Der erste Einkauf

2,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Danwalker

Mitglied
Der erste Einkauf

I.
Ich lebe schon seit drei Tagen in meiner neuen Wohnung. Es ist eine 1-Zimmer-Wohnung in einem sehr alten Haus, von dem man leicht denken könnte, es bräche jeden Augenblick zusammen. Die Wohnung selbst macht auch nicht gerade einen tollen Eindruck. An mindestens drei Stellen habe ich festgestellt, dass die Wände von Pilzen befallen sind. Wenn ich Rui das nächste Mal sehe, muss ich ihn fragen, ob er mir einen Ratschlag geben kann, was ich tun soll.
Rui ist mein Bruder. Er lebt schon seit 9 Jahren in Deutschland. Ich nicht. Ich lebe seit besagten drei Tagen hier. Nach Deutschland kam ich, um Geld zu verdienen. Wie das schon viele Portugiesen vor mir versuchten und auch schafften.
Vor ein paar Wochen rief ich Rui an und fragte ihn nach Möglichkeiten nach Deutschland zu kommen. Das war kein Problem, schnell konnte er mir einen Job als Putzmann besorgen, so durfte ich nach Deutschland kommen. Dieses Luxusappartement, in dem ich wohne, hat Rui mir auch besorgt.
Seit drei Tagen habe ich auch keine Menschenseele mehr gesehen. Rui muss arbeiten. Er ist der einzige Mensch, den ich hier kenne.
So langsam fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich war es immer gewohnt, wenn mir in Portugal langweilig war, ins Cafe zu gehen. Denn dort war immer was los. Irgendjemand mit dem man reden konnte. Hier ist soweit ich weiß kein Cafe in der Nähe, der einzige, der mit mir redet ist der Fernseher, und den verstehe ich noch nicht einmal.
Ich stehe auf und gehe vom Wohnzimmer, welches gleichzeitig auch das Schlafzimmer und auch das Gästezimmer ist durch den schmalen Flur in die Küche. Meine nackten Füße haben sich immer noch nicht an den PVC-Boden in der Küche gewöhnen können. Daheim in Portugal hatten wir Marmorböden. Marmor ist in Portugal sehr sehr billig.
In der Küche ist es kalt, obwohl dort die Ölheizung steht. Überhaupt ist es hier oben ziemlich kalt. Aber ich will mich nicht beschweren, denn es lässt sich aushalten. Mutter hat gesagt, ich solle mich nicht beschweren, das habe man in Deutschland nicht gern, besonders nicht, wenn du als Ausländer da bist.
In die Küche bin ich gekommen um meinen Kühlschrank auf Inhalt zu überprüfen. Was ich sehe ist nicht grad ein Grund zur Freude, der Kühlschrank ist so gut wie leer. Das heißt, ich muss einkaufen gehen.

II.
Es ist das erste Mal, dass ich allein einkaufen gehe, hier in meiner neuen Umgebung. Am Tag meiner Ankunft, als er mir meine Wohnung zeigte, zeigte Rui mir auch den Supermarkt, der nicht weit weg ist.
Ich gehe also los. Nachdem ich ein paar Meter von zu Hause weg bin gabelt sich die Straße. Wo lang? Das habe ich vergessen. Da stehe ich nun, will was zu essen kaufen, weiß aber nicht wo. Ich starre ein Straßenschild an, was draufsteht sagt mir aber gar nichts.
„Wunderbar, sehr gut, das ist fantastisch, da bin ich in einem Fremden Land und weiß nicht wo ich was zu Essen kaufen kann!“
In Portugal musste ich mich nicht um mein Essen kümmern. Das machte schon meine Mutter oder manchmal meine Großmutter. Wir lebten alle zusammen. Jeder muss sich da um irgendwas kümmern. Meine Mutter machte so Sachen wie Wäsche oder Essen, meine Großmutter strickte eigentlich den ganzen Tag. Da mein Vater tot ist, musste ich mich um die Hunde kümmern, wenn ich denn zu Hause war, in Portugal war ich nämlich lange Zeit Berufssoldat, bevor ich mich entschied auszuwandern. Zugegebenermaßen, ich hatte wohl die leichteste Aufgabe.
Unsanft werde ich aus meinen Gedanken gerissen, denn ich werde angefahren. Von einem Fahrradfahrer. Na ja, besser gesagt eine Fahrradfahrerin. Sie hat blonde Haare und sieht mich sehr böse an, dann sagt sie etwas, aber ich verstehe nur „Chh“. Schließlich fährt sie weiter und lässt mich zurück. Ohne mir zu helfen, denn ich bin hingefallen, habe mir aber nicht wehgetan. Während ich wieder aufstehe und mich vom Schmutz der Straße freiklopfe, überlege ich, ob alle Deutschen so unfreundlich sind. Da ich bisher aber noch keinen persönlich kennengelernt habe, will ich (noch) nicht schlecht über sie denken.
Das ist aber vorerst nicht mein Problem, das Problem bleibt, das ich nicht weiß, wie ich zum Supermarkt komme. Nach einigem Hin und Her habe ich eine Idee. Ich markiere mir den Weg, wenn ich mich verlaufe, folge ich einfach den Markierungen zurück. Schnell lauf ich in meine Wohnung zurück und suche dort etwas, womit ich den Weg markieren könnte. Das ist gar nicht so leicht, denn ich habe nichts, was sehr lang ist, oder was ich sehr oft habe. Als ich eine Pause auf der Toilette einlege, finde ich, was ich brauche.

III.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen finde ich endlich den Supermarkt. Hinter mir habe ich eine lange Spur von Toilettepapier angelegt. Vier Toilettenpapierrollen habe ich dabei verbraucht. Auf dem Weg zum Supermarkt sind mir einige Menschen begegnet, die mich ein wenig seltsam ansahen.
In einem Supermarkt war ich schon einmal. In Portugal gibt es viele. Doch Supermarkt ist nicht gleich Supermarkt. Das merke ich, als ich an die Fleischtheke gelange. Lange suche ich das Ding, an dem man die Nummern zieht, als es ich es einfach nicht finden kann komme ich zu dem Schluss, dass man dieses System hier nicht kennt. Ich bemerke eine Reihe, in der die Leute darauf zu warten scheinen aufgerufen zu werden. Um höflich zu sein stelle ich mich hinten an, in Portugal ist das nicht nötig, denn dort hat ja jeder seine Nummer und kann stehen wo er will.
Ich schaue mir die Gesichter an, die mich umgeben. Der Mann, der das Fleisch verkauft hat eine Glatze, ist sehr blass, hat aber rote Bartstoppeln. Er sieht sehr gestresst aus. Ich kann zwar nicht verstehen, was er zu anderen Kunden sagt, aber ich glaube, er spricht sehr abgehackt. Das gibt es in Portugal nicht, in Portugal sind die Leute immer sehr entspannt. Es sei jedem mal empfohlen in der Rush Hour in ein Straßencafe in Lissabon zu gehen und sich mit dem Kellner zu unterhalten. Er wird immer antworten, er wird sich immer Zeit für eine kurze Unterhaltung nehmen. Ich bewundere das.
Eine Frau die vor mir steht hat schwarzes Haar und eine dunkle Haut. Plötzlich überkommt mich eine Sicherheit, ich weiß, dass sie eine Landsfrau ist und so spreche ich sie an. Sie sieht mich verwundert an und mit schnellen Schritten weg. Anscheinend war sie doch nicht aus Portugal. Aber warum geht sie weg? Ich bin zwar fremd, aber doch nicht gefährlich.
Als ich drankomme, denke ich gerade daran, dass die Fahrräder hier in Deutschland gar keine Nummernschilder haben.
Der Glatzkopf mit den roten Bartstoppeln scheint mich was zu fragen, da ich ihn eh nicht verstehe, zeige ich einfach auf die Salami in der Theke. Er fragt mich noch was. Ich zeige wieder auf die Salami. Sein Blick wird aggressiver und er fragt mich noch was. Ich zeige erneut auf die Salami. Der gute Mann fasst sich an den Kopf und hält seine Handflächen erst ganz dicht, dann etwas weniger, schließlich ganz weit auseinander. Ich glaube, er will wissen, wie viel ich haben möchte. Ich zeige es ihm durch Handzeichen.
Als ich schließlich die Salami habe sage ich noch „Obrigado“ und gehe, ich glaube nicht, dass er mich verstanden hat.
Nach meinem erfolgreichen Salamikauf gehe ich Obst holen, was relativ unproblematisch geht. Schwieriger wird es, als ich Zucker haben will. In einer Reihe stehen ganz viele Pakete, aber ich weiß nicht, was drin ist. Ohne lang nachzudenken, nehme ich meinen Schlüssel aus der Tasche und steche ein Paket auf. Es ist Mehl. Ich steche noch ein anderes Paket auf und es ist wieder Mehl. Auch das dritte Paket, welches ich aufsteche enthält Mehl. Beim vierten habe ich Glück. Erfreut, dass ich endlich Zucker gefunden habe, nehme ich ein Paket, das noch aufgestochen ist. Dabei bemerke ich, dass ich vielleicht ein wenig Mehl verstreut habe.
Ich brauche nur noch Brot. Ich gehe an den Brotstand. Dieser Bäcker hat viele Arten von Brot, doch eine fasziniert mich. Da ist Schwarzbrot. Da ist tatsächlich Schwarzbrot. Oft habe ich gehört, wie Rui es erwähnte, wenn er mal zu Besuch in Portugal war, Mama und ich haben immer herzlich gelacht, denn von so was hatten wir noch nie gehört, schwarzes Brot gibt es in Portugal nicht.. Doch nun sehe ich schwarzes Brot. Ich zeige wie ein Verrückter drauf, der Mann, der es verkauft versteht sofort und packt mir eins ein.

IV.
Da ich eigentlich alles habe, was ich vorerst brauche, will ich mich auf den Weg zurück nach Hause machen. Als ich den Supermarkt verlasse, bemerke ich, dass ich meine Klopapierspur nicht mehr bemerke. Sie ist weg. „Caralho!“, stoße ich aus.
In der Hoffnung, dass sie vielleicht nur weggeweht wurde, suche ich in der näheren Umgebung nach ihr. Ich schlage verschiedene Wege ein, mich die ganze Zeit ärgernd, dass mir so was passieren musste. Mir fällt meine Mutter ein, was sie nun sagen würde. „
Sorte Malvada!“ Verdammtes Glück. Doch es wird noch besser, nicht nur, dass ich das Klopapier nicht mehr finden kann, nein, ich bin auch kopflos vom Supermarkt weggelaufen und bin jetzt irgendwo in einer Straße, wo ich noch nicht zuvor gewesen bin.
Fragend blicke ich mich um. Ich sehe Wohnhäuser, sehr hoch, rot gestrichen, nicht wie in Portugal, wo sie wegen der starken Sonne weiß gehalten werden. Niemand ist auf der Straße.
Ich habe mich verlaufen. Das ist sehr sehr schlecht. Das einzige Mal, dass ich verlaufen habe, war in Portugal. Vor vielen Jahren, als ich noch ein kleiner Junge war. Damals ging ich unerlaubt in einen kleinen Wald, der unweit von unserem Haus war. Schon bald wusste ich nicht mehr zurück. Ich schrie: „Socorro!“ Stundenlang. Dann hörte ich meinen Vater und meinen Bruder nach mir rufen. Sie waren gekommen um mich zu finden. Doch nun würde keiner kommen. Umgeben von diesen Hochhäusern. Ich bin allein.
Plötzlich entdecke ich einen Mann, ein dicker Mann, mit einer Schirmmütze. Er sitzt an am Straßenrand. Neben ihm eine Kiste, in der kleine Hunde, Welpen sind. Deutsche Schäferhunde glaube ich, ich bin mir nicht sicher, weil ich noch nie einen gesehen habe, ich kenne sie nur aus Ruis Erzählungen.
Langsam gehe ich auf den Mann zu. Er sieht mich und sagt „Hallo!“, so viel verstehe ich immerhin. Dann sagt er noch was, ich zucke aber nur mit den Schultern. So geht das ein paar Minuten. Dann hebt er einen Welpen hoch und will ihn mir reichen. Ein wenig erschrocken weiche ich zurück, doch dann besinne ich mich. Zu Hause, ich meine in meinem echten zu Hause, in Portugal, da haben wir schließlich auch Hunde. Doch die sind immer angekettet, weil das Vorschrift in Portugal ist. Trotzdem habe ich sie oft abgekettet und sie laufen lassen, mit ihnen Ball gespielt und mehr. Ich habe sie richtig lieb. Hunde sind nicht grad die klügsten, aber sie sind treu. Nie ist einer der Hunde, die ich losließ weggelaufen. Sie sind immer zurückgekehrt. Sie sind echte Freunde, denn sie verlassen einen nicht.
Der Mann reicht mir den Hund noch näher und sagt „Nimm!“ Was das heißt weiß ich nicht, aber ich glaube er will mir den Hund geben. Ich lege die paar Sachen die ich eingekauft habe auf den Boden und ergreife den Hund. Er sieht mich mit seinen Knopfaugen an und beschnuppert mich. Ein süßes Tier.
Ich entschließe mich, dass der Welpe mein Freund werden soll, ich will ihn mitnehmen. Während ich in der einen Hand meinen neuen Freund balanciere, such ich in meinen Taschen nach Geld. Ich habe keines mehr. In mir steigt eine Traurigkeit auf, da ich nicht bezahlen kann. Ich spreche den Mann an. „Nao tenho dinheiro!“, „No Manny“. Der Hundetyp antwortet nur mit einer wegwerfenden Handbewebung und sagt „Nimm!“ Daraufhin muss ich lächeln und sage „Obrigado!“ Dann picke ich meine Einkäufe auf und gehe mit meinem Freund los. Mit einem Gefährten an meiner Seite habe ich neue Hoffnung meine Wohnung zu finden. Nach ein paar Schritten drehe ich mich noch einmal um und sage „Adeus!“ Der Mann antwortet nicht.
Während ich die Wohnung suche und der Welpe auf meinem Arm zappelt, überlege ich, wie freundlich das war mir den Hund zu schenken. Der Mann könnte glatt als Portugiese durchgehen. Vielleicht sind ja viele Deutsche so nett wie dieser Mann. Vielleicht ist der Salamiverkäufer ein netter Kerl, wenn er nicht so viel arbeiten müsste. Und vielleicht ist das Mädchen, das mich angefahren hat, reizend, wenn sie nicht so unter Zeitdruck steht. Vielleicht. Ich bin neugierig endlich Deutsche kennen zu lernen.
Nach sage und schreibe zwei Stunden finde ich meine Wohnung, es kommt einem Wunder gleich. Der Welpe ist in meinem Arm eingeschlafen. Zu Hause lege ich ihn erst mal auf mein Bett und betracht ihn. Mein erster Freund hier im neuen Land. Hoffentlich bleibt es nicht der letzte. Dieser haarige erste neue Freund hat aber noch keinen Namen. Doch ich brauch nicht lange zu überlegen. Ich hole ein wenig von der Salami, die ich gekauft habe und gebe sie dem kleinen.
„Nimm“ soll er heißen. Eines Tages werde ich noch mal die Bedeutung dieses Wortes lernen. Sollte das was obszönes sein, dann ändere ich den Namen vielleicht, aber bis dahin bleibt es bei „Nimm“.
Der kleine Racker beginnt gierig zu fressen.
„Bom appetite, Nimm!“
 

majissa

Mitglied
Hallo Danwalker,

ehrlich gesagt ist mir deine Geschichte zu langatmig. So wollte ich schon im zweiten Abschnitt bei der Erwähnung des Berufssoldaten das Handtuch werfen, las aber weiter, weil ich einfach nicht glauben wollte, dass da jemand soviel Text um so wenig Handlung strickt. Im Grunde ist diese Geschichte mit ein paar Zeilen erzählt. Weder Spannungsbogen noch Plot kann ich entdecken. Allerhöchstens die nicht neue und ohne Originalität erzählte Erkenntnis, dass erste Eindrücke täuschen können oder Hunde wahre Menschenfreunde sind. An deiner Stelle würde ich extrem kürzen und Dinge, die die Handlung nicht weiter vorantreiben, rigoros streichen. Es gibt einige unglaubwürdige Stellen im Text. Eine davon betrifft die Klopapiermarkierung von der Wohnung bis zum Supermarkt. Das mag zwar im ersten Moment witzig sein, für mich aber absolut nicht nachvollziehbar, es sei denn, der Protagonist deiner Geschichte käme gerade von einem Planeten, auf dem es immerzu windstill ist.

Immer wieder mal zeigen sich in der Geschichte Anflüge von Humor. Leider werden sie von aussagearmer Textmasse erdrückt. Gekürzt und mit etwas Spannung bereichert könnte dein Werk sicher gut werden.

Lieben Gruß
Majissa
 



 
Oben Unten