Die Nixe und das Menschkind

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memo

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Die Nixe und das Menschenkind



Im grün schimmernden See war der Zauber der Nacht im Morgenlicht erloschen. Nebelschwaden hingen, wie Schutzschilder gegen den Tag, über dem Wasser. Die Tautropfen lagen Perlen gleich, auf den Gräsern des Ufers.
Als die kleinen Elfen in den noch geschlossenen Blütenblättern erwachten, erfrischten sie sich am kühlen Nass, strichen zierlich ihre Kleidchen glatt, die in den Farben der Blumen leuchteten. Sie schwirrten schließlich über den See, wie ein tanzender Regenbogen.

(So still ist das Sein am Fuße des Berges, wo der Riese Erla einst sich in den Gesang der Nixe verliebte - als sie sich danach sehnten einen hoffnungslosen Traum zu erleben.)

Dies war die Zeit, in der die Nixe es wagte, an die Oberfläche zu kommen. So früh am Morgen oder abends in der Dämmerung. Niemand kam zu dieser Stunde den Weg bergan. Die Nixe fürchtete die Menschen, wie kein anderes Wesen. Selbst die Hexe Kranawitha war ihr, obwohl sie großes Leid in ihr Herz goss, zwar Feind, doch nicht so sehr fremd. Sie konnte nicht sagen, ob diese Menschen gut oder böse seien. Sie fühlte etwas, wenn ein Wanderer seine Hände im See wusch. Sie fühlte eine Verbundenheit – so als sei sie ein Teil von Ihnen. Und doch war da diese Angst, die sie in ihrem ganzen Leib spürte. Es war die Angst der Bäume, deren Trauerlieder sie hörte, der Tiere, deren Blut den See erglühen ließ.
In diesem Augenblick umgab sie jedoch nur Unschuld im unberührten Sumpfreich – sie saß am Felsen und sang ihre Lieder, vergaß die Träume, die sie jede Nacht erwachen ließ.

Und doch war irgendetwas anders als sonst. Es war nicht das Eichhörnchen das besonders aufgeregt sich in den Ästen tummelte. Es war nicht die Schlange die sich an der Wasseroberfläche entlang schlängelte und so oft freundlicher Bote des Unheils war, nicht das Getuschel der süßen Elfen, die lachend das Leben liebten, unbeschwert wie immer.

Die Nixe war von einer Vorahnung erfüllt. Unruhig tauche sie unter, um sofort wieder hoch zu schwimmen, nach zu sehen, was ringsum geschah.
Da sah sie plötzlichen einen Mann den Weg entlang gehen, ein kleines Mädchen an der Hand, mit ernsten Gesichtern, blass und schmal. Sie gingen schnell und entschlossen und doch mit großem Bedacht. In diesem Augenblick wuchs im Herzen der Seennixe eine Unruhe, aber auch ein Wohlwollen für diese fremden Wesen. Sie wusste mit unglaublicher Gewissheit – sie wollten zu ihr. Noch war sie verwirrt, versteckte sich. Doch sie kamen immer näher, mit dieser Offenheit in den Augen, mit diesem Schimmer, der eine Traurigkeit, nein Verzweiflung, nicht verbergen konnte.
Als die zwei Gestalten schließlich am Ufer des Sees standen, wagte die Nixe nicht auf zu tauchen und obwohl sie wusste, dass dieser Augenblick nicht vorüber gehen würde, ohne das Geheimnis dieser Menschen zu erfahren, kam doch Furcht über sie – fühlte sie wieder das Leid – das diese Wesen in ihre Welt trugen.
Was würde es für sie bedeuten, wenn sie sich preisgab?

Da hörte sie die leise Stimme des Mädchens:
„Ja, ich habe sie gesehen in meinem Traum. Ganz klar. Sie ist wunderschön und sie hat eine große Kraft. Sie hat ein Herz, das uns helfen kann. Ich weiß es.“
Die Nixe sah durch den verschwommenen Wasserspiegel das Mädchen und den Vater, der unsicher begann umher zu gehen.
„Sie ist nicht da. Schau... Ich habe dir gesagt, es hat keinen Sinn. Es gibt keine Meerjungfrauen- es gibt keine Nixen – Liebes – das Leben schenkt uns keine Wunder.“
Es war nicht nur Resignation in seiner Stimmer, nicht nur die Gewissheit eines vernunftbegabten Mannes. Es war auch diese letzte Hoffnung auf etwas nicht Erklärbares darin, die diesen Vater mit seiner Tochter hier her kommen ließ. Dieser verzweifelte Drang, der kommt, wenn alles real Scheinende zerbricht, wenn alle Dinge die ein Mensch mit eigener Kraft bewirken kann aussichtslos werden, wenn alle Mittel versagen, wenn alles in sich zusammenfällt und das einzige Licht nur mehr ein Glaube an etwas ist, das über das menschliche Vermögen hinausreicht.

Das Mädchen sah auf. Sie war noch blasser geworden, als sie sah, dass ihr Vater sich abwandte. Sie ließ ihren Blick beschwörend über den See gleiten – der sich in ihren Augen spiegelte. Aber da war noch der Glanz von Tränen, der so traurig schimmernd, die Nixe berührte.
In diesem Augenblick tauchte sie auf. Wellen umrauschten sie. Das Wasserwesen hob sich empor, ihr langes helles Haar umhüllte sie, wie ein glänzender Unhang. Die türkisen Schuppen waren sichtbar.
Der Mann wich erschrocken zurück. Das Mädchen lächelte nur.

Als sich die Nixe im Schutze des Schilfs nieder lies, wagte das Kind, die ersten Worte auszusprechen.
„Liebe Nixe, wir sind heute schon sehr früh von zu Hause fort gegangen, um dich zu sehen, um mit dir zu sprechen. Du hast mir in meinen Träumen erzählt, dass es keine Krankheit in eurer Welt gäbe?“
Nun lächelte auch die Nixe.
„Ja, ich habe dich auch gesehen. Ich träume schon lange von dir. Ich wusste nicht, woher du kommst...“
Das Mädchen erzählte vom Leben der Menschen, das oft von Schmerz bestimmt ist. Es erzählte davon, dass die Menschen große Angst vor den Tod hätten und sie Antworten suchen. Da hatte sie plötzlich diesen Traum, in dem ihr eine Nixe von einer anderen Welt erzählte. Eine Welt, die den Menschen nicht fern sei, doch sie könnten sie nicht erkennen, da eine Blindheit sie umgibt. Sie seien Gefangene in ihrem Selbst, ohne es zu wissen.

Ein Schatten fiel plötzlich auf sie. Die große Eiche knarrte im Wind. In unglaublicher Geschwindigkeit zog ein Sturm auf. Ein heftiger Regenschauer prasselte auf die beiden Menschen nieder. Sie fanden keinen Schutz. Es war als würde das Unwetter nur über ihnen sein, die Nixe schien völlig unberührt.
„Es ist nur der Wind, es ist nur der Regen, habt keine Angst.“
Doch Blitze tobten und erhellten den See, den Wald, die Sumpfwiesen, lauter Donner ließ sie erschrocken zittern. Dunkelgraue Wolken deckten sie zu. Ein Mantel aus Unheil.

Die Regentropfen rannen wie kleine Flüsse über ihre Gesichter. Die Kleider klebten durchnässt an ihrer Haut. Der Vater wollte seine Tochter schützen. Er wollte fliehen, doch das nächste Haus war zu weit. Ohne Vorwarnung krachte ein dürrer, dicker Ast mit mächtiger Gewalt herab und streifte das Bein des Mannes. Es blutete. Doch er spürte die Wunde kaum. Noch immer hielt er sein Mädchen fest, noch immer bot er ihr Schutz.

Sie wirkte so zerbrechlich, mit ihren dünnen Armen und Beinen. Ihre Blässe schien völlig durchlässig, dunkle Ringe waren unter ihren Augen. Aber sie trotzte all der Bedrohung.
Sie war ganz eins mit der Natur. Das Wasser umspielte ihre Füße. Sie fühlte sich nur mehr geborgen. Es war etwas Seltsames mit ihr, so als sei sie schon ein Stück entrückt von diesem Dasein. Unbeirrt stand sie da und wartete, bis es vorüber war. Nichts war ihnen geschehen.

„Du bist ein ungewöhnliches Menschenkind. Was ist mit dir?“ fragte die Nixe.
Der Vater umarmte seine Tochter und da sie nicht sprach, antwortete er für sie:
„Sie ist sehr krank. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll! Wir haben alles versucht. Niemand kann uns mehr helfen!“
„Ich glaube,“ sagte die Nixe,“ sie braucht keine Hilfe. Sie kann sich heilen, wenn sie will, aber ich weiß nicht, ob ihre Seele das noch möchte.“
Erschrocken blickte der Vater in das Gesicht des Kindes. Es sah ihn nicht an. Der Blick des Mädchens ruhte gelassen am Wasser. Der Himmel war wieder von einem tiefen Blau erfüllt und spiegelte sich im See, so klar und rein. Die Steine am Grund waren zu sehen und glitzerten wie Diamanten.
Das Mädchen erkannte all die Vollkommenheit der Natur – all das Vergehen und Erwachen.
All die Unendlichkeit.
Es hatte beschlossen wie eine Blume das Köpfchen zu neigen, aber ganz ohne Schmerz, fast ein wenig stolz. Es hat beschlossen, auch darin die Schönheit zu sehen.
In diesem Augenblick, strahlten die kleinen Elfen lachend in deren Regenbogenfarben und erfreuten alles um sie, mit ihrer unbeschwerten Lebenslust.

Es ging sehr rasch. Alles vollzog sich im sanften Schatten der Eiche, der zuvor noch so unheimlich bedrohte. Nur Stille legte sich auf die Seele des Vaters. Er hätte weinen wollen, fragen, wütend sein, aber er setzte sich nur auf den flachen Stein im Schilf des Seeufers und schloss die Augen. Die blutige Wunde hatte sich geschlossen.
Er spürte eine Wärme in seiner Hand und als er die Augen öffnete, küsste eine kleine Elfe die Linien auf seiner Haut. Ganz rasch, flüchtig und doch so innig, dass sein Herz für alle Zeit erfüllt war von dieser Wärme, von diesem Gefühl, das ihm die Gewissheit gab, das alles gut war. Es war kein Licht erloschen, ein neues war erstrahlt, viel heller als je zuvor.
 

jon

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Teammitglied
Berührend und in seiner farbintensiven „Kitschigkeit“ grad noch angemessen. Schon wenig mehr wär wirklich kitschig.


Details (… nahezu alle, also auch die erbsengezählten Feinheiten.) :

Nicht so willkürlich Absätze mal mit und mal ohne Leerzeile schreiben! Abschnitte (also wenn man 1 oder 2 Leerzeilen mehr macht als zwischen Absätzen) müssen sinnvolle „Lesepakte“ ergeben.

Bei so „farbiger Sprache“ kann es leicht passieren, dass man sich (z. B. bei den Bezügen) vertut. Sei also besonders aufmerksam, wenn du so schreibst! Und pass auf, dass du nicht in „hach-ist-das-nicht-alles-schön-und-erhaben“-Blabla abgleitest, dann wird es kitschig. Trotz Farbe möglichst konkret bleiben!


Im grün schimmernden See war der Zauber der Nacht im Morgenlicht erloschen. Nebelschwaden hingen, wie Schutzschilder gegen den Tag, über dem Wasser. Die Tautropfen lagen Perlen gleich, auf den Gräsern des Ufers.
Es sind Schutzschilde. „das Verkehrs/Türschild – die Verkehrs/Türschilder“ aber „der (Schutz)Schild – die (Schutz)Schilde“

Kein Komma nach „gleich“ ODER ein Komma nach „Tautropfen“


Als die kleinen Elfen in den noch geschlossenen Blütenblättern erwachten, erfrischten sie sich am kühlen Nass, strichen zierlich ihre Kleidchen glatt, die in den Farben der Blumen leuchteten. Sie schwirrten schließlich über den See, wie ein tanzender Regenbogen.
Sie erwachen sicher in den Blüten, nicht in den Blütenblättern.

Das Wort „als“ zeigt Gleichzeitigkeit an. Also heißt der Satz: In dem Moment des Erwachen erfrischen sie sich und ordnen die Kleidchen. Vorschlag: „Als sie erwacht waren …“


(So still ist das Sein am Fuße des Berges, wo der Riese Erla einst sich in den Gesang der Nixe verliebte - als sie sich danach sehnten einen hoffnungslosen Traum zu erleben.)
Was sollen hier die Klammern?

Komma nach „sehnten“

Gedankenstriche sind lang.

Wer sehnt sich schon danach, einen hoffungslosen Traum zu erleben?! Man sehnt sich, einen Traum zu erleben, dies jedoch bleibt hoffnungslos.

Was für ein Berg? Der Einschub wirkt im Ganzen recht unharmonisch.

Dies war die Zeit, in der die Nixe es wagte, an die Oberfläche zu kommen. So früh am Morgen oder abends in der Dämmerung. Niemand kam zu dieser Stunde den Weg bergan. Die Nixe fürchtete die Menschen, wie kein anderes Wesen. Selbst die Hexe Kranawitha war ihr, obwohl sie großes Leid in ihr Herz goss, zwar Feind, doch nicht so sehr fremd. Sie konnte nicht sagen, ob diese Menschen gut oder böse seien. Sie fühlte etwas, wenn ein Wanderer seine Hände im See wusch. Sie fühlte eine Verbundenheit – so als sei sie ein Teil von Ihnen. Und doch war da diese Angst, die sie in ihrem ganzen Leib spürte. Es war die Angst der Bäume, deren Trauerlieder sie hörte, der Tiere, deren Blut den See erglühen ließ.
Was war die Zeit? Als Erla sich verliebte?

Ist das die selbe Nixe wie die, in die sich Erla verliebte? Egal, ob ja oder nein: Was hat das mit dem Rest der Story zu tun?

Das Komma nach „fürchtete die Menschen“ ist nicht direkt falsch, aber es ergibt nicht viel Sinn. Es zerhackt nur den Satz „… Menschen wie kein anderes Wesen.“ (= andere fürchtet sie anders), gibt ihm keine besondere Nuance. Nuance wär: „Sie fürchtet sie, mehr als alle anderen Wesen.“, aber ich bin nicht sicher, ob du das meinst oder wirklich „fürchtet sie anders“.

Sie konnte nicht sagen, ob sie es waren. / Sie hatte sagen hören, dass sie es seien/wären. (Vorsicht vor zu „schöner“, „hochtrabender“ Sprache – sie muss stimmen.)

Teil von ihnen (ihnen klein)

In diesem Augenblick umgab sie jedoch nur Unschuld im unberührten Sumpfreich – sie saß am Felsen und sang ihre Lieder, vergaß die Träume, die sie jede Nacht erwachen ließ.
Der Gedankenstrich ist nicht sehr sinnvoll. Ich bin Fan von Gedankenstrichen, wirklich, aber es müssen auch Gedankenverbindungen existieren. Der Gedankenstrich ist entweder ein „verstärkter Einschub“ (Otto – so stellte sich später heraus – war schwul.) oder ein „weicher Erklär-Doppelpunkt“ (Otto liebte Alfred – er war schwul.). Hier wäre der Gedankenstrich sinnvoll, wenn die „Unschuld“ nicht rundrum wäre, sondern „in“ ihr – der zweite Teil erklärte dann praktisch, wie das „sie fühlte Unschuld“ aussieht.

die Träume, die sie erwachen ließen (= „Träume lassen sie erwachen“ oder meinst du wirklich „sie, die Nixe, lässt die Träume erwachen“?)


Und doch war irgendetwas anders als sonst. Es war nicht das Eichhörnchen das besonders aufgeregt sich in den Ästen tummelte. Es war nicht die Schlange die sich an der Wasseroberfläche entlang schlängelte und so oft freundlicher Bote des Unheils war, nicht das Getuschel der süßen Elfen, die lachend das Leben liebten, unbeschwert wie immer.
Es ist immer besser, wenn der Autor klingt, als sei er sich schlüssig, was er erzählen will. „Irgendetwas“ ist gut für Umgangssprache und wörtliche Rede oder persönliche Gedanken einer Figur (sie ist ganz unsicher; fragender Unterton „irgendwas ist hier doch faul, oder?“). Als Feststellung (die er Autor mitteilt; „etwas ist faul“) ist „etwas“ besser: Es zeigt, dass der Autor weiß, was anders ist, nur die Figur es nicht benennen kann.

Komma nach „Schlange“

„Die Schlange schlängelt sich“ ist zwar richtig, klingt aber, als seien dir die Worte ausgegangen.

Ich bin sehr über „freundlicher Bote des Unheils“ gestolpert. Wenn jemand (praktisch) permanent Unheil ankündigt und dabei freundlich lächelt (oder etwas Analoges), dann würde ich es recht schnell als scheinheilig empfinden. Vielleicht auch als Schadenfreude. Denn mal ehrlich: Kann man Unheil freundlich ankündigen?


Die Nixe war von einer Vorahnung erfüllt. Unruhig tauche sie unter, um sofort wieder hoch zu schwimmen, nach zu sehen, was ringsum geschah.
tauchte

Die Formulierung „um etwas zu tun“ zeigt eine Absicht an: „Er tat a, um b zu tun. „= „Er tut a mit der Absicht, darauf aufbauend dann b zu tun.“ Die Formulierung, wie du sie benutzt, wird zwar oft verwendet, ist aber falsch. Ein so auf Spracheffekte basierender Text muss da exakt sein.

nachzusehen

Da sah sie plötzlichen einen Mann den Weg entlang gehen, ein kleines Mädchen an der Hand, mit ernsten Gesichtern, blass und schmal. Sie gingen schnell und entschlossen und doch mit großem Bedacht. In diesem Augenblick wuchs im Herzen der Seennixe eine Unruhe, aber auch ein Wohlwollen für diese fremden Wesen. Sie wusste mit unglaublicher Gewissheit – sie wollten zu ihr. Noch war sie verwirrt, versteckte sich. Doch sie kamen immer näher, mit dieser Offenheit in den Augen, mit diesem Schimmer, der eine Traurigkeit, nein Verzweiflung, nicht verbergen konnte.
Unschöne Dopplung „sehen“/“sah“

Der erste Satz sagt: Ein Mann ging mit ernsten Gesichtern … ODER Er ging mit einem Mädchen mit ernsten Gesichtern (also einer von beiden hat mehrere Gesichter).

Entweder sie gehen schnell und entschlossen oder sie sind noch nicht entschlossen, sondern bedenken die Schritte und gehen deshalb auch nicht schnell.

Ich bin über „unglaublicher Gewissheit“ gestolpert: Wer glaubt nicht, dass es Gewissheit ist? Die Nixe? Dann ist es keine Gewissheit. Der Autor? Wenn er nicht glaubt, dass es Gewissheit ist, warum schreibt er es dann? Die Menschen? Warum sollten die – falls sie überhaupt von dieser Gewissheit wüssten! – daran zweifeln?

Gedankenstriche können Erklär-Doppelpunkt ersetzen, aber keine Ansage- Doppelpunkte. Du schreibst doch auch nicht: Er sagte – „Ich geh ins Kino!“ warum also Sie wusste – es ist blau.. (Man kann sowas machen, dann sagt der Satz aber „Sie wusste.“ Zum Beispiel: „Sie wusste – es war vorbei“ = „Sie wusste und damit (mit ihrer Erkenntnis) war es vorbei.“)


Als die zwei Gestalten schließlich am Ufer des Sees standen, wagte die Nixe nicht auf zu tauchen und obwohl sie wusste, dass dieser Augenblick nicht vorüber gehen würde, ohne das Geheimnis dieser Menschen zu erfahren, kam doch Furcht über sie – fühlte sie wieder das Leid – das diese Wesen in ihre Welt trugen.
aufzutauchen

Ein Moment kann keine Geheimnisse erfahren.

Komma nach „aufzutauchen“ dringendst empfohlen.

Der zweite Gedankenstrich ist falsch. Erstens suggeriert er, „fühlte sie wieder das Leid“ sei ein Einschub. Zweitens ist „das diese Wesen…“ das nachgestellte Attribut zu „Leid“ (also Komma, kein Gedankenstrich).

Der Satz ist viel zu verschachtelt und verrätselt die Aussagen (statt „schön“ zu klingen).

Was würde es für sie bedeuten, wenn sie sich preisgab?

Da hörte sie die leise Stimme des Mädchens:
„Ja, ich habe sie gesehen in meinem Traum. Ganz klar. Sie ist wunderschön und sie hat eine große Kraft. Sie hat ein Herz, das uns helfen kann. Ich weiß es.“
Kein Absatz nach dem Doppelpunkt.

Die Nixe sah durch den verschwommenen Wasserspiegel das Mädchen und den Vater, der unsicher begann umher zu gehen.
„Sie ist nicht da. Schau... Ich habe dir gesagt, es hat keinen Sinn. Es gibt keine Meerjungfrauen- es gibt keine Nixen – Liebes – das Leben schenkt uns keine Wunder.“
Leerzeichen nach „Schau“

Hier aast du ja ganz schön mit den Gedankenstrichen. In der Häufung wirken sie extrem unbeholfen (als hätte der Autor keine Ahnung von korrekter Zeichensetzung; vor allem die Striche vor und nach „Liebes“ stacheln ja förmlich, so falsch sind sie). Hier sind Punkte und Kommas viiiiiiiel besser.


Es war nicht nur Resignation in seiner Stimmer, nicht nur die Gewissheit eines vernunftbegabten Mannes. Es war auch diese letzte Hoffnung auf etwas nicht Erklärbares darin, die diesen Vater mit seiner Tochter hier her kommen ließ. Dieser verzweifelte Drang, der kommt, wenn alles real Scheinende zerbricht, wenn alle Dinge die ein Mensch mit eigener Kraft bewirken kann aussichtslos werden, wenn alle Mittel versagen, wenn alles in sich zusammenfällt und das einzige Licht nur mehr ein Glaube an etwas ist, das über das menschliche Vermögen hinausreicht.
Kommas nach „Dinge“ und „bewirken kann“

Das ist jetzt doch zu dick aufgetragen – der Leser erfasst auch mit viel weniger Worten, welchen Zustand du meinst.

Das Mädchen sah auf. Sie war noch blasser geworden, als sie sah, dass ihr Vater sich abwandte. Sie ließ ihren Blick beschwörend über den See gleiten – der sich in ihren Augen spiegelte. Aber da war noch der Glanz von Tränen, der so traurig schimmernd, die Nixe berührte.
„Als“ zeigt Gleichzeitigkeit an. Der Satz muss also heißen: „Sie war noch blasser geworden, als sie gesehen hatte …“

Unschöne Dopplung von „sah“ (Wie wäre es mit „aufschauen“?)

Der Gedankenstrich ist Unsinn.

Kein Komma nach „schimmernd“ ODER eines vor „so“


In diesem Augenblick tauchte sie auf. Wellen umrauschten sie. Das Wasserwesen hob sich empor, ihr langes helles Haar umhüllte sie, wie ein glänzender Unhang. Die türkisen Schuppen waren sichtbar.
türkisfarbenen (oder türkisgrünen)

Der Mann wich erschrocken zurück. Das Mädchen lächelte nur.
Das „nur“ am Ende ist (so) eine typische Kitsch-Formulierung. Der Mann weicht auch „nur“ zurück, da schreibst du es ja auch nicht, sondern verlässt dich auf „wenn nur das dasteht, dann passiert nur das“.
Was anderes wäre es, wenn du einen Gegensatz zeigen wolltest (Der Mann wich zurück, schrie und wedelte mit den Armen, als wolle er die Nixe verscheuchen. Das Mädchen lächelte nur.) oder man mehr erwarten würde (Der Mann wich zurück. Dann fragte er das Mädchen: „Ist sie das?“ Das Mädchen lächelte nur (statt einer/als Antwort).“

Als sich die Nixe im Schutze des Schilfs nieder lies, wagte das Kind, die ersten Worte auszusprechen.
niederließ


„Liebe Nixe, wir sind heute schon sehr früh von zu Hause fort gegangen, um dich zu sehen, um mit dir zu sprechen. Du hast mir in meinen Träumen erzählt, dass es keine Krankheit in eurer Welt gäbe?“
Das Fragezeichen am Ende ist nicht richtig. Im Alltag wird zwar öfter mal so gesprochen, aber der Text hat mit Alltagssprache nicht viel zu tun (wie hier schon das „gäbe“ beweist).

Eigentlich sollte kein Absatz „zwischen einem Redner“ gemacht werden.

Nun lächelte auch die Nixe.
„Ja, ich habe dich auch gesehen. Ich träume schon lange von dir. Ich wusste nicht, woher du kommst...“
Hier sollte nun wirklich kein Absatz „zwischen einem Redner“ (= Nixe) gemacht werden, der Text zerfleddert sonst zu sehr.

Leerzeichen vor den drei Punkten.

Das Mädchen erzählte vom Leben der Menschen, das oft von Schmerz bestimmt ist. Es erzählte davon, dass die Menschen große Angst vor den Tod hätten und sie Antworten suchen. Da hatte sie plötzlich diesen Traum, in dem ihr eine Nixe von einer anderen Welt erzählte. Eine Welt, die den Menschen nicht fern sei, doch sie könnten sie nicht erkennen, da eine Blindheit sie umgibt. Sie seien Gefangene in ihrem Selbst, ohne es zu wissen.
Wenn „Angst hätten“, dann auch „Antworten suchten“. (Und vorher: bestimmt sei“.)

Zeitlauf falsch: „Sie erzählte. Da hatte sie plötzlich den Traum“. Das heiß, sie beginnt während des Gesprächs mit der Nixe zu träumen.

Wenn „könnten nicht erkennen“, dann auch „Blindheit sie umgäbe“.

Inhaltskitsch: „Antworten suchen“ ist Blabla, wenn nicht gesagt wird, auf welche Fragen. Und was hat die andere Welt (die der Nixe) mit dem Schmerz und der Angst zu tun? Du klingst, als sollte das die Antwort sein, die die Menschen suchen, aber was die (krankheitsfreie) Nixen-Welt auf den Menschen-Schmerz für eine „Antwort“ sein soll, bleibt doch extrem nebulös.

Ein Schatten fiel plötzlich auf sie. Die große Eiche knarrte im Wind. In unglaublicher Geschwindigkeit zog ein Sturm auf. Ein heftiger Regenschauer prasselte auf die beiden Menschen nieder. Sie fanden keinen Schutz. Es war als würde das Unwetter nur über ihnen sein, die Nixe schien völlig unberührt.
Schon wieder was Unglaubliches …

Komma nach „Es war“

Meinst du, die Nixe kriegt keinen Regen ab???

„Es ist nur der Wind, es ist nur der Regen, habt keine Angst.“
Doch Blitze tobten und erhellten den See, den Wald, die Sumpfwiesen, lauter Donner ließ sie erschrocken zittern. Dunkelgraue Wolken deckten sie zu. Ein Mantel aus Unheil.
Lauter Donner ließ die Sumpfwiesen erschrocken(!) zittern?

Die Regentropfen rannen wie kleine Flüsse über ihre Gesichter. Die Kleider klebten durchnässt an ihrer Haut. Der Vater wollte seine Tochter schützen. Er wollte fliehen, doch das nächste Haus war zu weit. Ohne Vorwarnung krachte ein dürrer, dicker Ast mit mächtiger Gewalt herab und streifte das Bein des Mannes. Es blutete. Doch er spürte die Wunde kaum. Noch immer hielt er sein Mädchen fest, noch immer bot er ihr Schutz.
Der Regen rann wie kleine Flüsse. Ein einzelner Tropfen, so groß er auch ist, rinnt nicht wie ein Fluss, wie klein auch immer.

… sehr schön daramatisch. Auch von Rhythmus her.

Sie wirkte so zerbrechlich, mit ihren dünnen Armen und Beinen. Ihre Blässe schien völlig durchlässig, dunkle Ringe waren unter ihren Augen. Aber sie trotzte all der Bedrohung.
Sie war ganz eins mit der Natur. Das Wasser umspielte ihre Füße. Sie fühlte sich nur mehr geborgen. Es war etwas Seltsames mit ihr, so als sei sie schon ein Stück entrückt von diesem Dasein. Unbeirrt stand sie da und wartete, bis es vorüber war. Nichts war ihnen geschehen.
… unschöner Sprung von der schönen Beschreibung, wie sie ausharrt, über das Weglassen von „dann war es vorbei“ zu „Nichts war ihnen passiert“

… nichts? Der Mann wurde getroffen!

„Du bist ein ungewöhnliches Menschenkind. Was ist mit dir?“ fragte die Nixe.
Woher weiß sie das?? Sie ist Menschen immer ausgewichen, weiß von ihnen nur, dass Bäume und Tiere Angst vor ihnen haben.

Warum muss „etwas mit ihr sein“, nur weil sie anders ist? Ich bin auch anders als viele anderes, ohne das „etwas mit mir ist“.

Komma nach der Rede.

Der Vater umarmte seine Tochter und da sie nicht sprach, antwortete er für sie:
„Sie ist sehr krank. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll! Wir haben alles versucht. Niemand kann uns mehr helfen!“
Kein Absatz nach dem Doppelpunkt.

Der Vater schreit/ruft laut? Die Ausrufezeichen passen hier nicht.

„Ich glaube,“ sagte die Nixe,“ sie braucht keine Hilfe. Sie kann sich heilen, wenn sie will, aber ich weiß nicht, ob ihre Seele das noch möchte.“
„Ich glaube", sagte … (Komma eins nach hinten)

Och nö … Esotherik-Blabla: „Extrem-Wünsching zwecks Krebsheilung.“ (Ich weiß, „Ich werde gesund“-Denken hilft öfter, als die Schulmedizin erklären kann, aber eben auch nicht grundsätzlich.)


Erschrocken blickte der Vater in das Gesicht des Kindes. Es sah ihn nicht an. Der Blick des Mädchens ruhte gelassen am Wasser. Der Himmel war wieder von einem tiefen Blau erfüllt und spiegelte sich im See, so klar und rein. Die Steine am Grund waren zu sehen und glitzerten wie Diamanten.
Der Blick ruhte AM Wasser? Also auf dem Ufer …


Das Mädchen erkannte all die Vollkommenheit der Natur – all das Vergehen und Erwachen.
All die Unendlichkeit.
Es hatte beschlossen wie eine Blume das Köpfchen zu neigen, aber ganz ohne Schmerz, fast ein wenig stolz. Es hat beschlossen, auch darin die Schönheit zu sehen.
Der Satz impliziert, dass Blumen ihr Köpfchen MIT Schmerz neigen.

Komma nach "beschlossen"

Man kann nicht stolz den Kopf neigen, auch nicht ein bisschen stolz.

Es hatte beschlossen (nicht „Es hat“)

(Sorry, jetzt wird es heftig, ich spitze mal massiv zu: )
Ok, du wechselst mal schnell den Point of View (von der Nixe zum Mädchen), aber der Kitsch mit dem „beschlossen, das Köpfchen zu neigen“ ist doch deutlich zu fett aufgetragen.
Das Mädchen hat also beschlossen, darin Schönheit zu sehen – klingt nach Selbstverarsche. Ist nicht schön, das wissen wir auch, aber wir tun mal so.


In diesem Augenblick, strahlten die kleinen Elfen lachend in deren Regenbogenfarben und erfreuten alles um sie, mit ihrer unbeschwerten Lebenslust.
Kein Komma nach „Augenblick“

In wessen Regenbogenfarben?

Komma nach „um sie“ ist nicht soooo sinnvoll.

… was ist eigentlich mit den großen Elfen? (Vorsicht mit solchen Verniedlichungen! Dass deine Elfen klein sind, steht vorn schon.)


Es ging sehr rasch. Alles vollzog sich im sanften Schatten der Eiche, der zuvor noch so unheimlich bedrohte. Nur Stille legte sich auf die Seele des Vaters. Er hätte weinen wollen, fragen, wütend sein, aber er setzte sich nur auf den flachen Stein im Schilf des Seeufers und schloss die Augen. Die blutige Wunde hatte sich geschlossen.
Was ging rasch? Der Beschluss des Mädchens? Das Strahlen der Elfen?

Unschöne Dopplung von „nur“ – das erste würde ich weglassen, es klingt ohnehin falsch an dieser Stelle.

Er spürte eine Wärme in seiner Hand und als er die Augen öffnete, küsste eine kleine Elfe die Linien auf seiner Haut. Ganz rasch, flüchtig und doch so innig, dass sein Herz für alle Zeit erfüllt war von dieser Wärme, von diesem Gefühl, das ihm die Gewissheit gab, das alles gut war. Es war kein Licht erloschen, ein neues war erstrahlt, viel heller als je zuvor.
… und die großen Elfen guckten zu. ;)

Point of View! Du schreibst eine Szene im Erzähl-Jetzt, springst mal schnell ans Ende der Zeit (des Mannes) um festzustellen, dass die Wärme „für alle Zeit“ blieb.

Bilder müssen stimmig sein! Natürlich ist (in deinem Text) kein Licht erloschen – oder hast du das irgendwo erwähnt? Allerdings ist auch kein neues(!) erstrahlt, nur die Elfen leuchten eben mal auf.
 

memo

Mitglied
Vielen Dank für deine ausführliche und hilfreiche Kritik. Ich werde mein erstes Märchen überarbeiten. Ich habe sehr viel gelernt. Unglaublich.
 

memo

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Die Nixe und das Menschenkind


Im grün schimmernden See war der Zauber der Nacht im Morgenlicht erloschen. Nebelschwaden hingen über dem Wasser. Die Tautropfen lagen Perlen gleich auf den Gräsern des Ufers. Als die Elfen in den noch geschlossenen Blüten erwacht waren, erfrischten sie sich am kühlen Nass und strichen zierlich ihre Kleidchen glatt, die in den Farben der Blumen leuchteten. Sie schwirrten schließlich über den See, wie ein tanzender Regenbogen.

Dies war die Zeit, in der die Nixe es wagte, an die Oberfläche zu kommen. So früh am Morgen oder abends in der Dämmerung. Niemand kam zu dieser Stunde den Weg bergan. Die Nixe fürchtete die Menschen, mehr als alle anderen Wesen. Sie konnte nicht sagen, ob diese Menschen gut oder böse waren. Sie fühlte etwas, wenn ein Wanderer seine Hände im See wusch. Sie fühlte eine Verbundenheit – so als sei sie ein Teil von ihnen. Und doch war da diese Angst, die sie in ihrem ganzen Leib spürte. Es war die Angst der Bäume, deren Trauerlieder sie hörte, der Tiere, deren Blut den See erglühen ließ. In diesem Augenblick umgab sie jedoch nur Unschuld im unberührten Sumpfreich. Sie saß am Felsen und sang ihre Lieder, vergaß die Träume, die sie jede Nacht erwachen ließen.

Und doch war etwas anders als sonst. Es war nicht das Eichhörnchen das besonders aufgeregt sich in den Ästen tummelte. Es war nicht die Schlange, die sich an der Wasseroberfläche entlang schlängelte und manchmal Bote des Unheils war, nicht das Getuschel der süßen Elfen, die lachend das Leben liebten, unbeschwert wie immer. Die Nixe war von einer Vorahnung erfüllt.
Da sah sie plötzlichen einen Mann den Weg entlang gehen, ein kleines Mädchen an der Hand. Sie wirkten blass und schmal. In diesem Augenblick wuchs im Herzen der Seennixe eine Unruhe, aber auch ein Wohlwollen für diese fremden Wesen. Sie spürte, sie wollten zu ihr. Noch war sie verwirrt, versteckte sich. Doch sie kamen immer näher, mit dieser Offenheit in den Augen, mit diesem Schimmer, der eine Traurigkeit, nein Verzweiflung, nicht verbergen konnte. Als die zwei Gestalten schließlich am Ufer des Sees standen, wagte die Nixe nicht aufzutauchen. Auch wenn sie fühlte, dass sie bald das Geheimnis der Menschen erfahren würde, kam doch Furcht. Was würde es für sie bedeuten, wenn sie sich preisgab?
Da hörte sie die leise Stimme des Mädchens: „Ja, ich habe sie gesehen in meinem Traum. Ganz klar. Sie ist wunderschön und sie hat eine große Kraft. Sie hat ein Herz, das uns helfen kann. Papa, ich weiß es.“
Die Nixe sah durch den verschwommenen Wasserspiegel das Mädchen und den Vater, der unsicher begann umher zu gehen.
„Sie ist nicht da. Ich habe dir gesagt, es hat keinen Sinn. Es gibt keine Meerjungfrauen, es gibt keine Nixen, Liebes. Das Leben schenkt uns keine Wunder.“
Es war nicht nur Resignation in seiner Stimme. Es war auch diese letzte Hoffnung auf etwas nicht Erklärbares darin. Dieser verzweifelte Drang, der kommt, wenn alles real Scheinende zerbricht, wenn alle Dinge, die ein Mensch mit eigener Kraft bewirken kann, aussichtslos werden, wenn das einzige Licht nur mehr ein Glaube an etwas ist, das über das menschliche Vermögen hinausreicht.

Das Mädchen sah auf. Sie war noch blasser geworden, als ihr Vater sich abwandte. Sie ließ ihren Blick beschwörend über den See gleiten, der sich in ihren Augen spiegelte. Aber da war noch der Glanz von Tränen, der die Nixe berührte.In diesem Augenblick tauchte sie auf. Wellen umrauschten sie. Das Wasserwesen hob sich empor, ihr langes helles Haar umhüllte sie, wie ein glänzender Unhang. Die türkisfarbenen Schuppen waren sichtbar. Der Mann wich erschrocken zurück. Doch das Mädchen lächelte nur. Als sich die Nixe im Schutze des Schilfs niederließ, wagte das Kind, die ersten Worte auszusprechen.
„Liebe Nixe, wir sind heute schon sehr früh von zu Hause fort gegangen, um dich zu sehen, um mit dir zu sprechen. Du hast mir in meinen Träumen erzählt, dass es keine Krankheit in eurer Welt gäbe.“ Nun lächelte auch die Nixe. „Ja, ich habe dich auch gesehen. Ich träume schon lange von dir. Ich wusste nicht, woher du kommst ...“
Das Mädchen erzählte vom Leben der Menschen, das oft von Schmerz bestimmt sei. Sie erzählte, dass die Menschen große Angst vor den Tod hätten und sie auf so viele Fragen keine Antworten fänden. In einem Traum habe eine Nixe ihr von einer anderen Welt erzählt. Eine Welt, die den Menschen nicht fern sei, doch sie könnten sie nicht erkennen, da eine Blindheit sie umgäbe. Sie seien Gefangene in ihrem Selbst, ohne es zu wissen.
Ein Schatten fiel plötzlich auf sie. Die große Eiche knarrte im Wind. Mit großer Geschwindigkeit zog ein Sturm auf. Ein heftiger Regenschauer prasselte auf die beiden Menschen nieder. Sie fanden keinen Schutz. Es war, als würde das Unwetter nur über ihnen sein, die Nixe schien völlig unberührt.
„Es ist nur der Wind, es ist nur der Regen, habt keine Angst.“
Doch Blitze tobten und erhellten den See, den Wald, die Sumpfwiesen, lauter Donner ließ die Menschen erschrocken zittern. Dunkelgraue Wolken deckten sie zu. Ein Mantel aus Unheil.

Die Regentropfen rannen über ihre Gesichter. Die Kleider klebten durchnässt an ihrer Haut. Der Vater wollte seine Tochter schützen. Er wollte fliehen, doch das nächste Haus war zu weit. Ohne Vorwarnung krachte ein dürrer, dicker Ast mit mächtiger Gewalt herab und streifte das Bein des Mannes. Es blutete. Doch er spürte die Wunde kaum. Noch immer hielt er sein Mädchen fest, noch immer bot er ihr Schutz.
Sie wirkte so zerbrechlich, mit ihren dünnen Armen und Beinen. Ihre Blässe schien völlig durchlässig, dunkle Ringe waren unter ihren Augen. Aber sie trotzte all der Bedrohung. Sie war ganz eins mit der Natur. Das Wasser umspielte ihre Füße. Sie fühlte sich nur mehr geborgen. Es war etwas Seltsames mit ihr, so als sei sie schon ein Stück entrückt von diesem Dasein. Unbeirrt stand sie da und wartete, bis alles vorüber war.
„Was ist mit dir?“, fragte die Nixe.
Der Vater umarmte seine Tochter und da sie nicht sprach, antwortete er für sie: „Sie ist sehr krank. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll! Wir haben alles versucht. Niemand kann uns mehr helfen.“
„Ich glaube“, sagte die Nixe,“ sie kann sich vielleicht heilen, wenn sie will, aber ich weiß nicht, ob ihre Seele das noch möchte.“
Erschrocken blickte der Vater in das Gesicht des Kindes. Es sah ihn nicht an. Der Blick des Mädchens ruhte gelassen auf dem Wasser. Der Himmel war wieder von einem tiefen Blau erfüllt und spiegelte sich im See, so klar und rein. Die Steine am Grund waren zu sehen und glitzerten wie Diamanten.

Das Mädchen erkannte all die Vollkommenheit der Natur – all das Vergehen und Erwachen.Die Unendlichkeit. Es wollte ein Teil sein, von all dem. In diesem Augenblick strahlten die Elfen wieder lachend in ihren hellen Farben und erfreuten alles um sie mit ihrer unbeschwerten Lebenslust.
Alles vollzog sich im sanften Schatten der Eiche, der zuvor noch so unheimlich bedrohte. Stille legte sich auf die Seele des Vaters. Er hätte weinen wollen, fragen, wütend sein, aber er setzte sich nur auf den flachen Stein im Schilf des Seeufers und schloss die Augen. Die blutige Wunde hatte sich geschlossen. Er spürte eine Wärme in seiner Hand und als er die Augen öffnete, küsste eine kleine Elfe die Linien auf seiner Hand. Ganz rasch, flüchtig und doch so innig, dass sein Herz erfüllt war, von dieser Wärme, von diesem Gefühl, das ihm die Gewissheit gab, das alles gut war. Es war kein Licht erloschen, ein neues war erstrahlt, viel heller als je zuvor.
 

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Die Nixe und das Menschenkind

Im grün schimmernden See war der Zauber der Nacht im Morgenlicht erloschen. Nebelschwaden hingen über dem Wasser und Tautropfen lagen Perlen gleich, auf den Gräsern des Ufers. Als die Elfen in den noch geschlossenen Blüten erwacht waren, erfrischten sie sich an der Kühle und strichen zierlich den Hauch ihrer Kleider glatt, die in den Farben der Blumen durchscheinend leuchteten. Sie schwirrten schließlich über den See, wie Punkte des Lichts, wie ein tanzender Regenbogen.

Dies war die Zeit, in der die Nixe es wagte, an die Oberfläche zu kommen. So früh am Morgen oder abends in der Dämmerung. Niemand kam zu dieser Stunde den Weg bergan. Die Nixe fürchtete die Menschen, mehr als alle anderen Wesen. Sie konnte nicht sagen, ob sie gut oder böse waren. Sie fühlte etwas, wenn ein Wanderer seine Hände im See wusch, eine Verbundenheit – so als sei sie ein Teil von ihnen. Und doch war da diese Angst, die sie in ihrem ganzen Leib spürte. Es war die Angst der Bäume, deren trostlosen Trauerlieder sie hörte, der Tiere, deren Blut den See erglühen ließ. In diesem Augenblick umgab sie jedoch nur Unschuld im unberührten Sumpfreich. Sie vergaß die Träume, die sie jede Nacht erwachen ließen.
Und doch war etwas fremd, auch wenn alles still und sanft erschien. Eine Schlange schlängelte sich an der Wasseroberfläche - manchmal war sie ein stiller Bote.

Da sah sie einen Mann den Weg entlang gehen, ein kleines Mädchen an der Hand. Sie wirkten blass und schmal. Im Herzen der Seennixe wuchs eine Unruhe, aber auch ein Wohlwollen für diese fremden Wesen. Sie spürte, sie wollten zu ihr. Noch war sie verwirrt, versteckte sich. Doch sie kamen immer näher, mit dieser Offenheit in den Augen, mit diesem Schimmer, der eine Traurigkeit nicht verbergen konnte. Als die zwei Gestalten schließlich am Ufer des Sees standen, wagte die Nixe nicht aufzutauchen. Auch wenn sie fühlte, dass sie bald das Geheimnis der Menschen erfahren würde, fürchtete sie sich.
Was würde es für sie bedeuten, wenn sie sich preisgab?
Da hörte sie die leise Stimme des Mädchens:
„Ja, ich habe sie gesehen in meinem Traum. Ganz klar. Sie ist wunderschön und sie hat große Macht. Sie hat ein Herz, das uns helfen kann. Papa, ich weiß es.“
Die Nixe sah durch den verschwommenen Wasserspiegel das Mädchen und den Mann, der unsicher begann umher zu gehen.
„Sie ist nicht da. Ich habe dir gesagt, es hat keinen Sinn. Es gibt keine Meerjungfrauen, keine Seennixen, Liebes. Das Leben schenkt uns keine Wunder.“
Es war nicht nur Resignation in seiner Stimme. Es war auch diese letzte Hoffnung auf etwas nicht Erklärbares darin. Dieser verzweifelte Drang, der kommt, wenn alles real Scheinende zerbricht, wenn alle Dinge, die ein Mensch mit eigener Kraft bewirken kann, aussichtslos werden, wenn das einzige Licht nur mehr ein Glaube an etwas ist, das über das menschliche Vermögen hinausreicht.

Das Mädchen sah auf. Es war noch blasser geworden, als ihr Vater sich abwandte. Es ließ ihren Blick beschwörend über den See gleiten, der sich in ihren Augen spiegelte. Aber da war noch der Glanz von Tränen, der die Nixe berührte.
In diesem Augenblick tauchte sie auf. Wellen umrauschten sie. Das Wasserwesen hob sich empor, ihr langes Haar umhüllte den nackten Leib, wie ein glänzender Umhang. Die türkisfarbenen Schuppen waren sichtbar.
Der Mann wich erschrocken zurück. Das Mädchen lächelte nur. Als sich die Nixe im Schutze des Schilfs niederließ, wagte das Kind, die ersten Worte auszusprechen.


„Wir sind heute schon sehr früh von zu Hause fort gegangen, um dich zu sehen, um mit dir zu sprechen. Du hast mir in meinen Träumen erzählt, dass es in deiner Welt keine Krankheit gibt.“ Nun lächelte auch die Nixe. „Ja, ich habe dich auch gesehen. Ich träume schon lange von dir. Ich wusste nicht, woher du kommst ...“
Das Mädchen erzählte vom Leben der Menschen, das oft von Schmerz bestimmt sei. Sie erzählte, dass die Menschen große Angst vor den Tod hätten und sie auf so viele Fragen keine Antworten fänden. In einem Traum habe eine Nixe ihr von einer anderen Welt erzählt. Eine Welt, die den Menschen nicht fern sei, doch sie könnten sie nicht erkennen, da eine Blindheit sie umgäbe. Sie seien Gefangene in ihrem Selbst, ohne es zu wissen.
Ein Schatten fiel plötzlich auf sie. Die große Eiche knarrte im Wind. Mit großer Geschwindigkeit zog ein Sturm auf. Ein heftiger Regenschauer prasselte auf die beiden Menschen nieder. Sie fanden keinen Schutz. Es war, als würde das Unwetter nur über ihnen sein, die Nixe schien völlig unberührt.
„Es ist nur der Wind, es ist nur der Regen, habt keine Angst.“
Doch Blitze tobten und erhellten den See, den Wald, die Sumpfwiesen, lauter Donner ließ die Menschen erschrocken zittern. Graue Wolken deckten sie zu, wie ein dunkler Mantel.

Die Regentropfen rannen über ihre Gesichter. Die Kleider klebten durchnässt an ihrer Haut. Der Vater wollte seine Tochter schützen. Er wollte fliehen, doch das nächste Haus war zu weit. Ohne Vorwarnung krachte ein dürrer, dicker Ast mit mächtiger Gewalt herab und streifte das Bein des Mannes. Es blutete. Doch er spürte die Wunde kaum. Noch immer hielt er sein Mädchen fest, noch immer bot er ihr Schutz.
Sie wirkte so zerbrechlich, mit ihren dünnen Armen und Beinen. Ihre Blässe schien völlig durchlässig, dunkle Ringe waren unter ihren Augen. Aber sie trotzte all der Bedrohung. Sie war ganz eins mit der Natur. Das Wasser des Sees umspielte ihre Füße. Sie fühlte sich nur mehr geborgen. Es war etwas Seltsames mit ihr, so als sei sie schon ein Stück entrückt von diesem Dasein. Unbeirrt stand sie da und wartete, bis alles vorüber war.

Der Vater umarmte seine Tochter und es strömte aus ihm heraus: „Sie ist sehr krank. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll! Wir haben alles versucht. Niemand kann uns mehr helfen.“
„Ich glaube“, sagte die Nixe, “sie kann sich vielleicht heilen, wenn sie will, aber ich weiß nicht, ob ihre Seele das noch möchte. Ihr Körper ist schon so schwach, doch ihr Geist noch stark.“
Erschrocken blickte der Vater in das Gesicht des Kindes. Es sah ihn nicht an. Der Blick des Mädchens ruhte gelassen auf dem Wasser. Der Himmel war wieder von einem tiefen Blau erfüllt und spiegelte sich im See, so klar und rein. Die Steine am Grund glitzerten wie Diamanten.
Das Mädchen erkannte all die Vollkommenheit – all das Vergehen und Erwachen.
Die Unendlichkeit. Es wollte ein Teil sein, von all dem, die Schmerzen vergessend,
eins sein, mit dieser Schönheit verbunden – für immer.
In diesem Augenblick strahlten die Elfen wieder in ihren hellen Farben und erfreuten alles um sie, mit ihrer unbeschwerten Lebenslust. Lachend, spielend, in ihrer ziellosen Freude, zu sein.
Sie umwoben das Kind geborgen, nahmen es auf.

Alles vollzog sich im sanften Schatten der Eiche, der zuvor noch so unheimlich bedrohte. Stille legte sich auf die Seele des Vaters. Er hätte weinen wollen, fragen, wütend sein, aber er setzte sich nur auf den flachen Stein im Schilf des Seeufers und schloss die Augen. Die blutige Wunde hatte sich geschlossen. Er spürte Wärme in seiner Hand und als er die Augen öffnete, küsste eine kleine, ihm ganz vertraute, liebe Elfe die Linien auf seiner Haut. Ganz rasch, flüchtig und doch so innig, dass sein Herz erfüllt war, von dieser Wärme, von diesem Gefühl, das ihm die Gewissheit gab, das alles gut war. Es war kein Licht erloschen, ein neues war erstrahlt, viel heller als je zuvor.
 



 
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