Der namenlose Schrei

Manuel

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Der namenlose Schrei weiß nicht recht was er beklagt. Der Gegenstand, zu dessen Vermittlung er gebraucht wird, ist zu komplex, um Ausdruck zu finden. Den Inhalt kann man nicht deduktiv erörtern oder im Entferntesten definieren. Vielleicht ist deswegen der Schrei ein Schrei geworden und nicht etwa ein wohlüberlegter Teil einer tiefen Diskussion.
Des weiteren ist er nicht ganz sicher, welcher Kehle er entstammt. Nur eine Dumpfe Erinnerung gaukelt vor zu existieren. Doch eigentlich ist der Verursacher, der Erzeuger des Schreis unbekannt. Keine Andeutung an Geschlecht oder Rasse.
Desselben ist Ursprungsort nicht mehr nachzuvollziehen. Vor zu langer Zeit trat der Schrei seinen Weg an und zu viel von seinem Weg hat er bereits zurückgelegt. Der Wind hat schon mehrmals seine Richtung geändert.
Doch eines seiner brennensden Fragen ist, an wen er eigentlich gerichtet ist. Der Schrei kann sich noch genau erinnern, dass er an niemanden gerichtet wurde. Doch er wurde gerichtet. Im Unwissen freilich dessen, der ihn gerichtet hat, aber dennoch wurde er geformt und abgesandt.
Folglich hat der Erzeuger, gleich in welcher Situation befindlich, doch einen Drang, ja man möchte sagen, einen innerlichen Drang verspürt, dem es Gestalt zu geben galt. Dies wiederum impliziert eine gewisse Hoffnung Gehör zu finden. Bestünde diese Hoffnung nicht, wäre der namenlose Schrei allerhöchstens ein imaginäres Gebilde im Kopf des Erzeugers und trüge den Namen stiller Schrei. Auch wenn die Hoffnung ebenfalls
namenlos ist, ist sie existent. Sicherlich bestimmt nun dieser Funke nicht darüber, ob tatsächlich jemand da ist, der den Schrei hört oder nicht. Dieser kleine Splitter entscheidet jedoch, ob nun der Drang seinen Ausdruck findet oder noch im Mutterleibe zu Grabe getragen wird.
Was wir sicher wissen ist, dass der Schrei einen Verursacher in einer Situation an einem Ort und einen Inhalt hat. Was wir zusammen mit dem Schrei und dem Verursacher des Schreis nicht wissen ist, ob nun letzten Endes jemand hört oder nicht. Man weiß nie bevor man schreit ob man gehört wird oder nicht. Und wenn man geschrien hat, kann man gehört worden sein, ohne dass man es merkt. Wie erfahren wir aber von der Aufnahme unseres Schreies bei dem Hörenden? In dem er auf den Schrei reagiert und erst dann können wir es sicher wissen.
Er wird aber erst auf einen Schrei reagieren können, wenn er ihn hört. Hören kann er ihn nur, wenn der Schrei formuliert wird. Der Schrei kann nur formuliert werden, wenn die Hoffnung Gehör zu finden ihm aus dem Innern heraus hilft. Die Hoffnung kann aber dem heraushelfen, was im Innern als Drang schon existiert.
Seien wir ehrlich! Jeder von uns hat diesen Drang.
 



 
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