Die Stadtwohnung

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Hallo zusammen!
Ich habe hier eine bis jetzt 2 Kapitel überspannende Geschichte, von der ich noch nicht so genau weiß, welche Länge angebracht wäre und in welchen Ausmaß sich das Weiterschreiben lohnt. Deshalb freue ich mich auf Kritik in jeder Hinsicht! Hier das erste Kapitel:





Die Stadtwohnung

Und in China fiel ein Sack Reis zu Boden. „Eine Aussage, die so vieles bedeuten kann“, dachte er sich. „Das, was du erzählst, interessiert mich nicht“, schien wohl das offensichtlichste zu sein. Und gleichzeitig heißt es „Ich halte von Chinesen nicht viel, weil die nur Reis essen“. Außerdem die direkte Bedeutung des Satzes, „Hey du, hast du schon gehört? In China ist ein Sack Reis umgefallen!“. Am besten war jedoch die Bedeutung mit dem Reissa… beziehungsweise Schmetterlingseffekt: „In China fiel ein Sack Reis zu Boden, deshalb hast du dir gerade eine Kerze in die Nase gerammt“.

Zusammengekrümmt lag Dennis auf dem Boden und hielt sich seinen Rüssel, dessen linkes Loch nun doppelt so groß war wie das rechte. Er hatte gekocht. Als er in Ermangelung einer Salatschleuder die Fliesen befeuchtete, besaß er noch nicht den richtigen Riecher für die Gefahr – eine Sache, die sich nun wohl geändert hatte. Vor seinen tränenverschwommenen Augen entstand nach und nach das Bild einer langen Kerze, die direkt vor seinem Gesicht auf dem Fußboden lag. Am oberen Ende schimmerte sie feucht. „Sie ist rot. Zündet sie an!“ Dennis wusste, dass er heute dem dunklen Mittelalter Einzug in seine Küche gewähren würde, wenn er den roten Feuerteufel vor seiner Nase bei lebendigem Leibe verbrannte. Er war sich nicht sicher, was er fühlen sollte: Womöglich war er der erste Mensch, der so genau auf einer Kerze landete, dass sie ihm ins Nasenloch drang. Während der Zinken langsam immer schwächer pochte, kroch die Kälte der Fliesen an Dennis hoch, deshalb rappelte er sich langsam auf die Knie.

Wie ein Metzger, der ein Lamm zur Schlachtbank trägt, hob Dennis die Kerze auf und steckte sie wieder in den halb mit Wachs gefüllten Joghurtbecher, der auf seinem kleinen Esstisch stand. Wohlige Wärme breitete sich wieder in seinem Körper aus, als er daran dachte, wie die Nasenschinderin vor seinen Augen einen qualvollen Tod sterben würde. Ohnehin war es verwunderlich, dass sie nicht zerbrochen war. Aber absurder konnte die Situation ohnehin nicht werden.

Viele Male hatte er sich schon vorgenommen, endlich eine Salatschleuder zu kaufen, da er so gut wie jeden Tag eine Schüssel voll Salat aß. „Wer nicht hören will, muss riechen“, dachte sich Dennis und verzog die Mundwinkel, da er seine Nase aus Sicherheitsgründen nicht rümpfen wollte. Er stand in der Küche und wusste kurz nicht mehr weiter. „Hätte ich Freunde zum Essen eingeladen, wäre das wohl das lustigste Dinner aller Zeiten geworden. Andererseits würde es dann keine waschechte Hexenverbrennung geben.“

Schulterzuckend wandte sich Dennis wieder seiner Kochplatte zu, auf der zwei Töpfe vor sich hinbrüteten. Den Dunstabzug hatte Dennis auf der höchsten Stufe laufen. Nicht etwa, weil es nötig gewesen wäre, sondern, weil ohne das laute Brummen die Musik der Disko, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht mehr zu hören war. Gekonnt öffnete er den Deckel des größeren Topfes und rührte die Nudeln um. Zu allem Überdruss musste er feststellen, dass diese mittlerweile eher ein Nudelbrei als Spaghetti waren. Er goss sie schleunigst in ein Sieb und ließ anschließend kaltes Wasser auf die Pampe plätschern, in der Hoffnung, die Nudeln würden wieder etwas an Härte dazugewinnen. „Ich muss eine Ewigkeit auf dem kalten Fußboden gelegen sein“, sinnierte er. Es war lange her, als er das letzte Mal seine Spaghetti verkochen ließ.

Nachdem er seine selbstgemachte Tomatensoße, die Spaghetti und den schon fertigen Salat zu seinem romantischen Rendezvous auf den Tisch gestellt hatte, platzierte er behutsam eine Packung Streichhölzer an den Rand der Tischplatte und löschte das Licht. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster, durch das, wie von einem übergroßen Subwoofer, die schnellen Bassschläge der Disko zu ihm hindurchdrangen. Dennis holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte Probleme damit, nicht unsicher aufzutreten, obwohl er groß gewachsen war, und so führte er diese Prozedur zur Beruhigung vor jedem Abendessen aus. Fünfzehn Mal tief ein- und ausatmen, die Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger massieren, kurz durch die Haare fahren und dann die Augen wieder öffnen. Als er beim dritten Atemzug angekommen war, begann sein aufgeschürftes Naseninnere zu pochen und er wechselte auf die Atmung mit dem Mund. „So schnell wandeln sich die festgefahrenen Bahnen des Lebens in luftleere Schorflandschaften.“
Vier.
Fünf.
Jetzt meldete sich – zur Abwechslung – das rechte Nasenloch mit einer besorgten Rotzglocke, die im Mission-Impossible-Style seinen Nachbarn ausspähte.
Sieben.
Acht.
Durch das Fenster war zu hören, dass sich der Höhepunkt der Musik anbahnte. Dennis tanzten torkelnde Gestalten vor den Augen.
Neun.
Zehn.
„Ich kann mich nie wieder vor die Haustür wagen… nicht mit dieser Koksnase.“
Elf.
Zwölf.
Die Musik war überall. Sie kroch in seine Ohren, fraß sich durch das Trommelfell in sein Gehirn. Sie zerhackte den letzten Rest seiner Synapsen und bohrte sich durch seine Schädeldecke, nur um sich durch das pochende Nasenloch wie Sandpapier wieder in seinen Kopf zu schmirgeln.
Dreizehn.
Sein Atem zitterte. Die Hand zuckte. In China fiel ein Sack Reis zu Boden.
Vierzehn.​
Dennis stand auf – der Stuhl krachte zu Boden. Wildgeworden packte der nun keuchende Berserker den Topf mit den Nudeln und schleuderte den Inhalt Richtung Spülbecken. Die Pampe bedeckte die gesamkte Küchenzeile. Während einzelne Spaghetti-Schleimklumpen an der Milchglasscheibe eines Vorratsschrankes hinunterglitten, dachte Dennis gar nicht mehr daran, seinen fünfzehnten Atemzug zu beenden und sich die Ohrläppchen zu kraulen. Er stampfte zur Küchenzeile, in Richtung des Schlachtfeldes. Anstatt ein Tuch in die Hand zu nehmen, klatschte er mit der flachen Hand mit voller Wucht gegen einen besonders dicken Spaghettibrocken. Der Schleim spritzte von seiner Hand, als er die andere streckte, um eine Flasche Vodka vom Schrank zu holen. Mit einem Knall rammte er die Flasche auf den Tisch, daneben ein Schnapsglas. Er riss den Schraubverschluss förmlich vom Flaschenhals und schenkte ein. Und trank. Und schenkte ein. Und trank. Er schüttelte sich. Seine Augen fixierten die Kerze. „Du kleines Pissstück!“ Drei Schlucke direkt aus der Flasche folgten, wohl, um der Kerze Angst zu machen. Dennis packte sie am Hals und drückte zu. Wenn er es nicht bis fünfzehn schaffte, würde es diese wächserne Witzfigur auch nicht. Er steckte sich das Objekt seines Leidens in die Hosentasche seiner Jeans und walzte durch die Küche, aus der Tür und die Treppe seiner Wohnung hinunter, bis man die Haustür zuschlagen hörte.
An der Küchenzeile brannte noch das Licht. Schlieren von Schleim schillerten auf der Scheibe des Schrankes. Misshandelt und verlassen wartete die Wohnung auf ihren Besitzer, der erst in geraumer Zeit wiederkehren würde.

--2: "Ne Kerze, Süßer?!"

Weitergehen würde die Geschichte damit, dass Dennis nach dem nun folgenden Diskobesuch eine "heruntergekommene " Frau mit Drogenproblemen unfreiwillig kennenlernt und mit ihr einige Abenteuer erlebt, die ihn über sein Leben nachdenken lassen.
 



 
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