Die Sache mit dem Hinterherlaufen

He de Be

Mitglied
Die Sache mit dem Hinterherlaufen

Jedes Mal, wenn ich diesen Kollegen traf, fiel mir der Name Moralesi ein. So nannte ich ihn unwillkürlich in Gedanken. Er war vor einigen Wochen neu eingestellt worden in unserem Projekt in Spandau, in dem arbeitslose Jugendliche fit gemacht werden sollten für ein Berufs- oder wenigstens Arbeitsleben, und ein paar Wochen später war er auch schon wieder verschwunden.

Eigentlich hieß er gar nicht Moralesi mit Nachnamen, sondern Modaresi oder so ähnlich, aber ich hatte die ganze Zeit Mühe, ihn nicht auch noch lauthals Moralesi zu nennen, so sehr hatte sich diese Namensverdrehung in meinem Hirn verankert.
Sogar jetzt noch fällt mir umgekehrt jedes Mal dieser Mensch ein, wenn ich das Wort Moral höre. Ich hatte mich auch schon gefragt, warum, als er noch mein Kollege war. Hielt ich ihn für so etwas wie einen Moralapostel?

Er selber hätte die Bezeichnung weit von sich gewiesen, alleine schon, weil dieses Wort nicht sehr schmeichelhaft ist, außerdem völlig veraltet, was natürlich nur einer wie mir einfallen könnte .. Er selbst hielt sich für jung, dynamisch, modern und aufgeschlossen und sowieso egal wann, wo und wie für etwas durch und durch Positives, ein ausgemachtes Prachtexemplar, im Gegensatz zu allen anderen in dem Projekt.

Dabei war er genauso alt wie wir, sogar älter, das also konnte es nicht sein. Er war auch ansonsten nicht etwa schneller im Rechnen oder besser in Englisch, nein: Der einzige Trick, den er besser beherrschte, das aber ganz und gar, war, sich im Vergleich mit seinem Gegenüber stets als besser anzusehen, egal worauf das nun beruhte.

Wir waren alle hin- und her gerissen, was diesen Mann anging; er war ein solcher kam-sah-und-siegte-Typ, und er hatte so auch die Geschäftsführerin unseres Instituts im Handumdrehen um den Finger gewickelt.

Ihr war auf den ersten Blick klar gewesen, dass sie ihn wollte und nur ihn einstellen würde, und so hatte er - natürlich! - den Zuschlag bekommen am Ende dieses Auswahlverfahrens, das seit seinem Erscheinen eigentlich keines mehr gewesen war, und das man sich ihres Erachtens sowieso hätte sparen können, seit sie ihn gesehen hatte. Moralesi aber hatte das Angebot abgelehnt.

Daraufhin war dann ein anderer Bewerber eingestellt worden, einige Wochen später aber urplötzlich wieder hinaus geworfen.

Denn nun hatte Moralesi sich doch für den Job entschieden. Und Margit, die Geschäftsführerin, ihn selbstverständlich mit offenen Armen wieder aufgenommen, als handelte es sich um den verlorenen Sohn, der endlich wieder heimgekehrt ist. Oder um den verlorenen Liebhaber, der dann doch wieder zurückkommt. Alles andere und vor allem alle anderen waren daneben unwichtig geworden.

Meine Kollegin Tanya und ich waren wütend darüber, stinksauer. Denn Moralesi hatte selbstverständlich vom ersten Tag an Sonderrechte und wusste obendrein alles besser. Alles.

Er hatte seiner Meinung nach wahnsinnig viel ERfahrung und ER hatte alles dermaßen im Griff und ER war überhaupt von seiner Mutter soo sehr geliebt worden und soo gut erzogen - wirklich, das hatte er uns wortwörtlich so gesagt: Mit lang gezogenem \'oo\' - und das zeichnete ihn natürlich wirklich vor allen anderen aus, vor allem aber gegenüber den Teilnehmern dieses Projekts, junge Menschen, die bis zum Hals in Schwierigkeiten steckten und sich nicht einmal halb so gut fühlten wie ER, was sage ich: Nicht mal ein Zehntel so gut, vielleicht nicht mal ein Hundertstel oder noch weniger.
Aber sie himmelten ihn an, anders kann man es nicht sagen, und ER, der da ja leibhaftig vor ihnen stand und vorführte, wie gut ER sich fühlte und war - vor allem im Gegensatz zu ihnen - sog diese Wellen an Bewunderung in sich auf wie ein Staubsauger die Krümel.

\"Er zog die Schüler eben an wie die Küken in dem bekannten Experiment den Roboter\", sagte Steffen, der Moralesis Nachfolge angetreten hatte, und dem wir gerade von diesem erzählten: Was für ein Prachtexemplar der gewesen sei, das kommen und gehen sowie tun und lassen konnte, was und wie es ihm beliebte .. Der inzwischen jedoch seine Anhänger mitten im Projekt sitzen gelassen hatte, allen voran Margit, die Geschäftsführerin .. Der sich von seinen Betreuten mit dem Spruch verabschiedet hatte, dass man manchmal eben Entscheidungen zu treffen habe, ach ja .. seufz
\"So eine Neuigkeit!\" hatte Tanya mir damals bei diesen Worten zugeraunt.
Margit aber hatte ihn nach wie vor völlig begeistert aus ihren blauen Augen angestrahlt und ihm einen ganzen Tag eingeräumt, um sich von allen zu verabschieden ganz wie es ihm beliebte.

Jetzt war er weg, und wir saßen mit dem nächsten Projektmitarbeiter in unserem Dozentenzimmer, dem wir andauernd von Moralesi erzählten.

\"Ihr kennt doch das Experiment mit den Küken?\" fragte der uns. Wir schüttelten die Köpfe.

\"Rupert Sheldrake berichtet in seinem Buch Der siebte Sinn der Tiere darüber: Man nahm dazu einen Roboter, der von einem Zufallsgenerator gesteuert wird. Dann nahmen sie ein paar Eier, in denen sich Küken kurz vor dem Schlüpfen befanden. Kaum waren diese geschlüpft, hielt man ihnen nun als Erstes den Roboter vor Augen. Ihr wisst, dass frisch geschlüpfte Küken jegliches Ding, das sie beim Schlüpfen als Erstes sehen, für das Wichtigste in ihrem Leben halten und ihm folgen?!\" fragte er.

\"Ich wusste, dass Hühner blöd sind!\" sagte Marc und grinste breit, \"nur mal so.\" \"Genau\", fuhr Steffen fort, \"Hähne auch. Sind ja auch noch Küken hier. Wichtig in diesem Kontext ist, dass sie nun auf den Roboter konditioniert waren, abgerichtet, und ihm folgten. Und da der Roboter zufallsgesteuert war, bewegte er sich kreuz und quer im Raum, wobei die Küken versuchten, damit Schritt zu halten, und deshalb genauso kreuz und quer hinter ihm her liefen. Die Bewegungen des Roboters waren aufgezeichnet worden und ergaben etwa folgendes Bild:\"

Schon zeichnete er ein Viereck, das den geschlossenen Versuchsraum darstellen sollte, markierte darin Roboter und Küken mit einem schwarzen Stift, dann mit einem roten Stift kreuz und quer die Linien, die deren Bewegungen zeigten. Dann setzte er seinen Vortrag fort:

\"Im zweiten Teil des Experiments hatte man nun die Küken zusammen in einen Käfig gesperrt und neben das Areal mit dem Roboter gesetzt. Sie konnten also nicht mehr in demselben Areal frei herum laufen wie dieser. Und das änderte nun die Bewegungen des Roboters! Er rollte nicht mehr in seinem Areal hin und her wie zuvor, sondern blieb andauernd in der Nähe der Küken. Als hätten sie ihn gerufen und er hätte sie verstanden und auf sie gehört! Irgendetwas hatte die Küken in die Lage versetzt, den doch eigentlich zufallsgesteuerten Roboter selber zu steuern und in der Nähe ihres Käfigs zu halten. Was denkt ihr, was das sein kann?\"

Keiner antwortete. Steffen fuhr also fort: \"Das gibt zu denken, was? Denn die gerade mal einen Tag alten Küken hatten mit Sicherheit nicht so schnell gelernt, wie mit Zufallsgeneratoren ausgestattete Roboter funktionieren. Und trotzdem lag es an ihnen, denn sobald man die Küken wegnahm, bewegte sich der Roboter wieder wie zuvor kreuz und quer in seinem Areal. Das lässt doch nur einen Schluss zu: Dass der Wunsch oder der Wille der Küken, am Roboter quasi \'dran zu bleiben\', ihn tatsächlich anzieht. Daraus schloss man dann, dass dies eine Energie ist, die wiederum ein Feld erzeugt, das intrinsische Intelligenz besitzt, das heißt, das aus sich selbst heraus sehr wohl weiß, wie dieser Roboter, der Zufallsgenerator und die Steuerung funktioniert und entsprechend die Bewegungen des Roboters auslöste!\"

\"Also das Feld und nicht die Küken?\" fragte Tanja. \"Na das von den Küken erzeugte Feld\", bekam sie zur Antwort.

\"Ich frage mich nur, ob ein einzelnes Küken das auch könnte?\", murmelte Tanja nachdenklich vor sich hin. Ihr derzeitiges Problem war ihr neuer Freund, der sich einbildete, mittels eines von ihm erzeugten intrinsischen Feldes im Casino die Kugel in das Kästchen seiner Wahl lenken zu können.

\"Na ja\", sagte Steffen dann, \"ihr wisst schon, wieso ich von dem Experiment erzählt habe.\"

\"Damit wir jetzt verstehen, warum unsere \'Küken\' in den Klassenräumen immer noch da sitzen und auf ihn warten?\"

\"Nein, das tun sie doch gar nicht!\", sagte er.

\"Doch!\" riefen Tanya und ich wie aus einem Mund.

\"Ok\", räumte Steffen ein, \"nur sind sie nicht die Küken, sondern Roboter. Sie liefen doch ihm hinterher und er hat sie magisch angezogen, nicht umgekehrt, oder?!\"

\"Ach ja?!\", rief Tanya plötzlich, \"genau wie Margit, die Geschäftsführerin, die sich immer noch die Hacken hinter ihm abläuft?! Sie hat mir gestern noch lang und breit von ihm vorgeschwärmt und auf meine Frage, ob sie denn nicht enttäuscht sei, wie er uns sitzen gelassen habe, mit verzücktem Blick getönt: ‚Ich würde es jederzeit wieder so machen!’\"

\"Tja, die wäre eben auch gerne seine Mutti\", fing Marc an, \"das kommt manchmal davon, wenn Frauen sich fürs vierte K entschieden haben: Statt Kinder, Küche, Kirche nur noch Karriere.\"
Wir hatten alle schon den Mund geöffnet: Steffen zum Lachen, Tanya zum Luft holen, um sich dann Luft zu machen, und ich zum noch weiter Ausholen, doch dann klingelte es, und wir mussten zurück in unsere Klassenräume.

Das würden wir auf jeden Fall noch diskutieren. Auch, welchen Vorteil die Schüler sich vom Roboter-Sein versprachen.
 

James Blond

Mitglied
Hmm - für mich war dieser Text eine satte Ladung Bürogeplapper, leider nicht mehr. Ich frage mich, wozu man die Trivialsituation eines bevorzugten Neulings und seiner Neidlinge so weit aufblasen und sie dann auch noch mit Filzstiften und Sheldrakes Eso-Wissenschaft analysieren muss, wo das Phänomen doch bereits tausendmal mit Mitteln der Büroküchenpsychologie hinreichend erklärt wurde.

Und alles im Duktus des Smalltalk: unpräzise, chaotisch und zufällig. Und mit dem Resultat, dass "wir diesen Fall noch diskutieren würden". Bitte nicht!

Sorry, aber Literatur geht anders. Fange am besten noch einmal von vorne an: Was willst Du eigentlich sagen? Versuche dann, Sätze zu bilden, von denen jeder möglichst ins Schwarze trifft.

Viel Erfolg wünscht JB
 

He de Be

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Die Sache mit dem Hinterherlaufen

Jedes Mal, wenn ich diesen Kollegen traf, fiel mir der Name Moralesi ein. So nannte ich ihn unwillkürlich in Gedanken. Er war vor einigen Wochen neu eingestellt worden in unserem Projekt in Spandau, in dem arbeitslose Jugendliche fit gemacht werden sollten für ein Berufs- oder wenigstens Arbeitsleben, und ein paar Wochen später war er auch schon wieder verschwunden.

Eigentlich hieß er gar nicht Moralesi mit Nachnamen, sondern Modaresi oder so ähnlich, aber ich hatte die ganze Zeit Mühe, ihn nicht auch noch lauthals Moralesi zu nennen, so sehr hatte sich diese Namensverdrehung in meinem Hirn verankert.
Sogar jetzt noch fällt mir umgekehrt jedes Mal dieser Mensch ein, wenn ich das Wort Moral höre. Ich hatte mich auch schon gefragt, warum, als er noch mein Kollege war. Hielt ich ihn für so etwas wie einen Moralapostel?

Er selber hätte die Bezeichnung weit von sich gewiesen, alleine schon, weil dieses Wort nicht sehr schmeichelhaft ist, außerdem völlig veraltet, was natürlich nur einer wie mir einfallen könnte .. Er selbst hielt sich für jung, dynamisch, modern und aufgeschlossen und sowieso egal wann, wo und wie für etwas durch und durch Positives, ein ausgemachtes Prachtexemplar, im Gegensatz zu allen anderen in dem Projekt.

Dabei war er genauso alt wie wir, sogar älter, das also konnte es nicht sein. Er war auch ansonsten nicht etwa schneller im Rechnen oder besser in Englisch, nein: Der einzige Trick, den er besser beherrschte, das aber ganz und gar, war, sich im Vergleich mit seinem Gegenüber stets als besser anzusehen, egal worauf das nun beruhte.

Wir waren alle hin- und her gerissen, was diesen Mann anging; er war ein solcher kam-sah-und-siegte-Typ, und er hatte so auch die Geschäftsführerin unseres Instituts im Handumdrehen um den Finger gewickelt.

Ihr war auf den ersten Blick klar gewesen, dass sie ihn wollte und nur ihn einstellen würde, und so hatte er - natürlich! - den Zuschlag bekommen am Ende dieses Auswahlverfahrens, das seit seinem Erscheinen eigentlich keines mehr gewesen war, und das man sich ihres Erachtens sowieso hätte sparen können, seit sie ihn gesehen hatte. Moralesi aber hatte das Angebot abgelehnt.

Daraufhin war dann ein anderer Bewerber eingestellt worden, einige Wochen später aber urplötzlich wieder hinaus geworfen.

Denn nun hatte Moralesi sich doch für den Job entschieden. Und Margit, die Geschäftsführerin, ihn selbstverständlich mit offenen Armen wieder aufgenommen, als handelte es sich um den verlorenen Sohn, der endlich wieder heimgekehrt ist. Oder um den verlorenen Liebhaber, der dann doch wieder zurückkommt. Alles andere und vor allem alle anderen waren daneben unwichtig geworden.

Meine Kollegin Tanya und ich waren wütend darüber, stinksauer. Denn Moralesi hatte selbstverständlich vom ersten Tag an Sonderrechte und wusste obendrein alles besser. Alles.

Er hatte seiner Meinung nach wahnsinnig viel ERfahrung und ER hatte alles dermaßen im Griff und ER war überhaupt von seiner Mutter soo sehr geliebt worden und soo gut erzogen - wirklich, das hatte er uns wortwörtlich so gesagt: Mit lang gezogenem 'oo' - und das zeichnete ihn natürlich wirklich vor allen anderen aus, vor allem aber gegenüber den Teilnehmern dieses Projekts, junge Menschen, die bis zum Hals in Schwierigkeiten steckten und sich nicht einmal halb so gut fühlten wie ER, was sage ich: Nicht mal ein Zehntel so gut, vielleicht nicht mal ein Hundertstel oder noch weniger.
Aber sie himmelten ihn an, anders kann man es nicht sagen, und ER, der da ja leibhaftig vor ihnen stand und vorführte, wie gut ER sich fühlte und war - vor allem im Gegensatz zu ihnen - sog diese Wellen an Bewunderung in sich auf wie ein Staubsauger die Krümel.

"Er zog die Schüler eben an wie die Küken in dem bekannten Experiment den Roboter", sagte Steffen, der Moralesis Nachfolge angetreten hatte, und dem wir gerade von diesem erzählten: Was für ein Prachtexemplar der gewesen sei, das kommen und gehen sowie tun und lassen konnte, was und wie es ihm beliebte .. Der inzwischen jedoch seine Anhänger mitten im Projekt sitzen gelassen hatte, allen voran Margit, die Geschäftsführerin .. Der sich von seinen Betreuten mit dem Spruch verabschiedet hatte, dass man manchmal eben Entscheidungen zu treffen habe, ach ja .. seufz
"So eine Neuigkeit!" hatte Tanya mir damals bei diesen Worten zugeraunt.
Margit aber hatte ihn nach wie vor völlig begeistert aus ihren blauen Augen angestrahlt und ihm einen ganzen Tag eingeräumt, um sich von allen zu verabschieden ganz wie es ihm beliebte.

Jetzt war er weg, und wir saßen mit dem nächsten Projektmitarbeiter in unserem Dozentenzimmer, dem wir andauernd von Moralesi erzählten.

"Ihr kennt doch das Experiment mit den Küken?" fragte der uns. Wir schüttelten die Köpfe.

"Rupert Sheldrake berichtet in seinem Buch Der siebte Sinn der Tiere darüber: Man nahm dazu einen Roboter, der von einem Zufallsgenerator gesteuert wird. Dann nahmen sie ein paar Eier, in denen sich Küken kurz vor dem Schlüpfen befanden. Kaum waren diese geschlüpft, hielt man ihnen nun als Erstes den Roboter vor Augen. Ihr wisst, dass frisch geschlüpfte Küken jegliches Ding, das sie beim Schlüpfen als Erstes sehen, für das Wichtigste in ihrem Leben halten und ihm folgen?!" fragte er.

"Ich wusste, dass Hühner blöd sind!" sagte Marc und grinste breit, "nur mal so." "Genau", fuhr Steffen fort, "Hähne auch. Sind ja auch noch Küken hier. Wichtig in diesem Kontext ist, dass sie nun auf den Roboter konditioniert waren, abgerichtet, und ihm folgten. Und da der Roboter zufallsgesteuert war, bewegte er sich kreuz und quer im Raum, wobei die Küken versuchten, damit Schritt zu halten, und deshalb genauso kreuz und quer hinter ihm her liefen. Die Bewegungen des Roboters waren aufgezeichnet worden und ergaben etwa folgendes Bild:"

Schon zeichnete er ein Viereck, das den geschlossenen Versuchsraum darstellen sollte, markierte darin Roboter und Küken mit einem schwarzen Stift, dann mit einem roten Stift kreuz und quer die Linien, die deren Bewegungen zeigten. Dann setzte er seinen Vortrag fort:

"Im zweiten Teil des Experiments hatte man nun die Küken zusammen in einen Käfig gesperrt und neben das Areal mit dem Roboter gesetzt. Sie konnten also nicht mehr in demselben Areal frei herum laufen wie dieser. Und das änderte nun die Bewegungen des Roboters! Er rollte nicht mehr in seinem Areal hin und her wie zuvor, sondern blieb andauernd in der Nähe der Küken. Als hätten sie ihn gerufen und er hätte sie verstanden und auf sie gehört! Irgendetwas hatte die Küken in die Lage versetzt, den doch eigentlich zufallsgesteuerten Roboter selber zu steuern und in der Nähe ihres Käfigs zu halten. Was denkt ihr, was das sein kann?"

Keiner antwortete. Steffen fuhr also fort: "Das gibt zu denken, was? Denn die gerade mal einen Tag alten Küken hatten mit Sicherheit nicht so schnell gelernt, wie mit Zufallsgeneratoren ausgestattete Roboter funktionieren. Und trotzdem lag es an ihnen, denn sobald man die Küken wegnahm, bewegte sich der Roboter wieder wie zuvor kreuz und quer in seinem Areal. Das lässt doch nur einen Schluss zu: Dass der Wunsch oder der Wille der Küken, am Roboter quasi 'dran zu bleiben', ihn tatsächlich anzieht. Daraus schloss man dann, dass dies eine Energie ist, die wiederum ein Feld erzeugt, das intrinsische Intelligenz besitzt, das heißt, das aus sich selbst heraus sehr wohl weiß, wie dieser Roboter, der Zufallsgenerator und die Steuerung funktioniert und entsprechend die Bewegungen des Roboters auslöste!"

"Also das Feld und nicht die Küken?" fragte Tanja. "Na das von den Küken erzeugte Feld", bekam sie zur Antwort.

"Ich frage mich nur, ob ein einzelnes Küken das auch könnte?", murmelte Tanja nachdenklich vor sich hin. Ihr derzeitiges Problem war ihr neuer Freund, der sich einbildete, mittels eines von ihm erzeugten intrinsischen Feldes im Casino die Kugel in das Kästchen seiner Wahl lenken zu können.

"Na ja", sagte Steffen dann, "ihr wisst schon, wieso ich von dem Experiment erzählt habe."

"Damit wir jetzt verstehen, warum unsere 'Küken' in den Klassenräumen immer noch da sitzen und auf ihn warten?"

"Nein, das tun sie doch gar nicht!", sagte er.

"Doch!" riefen Tanya und ich wie aus einem Mund.

"Ok", räumte Steffen ein, "nur sind sie nicht die Küken, sondern Roboter. Sie liefen doch ihm hinterher und er hat sie magisch angezogen, nicht umgekehrt, oder?!"

"Ach ja?!", rief Tanya plötzlich, "genau wie Margit, die Geschäftsführerin, die sich immer noch die Hacken hinter ihm abläuft?! Sie hat mir gestern noch lang und breit von ihm vorgeschwärmt und auf meine Frage, ob sie denn nicht enttäuscht sei, wie er uns sitzen gelassen habe, mit verzücktem Blick getönt: ‚Ich würde es jederzeit wieder so machen!’"

"Tja, die wäre eben auch gerne seine Mutti", fing Marc an, "das kommt manchmal davon, wenn Frauen sich fürs vierte K entschieden haben: Statt Kinder, Küche, Kirche nur noch Karriere."
Wir hatten alle schon den Mund geöffnet: Steffen zum Lachen, Tanya zum Luft holen, um sich dann Luft zu machen, und ich zum noch weiter Ausholen, doch dann klingelte es, und wir mussten zurück in unsere Klassenräume.

Das würden wir auf jeden Fall noch diskutieren. Auch, welchen Vorteil die Schüler sich vom Roboter-Sein versprachen.
 



 
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