um sich einen Überblick über meinen sportlichen Allgemeinzustand zu verschaffen. Das Verharren seines Blickes auf meinen nur schwach ausgeprägten Beinmuskeln und die Skepsis darin ließ mich wieder an meinen doch gerade erst erwachten sportlichen Ambitionen zweifeln. „Ein paar Joggingschuhe für Anfänger“ gelang es mir dennoch zu sagen.

Zielstrebig führte er uns zu dem Regal der „Runningshoes for Women“, um mir dann wortgewandt die Vorzüge der einzelnen Modelle...wie Rundumpolsterung, gelgefütterte Seitenstabilität, Abfederung im vorderen Mittelfußbereich, Anti-Slide-System im schweren Gelände und ähnlich Lebensnotwendiges... zu erklären. Solcherart mit Fachwissen versorgt, zeigte ich auf eines der mich farblich ansprechenden Modelle mit der Bitte dieses anprobieren zu wollen.

Der sportliche Sportartikelfachverkäufer schaute mit sorgenvollem Blick auf meine ...zugegebenermaßen ...großen Füße und bemerkte, dass die Italiener bekanntermaßen leider nicht so groß schneiden und wir auf ein anderes Modell ausweichen müssten. Seufzend holte er ein paar sehr viel weniger schnittige dafür aber um so größere Modelle aus einem hinteren Teil des Sportartikelfachgeschäftes.

Einen letzten verzweifelten Blick auf meine Socken mit dem Bärchenmotiv werfend, überließ er mich meinem Schicksal. Während ich mich mit der komplexen Schnürung der gelkissengefüllten mit Rundumpolsterung versehenen Modelle abmühte, führte der sportlich kompetente Sportartikelfachverkäufer eine zutiefst fachliche Konversation mit meinem ebenso sportlich versierten Ehemann über die Vorteile von Waldböden gegenüber Straßenbelag beim leistungsorientierten Joggen.

Nachdem ich den Eindruck gewonnen hatte, Modell 5 könnte passen, versuchte ich die Aufmerksamkeit der Herren wieder auf meinen Einkaufswunsch zu lenken. Nur sehr zögerlich lösten sich beide aus ihrer angeregten Diskussion, die sich mittlerweile um die besonderen Belastungen der Oberschenkelmuskulatur bei schweren Lehmböden drehte.

Ein kurzer Blick des sportlich durchtrainierten fachlich kompetenten solariumgebräunten und hantelbankgestählten Verkäufers genügte. Er befand die Schuhe für passend...wie für mich gemacht ..., brachte sie zur Kasse und bedankte sich überschwänglich bei meinem Mann für den Einkauf und das interessante Gespräch.

Um ein Paar Runningshoes für Women, die mich im Laden schon drückten, bereichert und belastet mit neusten Erkenntnissen über wirbelschonendes Laufverhalten, verließ ich das Fachgeschäft, ernsthaft überlegend, auf Beratungen dieser Art künftig zu verzichten und meine Turnschuhe demnächst wieder in einem renomierten Kaffeebohnengeschäft vielleicht in Begleitung einer lieben Freundin zu kaufen.
 



 
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