Pablo Sanchez
Mitglied
Aus dem Radio tönt leise irgendwelche Indie-Musik, moderiert von einem Moderator der tatsächlich Interesse an solcher Musik hat. Es ist 3:34 Uhr nachts, wie ich von dem Moderator erfahre und einer jener Tage, an denen ich eben solche Musik nicht ertragen kann. Es ist einer der wenigen Tage, in denen ich das Radio ausschalte. Normalerweise läuft es Tag und Nacht über, selbstverständlich immer der gleiche Sender: \"Radio 1 – Nur für Erwachsene\". Trotz des Mottos kann ich nicht behaupten den Sender als elitären Gründen zu hören, als Gewohnheitsmensch habe ich mich nur einfach daran gewöhnt.
Ich setze mich zurück auf den Küchentisch, die Beine auf den Stuhl gestellt und öffne das Fenster. Eine kalte Brise kommt mir entgegen, lässt mich kurz erschaudern, lenkt meinen Blick weg vom Fenster, in Richtung des fahrbaren Korbes, der allerdings noch nie seinen Platz gewechselt hat. Auf ihm liegen allerhand Zeitungen, welche ich von Zeit zu Zeit lese, oder einfach nur dort abgelegt und vergessen habe. Aber auch eine dünne, silberne Scheibe – das Geschenk meiner Tochter zum 47. Geburtstag - was inzwischen 3 Jahre her ist. Auf deren Vorderseite ist eine Zigarette und ein Kreuz abgebildet. Sie hatte damals die Idee das Ding an mein Fenster zu kleben. Lächerlich! Entgeistert wende ich den Blick ab, nehme mir eine Marlboro aus der halbleeren Packung und zünde sie an. Der erste Zug nimmt jegliche nagenden Schuldgefühle von mir, lässt mich vergessen und wichtigeren Dingen zuwenden.
Die Nacht ist sternenklar und mondlos, eine Seltenheit in einer sonst so wolkenverhangenen Stadt. Mein Blick wandert wie jede Nacht über die Straßen, Häuser, Brücken und Bahngleise unter mir. Die Szene hat etwas magisches, friedvolles an sich, kein Mensch der die Straßen quert, kein Auto das die Ruhe stört. Nicht selten streiten sich hier Nachts lautstark betrunkene Prolls aus den umliegenden Kneipen und Dönerläden. Doch heute ist bisher nichts dergleichen zu sehen und beschwingt denke ich daran, meine Kamera, die neben mir auf dem Tisch immer griffbereit liegt, zu nehmen und die Szene, gemischt mit meinen Gefühlen in der Kamera einzufangen. Der zweite, tiefe Zug an der Malloboro belehrt mich eines besseren, für solche Dinge ist auch später noch Zeit.
Das Licht der Straßenlaternen erleuchtet den grauen Bordstein, das Schwarz der Straßen in weichem Licht, macht all die im Laufe des Herbstes gefallenen braunen Blätter sichtbar. Sie liegen am Straßenrand, auf dem Bürgersteig, tanzen mal elegant, mal verspielt, geführt von ihrem Dirigenten...
...Als wir das Arbeitszimmer betreten sagt Tim erwartungsfroh: \"Spielst du nachher noch Fußball mit mir Papa?\". \"Klar mache ich gern, aber jetzt schau dir erstmal mein neues Bild an.\" Während er mein Werk betrachtet, überlege ich ob noch etwas daran zu verbessern wäre. \"Ich finde es super, es wirkt so pastellfarben und es wird die Kritiker und deine Käufer bestimmt umhauen\", sagt Tim beindruckt, aber auch ein wenig ungeduldig.
Beim Durchqueren der Galerie fällt mir ein Bild ins Auge, ein sehr frühes Werk von mir selbst mit dem Titel \"Auf großer Fahrt\". Es war mein erstes gutes Bild und es begründete auch die Tradition der Titelfindung zusammen mit meinen Kindern. Tim hatte den Titel damals ausgesucht und er passte perfekt zum Bild. Inzwischen hat sich mein Stil zwar gewandelt, aber ich verbinde trotzdem eine schöne Zeit damit...
...Glücklich nehme ich den dritten Zug der Marlboro. Im ersten Moment losgelöst von jenem Unsinn, den man Realität nennt, holt mich die kalte Nachtluft beim Ausatmen doch wieder ein.
Mein Blick wird von zwei rot und weißen Punkten links am Horizont angezogen, blinkende Punkte die mich auch aus dieser Entfernung mit ihrem Blitzlicht blenden. Sie beunruhigen mich, scheinen immer näher zu kommen, begleitet von einem Grollen und Pfeifen, das die Stille durchbricht. Ich will mir dir Ohren zuhalten, doch meine Hände gehorchen mir nicht, die eine liegt starr auf dem Fensterbrett, die andere klebt zitternd an der Zigarette. Jegliches Gefühl der Freude entflieht meinem Körper, verschwindet ohne das ich es aufzuhalten vermag.
Der Punkt wird größer, befindet sich nun fast über mir. Die Lichter zucken, wie Blitze vor meinem Auge, lassen mich nur noch Rot und Weiß sehen. Unerträgliches lautes Pfeifen und Dröhnen; Staubsauger welche die Luft einsaugen, scheinen das gleiche mit mir vorzuhaben. Die Blätter tanzen nicht mehr, sie toben wild, versuchen in ihrer Panik in alle Himmelsrichtungen zu entfliehen. Die Geräusche, die Lichter, sie brechen mich, durchbrechen die Gitter und Mauern hinter denen sich für immer weggesperrt geglaubtes Blau und Schwarz befindet...
Verschwommene Bilder, Momente, das Klingeln und Öffnen der Tür, zwei Blaue Gestalten, welche hinter ihr stehen. Meine Mutter die mit ihnen redet, Worte die ich nicht verstehe, nicht begreifen kann und will. Die Rede von einer Nachricht, die der Welt schon lang bekannt war, die nur mir bisher unbekannt blieb, einer Nachricht geschrieben in nüchtern schwarzer Schrift wird meiner Mutter überreicht...
Es ist vorüber gezogen, die Geräusche werden schwächer, sind kaum noch hörbar, Stille tritt ein. Doch diese Stille spricht nicht von Frieden und Glückseligkeit, sie legt sich drückend und schwer auf die Straßen, Häuser, Brücken und Bahngleise. Auch die Blätter liegen nun leblos auf Beton und Teer, unfähig ihre letzte Ruhe zu finden und ins Erdreich zurück zu kehren.
Der vierte Zug an der Marlboro hat einen bitteren Beigeschmack, vermag nicht die Gedanken zu verscheuchen, die noch immer leise in meinem Kopf widerhallen. Doch es werden noch weitere Züge folgen. Züge, die Gedanken weit weg tragen, da bin ich gewiss, denn das tuen sie jede Nacht.
Ich setze mich zurück auf den Küchentisch, die Beine auf den Stuhl gestellt und öffne das Fenster. Eine kalte Brise kommt mir entgegen, lässt mich kurz erschaudern, lenkt meinen Blick weg vom Fenster, in Richtung des fahrbaren Korbes, der allerdings noch nie seinen Platz gewechselt hat. Auf ihm liegen allerhand Zeitungen, welche ich von Zeit zu Zeit lese, oder einfach nur dort abgelegt und vergessen habe. Aber auch eine dünne, silberne Scheibe – das Geschenk meiner Tochter zum 47. Geburtstag - was inzwischen 3 Jahre her ist. Auf deren Vorderseite ist eine Zigarette und ein Kreuz abgebildet. Sie hatte damals die Idee das Ding an mein Fenster zu kleben. Lächerlich! Entgeistert wende ich den Blick ab, nehme mir eine Marlboro aus der halbleeren Packung und zünde sie an. Der erste Zug nimmt jegliche nagenden Schuldgefühle von mir, lässt mich vergessen und wichtigeren Dingen zuwenden.
Die Nacht ist sternenklar und mondlos, eine Seltenheit in einer sonst so wolkenverhangenen Stadt. Mein Blick wandert wie jede Nacht über die Straßen, Häuser, Brücken und Bahngleise unter mir. Die Szene hat etwas magisches, friedvolles an sich, kein Mensch der die Straßen quert, kein Auto das die Ruhe stört. Nicht selten streiten sich hier Nachts lautstark betrunkene Prolls aus den umliegenden Kneipen und Dönerläden. Doch heute ist bisher nichts dergleichen zu sehen und beschwingt denke ich daran, meine Kamera, die neben mir auf dem Tisch immer griffbereit liegt, zu nehmen und die Szene, gemischt mit meinen Gefühlen in der Kamera einzufangen. Der zweite, tiefe Zug an der Malloboro belehrt mich eines besseren, für solche Dinge ist auch später noch Zeit.
Das Licht der Straßenlaternen erleuchtet den grauen Bordstein, das Schwarz der Straßen in weichem Licht, macht all die im Laufe des Herbstes gefallenen braunen Blätter sichtbar. Sie liegen am Straßenrand, auf dem Bürgersteig, tanzen mal elegant, mal verspielt, geführt von ihrem Dirigenten...
...Als wir das Arbeitszimmer betreten sagt Tim erwartungsfroh: \"Spielst du nachher noch Fußball mit mir Papa?\". \"Klar mache ich gern, aber jetzt schau dir erstmal mein neues Bild an.\" Während er mein Werk betrachtet, überlege ich ob noch etwas daran zu verbessern wäre. \"Ich finde es super, es wirkt so pastellfarben und es wird die Kritiker und deine Käufer bestimmt umhauen\", sagt Tim beindruckt, aber auch ein wenig ungeduldig.
Beim Durchqueren der Galerie fällt mir ein Bild ins Auge, ein sehr frühes Werk von mir selbst mit dem Titel \"Auf großer Fahrt\". Es war mein erstes gutes Bild und es begründete auch die Tradition der Titelfindung zusammen mit meinen Kindern. Tim hatte den Titel damals ausgesucht und er passte perfekt zum Bild. Inzwischen hat sich mein Stil zwar gewandelt, aber ich verbinde trotzdem eine schöne Zeit damit...
...Glücklich nehme ich den dritten Zug der Marlboro. Im ersten Moment losgelöst von jenem Unsinn, den man Realität nennt, holt mich die kalte Nachtluft beim Ausatmen doch wieder ein.
Mein Blick wird von zwei rot und weißen Punkten links am Horizont angezogen, blinkende Punkte die mich auch aus dieser Entfernung mit ihrem Blitzlicht blenden. Sie beunruhigen mich, scheinen immer näher zu kommen, begleitet von einem Grollen und Pfeifen, das die Stille durchbricht. Ich will mir dir Ohren zuhalten, doch meine Hände gehorchen mir nicht, die eine liegt starr auf dem Fensterbrett, die andere klebt zitternd an der Zigarette. Jegliches Gefühl der Freude entflieht meinem Körper, verschwindet ohne das ich es aufzuhalten vermag.
Der Punkt wird größer, befindet sich nun fast über mir. Die Lichter zucken, wie Blitze vor meinem Auge, lassen mich nur noch Rot und Weiß sehen. Unerträgliches lautes Pfeifen und Dröhnen; Staubsauger welche die Luft einsaugen, scheinen das gleiche mit mir vorzuhaben. Die Blätter tanzen nicht mehr, sie toben wild, versuchen in ihrer Panik in alle Himmelsrichtungen zu entfliehen. Die Geräusche, die Lichter, sie brechen mich, durchbrechen die Gitter und Mauern hinter denen sich für immer weggesperrt geglaubtes Blau und Schwarz befindet...
Verschwommene Bilder, Momente, das Klingeln und Öffnen der Tür, zwei Blaue Gestalten, welche hinter ihr stehen. Meine Mutter die mit ihnen redet, Worte die ich nicht verstehe, nicht begreifen kann und will. Die Rede von einer Nachricht, die der Welt schon lang bekannt war, die nur mir bisher unbekannt blieb, einer Nachricht geschrieben in nüchtern schwarzer Schrift wird meiner Mutter überreicht...
Es ist vorüber gezogen, die Geräusche werden schwächer, sind kaum noch hörbar, Stille tritt ein. Doch diese Stille spricht nicht von Frieden und Glückseligkeit, sie legt sich drückend und schwer auf die Straßen, Häuser, Brücken und Bahngleise. Auch die Blätter liegen nun leblos auf Beton und Teer, unfähig ihre letzte Ruhe zu finden und ins Erdreich zurück zu kehren.
Der vierte Zug an der Marlboro hat einen bitteren Beigeschmack, vermag nicht die Gedanken zu verscheuchen, die noch immer leise in meinem Kopf widerhallen. Doch es werden noch weitere Züge folgen. Züge, die Gedanken weit weg tragen, da bin ich gewiss, denn das tuen sie jede Nacht.