Der späte Gast

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huwawa

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Der späte Gast

Es war schon nahe an Mitternacht, als ich mich schlafen legte. Noch vor dem erhofften Schlummer stellte sich jedoch ein ungebetener Gast ein. Wobei die Bezeichnung „Gast“ genau genommen nicht richtig ist.

Seltsam, dass es für Gast kein Femininum gibt, fiel mir ein. „Die Gästin“ hatte ich noch nie gehört, steht nicht im Duden, gibt es überhaupt nicht. Wirklich eigenartig, es gibt doch auch einen König und eine Königin, den Wirt und die Wirtin und selbst dem Narren gesteht man eine Närrin zu. Der Gast dagegen hat immer ein Mann zu sein, höchstens die Beifügung „weiblich“ lässt eine geschlechtsspezifische Einordnung zu. Sonderbare deutsche Sprache!

Mein später Gast war jedenfalls weiblich, das wusste ich schon, ohne ihn gesehen zu haben. Nun kann Damenbesuch zu dieser Stunde unter gewissen Umständen ja durchaus angenehm sein, aber auf dieses girrende kleine Monster, das es letzlich nur auf Eines abgesehen hatte, mochte ich gerne verzichten. Lieber Else als Gelse, sozusagen.

Wie ich das penetrante Annäherungsgeräusch dieses Biestes nur hasste. Schon hob ich die Hand zum zermalmenden Schlag, doch wie sollte ich die kleine Blutsaugerin im Finstern treffen? Da hatte ich eine bessere Idee! Die gemeine Stechmücke, wissenschaftlich Culex pipiens genannt, ist ja in ihrem Stech- und Saugverhalten nicht hetero- sondern eindeutig bisexuell veranlagt. Ich verkroch mich also schnell unter meine Decke und hob diejenige meiner bereits friedlich schlummernden Gattin etwas an. Tatsächlich- das unangenehme, hochfrequente Summen entfernte sich und verstummte schließlich. Erleichtert schob ich den Kopf wieder unter der Bettdecke hervor.

Ssssssssssssssssssssssssssssssss.........Ich erstarrte. Entweder hatte sich unsere nächtliche Besucherin an den Lebenssäften meiner Gemahlin nicht sättigen können, was mir allerdings sehr unwahrscheinlich schien, oder sie hatte Verstärkung bekommen. Einerlei, meine Geduld war nun zu Ende, Entschlossenheit paarte sich mit blanker Mordlust! Kaltblütig wartete ich, bis das sirrende Geräusch ganz nahe war. Als es abbrach und ich eine winzige Berührung am rechten Ohr verspürte, schlug ich kurz und hart zu. Ich knipste das Licht an und sah, dass tatsächlich ein schwarz-roter Fleck, umgeben von einem Gewirr aus geknickten und gebrochenen Gelsenflügeln und -beinen auf meiner Handfläche klebte.

Mitleid mit der besiegten Ruhestörerin hatte ich nicht. Sie hätte sich ja, so wie ihr guter Mann, auch redlich von Wasser und Fruchtnektar ernähren können, anstatt sich an meinem Blut zu berauschen. Solch schlechte Trinkgewohnheiten werden nun einmal bestraft. Der Tod der Gelse schmerzte mich nicht im Geringsten. Nur mein rechtes Ohr, das wegen eines Trommelfellrisses im Krankenhaus stationär behandelt werden musste.
 

huwawa

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Der späte Gast

Es war schon nahe an Mitternacht, als ich mich schlafen legte. Noch vor dem erhofften Schlummer stellte sich jedoch ein ungebetener Gast ein. Wobei die Bezeichnung „Gast“ genau genommen nicht richtig ist.

Seltsam, dass es für Gast kein Femininum gibt, fiel mir ein. „Die Gästin“ hatte ich noch nie gehört, steht nicht im Duden, gibt es überhaupt nicht. Wirklich eigenartig, es gibt doch auch einen König und eine Königin, den Wirt und die Wirtin und selbst dem Narren gesteht man eine Närrin zu. Der Gast dagegen hat immer ein Mann zu sein, höchstens die Beifügung „weiblich“ lässt eine geschlechtsspezifische Einordnung zu. Sonderbare deutsche Sprache!

Mein später Gast war jedenfalls weiblich, das wusste ich schon, ohne ihn gesehen zu haben. Nun kann Damenbesuch zu dieser Stunde unter gewissen Umständen ja durchaus angenehm sein, aber auf dieses girrende kleine Monster, das es letzlich nur auf Eines abgesehen hatte, mochte ich gerne verzichten. Lieber Else als Gelse, sozusagen.

Wie ich das penetrante Annäherungsgeräusch dieses Biestes nur hasste. Schon hob ich die Hand zum zermalmenden Schlag, doch wie sollte ich die kleine Blutsaugerin im Finstern treffen? Da hatte ich eine bessere Idee! Die gemeine Stechmücke, wissenschaftlich culex pipiens genannt, ist ja in ihrem Stech- und Saugverhalten nicht hetero- sondern eindeutig bisexuell veranlagt. Ich verkroch mich also schnell unter meine Decke und hob diejenige meiner bereits friedlich schlummernden Gattin etwas an. Tatsächlich- das unangenehme, hochfrequente Summen entfernte sich und verstummte schließlich. Erleichtert schob ich den Kopf wieder unter der Bettdecke hervor.

Ssssssssssssssssssssssssssssssss.........Ich erstarrte. Entweder hatte sich unsere nächtliche Besucherin an den Lebenssäften meiner Gemahlin nicht sättigen können, was mir allerdings sehr unwahrscheinlich schien, oder sie hatte Verstärkung bekommen. Einerlei, meine Geduld war nun zu Ende, Entschlossenheit paarte sich mit blanker Mordlust! Kaltblütig wartete ich, bis das sirrende Geräusch ganz nahe war. Als es abbrach und ich eine winzige Berührung am rechten Ohr verspürte, schlug ich kurz und hart zu. Ich knipste das Licht an und sah, dass tatsächlich ein schwarz-roter Fleck, umgeben von einem Gewirr aus geknickten und gebrochenen Gelsenflügeln und -beinen auf meiner Handfläche klebte.

Mitleid mit der besiegten Ruhestörerin hatte ich nicht. Sie hätte sich ja, so wie ihr guter Mann, auch redlich von Wasser und Fruchtnektar ernähren können, anstatt sich an meinem Blut zu berauschen. Solch schlechte Trinkgewohnheiten werden nun einmal bestraft. Der Tod der Gelse schmerzte mich nicht im Geringsten. Nur mein rechtes Ohr, das wegen eines Trommelfellrisses im Krankenhaus stationär behandelt werden musste.
 



 
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