S
Stoffel
Gast
Die Opfergrube
Dicke Schweißperlen standen dem Bauunternehmer auf der Stirn und bei jedem Spatenstich stöhnte er laut. Seine "holde Gattin", wie er sie vor anderen gerne nannte, war am Nachmittag von einem mehrtägigem Besuch bei ihrer Mutter, nach Hause gekommen.
Immer und immer wieder, von Eile getrieben, schippte der beleibte Mann die Erde aus der Grube heraus. Heute Abend war er besonders nett zu ihr gewesen, trank mit ihr Champagner und sprach geheimnisvoll von einer kleinen Überraschung.
"Du verträgst einfach keinen Alkohol, meine Gute", hatte er huldvoll gesagt, als ihr das Glas aus der Hand rutschte und sie taumelnd aufs Bett fiel. "Und nun schlaf schön, bis ich meine Überraschung fertig habe" flüsterte er ihr ins Ohr.
Erschöpft stand er da und trocknete sich das dicke, schweißnasse Gesicht mit dem Taschentuch. Er dachte an Veronika, die er im Casino einige Wichen zuvor, kennengelernt hatte. Dieses Rasseweib, das ihn total verrückt machte. Die Tickets für sie beide nach Rio hatte er schon in der Tasche.
Als er keuchend die Leiter hinauf, aus der Grube kletterte, hörte er eine vertraute Stimme. "Häschen".
Erschreckt drehte er sich um. "Veronika", flüsterte er und sah ängstlich hinüber zum Haus. "Was machst du hier, verdammt! Du solltest morgen am Flughafen auf mich warten, wenn hier alles vorbei ist." Veronika lachte und ihre makellosen, weißen Zähne blitzten in dem rotgeschminktem Mund.
"Ach Dicki, ich habe es nicht mehr ausgehalten und ich wollte mich vergewissern, ob du alles brav erledigst." Ihn irritierte der spöttische Ausdruck in ihrem Gesicht und dann sah er einen Schatten in der Dunkelheit sich ihnen nähern. "Carola", entfuhr es ihm, als er seine Gattin näherkommen sah.
"Was soll das Ganze? Was wird hier gespielt?" Er schnaufte erregt, als Veronika und Carola sich freundschaftlich begrüßten. "Dickie" sagte Carola überspitzt lieb.
"Du darfst dich doch nicht so aufregen. Dein Herz!". Die beiden Frauen lachten. "Nein Dickie, wie du siehst schlafe ich nicht friedlich in meinem Bettchen und warte auf deine Überraschung. Dachtest du, ich bin blöd? Deinen Champagner, samt Schlafmittel, habe ich in die Blumen gegossen." Dickies Kopf wurde puterrot und er rang nach Luft.
"Meinst du etwa, ich habe einfach so zugesehen, während du dich mit deinen Geliebten amüsierst? Meinst du, ich habe nie ihr Parfum gerochen, wenn Du oft nach Tagen, Wochen wieder nach Hause kamst, von deinen angeblichen Geschäftsreisen? Du hättest deine Privatpost öffnen sollen, Dickie. Dr.Klausen hatte dir vor Wochen schon dringenst geraten, die Finger vom Viagra zu lassen. Dein Herz ist nicht mehr in Ordnung. Aber sollte ich vielleicht für dich noch Postbotin spielen? Sie dir hinter tragen?" Carola lachte auf und der Schmerz, den sie all die Jahre empfand, zeigte sich deutlich um ihren Mund. "Und ganz zufällig habe ich von Veronika erfahren, daß du all unser Geld auf ein Schweizer Bankkonto transferiert hast." Der Bauunternehmer schnappte nach Luft und fasste sich an die Brust. "Ach Dickie, wieso bist du immer so fahrig? Du hättest die Quittung vom Juwelier, in dem Du das Armband für Veronika kauftest, vernichten sollen. Sie ist übrigens eine sehr intelligente Frau."
"Helft mir, ich kriege keine Luft mehr!" stöhnte er und seine Hand verkrampfte sich auf seiner Brust. Dann fiel er leblos in die Grube.
"Ach Dicki", seufzte Carola und nahm eine Handvoll Erde auf.
"Wer anderen eine Grube gräbt, fällt oft selbst hinein.
Es war ein wunderbarer Morgen zum Reisen.