Die Spinne

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Alpha

Mitglied
Die Spinne

Ich bin ein Mörder. Jawohl. Ich habe gemordet, und das nicht einmal ohne Gewissen. Es tat mir das Herz weh, mein Gewissen schrie, und ich habe dennoch meine abscheuliche Tat zu ende geführt. Dabei fing doch alles ganz harmlos an.
Ich wollte ins Bad, blieb aber schon vor lauter Entsetzen in der Türschwelle stehen und starrte auf die Dusche mir gegenüber. Da saß sie, ganz still und friedlich. Eine große, schwarze Spinne, und mich ergriff sofort ein tiefes Ekelgefühl, wie es den meisten Menschen bei einem solchen Anblick ergeht. Ich stand immer noch in der Tür und rührte mich nicht. Ob sie wohl zucken, gar die Flucht ergreifen würde, wenn ich mich bewege? Mich schauderte. Aber dann ging ich doch auf sie zu, und es war nicht der Mut, der mich führte, sondern die Gedanken des Mordes. Ich wollte sie vernichten, mit ihr das Ekelgefühl austreiben.
Doch ich stand noch ein wenig an der Dusche, betrachtete mein Opfer, das da so friedlich und nichts ahnend im Duschbecken ruhte. Sie war nicht einmal dick, wie so viele eklige Spinnen. Ich würde sogar behaupten, für eine Spinne hatte sie eine richtig tolle Figur, sportlich und wohlgeformt und so... Die Beine ,passend zum Körper, nicht zu dick und nicht zu lang, hielten den Körper in ruhiger Schwebe und verliefen geschwungen bogenförmig zum Boden. Auf dem Körper eines feines Muster, soweit ich das erkennen konnte (so lange betrachtete ich die Spinne nun auch wieder nicht). Aber augenblicklich waren meine Gedanken wieder bei meinem Plan, ich hatte den Duschkopf fest im Auge.
Würde sie jetzt weglaufen? Wenn ich mich leicht über sie beuge, um nach dem Duschkopf zu greifen? Schließlich stand ich verdächtig nahe am Duschbecken, sie wäre im Nu bei mir, mit ihren kleinen, flinken, sportlichen Beinen.
Doch ich hoffte auf ihre Beinchen, dass sie sie nur weit genug an ihren Körper ran ziehen konnten! Wie sollte sie sonst durch eines der Löcher im Abfluss passen, war sie doch selbst schon so groß wie der Abfluss?
Vorbei mit dem Denken, mein Ekel drängte zur Tat, ich griff nach dem Duschkopf, zog den Griff der Wasserhahns hoch und zielte auf das schwarze Tier.
Sie reagierte, wie ich es erwartet hatte, und zog brav ihr Beinchen an. Wie klein sie auf einmal war.
Ich zielte mit dem Duschkopf, so dass der dünne Wasserstrom im Duschbecken die Spinne zum Abfluss drängte - und schwups! da lag sie drin. Aber in eines der Löcher passte sie noch nicht. Noch nicht. Ich ließ das Wasser nun direkt in den Abfluss regnen, und schon im gleichen Augenblick
war das Tierchen völlig mit Wasser bedeckt. Nur eine Frage der Zeit, bis es sie durch das kleine Loch drücken würde. Ha! Das war’s passiert, weg war sie! Ich schwenkte den Duschkopf ab, machte das Wasser aus. Aus dem Abfluss kamen Luftbläschen. Luftbläschen kamen doch sonst nie, dachte ich. War sie weg? Oje, mir wurde bang! Was sah ich da? Kleine schwarze Beinchen kamen zum Vorschein, tasteten aus dem Loch, krallten sich fest, wo eigentlich nichts zum Festhalten war. Und da war sie wieder. Aufgetaucht und nass glänzend, die kleine Spinne mit ihrem unglaublichen Lebenswillen. Ein Schauer ergriff mich erneut, und mein Ekel schien einen neuen Höhepunkt zu stürmen, wie sie da wieder aus dem Loch gekrochen kam.
Ich handelte schnell, bevor sie auf eine trockene Stelle im Duschbecken flüchten konnte - Wasser an! Immer drauf halten, genau auf den Abfluss, genau auf das kleine Tier im Abflussloch. Und wieder zog sie sich blitzschnell zu einem kleinen, lebenden Bällchen zusammen. Es dauerte nicht lange, da wurde sie wieder durch die Wassermassen hinab gedrückt. Und wieder stießen Luftblasen hinauf, und ich hielt den Wasserstrahl noch lange auf das Abflussloch, völlig starr vor Angst, sie würde noch einmal auftauchen. Heißes Wasser musste es nun sein! Ich musste mir ja sicher gehen, ich musste meinen Plan sorgfältig und gewissenhaft ausführen, und das bedeutete: Weg mit der Spinne! Ob tot oder lebendig! Und während ich mich bei diesen Gedanken erwischte, bei diesem Hoffen auf den Tod, bei diesem unmenschlichen Handeln einem Tier gegenüber, dass doch nur um sein Leben gekämpft und fast gesiegt hatte, zog sich mein Innerstes tief in meiner Brust zusammen, ein bitterer Schmerz, ein unsagliches Schuldgefühl und Wehleid ergriff mich.
Was hatte ich nur getan? Zu welchem schwächlichen Handeln hatte ich - Mensch - mich da hinreißen lassen? Und während elendige Scham mich erdrückte, ich mich krümmte in meiner Trauer und Schuld, da riss mein Gewissen mich zu Boden, sog mich mit aller Kraft ins Abflussloch, dem unschuldigen Tierchen hinterher. Und immer noch hielt ich ihn krampfhaft fest, den Duschkopf, mit meiner blutigen Mörderhand.
 
I

IKT

Gast
Hallo Alpha, wie gut ich Dich verstehen kann! Aber wie heißt es so schön: Willkommen im Club!
Nein, ehrlich - wer von uns (Frauen) hat nicht schon mal einen solchen Mord begangen? (Obwohl - einige Mutige solls ja geben.)
Deine Geschichte ist witzig erzählt und trotzdem beginnt man über sein eigenes Verhalten zu grübeln. Gut gemacht.
LG IKT ;)
 
Hallo Alpha,

eine kleine Situation sehr schön ausgesponnen. So intelligent und gut, und dann schreibst du zum Schluss von der „blutigen“ Mörderhand. Die „Mörderhand“ ist doch alles andere als blutig, da sie das Tierchen mit viel heißem Wasser wegspült. Hier und da geht’s etwas ins Satirische. Beste Stellen für mich: Die Beschreibung der Spinnenbeine, wodurch das Viehchen etwas dem Menschen Vergleichbares bekommt, also zum individuellen Wesen wird. Andere tolle Stelle, wie die Täterin bildlich mit in den Abfluss gezogen wird.

Zwei, drei Stellen etwas straffen, hier und da eine Übertreibung vielleicht zurücknehmen, ohne aber die Ironie zu mindern ((„…ein bitterer Schmerz, ein uns[red]ä[/red]gliches Schuldgefühl und Wehleid ergriff mich.“ Hier ist beispielsweise ein bisschen dick aufgetragen, auch wenns Ironie ist)), dann ist die Sache wirklich ganz ausgezeichnet, finde ich. Und witzig dazu, wie schon IKT schrieb.

Beste Grüße
Monfou
PS:
Ich habe kein so großes Problem mit Spinnen, die mir zwar auch nicht gerade in Duschen gefallen. Meine wahren Feinde sind Mücken. Lieber ein Dutzend harmloser Spinnen im Zimmer als eine blutgierige Mücke.
 
L

Lotte Werther

Gast
An Alpha

Nachdem du hier von zwei Seiten schon und zu Recht Lob bekommen hast für deine kleine Geschichte, möchte ich dir wohlmeinend einige Schwächen des Textes zeigen.

Beim Lesen fiel mir das Gefälle stark ins Auge. Vom Handwerklichen ist der Text zu Beginn holprig unbeholfen, ein Schulaufsatz. Dann steigerst du dich, wirst immer sicherer, und ab dem Absatz "Vorbei mit dem Denken.." kannst du deinen "Kampf" mit der Spinne witzig spannend erzählen.

Hier nun einige Stellen, an denen du unbedingt arbeiten solltest.

Ich bin ein Mörder. [strike]Jawohl.[/strike] Ich habe gemordet, und das nicht einmal ohne Gewissen. [strike]Es tat mir das Herz weh[/strike], [blue]Das Herz tat mir weh,[/blue] mein Gewissen schrie, und [strike]ich habe [/strike]dennoch [blue]habe ich [/blue]meine abscheuliche Tat zu [red]E[/red]nde geführt. Dabei fing [strike]doch[/strike] alles [strike]ganz[/strike] harmlos an.
Ich wollte ins Bad, blieb aber schon vor lauter Entsetzen in der Türschwelle stehen und starrte auf die Dusche mir gegenüber. Da saß sie, [strike]ganz[/strike] still und friedlich. Eine große, schwarze Spinne[blue].[/blue] [strike]und[/strike] [red]M[/red]ich ergriff sofort ein tiefes Ekelgefühl, wie es den meisten Menschen bei einem solchen Anblick ergeht. Ich stand immer noch in der Tür und rührte mich nicht. Ob sie wohl zucken, gar die Flucht ergreifen würde, wenn ich mich bewege? Mich schauderte. [strike]Aber[/strike] dann ging ich [strike]doch[/strike] auf sie zu, und es war nicht [strike]der[/strike] Mut, der mich führte, sondern [strike]die Gedanken des Mordes[/strike] [blue]Mordgedanken[/blue]. [blue]Vernichten[/blue] [strike]Ich[/strike] wollte [blue]ich[/blue] sie [strike]vernichten[/strike], mit ihr das Ekelgefühl austreiben.


Zusammenfassend möchte ich sagen, dass mich gehäuft auftretende Füllwörter wie "doch", "aber", "ganz" stören.
Als Beispiel dieser Satz hier:

Doch ich stand noch ein wenig an der Dusche
[blue]Ich stand an der Dusche...[/blue] - empfinde ich flüssiger.

Es gibt Sätze, die ich gänzlich umschreiben würde:

Eine große, schwarze Spinne, und mich ergriff sofort ein tiefes Ekelgefühl, wie es den meisten Menschen bei einem solchen Anblick ergeht.

Klammersätze weglassen. Entweder, die Bemerkung ist dir wichtig, dann bitte ohne Klammer, oder du streichst den ganzen Satz.

Vom Inhalt her hast du, wie von anderen hier schon erwähnt, eine kleine Episode gut beschrieben, die jedem von uns bekannt ist.

Lotte Werther
 



 
Oben Unten