Die Tinn

Die Tinn

Markus Pließnig 23.07.2013




Draußen vor dem Fenster

"Wieder einmal auf, nach Scheiß-Brinkmaar, um beschissene Vorräte einzukaufen!", murmelte Georg gedankenverloren vor sich hin und spülte diese, für ihn widerwärtigen Worte, mit einem kräftigen Schluck selbstgebrandten Zirbenschnaps hinunter. Wieder einmal...
Georg hasste diese Stadt. Er hasste die Menschen dort, verabscheute jeden Straßezug, jedes Haus, ja jeden gottverdammten Ziegelstein. Aber besonders die Menschen. Diese heuchlerischen Bastarde.
"Ist ja überall das selbe Pack. Arbeiten bloß für Ansehen und Wohlstand - diese mickrigen Hunde!" Und wieder zogen diese Worte einen kräftigen Schluck Schnaps nach sich, gerade so, als wollte Georg den Satz damit wieder in die Kehle zurückspülen und ihn dadurch ungesagt machen. Wäre das wirklich seine Absicht gewesen, hätte Georg die Unmöglichkeit dieses Vorhabens an dieser Stelle vermutlich zutiefst bedauert. Aber für solcherlei Gedankengut war Georgs Verstand momentan sowieso viel zu beschäftigt. Er war erstens schon ziemlich besoffen und es musste zweitens, schließlich noch allerlei getan werden - damit diese leidige Zwangsmaßnahme (diese Reise) auch tatsächlich umgesetzt werden konnte. Nach Scheiß-Brinkmaar war es eben kein Katzensprung und Siebenmeilenstiefel hatte Georg leider auch nicht. Außerdem war da ja noch das andere Problem. Georg schluckte und seine stark geröteten Augen blickten sorgenvoll auf seine alte Schrotflinte an der Wand, direkt neben dem einzigen, nicht verbarrikadierten (weil aus Panzerglas bestehenden) Fenster, seiner schon längst in die Jahre gekommenen Hütte.
Dann wanderten seine Augen dorthin und er sah nach draußen. Es war Nacht und es schneite...
"Diese, diese, ..."; Georg setzte zu einem weiteren Schluck an, hielt kurz inne und vollendete den Satz,"...Schweinebrüder!"
So hockte er nun, in warmes Kerzenlicht getaucht, immer angespannter auf seinem knarrenden Lehnstuhl vor dem alten Stubentisch, an diesem Fenster, alleine in dieser schäbigen und beinahe völlig eingeschneiten Hütte, mitten in der Wildnis und war außer mit Saufen, auch noch eifrig damit beschäftigt, auf einem vergilbten Zettel festzuhalten, was er nach 2 Tagen anstrengendem Fußmarsch unten in Scheiß-Brinkmaar eigentlich alles zu besorgen hatte. "Die doppelte Menge an Kerzen als beim letzten Mal...", notierte er sich in krakeligen Buchstaben auf dem Zettel. Dabei schaute er immer mal wieder über seine linke Schulter, wo seine alte Schrotflinte, die eigentlich eine Pumpgun war, völlig ruhig (beinahe schon lässig) an der Wand hing und tanzende Schatten warf. "Das wär ja was!", sagte er mit trockenem Hals und ließ auch diese Aussage nicht ohne einen brennenden Abgang ausklingen. Georg wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, sollte das Undenkbare Wirklichkeit werden. Das gelang ihm bedauernswerter Weise gerade überhaupt nicht.
"Sch..., SCH...,Schweinebrüder!"
Es stimmte ihn nämlich gerade schon besonders nachdenklich, dass er keine Kerzen mehr hatte - und mit schnell wachsenden Schweißperlen auf der Stirn, beäugte er immer misstrauischer den kümmerlichen Rest dieses flackernden Mistdings vor ihm am Tisch, das definitiv die letzte ihrer Art war (zumindest in seiner Hütte). Angestrengt versuchte Georg dabei abzuschätzen, wie lange er wohl noch warten musste, bis der letzte Wachstropfen dieser einst stattlichen (15 cm Durchmesser, 30 cm Höhe) Kerze abperlen und der Docht schwarz sein würde - wie alles andere auch. 5, 6 oder sogar 7 Stunden? Denn dann, gab es wohl nur noch ein probates Mittel, um am Leben zu bleiben: Weil ein Tischfeuer mit in Diesel getränkten Lumpen kam bestimmt nicht in Frage - obwohl er diese Möglichkeit gerade ernsthaft in Betracht zog. Nein - alles Blödsinn, der nächste Morgen würde bestimmt noch rechtzeitig kommen (obwohl Georg gerade das, arg bezweifelte)! Ansonsten würde er seine alte Pumpgun von der Wand nehmen müssen und könnte nur hoffen, dass seine Hütte dem zu erwartenden Ansturm standhalten würde. Eine eigenartige Vorstellung, nach all der Zeit hier oben. Aber vielleicht irrte er sich ja in Bezug auf die Kerze, oder eventuell hatte er ja das Glück und sie würden gar nicht kommen. Doch Glück hatte Georg nicht - auch an diesem Abend...

dunkel

Plötzlich wurde es dunkel, gerade in dem Moment als Georg in die Vorratskammer trat, um sich die letzten Dinge auf der Liste, für die morgige Reise zu notieren. Viel früher als erwartet. "Unmöglich!"
Mit eiligen Schritten stürmte er aus der Kammer, tapste unbeholfen durch die nunmehr völlig dunkle Hütte und versuchte die schon vorbereitete und durchgeladene Waffe zu erreichen. Sie lag am Tisch. Das musste jetzt schnell gehen, wusste Georg. Diese "Schweinebrüder" würden jede noch so kleine Chance ausnutzen um ihn endlich zur Strecke zu bringen. Doch dann traf sein Blick auf etwas Erfreuliches - etwas, das seinem Verständnis von der Restbrenndauer der (wirklich allerletzten) Kerze halbwegs nahe kam. Vor ihm auf dem Tisch loderte noch ein kleines Flammenzünglein, ausgesprochen schwach zwar, aber stark genug, um gerade noch zu erkennen, das sich unterhalb der Flamme noch gut 4 bis 5 Zentimeter "Restkerze" befanden.
"Warum brennst du nicht heller, blödes Ding?", entfuhr es Georg, der einige Augenblicke später, den Grund für diesen Unzustand entdeckte: Die Kerze war so unglücklich heruntergebrannt, dass sich eine kleine Mulde gebildet hatte, die es dem flüssigen Wachs unmöglich machte, irgendwo auf der Seite abzufließen. Deshalb ragte nur mehr eine kleine Spitze Docht aus dem flüssigen Wachs - auf welcher eine ebenso kleine Flamme thronte und loderte.
"Ach, so ein Glück!"
Diese freudige Erkenntnis wurde aber prompt zunichte gemacht, als wie aus dem Nichts etwas Unheilvolles vor seiner Hütte Stellung bezog. Georg konnte es genau hören - und trotz seines mittlerweile etwas entrückten Bewusstseinszustandes, bekam er es ernsthaft mit der Angst zu tun. Georg, der bärtige Einsiedler in der Wildnis. Er, von dem die Leute sich die seltsamsten Geschichten erzählten. Verrückt sollte er sein - und das war er auch. Beinahe verrückt vor Angst...
Dann begannen die Tinn, wie sie Georg manchmal nannte, damit ihr Opfer etwas einzuschüchtern. Ein irres Lechze und Keifen war das Mittel ihrer Wahl, begleitet von einem energischen Schaben und Kratzen (ganz in der Nähe) und all das ließ Georgs Nackenhaare steil zu Berge stehen.
Wie paralysiert stand er nun im sterbenden Kerzenlicht ( was aber eigentlich kaum mehr als Licht zu bezeichnen war) und begann sich auf sein wohl baldiges Ende einzustellen. Ein Teil seines Bewusstseins ließ die eine Hand nach der geladenen Waffe greifen und ein anderer, wacherer und klügerer Teil seiner Wahrnehmung, fasste mit der anderen Hand nach der Kerze, neigte sie ein Stück weit zur Seite und verhinderte so auf simple Art, ein völliges Absterben der Flamme. Und binnen Sekunden war das Innere der Hütte wieder in warmes Kerzenlicht getaucht und das Schaben und Kratzen verstummte. Ein schmerzvolles Heulen war noch zu hören, dann war es wieder still...
"Ja!", brüllte Georg," Verpisst euch nur, ihr, ihr lichtscheuen Sch., Sch., SCHweinebrüder!"
Eilig stolperte er, stockbesoffen wie er war, zurück in die Vorratskammer, griff sich die 2 Packungen Munition, die er noch hatte, ging zurück zum Tisch und setze sich.
" Das war knapp!", und wieder ließ Georg diese Worte mit einem kräftigen Schluck Schnaps ausklingen und fuhr sich mit zittriger Hand über seine schweißnasse Stirn.
"Das war knapp...", ächzte er nochmals.
Die Flamme der Kerze flackerte freudig auf und kurz dachte Georg daran, dass es ja nicht mehr lange dauern konnte, bis der Morgen anbrach. Dann wurde sein Blick trüber und seine Augenlider schwer. Langsam sackte sein Kopf nach vorn und einige Momente später ruhte sein Gesicht auf seinen Handrücken auf der Tischplatte. Neben seinem Kopf stand die geöffnete Schnapsflasche und die Kerze loderte weiter munter vor sich hin. Noch für einige Zeit...

"Long Distance Trip"

Da war wieder einer - einer dieser lauen Sommerabende, an denen es nichts Besseres zu tun gab, als sich hemmungslos und ohne Rücksicht auf Verluste, die Birne wegzuknallen. Der schüchterne Pierre teilte sich diese Ansicht mit seinen fragwürdigen Freunden Muktada, dem Arschloch Axel (der immer das Zeug hatte) und nicht zu vergessen dem wahren Grund seiner Anwesenheit auf dieser netten kleinen Wohnungsparty, der hübschen/heißen Simone. Alles was hierzu nötig war, wurde vom Arschloch Axel gerade, unter den freudigen Blicken dieser Partygesellschaft und von Pierre, auf dem kleinen Glastisch in Muktadas Wohnung ausgebreitet. Zunächst ein kleiner Taschenspiegel, etwas Gras, ein wenig Koks, ca. 1 Gramm Speed und noch ein paar "Papers" für den Jointbau. Pierre war fast ein wenig erschrocken darüber. Muktada aber zog nur anerkennend die Augenbrauen nach oben und Simone fixierte mit gierigem Blick das durchsichtige Briefchen mit dem Koks.
"Jetzt brauchen wir natürlich erstmal die richtige "Mucke", Mucke!", sagte Axel betont cool zu Muktada gewand.
"Sonst gibt's keine rechte Stimmung, Alter - was?!"
"Tja, ähm...", Muktada kratze sich verlegen am Hinterkopf - und wirkte auf die anderen sichtlich gestresst - wegen der Frage, die ihn aber in Wahrheit eher kalt ließ. Vielmehr kam dieser Stress von diesem Überangebot an Drogen, welches ihn gerade gewaltig überforderte, zumindest seine Widerstandskraft. Da war diese unerwartete Aufforderung geradezu lächerlich nebensächlich - welche "Mucke" sollte jetzt wohl die passende sein? War ihm egal.
Aber die Finger von Pierres linker Hand zuckten kurz zusammen, als Muktada sein "Hab-keine-Ahnung" Gesicht aufsetzte und es kurz ziemlich öde wurde auf der Party. Als Pierres linke Finger erneut zuckten, war ein leises Seufzen zu hören - von Simone stammend und Pierres linke Finger bewegten sich gleich noch einmal - so wie immer wenn er sehr aufgeregt war oder versuchte etwas zu unterdrücken. Doch Simones Anwesenheit schien wahre Wunder zu wirken, erstaunlicherweise. Entgegen seinen "normalen" Gewohnheiten" wagte er es einfach so, die fade Stille zu durchbrechen.
"Ich glaub ich hab da was!", verkündete er mit halblauter Stimme und begann damit, mit der rechten Hand in seiner grünen Kampftasche herumzuwühlen. Alle beobachteten ihn dabei.
Die Finger, der die Tasche haltenden, linken Hand, zuckten erneut und vibrierten leicht, sein Blick streifte den von Simone - er lächelte verlegen...
Und dann plötzlich ruhten alle Augen der Anwesenden (einschließlich Pierres) auf dem neuen Album von Samsara Blues Experiment, welches er gerade aus der Tasche zog. Erst gestern hatte er es sich gekauft - aus einem unerklärlichen Gefühl heraus. "Long Distance Trip" war der Titel, das schien gut zu ihrem Vorhaben zu passen, fand Pierre - was auch für alle Beteiligten zur bitteren Wahrheit werden sollte. Beim einen früher, beim anderen etwas später. Weil dies aber niemand auch nur ahnte, widmeten alle Anwesenden weiterhin ihre spärliche Aufmerksamkeit diesem Album, welches Pierre gerade in den Händen hielt. Das Cover war sehr ansprechend gestaltet und Pierre wusste dazu zu sagen, dass diese vielsagende in Grün gehaltene Zeichnung mit den tanzenden nackten Frauen, an irgendein mehr oder weniger berühmtes Gemälde, irgendeines mehr oder weniger berühmten Künstlers, angelehnt war. Aber das interessierte keinen in der Runde wirklich, so wie fast alles von dem Zeug, das Pierre so sagte - wenn er denn einmal was sagte. Denn Pierre gehörte der Spezies von Menschen an, an welcher sich die anderen mal so richtig austoben konnten, wenn sie das Bedürfnis dazu hatten. Juckte es also jemanden im kleinen Finger, war Pierre stets ein willkommenes Ventil; das Opfer. So war er froh, wenn er wenigsten irgendwo Anschluss fand. Diese Tatsache hatte ihn auch zu diesen Leuten getrieben, darüber hinaus auch die zaghafte Hoffnung, so vielleicht auch mal so ein lässiger Kerl zu werden, wie zum Beispiel Muktada. Um irgendwann einmal auch eine nette, oder zumindest eine hübsche Freundin zu haben. Wie Simone...
Klar hackten auch Muktada und vor allem das Arschloch Axel auf ihm rum, aber wenigstens nur die. Pierre empfand es deshalb als halb so schlimm. Zählte es doch am Ende nur, mit welchen Leuten man so abhing. Das stellte sich Pierre in etwa so vor, wie bei den Hundebesitzern. Der Hund wird seinem Herren mit der Zeit immer ähnlicher. Genau auf diesen Effekt hoffte Pierre. Da war eben Mukatada, und der war sogar so cool, dass es niemand anderer wagte, jemanden, der mit so einem coolen Typen unterwegs war oder abhing, auch nur zu verarschen. Ein netter Nebennutzen für Pierre. Aber auf die Mädchen wirkte er deshalb nicht anziehender. Wie das halt so ist, wenn man dieser Hundehalterphilosophie anhängt. Und während Pierre die noch unbekannte Disc in den CD-Schacht drückte, heftete sich sein Blick an Axel, wie der gerade die vier nackten Frauenkörper auf der Disc-Hülle, bewunderte.
"Ey Simi, die haben sicher genau so schöne Titten wie du - hahaha...", röhrte Axel, wofür er mehrere böse Blicke erntete - einer wilder als der andere. Besonders hervor tat sich der des Revierverteidigers Muktada - denn ER, wollte sie unbedingt haben - wofür auch immer.
Der von Simone selbst natürlich war auch nicht schlecht, so leicht erregbar wie sie war. Wütend ritt sie auch gleich einen wilden Gegenangriff gegen dieses Schandmaul.
"Axel, halts Maul !", keifte sie forsch und versuchte Axel mit ihren spitzen Lackstiefeletten am Knie zu erwischen, was ihr um Haaresbreite auch gelang.
Lediglich der Blick von Pierre tanzte etwas aus der Reihe. Einfach aus dem Grund, da er vielmehr ein trauriger war denn ein böser. Aber das fiel sowieso niemandem auf, denn Pierre war gerade damit beschäftigt, die CD zum Laufen zu bringen und die anderen gackerten wirr durcheinander.
Doch dann: Die ersten sphärischen Klänge von "singata mystic queen", bewahrten den verdutzt drein schauenden Axel vor einer zweiten Stiefelattacke, Simone verschonte ihn unerwartet - diese Musik war einfach zu toll für sie. Bis jetzt.
"Das klingt irgendwie indisch, findet ihr nicht?", warf sie anerkennend ein und alle lauschten den unerwartet ruhigen Klängen des ersten Samsara Albums, welche aber sodann in einem groovigen Stonerrock-Riff mündeten und das Stück weiter vorantrieben, wohl auf irgendeinen bombastischen Höhepunkt zu. Alle Köpfe bewegten sich leicht im schweren Rhythmus der Musik - alle bis auf Pierres.
"Derbe, aber cool?", sagte Muktada grinsend und zum persönlichen Start der Party, goss er sich zunächst einmal etwas Absinth in sein Glas - das empfand er meistens als sehr ideal für den Anfang. Sein Lippen spitzten sich als sie sich dem Glas näherten.
Simone nickte ihm dabei wohlwollend zu und zwinkerte sogar, was den sensiblen Pierre zusammenzucken ließ - ja, das war heute wirklich bitterer als sonst, ein Herrchen zu haben...
"Hey Axel, hast du eigentlich die Pilze dabei? Wäre schade, wenn das wieder nur leere Worte gewesen wären!", ätzte der Gastgeber Muktada, der heute auf jeden Fall zuschlagen wollte (bei Simone). Jetzt wo's doch offensichtlich so gut lief.
"Und davor mal ein bisschen Koks - was?", ergänzte Muktada. Simone's Blick zollten ihm unverhohlenen Beifall und genau das wollte Muktada erreichen - Pierre lief ein unbehagliches Frösteln über den Rücken.
"Hey! Axel?!", setzte Muktada nach, da kein Hinweis von Axel kam, dass er ihm auch zugehört hatte. Erst darauf nickte Axel stumm, griff in seine Bauchtasche und warf einen kleinen Beutel mit einem Hanfblatt drauf, auf den Tisch. In diesem befanden sich feinste, von Axel selbst gezogenen und getrocknete Magic Mushrooms der stärksten Sorte. Ihre spitzkegeligen Hüte glänzten in mattem Braun, ihre gekringelten Stängel leuchteten derartig silbern, dass es mehr als nur eine magische Verheißung zu sein schien. Axel musste kurz schlucken als er noch lapidar anmerkte: "Die müssten reichen, sag ich!"
Muktadas dezente Augenbrauen wanderten abermals anerkennend nach oben. Ja, es sah so aus als würden die reichen! Während der ersten Klänge von "army of ignorance", griff Axel in den Beutel und legte für jeden, drei große, getrocknete Pilze auf den Tisch, welche Muktada und deshalb natürlich auch der schüchterne Pierre sofort dankend an - und einnahmen.
" Und auch du Simi! Let there be rock...", sagte Axel grinstend, für Simones Geschmack etwas zu widerlich, aber das war nicht der alleinige Grund, weshalb sie ihren gerade von Axel offerierten Trip gleich ablehnen würde. Weil später war sie noch mit ihrer Freundin Joey verabredet. Die Beiden hatten vereinbart, gemeinsam auf irgend so ein illegales Festchen zu gehen. Da wollte Simone einfach auf keinen Fall voll auf Pilzen dort aufkreuzen. Laut dem Flyer, den sie in ihrer Tasche hatte, war die Party nämlich irgendwo im Wald. Keine gute Umgebung für Stadtmädchen - schon gar nicht für Stadtmädchen auf Pilzen...
"Phu, nein, ich nicht! Lieber nur eine kleine Nase Koks! Hab heute noch was vor!"
Axel lächelte überlegen: "Ach SCHADE! Trotzdem, auch gut! Aber gib's zu Simi! Die Pilze magst du nur nicht, weil sie meine Babys sind!", schlussfolgerte er dennoch irgendwie richtig, während er nach dem gewünschten Briefchen griff. Bereitwillig streute er ihr daraufhin eine "Nase" auf seinen kleinen Taschenspiegel mitten im anderen Zeugs auf dem Tisch und schaute verstohlen zu Muktada, der nur dämlich grinste. In einer Hand hielt er schon sein silbernes, speziell zu diesem Zweck von einem besonderen Freund georderte und angefertigte Röhrchen - dazu auch noch die Bankomatkarte und die hackte gleich wild vor sich hin und Simone's Augen rückten keinen Zentimeter mehr vom weißen Pulver ab, als Axel das Koks auf dem Spiegel für sie vorbereitete . Ihre Atmung beschleunigte sich etwas. Mit etwas schriller Stimme sagte sie endlich, aber für einen gelungenen Konter viel zu spät: "Ja Axel, aber das ändert nichts daran, dass ich mit Joey heute noch auf eine Party gehe, da kann ich echt keine Paranoia gebrauchen! Ich hoffe, dass geht in deinen Schädel rein..."
Axel, der Simone mit übertrieben gönnerhafter Miene den Spiegel samt Zubehör überreichte, wollte gerade noch was dazu sagen, als ihm Muktada mit fester Stimme dazwischen funkte:" Echt? Party! Wieso weiß ich dann nichts davon?"
Simone nahm sich gerade die ganze Brise mit einem Nasenloch und schaute zornig zu Muktada auf.
"Weil dich das nichts angeht! Bist ja nicht mein Kerl, oder!" , entkam es ihr kaltschnäuzig. Das Koks begann schon zu wirken, bekam Muktada zu spüren, der daraufhin mit offenem Mund dastand. Und für Pierre wirkte alles gerade ziemlich wie in einer besonders schlechten Sitcom. "Schon seltsam...", dachte er sich und die zarten Finger seiner linken Hand zuckten erneut.
"Was isn das für eine Party, Simone?", warf Pierre mit lauterer Stimme als sonst und für alle überraschend, ein. Simone sah ihn unvermittelt an und zog besonders hektisch an ihrer Zigarette. Dann griff sie in ihre Tasche, nahm den Partyflyer, welchen ihr ein hübscher Unbekannter vor ein paar Tagen in der Fußgängerzone zugesteckt hatte und reichte ihn an den verdutzten Pierre weiter. Das war der Moment in dem sich Muktada auch eine kräftige Nase nahm - nur für ein stabiles Gleichgewicht des Schreckens, dachte er sich.
" Partybox, feiern bis zum nächsten Tag! Let your Eggs rock!", las Pierre (in einer erfrischend ungehemmten Variante) allen laut vor, den Simones Aufmerksamkeit gerade zu einem Höhenflug anstachelte - seine Stimme bebte nur leicht.
"Klingt aber schon komisch Simi! Das würde mich nicht hinter dem Ofen hervorlocken! Also ehrlich...", Muktada schaute gelangweilt drein und fügte, als Simone ihn nicht einmal ansah, wütend hinzu:" Wann wirst du denn dann abhauen? Würd mich nur interessieren..."
"Jetzt, du Arschloch! Jetzt sofort!", fauchte Simone kämpferisch und plötzlich völlig außer sich. Ihre Augen funkelten überheblich und ein tiefes Rosa überzog auf einmal ihre glatten Wangen, das an einigen Stellen sogar in ein feuriges Rot überging - sah ziemlich bedrohlich aus.
"Ah ja, und viel Spaß bei eurem Horrortrip wünsche ich euch! Könnt die scheiß Pilze gleich auf einen Pizzateig streuen und sie euch in den Arsch schieben, wo's doch dort so schön warm ist!", setzte sie noch eins drauf.
Muktada war empört: "Was ist denn mit dir jetzt auf einmal los Simi! Packst das Koks nicht, oder...", denn damit hatte er nun auch wieder nicht gerechnet - zumindest nicht so schnell. Daraufhin warf Simone ihre Kippe achtlos auf den Parkettboden, würdigte ihn keines Blickes mehr und ging unter klacksenden Schritten schnurstracks zur Türe, um bloß so schnell wie möglich von diesen (angewärmten) Idioten wegzukommen. Wieso war sie nur überhaupt dort hingegangen? Diese Frage konnte sie momentan nicht schlüssig beantworten. Wegen Muktada? Naja, vielleicht - nein, doch nicht.
Sie überlegte: "Oder wegen, NEIN - wegen Axel bestimmt nicht. Wegen Pierre? Kaum!" Also entschied Simone spontan, dass diese Typen sie so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen würden. Denn Drogen hatten andere auch. Vielleicht nicht so gutes Koks. Nun: Mit beiden Annahmen sollte Simone richtig liegen.
Kurz bevor sie die Türe mit aller Wut ins Schloss knallen wollte, drängte sich ein, mittlerweile auch ordentlich eingekokster Pierre, kurzerhand dazwischen. Simone wirkte plötzlich stark irritiert. So was auch? Beinahe hätte sie ihm eine runter gehauen - reflexartig.
"Du, das mit der Pizza war gar nicht so eine schlechte Idee! Kann ich dich vielleicht ein Stück begleiten?", säuselte Pierre behutsam, lächelte kurz und senkte seinen schüchternen Blick.
"Musst du wissen! Wann wirken denn die Pilze?", fragte Simone mit etwas sanfterer Stimme. Pierre war ja irgendwie in Ordnung - absolut langweilig zwar, aber doch irgendwie in Ordnung. Der einzige von diesen Arschlöchern...
"Weiß nicht - in einer Stunde?!"
"Dann komm mit!"


Die Übermacht

Die Lider schnellten blitzschnell nach oben. Doch den Augen bot sich nichts als schier endlose Schwärze. An die Ohren aber, drang ein eifriges und gesichtsloses Gekeife...
"Ein elendes, sabberndes und gesichtsloses Gekeife!", ergänzte Georg im panischen Gedanken und wusste sofort: "Ja, jetzt seid ihr da, ihr SCH..., Tinn!" - und alles war pure Dunkelheit als Georg blitzschnell aufsprang. Blindlings versuchte er nach der geladenen Waffe vor ihm am Tisch zu greifen. Dieser verzweifelte Griff ging jedoch soweit ins Leere, dass nur der Daumen ausgestreckt am Gewehr vorbei donnerte und es in hohen Bogen unter einem dumpfen Knallen auf den Boden beförderte - irgendwo in der Finsternis. Erregt sprang Georg auf und tappste unbeholfen aber dennoch flink (mit dröhnendem Schädel), noch einigermaßen gut abgefüllt, einen Schritt zurück, was auch noch den Stuhl zu Boden warf. Darauf folgten zwei weitere, hastige Schritte nach rechts, einer nach links, zwei Schritte nach vorn und der unglückselige Georg krachte nach einem dumpfen "Klonk!" rücklings auf den Bretterboden seiner Hütte. Danach hatte er nicht einmal die Chance, sich auf die frisch eingehandelten Schmerzen überhaupt einzulassen. Die Tinn begannen offenkundig gerade damit, sich zu Dutzenden gegen die Eingangstüre seiner Behausung zu werfen, was einen Krach verursachte, dass es Georg nur so durch Mark und Bein ging. Und von unter dem Bretterboden der Hütte, vernahm Georg zu allem Überfluss auch noch ein verdächtiges Schaben und Kratzen...
Er war nun außer sich vor Panik und tastete sich unter Schock und mit zittrigen Händen dennoch kurz über die Stelle, wo er wahrscheinlich gerade gegen den großen Messingkochtopf, der an einer Kette von der Decke hing, gerannt war.
"Wo ist meine Waffe !?", murmelte er, stand auf und taumelte, nicht nur vom Zusammenstoß mit dem vermuteten Messingkochtopf noch ein wenig benommen, aber durchaus zielstrebig drei weiter Schritte nach vorne, um endlich an dieses Gewehr zu kommen. Ein, zwei, drei - er ging in die Knie und seine Finger streckten sich gierig aus. Doch da war es nicht!
"Nein, mit mir nicht!!!", brüllte Georg und warf sich wieder, diesmal freiwillig und bäuchlings auf den Bretterboden - unter die Geräuschkulisse der angreifenden Tinn, mischte sich somitk kurz, ein wuchtiges Donnern. Dann begann Georg wie wahnsinnig, einem irrer Fensterputzer gleich, mit den Armen nach dem Gewehr zu rudern. Und: "Klack" - tatsächlich.
Die zittrigen Finger seine rechten Hand hatten es doch glücklicherweise gestreift. Wie geölt schlitterte es über den Boden und fuhr letztlich gegen die blecherne Verkleidung seines Holzherdes, was Georgs Ohren freudig vernahmen. Eilig kroch Georg nun einigermaßen zuversichtlich in die angepeilte Richtung. Ganz nah vor der erwarteten Fundstelle erstarrte Georg, als hinter ihm der Boden aufbrach und etwas raubkatzengroßes ausgesprochen bedrohlich hinter ihm aufbäumte. Georg konnte es zwar nur hören - trotzdem fasste er diesen spontanen Entschluss: Beherzt, mit der Bestie im Rücken, sprang er auf die Stelle zu, wo er das Gewehr zuletzt gehört hatte und hoffte, diesmal nicht daneben zu liegen. Während des Sprunges biss er sich auf die Lippen, wohl wissend, dass es bestimmt gleich wieder weh tun würde; und das stimmte auch, wenn es auch aufgrund des Blutalkoholspiegels bei weitem nicht so schlimm war...
Hart schlug er auf dem unbehandelten und rauen Bretterboden auf, rammte sich ein paar Späne in beide Oberschenkel - als Bonus aber, bekam er so wenigstens die heiß begehrte Pumpgun mit den Zähnen zu fassen. Für seinen Zustand wirklich außergewöhnlich schnell, fuhr er herum, streckte beide Hände nach der Pumpgun aus, fasste sie fest und feuerte die ersten 7 Schuss völlig blind aber wie besessen, auf den Tinn ab und zerfetzte damit dessen Kopf.
Die Hölle war losgebrochen!!!
Dem zweiten aus den Loch im Boden stürmenden Tinn schlug er mit dem Gewehrschaft genau zwischen den schwach gelb leuchtenden Augen, den Schädel ein. Panisch hetzten seine Pupillen danach durch die Dunkelheit, auf der stetigen Suche nach einem weiteren Paar gelb strahlender Pupillen. Aber momentan war da nichts. Etwas Zeit für Georg in die Vorratskammer zu stürmen, um sich aus dem rechten, obersten Regal die restliche Munition zu besorgen - eine leichte Erinnerungslücke hinderte ihn daran, gleich auf dem Tisch nachzusehen...
Und Georg war wütend, das Adrenalin hatte seine Angstgefühle beiseite gedrängt. Er kochte geradezu vor Zorn. Verdammt! Ja, er hätte es wissen müssen. Er hätte darauf vorbereitet sein können - diese hinterhältige Kerze. Denn so war er dazu gezwungen, immer nur zu reagieren, hinkte dem Geschehen immer einen Schritt hinterher - was mit Sicherheit auch am Schnaps lag. Und wenn er sich nicht irrte, hatte er dort im Regal nur lächerliche 43 Schuss Munition. Viel zu wenig, dachte er - bei Weitem zu wenig...
Als er die Türe zur Kammer aufriss, tat er das so ungeschickt, dass der Besen, welcher innen neben der Türe lehnte, von der Wucht, mit welcher die Türe aufgrund Georgs ungestümen Vorgehens gegen die Außenwand der Kammer prallte, umgestoßen wurde und Georg mit etwas Schwung an der Nase erwischte. Ein kurzer, brennender Stich durchfuhr Georgs Nasenspitze und wanderte über die Nasenwurzel weiter nach innen und ergoss sich wie ein heißer, elektrischer Impuls hinter seinen Schläfen. Die kurze Zeitspannen, in der er dadurch ausgesprochen unaufmerksam war, reichte aus, dass er sich in der Schrittlänge irrte und mit ebenso brachialer Gewalt, welche den Besen vorhin aus seiner ruhigen Position gerissen hatte, gegen das Regal vor ihm rannte. Unter heftigem Getöse wurde er von den unzähligen Dosen und Kanistern, welche zuvor noch fein säuberlich dort aufgeschlichtet waren, begraben. Eine wahre Schmerzeruption war die Folge. Unter dem Berg aus Vorräten fluchte und tobte Georg wie ein kleines Kind, während draußen, vor der Kammer weitere Bodenlatten nach oben gedrückt wurden und ein biestiges Keifen und Röcheln zu hören war. Georg bekam von all dem noch nichts mit und versuchte stattdessen sich von dem ganzen Zeug frei zu machen. Mit zwei kräftigen Armbewegungen ruderte er sich nach oben und schaffte es sogleich, sich, was ihn in Anbetracht der jüngsten Ereignisse selbst verwunderte, mit der linken Hand den vermeintlichen Karton mit den Patronen zu fassen und steckte ihn sich gleich in Tasche seiner roten Holzfällerjacke. Georg wollte kurz durchschnaufen, doch jetzt hatte er das Problem, dass sein Gewehr sich nicht mehr in seiner rechten Hand befand - dieses gemeine Unding musste sich noch irgendwo zwischen den heruntergefallenen Vorräten befinden. "Scheiße, Gott - du Arschloch!", brüllte Georg.
"Das ist meine Hütte ihr Drecksviecher - könnt ihr das hören?! Meine Hütte..."
Natürlich konnten ihn die Tinn hören, welche sich inzwischen zu Dutzenden in seiner Hütte eingefunden hatten. Und Georg fuhr herum und schaute ungläubig durch die weit offen stehende Vorratskammer, in seinen spartanischen, gerade ziemlich dunklen Wohn-Schlaf-Essbereich und konnte nicht umhin, sich selbst eine runterzuhauen. Fast ungläubig bemerkte er, dass er diesen Schmerz gar nicht mehr spürte, also schlug er sich ein zweites Mal - nur um ganz sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Wieder spürte er nichts! Aber alles was er noch immer sehen konnte, waren ungefähr 40 Paare gelb leuchtender, beschissener Mutantenhyänenaugen, sonst nichts weiter.
"Ihr Schweine lasst mir ja keine andere Wahl!"
Das war der traurige Moment, in dem er sich erinnerte, alle Patronen schon auf den Tisch gelegt zu haben - denn eine Hand griff in die Westentasche und zerdrückte einen leeren Karton.
Und schon wieder konnte er sich nur auf sein, immer in reichlichem Ausmaß vorhandenes, "Glück", verlassen. Blindlings grub sich seine Rechte in den Vorrätehaufen und...

Nachladen! Schießen, schießen, schießen, schießen...
Nachladen! Georg kam nicht mehr dazu, mehr als 4 Patronen auf einmal nachzuladen. Das war aber gerade noch ausreichend. Stück für Stück schoss er sich den Weg frei, oder besser gesagt, schoss er sich ins Zentrum seiner Hütte. Mit dem für ihn schlechten Ergebnis, dass er jetzt von allen Seiten gleichzeitig attackiert wurde. Ein (beinahe) zärtlicher Prankenhieb hier, ein kleiner Biss da; bis jetzt noch nichts Ernstes. Aber, steter Tropfen höhlt den Stein. Nachdem Georg mit seiner Pumpgun einen wilden (vorerst befreienden) Drehangriff vollführt hatte, bemerkten die Finger seiner linken Hand, dass nur noch etwa 5 Patronen in der (von ihm vorhin ziemlich eilig gefüllten) Westentasche waren. Bis jetzt waren es aber, soweit er sich erinnern konnte, nur 16 Schuss die er abgefeuert hatte. Daraus konnte er schlussfolgern, dass er vorhin nur etwa die Hälfte der Patronen vom Tisch ergattern konnte.
"Ah - Nein!"
Einige davon nahm sich Georg und zog die Hand wieder aus der geräumigen Westentasche seiner dicke Holzfällerjacke. Oder waren es sogar noch 6 in der Tasche verbleibende Stück - fragte er sich gleich darauf, sein Gedächtnis schien unter dem Schnaps und den zahlreichen Blessuren der nahen Vergangenheit, enorm zu leiden - unterdessen vielen ihm 2 Patronen von den 6, die er sich hastig gekrallt hatte, auf den Boden. Er hörte es nicht. Egal - jedenfalls erkannte Georg trotz seiner nicht unwesentlich ins Gewicht fallenden, geistigen Umnachtung, auf den zweiten Blick sofort, dass er seine Hütte umgehend aufgeben musste, wenn er diese "bekackte" Nacht überleben wollte! Sofort und auf der Stelle!
"Ihr gottlosen Tinn!", schimpfte er ein letztes Mal und stürmte unvermittelt auf die Eingangstüre zu, drückte noch im Lauf, deren rostige Klinke nach unten und hechte mit fuchtelnden Armen (diesmal hatte er das Gewehr noch fest in der rechten Hand) ins Freie - geistesgegenwärtig drehte er sich, sobald er die kalte Luft dieser Winternacht in seinen Lungen spürte, um und schoss das ganze (halbvolle) Magazin auf die ihm eilig folgenden Tinn ab, sodass gleich mehr als vier von ihnen, aus der offen stehenden Türe in die Hütte zurückgeschleudert wurden. Daraufhin setzte er ein paar Schritte zurück, sah noch, wie die Tinn gleich einen erneuten Versuch starteten, ihm zu folgen und schmetterte die Türe zurück ins Schloss. Mit übermenschlicher Kraft stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen - die Tinn brüllten vor Zorn, es war ein widerliches Geräusch.
"Das wär erstmal geschafft!", schnaufte Georg und fasste sich hastig an die Gürtelschnalle, wo an einem kleinen Hacken (zum Glück noch immer) der rostige Schlüssel zu dieser Türe hing und versperrte entschlossen das Tor zu seiner Hölle. Im Anschluss holte er die letzten, überraschenderweise jetzt nur mehr drei Patronen (Wo waren die andern beiden?) aus dem Karton in seiner Jackentasche und drückte sie in den Munitionsschacht seiner Pumpgun, während es bereits schon immer heftiger von innen gegen die Türe hämmerte.
Nur einige Augenblicke verstrichen, bis Georg wusste, was nun in weiterer Folge zu tun war. Wollte er, wie schon gesagt, am Leben bleiben, musste er rennen. Und das schnell - irgendwohin! Denn die Türe würde diesen Biestern bestimmt nicht lange standhalten. Einmal noch, drehte er sich um, erschrak fürchterlich , als ein Tinn durch ein kleines Loch unter seiner Hütte sprang, erlegte ihn mit einem gezielten Schuss zwischen die leuchtenden Augen und versuchte seine Flucht fortzusetzen...
Doch DANN:
"Hey, was isn mit dir los? Gehts dir noch gut?", fragte ihn ein völlig unpassend bekleideter junger Mann plötzlich und wie aus dem Nichts. Georg wunderte sich gewaltig. Er sah ihn kurz an, diesen Fremden mit einem stinkenden Karton in den Händen. Konnte aber nichts mit dieser sonderbaren Erscheinung anfangen und schrie ihm warnend entgegen: "Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!"
Als Georg nur einen dämlichen, völlig verklärten Blick als Antwort erhielt, rannte er einfach weiter und überließ den jungen Tölpel seinem Schicksal. Einen Schuss feuerte Georg noch aus einiger Entfernung ab, um den Tinn, der gerade auf den völlig lethargischen Jungen zu hechtete, unschädlich zu machen, dachte sich aber gleich, dass es doch sowieso völlig sinnlos war. Außerdem konnte er von Glück reden, dass er den Jungen nicht auch gleich mit umgenietet hatte - aufgrund der enormen Streuung seiner Waffe. So rannte er einfach weiter, schnell wie ein Windhund! Doch so weit konnte er gar nicht kommen um nicht zu hören, wie die Tinn sich über den jungen Mann hermachten und ihn mit unglaublicher Brachialität, in kleine Stücke zerrissen und sich so ihren Wanst vollschlugen. Somit hatte der Junge ihm wenigstens einen kleinen Vorsprung verschafft, dachte sich Georg, fand aber nicht mehr die Zeit, sich bei diesem, wenn auch nur rein gedanklich, zu bedanken - oder gar, um diesen zu bedauern. Denn blöderweise rannte er gerade gegen etwas in Bauchnabelhöhe, kippte vornüber und stützte wortlos in die Tiefe - einige Meter, sein Körper schlug hart und ungebremst auf hartem Untergrund auf. Georg war sofort tot.


Bad Trip

Während sie so den Bürgersteig entlang schlenderten, konnte es Pierre sich nicht verkneifen, immer mal wieder einen Blick in Simones imposanten Ausschnitt zu riskieren. Er gab sich zwar redlich Mühe, dass diese es nicht bemerkte, doch scheinbar stellte er sich so ungeschickt an, dass sich Simone nach einigen verstohlenen Blicken dazu aufgefordert fühlte, etwas dazu zu sagen.
"Hast wohl schon länger keine Freundin mehr? Oder, Pierre.", fragte sie in einem, für diese Situation fast ungewöhnlich sanftem Tonfall und lachte Pierre noch dazu herzlich an.
"Ähm, äh - nein, hab ich nicht! Äh, noch nie - ja...", stammelte er und schaute verschüchtert zu Boden. Simone fand das irgendwie süß...
"Nun, also - ähm, du musst doch jetzt bestimmt weiter, zu deiner Partybox-Sache, nicht?", fragte Pierre und ein leises Rauschen tönte zwischen seinen Augen. Ein silbernes Gefühl überkam ihn. Kurz, dann war es wieder verschwunden. Pierre blieb stehen.
"Hey hallo! Noch da?"
Klar war er noch da, dachte sich Pierre - dann der erschrockene Blick in Simones Augen - äh Augenwinkeln? Ein dumpfes Brummen, die Finger der linken Hand verkrampfen sich zusehends.
"Hey hallo, Pierre!"
Doch Simone erhielt noch immer keine Antwort.
"HAaLo PieRReÄÄÄä?"
Auch die Finger der rechten Hand verkrampften sich.
"PIIIIIIIIIIIIIIääääääääääääääääääAAAA!?"
"Ähm, ja - was - ach so!"
Pierre war inzwischen ziemlich drauf, dachte sich Simone. Seine glasigen Augen wirkten irgendwie leicht verdreht. Seltsam.
"Gehts bei dir noch?"
Pierre hatte sich diese Frage gerade auch selbst gestellt. Aber, ja - es ging ihm gut, konnte er sagen. "Seltsam" gut. Nur wusste er nicht genau, was er gerade vor hatte. Natürlich gefiel es ihm trotzdem, mit Simi hier unten zu sein. Bei diesen - "dumpfen Vibrationen?"
"Ah, Pierre, falls du noch eine Pizza willst - wenn du noch bis kurz vor die U-Bahnstation mitkommst, da ist eine gute Pizzeria! Da kann ich auch noch ein bisschen auf dich warten!", sagte Simone und zündete sich eine Zigarette an. Über Pierres Blick huschte etwas Raubtierhaftes.
"Weißt du, meine nächste U-Bahn kommt aber schon in einer halben Stunde. Da müssen wir ein wenig Gas geben!"
"Äh - cool, dann bis gleich, Simone!", freute er sich total irritiert und stiefelte betont lässig munter drauf los. Nur knapp verfehlte er den beabsichtigten Imponier-Effekt und stolperte gleich danach über den fransigen Teppich eines Feinkostladens. Simone musste lachen und zog intensiv an ihrer Zigarette. Nein, der Typ war bestimmt nichts für eine Beziehung, aber er war süß. Wie ein Hundewelpen...

15 Minuten vergingen, in denen Pierre immer wieder, durch die große Fensterfront neben der Eingangstüre der Pizzeria, nach Simone Ausschau hielt und jedes Mal ein heftiges Pulsieren in seinem Penis verspürte, wenn er ihre, aus dem weit ausgeschnittenen Shirt quellenden, für ihn herrlichen, Brüste ansah. Nach dem ungefähr 10ten Hingucker, hätte er schwören können, dass Simone mittlerweile völlig nackt war und sich, während sie ihn beobachtete mit den Fingern über ihren feuchten Kitzler rieb und dabei das Gesicht auf ekstatische Weise verzog.
Völlig ungläubig beobachtete er das elektrisierende Schauspiel und als Simone schließlich einen letzten Zug von ihrer Zigarette nahm, spritze sich Pierre in die Hose und die Finger seiner beiden Hände entspannten sich das erste Mal seit 20 Minuten und gaben 2 blutige Handflächen frei. Pierre bekam gerade wieder so ein verdammt silbernes Gefühl. Die Luft war Freiheit - jawohl - die Luft war, WAS?
"Bitte sehr, 8 Euro macht das dann!"
Pierre drehte sich zu der dumpfen, weit entfernten Stimme um und erblickte die mittlerweile völlig nackte, schwarzhaarige Kellnerin, wie sie vom Küchenchef mit kräftigen Stößen von hinten genommen wurde. Pierres Finger verkrampften sich sofort. Das Silber wurde zu Gold. Ein goldenes - ja, ein goldenes Gefühl war das.
"AAAcht Euroohhhhh, jaaahhh...", stöhnte sie.
Pierre biss sich auf die Unterlippe und spürte plötzlich den feuchten Fleck in seiner Hose. Und sein noch immer steifes Glied schien ihm gleich zu zerbersten. Diese beiden Sinneseindrücke schafften es für einen kurzen Moment, Pierre in die Realität zurück zu holen.
"Ist ihnen nicht wohl? Sie sehen gar nicht gut aus!", fragte die wieder angezogene Kellnerin besorgt.
"Ähm, nein es geht schon!", entgegnete Pierre, schon völlig blass und gab der Kellnerin das Geld, nahm den wohlriechenden Karton, mit der Champignonpizza darin, entgegen und versuchte zu gehen.
"Gut dann, ähm tschüss!", sagte er eilig und alles wurde wieder Gold.
"Ciaohhhhhh, Bellissimohhhh, ohhh, ahhh...", Pierres Penisspitze schien gleich zu explodieren.
"Warten Sie, Sie haben ihr Wechselgeld da liegen gelassen!"
"Äh! - Ja; Fräulein - das würde mir sehr gut tun!"
Pierre ging wieder ein paar Schritte auf die Kellnerin zu und streckte eine seiner blutigen Hände zitternd nach ihr aus - die andere Hand fingerte an der Hose herum. Während ihr Stöhnen nur immer lauter wurde und der Koch ihr auf die Pobacken schlug.
"Jah, Jah - ich komme!"
Bevor Pierre seine Hose völlig geöffnet hatte und die Kellnerin nach dem Chef brüllen konnte, stürmte Simone in den Laden und beendete somit dieses, für alle wohl auf seine Art, eigenartige Schauspiel.
"Das ist mein authistischer Bruder - Ähm, Asperger oder so - ja!"
Sie hob den Pizzakarton vom Boden und beeilte sich, Pierre so schnell als nur möglich dort raus zu bekommen. Auf der Straße schließlich, drückte sie Pierre den Pizzakarton in die zitternden Hände und versuchte nochmal eine Verbindung zu Pierres Verstand aufzubauen.
"So ich muss jetzt gleich los - hey, hörst du mich?"
Pierre konnte es hören, das war nie das (besonders nicht sein) Problem. Sondern vielmehr war ausschlaggebend, wie er es hörte und auch vor allem, was sich vor seinen Augen abspielte.
"Eine kann ich noch rauchen! Ich werd auch versuchen, jemanden zu erreichen, der dich abholen kann!"
Als sich Simone darauf eine Zigarette anzündete, spritzte sich Pierre zum zweiten Mal in die Hose. Danach war alles blau. Oder war es violett? Nein, eindeutig ein klares, ein wissendes Blau. Die Klarheit!
"Ach ja, ähm - fein, danke!", sagte Pierre.
"Ich komm schon klar - Danke und Ciao!", Simone sah etwas bestürzt drein, als Pierre sich einfach von ihr abwandte und davon ging. Sie wirkte sehr besorgt!
"Pass auf dich auf, ja?"
Beinahe donnerte Pierre gleich darauf gegen einen Hydranten - zumindest seine Hoden. Als kosmische Strafe eventuell, dachte sich Pierre. Und die Klarheit schritt weiter voran. Simone interessierte ihn gerade nur mehr am Rande. Denn sein Pfad würde der der allumfassenden Erleuchtung sein. Und alles war so - so herrlich blau.
Als er um die Ecke bog und Simone einfach aus seinem Gedächtnis verschwunden war, wunderte er sich, dass er einen Pizzakarton in den Händen hielt. Ein Geschenk, dachte er - wundervoll. Was wohl Muktada davon halten würde? Ja, genau - da wollte er jetzt hin. Muk Ta DA...
Es war aber sein Pech, das er gerade "irgendwohin" unterwegs war - nur mit Bestimmtheit nicht zu Muktadas Wohnung. "Jaauuul!!!"
Kurz darauf bog Pierre in irgendeine Seitenstraße ein und marschierte auf irgendeinen Wohnblock, welcher dem Gebäude, in dem seine Freunde gerade auf einen ebenso derben Trip waren, eigentlich überhaupt nicht ähnlich sah, zu und verschwand kurz darauf in dessen Stiegenhaus...

Der Gang zog sich gewaltig in die Länge. Pierre, für den jetzt alles rot war, befand sich gerade im 7ten Stockwerk dieses, ihm völlig unbekannten Gebäudes. Mühevoll setzte er stark schwankend, einen Fuß vor den anderen und fokussierte das sich immer weiter entfernende Ende dieses langen Ganges vor ihm. Doch plötzlich und ohne Vorwarnung, war er mit nur einem Schritt an dessen Ende angelangt. Ungläubig stand er vor der Wand. Und das Rot schien ihn gleich zu übermannen. In seinem Kopf begann es ungewöhnlich heftig zu dröhnen und zu stechen, irgendwie war ihm übel. Und der mittlerweile unangenehme Geruch, den der Karton in seinen Händen verströmte, trug auch nicht dazu bei, dass die Übelkeit verschwand. Bevor er sich dessen bewusst wurde und er kotzen musste, sprang hinter ihm eine Türe auf und ein bärtiger, übel nach Schnaps riechender Mann, der einen abgesägten Besenstiel wie ein Gewehr in beiden Händen hielt, sprang ein oder zwei Schritte nach vorn, drehte sich um, tat so als würde er auf jemanden schießen und stemmte sich anschließend mit aller Gewalt gegen die Türe. Während der Bärtige hastig den Schlüssel ins Schloss steckte und die Türe versperrte, fragte sich Pierre, ob er sich das gerade einbildete, oder ob das wirklich geschah. Er konnte es nämlich überhaupt nicht mehr einschätzen. Ein stechender Schmerz hinter seinen Augen schien momentan die einzige Verbindung zur Wirklichkeit zu sein. Rot war es - alles rot. Geht es dem Mann gleich, oder geht es ihm gut. Oder - ja, ist er womöglich rot?
Um zu überprüfen, ob der Mann nun auch rot war oder nicht, fiel Pierre nichts besseres ein, als diesen zu fragen, ob es ihm noch gut gehe. Ein fragender Blick war die Antwort, gefolgt von den mehr als eindringlichen Worten.
"Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!", brüllte ihm dieser als Antwort entgegen.
Pierre konnte mit so einer Antwort natürlich gerade überhaupt nichts anfangen. Außerdem wurden seine Kopfschmerzen gerade noch eine Spur stärker. Ti, Ti, Ti, polterte es in seinem Kopf und mit ungläubigen und stark geröteten Augen, beobachtete Pierre, wie der Bärtige wie ein Besessener den langen Gang, den Pierre eben so mühevoll bewältigt hatte, entlang rannte und so den Eindruck erweckte, als würde er vor irgendetwas davon laufen.
Ti, Ti, Ti...
"Die Tinn?", fragte er sich. Ja, dieser Bärtige konnte einem wirklich leid tun. Die Tinn - da hatte er ja noch richtiges Glück mit seiner roten Farbe. So ein Glück..
Ti, Ti, Ti, und auf einmal waren die Kopfschmerzen verschwunden.
Als er sich von diesem letzten Ti - Ausbruch etwas erholt hatte, beschloss Pierre, einfach nachzusehen, ob dieser Gang hier vorne vielleicht um die Ecke bog und ob dort vielleicht Muktadas Wohnung war. Dann hörte er einen lauten Schuss und ihm fröstelte. Als er sich umdrehte, um nachzusehen, woher der Schuss gekommen war, stand er plötzlich vor einer alten Hütte mitten im Nirgendwo, bei Nacht und im Winter. Ganz weit hinten, sah er den Bärtigen gegen etwas rennen, das wie das Geländer einer Stiege aussah. Komisch- mitten in der Wildnis...
Bevor Pierre erkennen konnte, wie ihm geschah, drangen dutzende scharfe Krallen in seinen Leib und begannen ihn zu zerfetzen und alles - ja alles wurde ROT...
 
Die Tinn

Markus Pließnig 23.07.2013



Draußen vor dem Fenster


"Wieder einmal auf, nach Scheiß-Brinkmaar, um beschissene Vorräte einzukaufen!", murmelte Georg gedankenverloren vor sich hin und spülte diese, für ihn widerwärtigen Worte, mit einem kräftigen Schluck selbstgebrandten Zirbenschnaps hinunter. Wieder einmal...
Georg hasste diese Stadt. Er hasste die Menschen dort, verabscheute jeden Straßezug, jedes Haus, ja jeden gottverdammten Ziegelstein. Aber besonders die Menschen. Diese heuchlerischen Bastarde.
"Ist ja überall das selbe Pack. Arbeiten bloß für Ansehen und Wohlstand - diese mickrigen Hunde!" Und wieder zogen diese Worte einen kräftigen Schluck Schnaps nach sich, gerade so, als wollte Georg den Satz damit wieder in die Kehle zurückspülen und ihn dadurch ungesagt machen. Wäre das wirklich seine Absicht gewesen, hätte Georg die Unmöglichkeit dieses Vorhabens an dieser Stelle vermutlich zutiefst bedauert. Aber für solcherlei Gedankengut war Georgs Verstand momentan sowieso viel zu beschäftigt. Er war erstens schon ziemlich besoffen und es musste zweitens, schließlich noch allerlei getan werden - damit diese leidige Zwangsmaßnahme (diese Reise) auch tatsächlich umgesetzt werden konnte. Nach Scheiß-Brinkmaar war es eben kein Katzensprung und Siebenmeilenstiefel hatte Georg leider auch nicht. Außerdem war da ja noch das andere Problem. Georg schluckte und seine stark geröteten Augen blickten sorgenvoll auf seine alte Schrotflinte an der Wand, direkt neben dem einzigen, nicht verbarrikadierten (weil aus Panzerglas bestehenden) Fenster, seiner schon längst in die Jahre gekommenen Hütte.
Dann wanderten seine Augen dorthin und er sah nach draußen. Es war Nacht und es schneite...
"Diese, diese, ..."; Georg setzte zu einem weiteren Schluck an, hielt kurz inne und vollendete den Satz,"...Schweinebrüder!"
So hockte er nun, in warmes Kerzenlicht getaucht, immer angespannter auf seinem knarrenden Lehnstuhl vor dem alten Stubentisch, an diesem Fenster, alleine in dieser schäbigen und beinahe völlig eingeschneiten Hütte, mitten in der Wildnis und war außer mit Saufen, auch noch eifrig damit beschäftigt, auf einem vergilbten Zettel festzuhalten, was er nach 2 Tagen anstrengendem Fußmarsch unten in Scheiß-Brinkmaar eigentlich alles zu besorgen hatte. "Die doppelte Menge an Kerzen als beim letzten Mal...", notierte er sich in krakeligen Buchstaben auf dem Zettel. Dabei schaute er immer mal wieder über seine linke Schulter, wo seine alte Schrotflinte, die eigentlich eine Pumpgun war, völlig ruhig (beinahe schon lässig) an der Wand hing und tanzende Schatten warf. "Das wär ja was!", sagte er mit trockenem Hals und ließ auch diese Aussage nicht ohne einen brennenden Abgang ausklingen. Georg wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, sollte das Undenkbare Wirklichkeit werden. Das gelang ihm bedauernswerter Weise gerade überhaupt nicht.
"Sch..., SCH...,Schweinebrüder!"
Es stimmte ihn nämlich gerade schon besonders nachdenklich, dass er keine Kerzen mehr hatte - und mit schnell wachsenden Schweißperlen auf der Stirn, beäugte er immer misstrauischer den kümmerlichen Rest dieses flackernden Mistdings vor ihm am Tisch, das definitiv die letzte ihrer Art war (zumindest in seiner Hütte). Angestrengt versuchte Georg dabei abzuschätzen, wie lange er wohl noch warten musste, bis der letzte Wachstropfen dieser einst stattlichen (15 cm Durchmesser, 30 cm Höhe) Kerze abperlen und der Docht schwarz sein würde - wie alles andere auch. 5, 6 oder sogar 7 Stunden? Denn dann, gab es wohl nur noch ein probates Mittel, um am Leben zu bleiben: Weil ein Tischfeuer mit in Diesel getränkten Lumpen kam bestimmt nicht in Frage - obwohl er diese Möglichkeit gerade ernsthaft in Betracht zog. Nein - alles Blödsinn, der nächste Morgen würde bestimmt noch rechtzeitig kommen (obwohl Georg gerade das, arg bezweifelte)! Ansonsten würde er seine alte Pumpgun von der Wand nehmen müssen und könnte nur hoffen, dass seine Hütte dem zu erwartenden Ansturm standhalten würde. Eine eigenartige Vorstellung, nach all der Zeit hier oben. Aber vielleicht irrte er sich ja in Bezug auf die Kerze, oder eventuell hatte er ja das Glück und sie würden gar nicht kommen. Doch Glück hatte Georg nicht - auch an diesem Abend...

dunkel

Plötzlich wurde es dunkel, gerade in dem Moment als Georg in die Vorratskammer trat, um sich die letzten Dinge auf der Liste, für die morgige Reise zu notieren. Viel früher als erwartet. "Unmöglich!"
Mit eiligen Schritten stürmte er aus der Kammer, tapste unbeholfen durch die nunmehr völlig dunkle Hütte und versuchte die schon vorbereitete und durchgeladene Waffe zu erreichen. Sie lag am Tisch. Das musste jetzt schnell gehen, wusste Georg. Diese "Schweinebrüder" würden jede noch so kleine Chance ausnutzen um ihn endlich zur Strecke zu bringen. Doch dann traf sein Blick auf etwas Erfreuliches - etwas, das seinem Verständnis von der Restbrenndauer der (wirklich allerletzten) Kerze halbwegs nahe kam. Vor ihm auf dem Tisch loderte noch ein kleines Flammenzünglein, ausgesprochen schwach zwar, aber stark genug, um gerade noch zu erkennen, das sich unterhalb der Flamme noch gut 4 bis 5 Zentimeter "Restkerze" befanden.
"Warum brennst du nicht heller, blödes Ding?", entfuhr es Georg, der einige Augenblicke später, den Grund für diesen Unzustand entdeckte: Die Kerze war so unglücklich heruntergebrannt, dass sich eine kleine Mulde gebildet hatte, die es dem flüssigen Wachs unmöglich machte, irgendwo auf der Seite abzufließen. Deshalb ragte nur mehr eine kleine Spitze Docht aus dem flüssigen Wachs - auf welcher eine ebenso kleine Flamme thronte und loderte.
"Ach, so ein Glück!"
Diese freudige Erkenntnis wurde aber prompt zunichte gemacht, als wie aus dem Nichts etwas Unheilvolles vor seiner Hütte Stellung bezog. Georg konnte es genau hören - und trotz seines mittlerweile etwas entrückten Bewusstseinszustandes, bekam er es ernsthaft mit der Angst zu tun. Georg, der bärtige Einsiedler in der Wildnis. Er, von dem die Leute sich die seltsamsten Geschichten erzählten. Verrückt sollte er sein - und das war er auch. Beinahe verrückt vor Angst...
Dann begannen die Tinn, wie sie Georg manchmal nannte, damit ihr Opfer etwas einzuschüchtern. Ein irres Lechze und Keifen war das Mittel ihrer Wahl, begleitet von einem energischen Schaben und Kratzen (ganz in der Nähe) und all das ließ Georgs Nackenhaare steil zu Berge stehen.
Wie paralysiert stand er nun im sterbenden Kerzenlicht ( was aber eigentlich kaum mehr als Licht zu bezeichnen war) und begann sich auf sein wohl baldiges Ende einzustellen. Ein Teil seines Bewusstseins ließ die eine Hand nach der geladenen Waffe greifen und ein anderer, wacherer und klügerer Teil seiner Wahrnehmung, fasste mit der anderen Hand nach der Kerze, neigte sie ein Stück weit zur Seite und verhinderte so auf simple Art, ein völliges Absterben der Flamme. Und binnen Sekunden war das Innere der Hütte wieder in warmes Kerzenlicht getaucht und das Schaben und Kratzen verstummte. Ein schmerzvolles Heulen war noch zu hören, dann war es wieder still...
"Ja!", brüllte Georg," Verpisst euch nur, ihr, ihr lichtscheuen Sch., Sch., SCHweinebrüder!"
Eilig stolperte er, stockbesoffen wie er war, zurück in die Vorratskammer, griff sich die 2 Packungen Munition, die er noch hatte, ging zurück zum Tisch und setze sich.
" Das war knapp!", und wieder ließ Georg diese Worte mit einem kräftigen Schluck Schnaps ausklingen und fuhr sich mit zittriger Hand über seine schweißnasse Stirn.
"Das war knapp...", ächzte er nochmals.
Die Flamme der Kerze flackerte freudig auf und kurz dachte Georg daran, dass es ja nicht mehr lange dauern konnte, bis der Morgen anbrach. Dann wurde sein Blick trüber und seine Augenlider schwer. Langsam sackte sein Kopf nach vorn und einige Momente später ruhte sein Gesicht auf seinen Handrücken auf der Tischplatte. Neben seinem Kopf stand die geöffnete Schnapsflasche und die Kerze loderte weiter munter vor sich hin. Noch für einige Zeit...

"Long Distance Trip"

Da war wieder einer - einer dieser lauen Sommerabende, an denen es nichts Besseres zu tun gab, als sich hemmungslos und ohne Rücksicht auf Verluste, die Birne wegzuknallen. Der schüchterne Pierre teilte sich diese Ansicht mit seinen fragwürdigen Freunden Muktada, dem Arschloch Axel (der immer das Zeug hatte) und nicht zu vergessen dem wahren Grund seiner Anwesenheit auf dieser netten kleinen Wohnungsparty, der hübschen/heißen Simone. Alles was hierzu nötig war, wurde vom Arschloch Axel gerade, unter den freudigen Blicken dieser Partygesellschaft und von Pierre, auf dem kleinen Glastisch in Muktadas Wohnung ausgebreitet. Zunächst ein kleiner Taschenspiegel, etwas Gras, ein wenig Koks, ca. 1 Gramm Speed und noch ein paar "Papers" für den Jointbau. Pierre war fast ein wenig erschrocken darüber. Muktada aber zog nur anerkennend die Augenbrauen nach oben und Simone fixierte mit gierigem Blick das durchsichtige Briefchen mit dem Koks.
"Jetzt brauchen wir natürlich erstmal die richtige "Mucke", Mucke!", sagte Axel betont cool zu Muktada gewand.
"Sonst gibt's keine rechte Stimmung, Alter - was?!"
"Tja, ähm...", Muktada kratze sich verlegen am Hinterkopf - und wirkte auf die anderen sichtlich gestresst - wegen der Frage, die ihn aber in Wahrheit eher kalt ließ. Vielmehr kam dieser Stress von diesem Überangebot an Drogen, welches ihn gerade gewaltig überforderte, zumindest seine Widerstandskraft. Da war diese unerwartete Aufforderung geradezu lächerlich nebensächlich - welche "Mucke" sollte jetzt wohl die passende sein? War ihm egal.
Aber die Finger von Pierres linker Hand zuckten kurz zusammen, als Muktada sein "Hab-keine-Ahnung" Gesicht aufsetzte und es kurz ziemlich öde wurde auf der Party. Als Pierres linke Finger erneut zuckten, war ein leises Seufzen zu hören - von Simone stammend und Pierres linke Finger bewegten sich gleich noch einmal - so wie immer wenn er sehr aufgeregt war oder versuchte etwas zu unterdrücken. Doch Simones Anwesenheit schien wahre Wunder zu wirken, erstaunlicherweise. Entgegen seinen "normalen" Gewohnheiten" wagte er es einfach so, die fade Stille zu durchbrechen.
"Ich glaub ich hab da was!", verkündete er mit halblauter Stimme und begann damit, mit der rechten Hand in seiner grünen Kampftasche herumzuwühlen. Alle beobachteten ihn dabei.
Die Finger, der die Tasche haltenden, linken Hand, zuckten erneut und vibrierten leicht, sein Blick streifte den von Simone - er lächelte verlegen...
Und dann plötzlich ruhten alle Augen der Anwesenden (einschließlich Pierres) auf dem neuen Album von Samsara Blues Experiment, welches er gerade aus der Tasche zog. Erst gestern hatte er es sich gekauft - aus einem unerklärlichen Gefühl heraus. "Long Distance Trip" war der Titel, das schien gut zu ihrem Vorhaben zu passen, fand Pierre - was auch für alle Beteiligten zur bitteren Wahrheit werden sollte. Beim einen früher, beim anderen etwas später. Weil dies aber niemand auch nur ahnte, widmeten alle Anwesenden weiterhin ihre spärliche Aufmerksamkeit diesem Album, welches Pierre gerade in den Händen hielt. Das Cover war sehr ansprechend gestaltet und Pierre wusste dazu zu sagen, dass diese vielsagende in Grün gehaltene Zeichnung mit den tanzenden nackten Frauen, an irgendein mehr oder weniger berühmtes Gemälde, irgendeines mehr oder weniger berühmten Künstlers, angelehnt war. Aber das interessierte keinen in der Runde wirklich, so wie fast alles von dem Zeug, das Pierre so sagte - wenn er denn einmal was sagte. Denn Pierre gehörte der Spezies von Menschen an, an welcher sich die anderen mal so richtig austoben konnten, wenn sie das Bedürfnis dazu hatten. Juckte es also jemanden im kleinen Finger, war Pierre stets ein willkommenes Ventil; das Opfer. So war er froh, wenn er wenigsten irgendwo Anschluss fand. Diese Tatsache hatte ihn auch zu diesen Leuten getrieben, darüber hinaus auch die zaghafte Hoffnung, so vielleicht auch mal so ein lässiger Kerl zu werden, wie zum Beispiel Muktada. Um irgendwann einmal auch eine nette, oder zumindest eine hübsche Freundin zu haben. Wie Simone...
Klar hackten auch Muktada und vor allem das Arschloch Axel auf ihm rum, aber wenigstens nur die. Pierre empfand es deshalb als halb so schlimm. Zählte es doch am Ende nur, mit welchen Leuten man so abhing. Das stellte sich Pierre in etwa so vor, wie bei den Hundebesitzern. Der Hund wird seinem Herren mit der Zeit immer ähnlicher. Genau auf diesen Effekt hoffte Pierre. Da war eben Mukatada, und der war sogar so cool, dass es niemand anderer wagte, jemanden, der mit so einem coolen Typen unterwegs war oder abhing, auch nur zu verarschen. Ein netter Nebennutzen für Pierre. Aber auf die Mädchen wirkte er deshalb nicht anziehender. Wie das halt so ist, wenn man dieser Hundehalterphilosophie anhängt. Und während Pierre die noch unbekannte Disc in den CD-Schacht drückte, heftete sich sein Blick an Axel, wie der gerade die vier nackten Frauenkörper auf der Disc-Hülle, bewunderte.
"Ey Simi, die haben sicher genau so schöne Titten wie du - hahaha...", röhrte Axel, wofür er mehrere böse Blicke erntete - einer wilder als der andere. Besonders hervor tat sich der des Revierverteidigers Muktada - denn ER, wollte sie unbedingt haben - wofür auch immer.
Der von Simone selbst natürlich war auch nicht schlecht, so leicht erregbar wie sie war. Wütend ritt sie auch gleich einen wilden Gegenangriff gegen dieses Schandmaul.
"Axel, halts Maul !", keifte sie forsch und versuchte Axel mit ihren spitzen Lackstiefeletten am Knie zu erwischen, was ihr um Haaresbreite auch gelang.
Lediglich der Blick von Pierre tanzte etwas aus der Reihe. Einfach aus dem Grund, da er vielmehr ein trauriger war denn ein böser. Aber das fiel sowieso niemandem auf, denn Pierre war gerade damit beschäftigt, die CD zum Laufen zu bringen und die anderen gackerten wirr durcheinander.
Doch dann: Die ersten sphärischen Klänge von "singata mystic queen", bewahrten den verdutzt drein schauenden Axel vor einer zweiten Stiefelattacke, Simone verschonte ihn unerwartet - diese Musik war einfach zu toll für sie. Bis jetzt.
"Das klingt irgendwie indisch, findet ihr nicht?", warf sie anerkennend ein und alle lauschten den unerwartet ruhigen Klängen des ersten Samsara Albums, welche aber sodann in einem groovigen Stonerrock-Riff mündeten und das Stück weiter vorantrieben, wohl auf irgendeinen bombastischen Höhepunkt zu. Alle Köpfe bewegten sich leicht im schweren Rhythmus der Musik - alle bis auf Pierres.
"Derbe, aber cool?", sagte Muktada grinsend und zum persönlichen Start der Party, goss er sich zunächst einmal etwas Absinth in sein Glas - das empfand er meistens als sehr ideal für den Anfang. Sein Lippen spitzten sich als sie sich dem Glas näherten.
Simone nickte ihm dabei wohlwollend zu und zwinkerte sogar, was den sensiblen Pierre zusammenzucken ließ - ja, das war heute wirklich bitterer als sonst, ein Herrchen zu haben...
"Hey Axel, hast du eigentlich die Pilze dabei? Wäre schade, wenn das wieder nur leere Worte gewesen wären!", ätzte der Gastgeber Muktada, der heute auf jeden Fall zuschlagen wollte (bei Simone). Jetzt wo's doch offensichtlich so gut lief.
"Und davor mal ein bisschen Koks - was?", ergänzte Muktada. Simone's Blick zollten ihm unverhohlenen Beifall und genau das wollte Muktada erreichen - Pierre lief ein unbehagliches Frösteln über den Rücken.
"Hey! Axel?!", setzte Muktada nach, da kein Hinweis von Axel kam, dass er ihm auch zugehört hatte. Erst darauf nickte Axel stumm, griff in seine Bauchtasche und warf einen kleinen Beutel mit einem Hanfblatt drauf, auf den Tisch. In diesem befanden sich feinste, von Axel selbst gezogenen und getrocknete Magic Mushrooms der stärksten Sorte. Ihre spitzkegeligen Hüte glänzten in mattem Braun, ihre gekringelten Stängel leuchteten derartig silbern, dass es mehr als nur eine magische Verheißung zu sein schien. Axel musste kurz schlucken als er noch lapidar anmerkte: "Die müssten reichen, sag ich!"
Muktadas dezente Augenbrauen wanderten abermals anerkennend nach oben. Ja, es sah so aus als würden die reichen! Während der ersten Klänge von "army of ignorance", griff Axel in den Beutel und legte für jeden, drei große, getrocknete Pilze auf den Tisch, welche Muktada und deshalb natürlich auch der schüchterne Pierre sofort dankend an - und einnahmen.
" Und auch du Simi! Let there be rock...", sagte Axel grinstend, für Simones Geschmack etwas zu widerlich, aber das war nicht der alleinige Grund, weshalb sie ihren gerade von Axel offerierten Trip gleich ablehnen würde. Weil später war sie noch mit ihrer Freundin Joey verabredet. Die Beiden hatten vereinbart, gemeinsam auf irgend so ein illegales Festchen zu gehen. Da wollte Simone einfach auf keinen Fall voll auf Pilzen dort aufkreuzen. Laut dem Flyer, den sie in ihrer Tasche hatte, war die Party nämlich irgendwo im Wald. Keine gute Umgebung für Stadtmädchen - schon gar nicht für Stadtmädchen auf Pilzen...
"Phu, nein, ich nicht! Lieber nur eine kleine Nase Koks! Hab heute noch was vor!"
Axel lächelte überlegen: "Ach SCHADE! Trotzdem, auch gut! Aber gib's zu Simi! Die Pilze magst du nur nicht, weil sie meine Babys sind!", schlussfolgerte er dennoch irgendwie richtig, während er nach dem gewünschten Briefchen griff. Bereitwillig streute er ihr daraufhin eine "Nase" auf seinen kleinen Taschenspiegel mitten im anderen Zeugs auf dem Tisch und schaute verstohlen zu Muktada, der nur dämlich grinste. In einer Hand hielt er schon sein silbernes, speziell zu diesem Zweck von einem besonderen Freund georderte und angefertigte Röhrchen - dazu auch noch die Bankomatkarte und die hackte gleich wild vor sich hin und Simone's Augen rückten keinen Zentimeter mehr vom weißen Pulver ab, als Axel das Koks auf dem Spiegel für sie vorbereitete . Ihre Atmung beschleunigte sich etwas. Mit etwas schriller Stimme sagte sie endlich, aber für einen gelungenen Konter viel zu spät: "Ja Axel, aber das ändert nichts daran, dass ich mit Joey heute noch auf eine Party gehe, da kann ich echt keine Paranoia gebrauchen! Ich hoffe, dass geht in deinen Schädel rein..."
Axel, der Simone mit übertrieben gönnerhafter Miene den Spiegel samt Zubehör überreichte, wollte gerade noch was dazu sagen, als ihm Muktada mit fester Stimme dazwischen funkte:" Echt? Party! Wieso weiß ich dann nichts davon?"
Simone nahm sich gerade die ganze Brise mit einem Nasenloch und schaute zornig zu Muktada auf.
"Weil dich das nichts angeht! Bist ja nicht mein Kerl, oder!" , entkam es ihr kaltschnäuzig. Das Koks begann schon zu wirken, bekam Muktada zu spüren, der daraufhin mit offenem Mund dastand. Und für Pierre wirkte alles gerade ziemlich wie in einer besonders schlechten Sitcom. "Schon seltsam...", dachte er sich und die zarten Finger seiner linken Hand zuckten erneut.
"Was isn das für eine Party, Simone?", warf Pierre mit lauterer Stimme als sonst und für alle überraschend, ein. Simone sah ihn unvermittelt an und zog besonders hektisch an ihrer Zigarette. Dann griff sie in ihre Tasche, nahm den Partyflyer, welchen ihr ein hübscher Unbekannter vor ein paar Tagen in der Fußgängerzone zugesteckt hatte und reichte ihn an den verdutzten Pierre weiter. Das war der Moment in dem sich Muktada auch eine kräftige Nase nahm - nur für ein stabiles Gleichgewicht des Schreckens, dachte er sich.
" Partybox, feiern bis zum nächsten Tag! Let your Eggs rock!", las Pierre (in einer erfrischend ungehemmten Variante) allen laut vor, den Simones Aufmerksamkeit gerade zu einem Höhenflug anstachelte - seine Stimme bebte nur leicht.
"Klingt aber schon komisch Simi! Das würde mich nicht hinter dem Ofen hervorlocken! Also ehrlich...", Muktada schaute gelangweilt drein und fügte, als Simone ihn nicht einmal ansah, wütend hinzu:" Wann wirst du denn dann abhauen? Würd mich nur interessieren..."
"Jetzt, du Arschloch! Jetzt sofort!", fauchte Simone kämpferisch und plötzlich völlig außer sich. Ihre Augen funkelten überheblich und ein tiefes Rosa überzog auf einmal ihre glatten Wangen, das an einigen Stellen sogar in ein feuriges Rot überging - sah ziemlich bedrohlich aus.
"Ah ja, und viel Spaß bei eurem Horrortrip wünsche ich euch! Könnt die scheiß Pilze gleich auf einen Pizzateig streuen und sie euch in den Arsch schieben, wo's doch dort so schön warm ist!", setzte sie noch eins drauf.
Muktada war empört: "Was ist denn mit dir jetzt auf einmal los Simi! Packst das Koks nicht, oder...", denn damit hatte er nun auch wieder nicht gerechnet - zumindest nicht so schnell. Daraufhin warf Simone ihre Kippe achtlos auf den Parkettboden, würdigte ihn keines Blickes mehr und ging unter klacksenden Schritten schnurstracks zur Türe, um bloß so schnell wie möglich von diesen (angewärmten) Idioten wegzukommen. Wieso war sie nur überhaupt dort hingegangen? Diese Frage konnte sie momentan nicht schlüssig beantworten. Wegen Muktada? Naja, vielleicht - nein, doch nicht.
Sie überlegte: "Oder wegen, NEIN - wegen Axel bestimmt nicht. Wegen Pierre? Kaum!" Also entschied Simone spontan, dass diese Typen sie so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen würden. Denn Drogen hatten andere auch. Vielleicht nicht so gutes Koks. Nun: Mit beiden Annahmen sollte Simone richtig liegen.
Kurz bevor sie die Türe mit aller Wut ins Schloss knallen wollte, drängte sich ein, mittlerweile auch ordentlich eingekokster Pierre, kurzerhand dazwischen. Simone wirkte plötzlich stark irritiert. So was auch? Beinahe hätte sie ihm eine runter gehauen - reflexartig.
"Du, das mit der Pizza war gar nicht so eine schlechte Idee! Kann ich dich vielleicht ein Stück begleiten?", säuselte Pierre behutsam, lächelte kurz und senkte seinen schüchternen Blick.
"Musst du wissen! Wann wirken denn die Pilze?", fragte Simone mit etwas sanfterer Stimme. Pierre war ja irgendwie in Ordnung - absolut langweilig zwar, aber doch irgendwie in Ordnung. Der einzige von diesen Arschlöchern...
"Weiß nicht - in einer Stunde?!"
"Dann komm mit!"


Die Übermacht

Die Lider schnellten blitzschnell nach oben. Doch den Augen bot sich nichts als schier endlose Schwärze. An die Ohren aber, drang ein eifriges und gesichtsloses Gekeife...
"Ein elendes, sabberndes und gesichtsloses Gekeife!", ergänzte Georg im panischen Gedanken und wusste sofort: "Ja, jetzt seid ihr da, ihr SCH..., Tinn!" - und alles war pure Dunkelheit als Georg blitzschnell aufsprang. Blindlings versuchte er nach der geladenen Waffe vor ihm am Tisch zu greifen. Dieser verzweifelte Griff ging jedoch soweit ins Leere, dass nur der Daumen ausgestreckt am Gewehr vorbei donnerte und es in hohen Bogen unter einem dumpfen Knallen auf den Boden beförderte - irgendwo in der Finsternis. Erregt sprang Georg auf und tappste unbeholfen aber dennoch flink (mit dröhnendem Schädel), noch einigermaßen gut abgefüllt, einen Schritt zurück, was auch noch den Stuhl zu Boden warf. Darauf folgten zwei weitere, hastige Schritte nach rechts, einer nach links, zwei Schritte nach vorn und der unglückselige Georg krachte nach einem dumpfen "Klonk!" rücklings auf den Bretterboden seiner Hütte. Danach hatte er nicht einmal die Chance, sich auf die frisch eingehandelten Schmerzen überhaupt einzulassen. Die Tinn begannen offenkundig gerade damit, sich zu Dutzenden gegen die Eingangstüre seiner Behausung zu werfen, was einen Krach verursachte, dass es Georg nur so durch Mark und Bein ging. Und von unter dem Bretterboden der Hütte, vernahm Georg zu allem Überfluss auch noch ein verdächtiges Schaben und Kratzen...
Er war nun außer sich vor Panik und tastete sich unter Schock und mit zittrigen Händen dennoch kurz über die Stelle, wo er wahrscheinlich gerade gegen den großen Messingkochtopf, der an einer Kette von der Decke hing, gerannt war.
"Wo ist meine Waffe !?", murmelte er, stand auf und taumelte, nicht nur vom Zusammenstoß mit dem vermuteten Messingkochtopf noch ein wenig benommen, aber durchaus zielstrebig drei weiter Schritte nach vorne, um endlich an dieses Gewehr zu kommen. Ein, zwei, drei - er ging in die Knie und seine Finger streckten sich gierig aus. Doch da war es nicht!
"Nein, mit mir nicht!!!", brüllte Georg und warf sich wieder, diesmal freiwillig und bäuchlings auf den Bretterboden - unter die Geräuschkulisse der angreifenden Tinn, mischte sich somit kurz, ein wuchtiges Donnern. Dann begann Georg wie wahnsinnig, einem irrer Fensterputzer gleich, mit den Armen nach dem Gewehr zu rudern. Und: "Klack" - tatsächlich.
Die zittrigen Finger seine rechten Hand hatten es doch glücklicherweise gestreift. Wie geölt schlitterte es über den Boden und fuhr letztlich gegen die blecherne Verkleidung seines Holzherdes, was Georgs Ohren freudig vernahmen. Eilig kroch Georg nun einigermaßen zuversichtlich in die angepeilte Richtung. Ganz nah vor der erwarteten Fundstelle erstarrte Georg, als hinter ihm der Boden aufbrach und etwas raubkatzengroßes ausgesprochen bedrohlich hinter ihm aufbäumte. Georg konnte es zwar nur hören - trotzdem fasste er diesen spontanen Entschluss: Beherzt, mit der Bestie im Rücken, sprang er auf die Stelle zu, wo er das Gewehr zuletzt gehört hatte und hoffte, diesmal nicht daneben zu liegen. Während des Sprunges biss er sich auf die Lippen, wohl wissend, dass es bestimmt gleich wieder weh tun würde; und das stimmte auch, wenn es auch aufgrund des Blutalkoholspiegels bei weitem nicht so schlimm war...
Hart schlug er auf dem unbehandelten und rauen Bretterboden auf, rammte sich ein paar Späne in beide Oberschenkel - als Bonus aber, bekam er so wenigstens die heiß begehrte Pumpgun mit den Zähnen zu fassen. Für seinen Zustand wirklich außergewöhnlich schnell, fuhr er herum, streckte beide Hände nach der Pumpgun aus, fasste sie fest und feuerte die ersten 7 Schuss völlig blind aber wie besessen, auf den Tinn ab und zerfetzte damit dessen Kopf.
Die Hölle war losgebrochen!!!
Dem zweiten aus den Loch im Boden stürmenden Tinn schlug er mit dem Gewehrschaft genau zwischen den schwach gelb leuchtenden Augen, den Schädel ein. Panisch hetzten seine Pupillen danach durch die Dunkelheit, auf der stetigen Suche nach einem weiteren Paar gelb strahlender Pupillen. Aber momentan war da nichts. Etwas Zeit für Georg in die Vorratskammer zu stürmen, um sich aus dem rechten, obersten Regal die restliche Munition zu besorgen - eine leichte Erinnerungslücke hinderte ihn daran, gleich auf dem Tisch nachzusehen...
Und Georg war wütend, das Adrenalin hatte seine Angstgefühle beiseite gedrängt. Er kochte geradezu vor Zorn. Verdammt! Ja, er hätte es wissen müssen. Er hätte darauf vorbereitet sein können - diese hinterhältige Kerze. Denn so war er dazu gezwungen, immer nur zu reagieren, hinkte dem Geschehen immer einen Schritt hinterher - was mit Sicherheit auch am Schnaps lag. Und wenn er sich nicht irrte, hatte er dort im Regal nur lächerliche 43 Schuss Munition. Viel zu wenig, dachte er - bei Weitem zu wenig...
Als er die Türe zur Kammer aufriss, tat er das so ungeschickt, dass der Besen, welcher innen neben der Türe lehnte, von der Wucht, mit welcher die Türe aufgrund Georgs ungestümen Vorgehens gegen die Außenwand der Kammer prallte, umgestoßen wurde und Georg mit etwas Schwung an der Nase erwischte. Ein kurzer, brennender Stich durchfuhr Georgs Nasenspitze und wanderte über die Nasenwurzel weiter nach innen und ergoss sich wie ein heißer, elektrischer Impuls hinter seinen Schläfen. Die kurze Zeitspannen, in der er dadurch ausgesprochen unaufmerksam war, reichte aus, dass er sich in der Schrittlänge irrte und mit ebenso brachialer Gewalt, welche den Besen vorhin aus seiner ruhigen Position gerissen hatte, gegen das Regal vor ihm rannte. Unter heftigem Getöse wurde er von den unzähligen Dosen und Kanistern, welche zuvor noch fein säuberlich dort aufgeschlichtet waren, begraben. Eine wahre Schmerzeruption war die Folge. Unter dem Berg aus Vorräten fluchte und tobte Georg wie ein kleines Kind, während draußen, vor der Kammer weitere Bodenlatten nach oben gedrückt wurden und ein biestiges Keifen und Röcheln zu hören war. Georg bekam von all dem noch nichts mit und versuchte stattdessen sich von dem ganzen Zeug frei zu machen. Mit zwei kräftigen Armbewegungen ruderte er sich nach oben und schaffte es sogleich, sich, was ihn in Anbetracht der jüngsten Ereignisse selbst verwunderte, mit der linken Hand den vermeintlichen Karton mit den Patronen zu fassen und steckte ihn sich gleich in Tasche seiner roten Holzfällerjacke. Georg wollte kurz durchschnaufen, doch jetzt hatte er das Problem, dass sein Gewehr sich nicht mehr in seiner rechten Hand befand - dieses gemeine Unding musste sich noch irgendwo zwischen den heruntergefallenen Vorräten befinden. "Scheiße, Gott - du Arschloch!", brüllte Georg.
"Das ist meine Hütte ihr Drecksviecher - könnt ihr das hören?! Meine Hütte..."
Natürlich konnten ihn die Tinn hören, welche sich inzwischen zu Dutzenden in seiner Hütte eingefunden hatten. Und Georg fuhr herum und schaute ungläubig durch die weit offen stehende Vorratskammer, in seinen spartanischen, gerade ziemlich dunklen Wohn-Schlaf-Essbereich und konnte nicht umhin, sich selbst eine runterzuhauen. Fast ungläubig bemerkte er, dass er diesen Schmerz gar nicht mehr spürte, also schlug er sich ein zweites Mal - nur um ganz sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Wieder spürte er nichts! Aber alles was er noch immer sehen konnte, waren ungefähr 40 Paare gelb leuchtender, beschissener Mutantenhyänenaugen, sonst nichts weiter.
"Ihr Schweine lasst mir ja keine andere Wahl!"
Das war der traurige Moment, in dem er sich erinnerte, alle Patronen schon auf den Tisch gelegt zu haben - denn eine Hand griff in die Westentasche und zerdrückte einen leeren Karton.
Und schon wieder konnte er sich nur auf sein, immer in reichlichem Ausmaß vorhandenes, "Glück", verlassen. Blindlings grub sich seine Rechte in den Vorrätehaufen und...

Nachladen! Schießen, schießen, schießen, schießen...
Nachladen! Georg kam nicht mehr dazu, mehr als 4 Patronen auf einmal nachzuladen. Das war aber gerade noch ausreichend. Stück für Stück schoss er sich den Weg frei, oder besser gesagt, schoss er sich ins Zentrum seiner Hütte. Mit dem für ihn schlechten Ergebnis, dass er jetzt von allen Seiten gleichzeitig attackiert wurde. Ein (beinahe) zärtlicher Prankenhieb hier, ein kleiner Biss da; bis jetzt noch nichts Ernstes. Aber, steter Tropfen höhlt den Stein. Nachdem Georg mit seiner Pumpgun einen wilden (vorerst befreienden) Drehangriff vollführt hatte, bemerkten die Finger seiner linken Hand, dass nur noch etwa 5 Patronen in der (von ihm vorhin ziemlich eilig gefüllten) Westentasche waren. Bis jetzt waren es aber, soweit er sich erinnern konnte, nur 16 Schuss die er abgefeuert hatte. Daraus konnte er schlussfolgern, dass er vorhin nur etwa die Hälfte der Patronen vom Tisch ergattern konnte.
"Ah - Nein!"
Einige davon nahm sich Georg und zog die Hand wieder aus der geräumigen Westentasche seiner dicke Holzfällerjacke. Oder waren es sogar noch 6 in der Tasche verbleibende Stück - fragte er sich gleich darauf, sein Gedächtnis schien unter dem Schnaps und den zahlreichen Blessuren der nahen Vergangenheit, enorm zu leiden - unterdessen fielen ihm 2 Patronen von den 6, die er sich hastig gekrallt hatte, auf den Boden. Er hörte es nicht. Egal - jedenfalls erkannte Georg trotz seiner nicht unwesentlich ins Gewicht fallenden, geistigen Umnachtung, auf den zweiten Blick sofort, dass er seine Hütte umgehend aufgeben musste, wenn er diese "bekackte" Nacht überleben wollte! Sofort und auf der Stelle!
"Ihr gottlosen Tinn!", schimpfte er ein letztes Mal und stürmte unvermittelt auf die Eingangstüre zu, drückte noch im Lauf, deren rostige Klinke nach unten und hechte mit fuchtelnden Armen (diesmal hatte er das Gewehr noch fest in der rechten Hand) ins Freie - geistesgegenwärtig drehte er sich, sobald er die kalte Luft dieser Winternacht in seinen Lungen spürte, um und schoss das ganze (halbvolle) Magazin auf die ihm eilig folgenden Tinn ab, sodass gleich mehr als vier von ihnen, aus der offen stehenden Türe in die Hütte zurückgeschleudert wurden. Daraufhin setzte er ein paar Schritte zurück, sah noch, wie die Tinn gleich einen erneuten Versuch starteten, ihm zu folgen und schmetterte die Türe zurück ins Schloss. Mit übermenschlicher Kraft stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen - die Tinn brüllten vor Zorn, es war ein widerliches Geräusch.
"Das wär erstmal geschafft!", schnaufte Georg und fasste sich hastig an die Gürtelschnalle, wo an einem kleinen Hacken (zum Glück noch immer) der rostige Schlüssel zu dieser Türe hing und versperrte entschlossen das Tor zu seiner Hölle. Im Anschluss holte er die letzten, überraschenderweise jetzt nur mehr drei Patronen (Wo waren die andern beiden?) aus dem Karton in seiner Jackentasche und drückte sie in den Munitionsschacht seiner Pumpgun, während es bereits schon immer heftiger von innen gegen die Türe hämmerte.
Nur einige Augenblicke verstrichen, bis Georg wusste, was nun in weiterer Folge zu tun war. Wollte er, wie schon gesagt, am Leben bleiben, musste er rennen. Und das schnell - irgendwohin! Denn die Türe würde diesen Biestern bestimmt nicht lange standhalten. Einmal noch, drehte er sich um, erschrak fürchterlich , als ein Tinn durch ein kleines Loch unter seiner Hütte sprang, erlegte ihn mit einem gezielten Schuss zwischen die leuchtenden Augen und versuchte seine Flucht fortzusetzen...
Doch DANN:
"Hey, was isn mit dir los? Gehts dir noch gut?", fragte ihn ein völlig unpassend bekleideter junger Mann plötzlich und wie aus dem Nichts. Georg wunderte sich gewaltig. Er sah ihn kurz an, diesen Fremden mit einem stinkenden Karton in den Händen. Konnte aber nichts mit dieser sonderbaren Erscheinung anfangen und schrie ihm warnend entgegen: "Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!"
Als Georg nur einen dämlichen, völlig verklärten Blick als Antwort erhielt, rannte er einfach weiter und überließ den jungen Tölpel seinem Schicksal. Einen Schuss feuerte Georg noch aus einiger Entfernung ab, um den Tinn, der gerade auf den völlig lethargischen Jungen zu hechtete, unschädlich zu machen, dachte sich aber gleich, dass es doch sowieso völlig sinnlos war. Außerdem konnte er von Glück reden, dass er den Jungen nicht auch gleich mit umgenietet hatte - aufgrund der enormen Streuung seiner Waffe. So rannte er einfach weiter, schnell wie ein Windhund! Doch so weit konnte er gar nicht kommen um nicht zu hören, wie die Tinn sich über den jungen Mann hermachten und ihn mit unglaublicher Brachialität, in kleine Stücke zerrissen und sich so ihren Wanst vollschlugen. Somit hatte der Junge ihm wenigstens einen kleinen Vorsprung verschafft, dachte sich Georg, fand aber nicht mehr die Zeit, sich bei diesem, wenn auch nur rein gedanklich, zu bedanken - oder gar, um diesen zu bedauern. Denn blöderweise rannte er gerade gegen etwas in Bauchnabelhöhe, kippte vornüber und stützte wortlos in die Tiefe - einige Meter, sein Körper schlug hart und ungebremst auf hartem Untergrund auf. Georg war sofort tot.


Bad Trip

Während sie so den Bürgersteig entlang schlenderten, konnte es Pierre sich nicht verkneifen, immer mal wieder einen Blick in Simones imposanten Ausschnitt zu riskieren - zu verlockend war es. Er gab sich zwar redlich Mühe, dass sie es nicht bemerkte, doch scheinbar stellte er sich so ungeschickt an, dass sich Simone nach einigen verstohlenen Blicken dazu aufgefordert fühlte, etwas dazu zu sagen.
"Hast wohl schon länger keine Freundin mehr? Oder, Pierre?", fragte sie in einem, für diese Situation fast ungewöhnlich sanftem Tonfall und lachte Pierre noch dazu herzlich an - völlig ungewohnt für Pierre, dessen Magen sich zusammenzog um gleich darauf klebrigen "Pilzschleim" durch die Speiseröhre nach oben zu drücken. Ein intensives Aroma füllte seinen Mund.
"Ähm, äh - nein, hab ich nicht! Äh, noch nie - ja...", stammelte er verlegen, schluckte den Schleim hinunter und schaute verschüchtert zu Boden. Simone fand das irgendwie süß...
"Nun, also - ähm, du musst doch jetzt bestimmt weiter, zu deiner Partybox-Sache, nicht?", versuchte Pierre abzulenken und ein leises Rauschen tönte plötzlich zwischen seinen Augen. Ein silbernes Gefühl überkam ihn. Kurz, dann war es wieder verschwunden. Pierre blieb stehen. Sein Blick war verklärt und seine Lippen zeichnete ein hohles Grinsen in sein Gesicht. Simone begann sich gerade ernsthafte Sorgen zu machen.
"Hey hallo! Noch da?", fragte sie vorsichtig.
Klar war er noch da, dachte sich Pierre - dann der erschrockene Blick in Simones Augen - äh Augenwinkeln? Ein dumpfes Brummen, die Finger der linken Hand verkrampfen sich zusehends.
"Hey hallo, Pierre!"
Doch Simone erhielt noch immer keine Antwort.
"HAaLo PieRReÄÄÄä?"
Auch die Finger seiner rechten Hand verkrampften sich.
"PIIIIIIIIIIIIIIääääääääääääääääääAAAA!?"
Das silberne Gefühl verschwand wieder - ein paar Augenaufschläge lang und Pierre schaute verwirrt in Simones fragendes Gesicht. Was war nur los mit ihm? Ah, die Pilze - das ging aber schnell. Wie lange war es jetzt her? 20 Minuten?
"Ähm, ja - was - ach so!"
Pierre war inzwischen ziemlich drauf, dachte sich Simone. Seine glasigen Augen wirkten irgendwie leicht verdreht. Seltsam. Auch sie bemerkte, dass das aber recht schnell gegangen war. Zu schnell?
"Gehts bei dir noch?", wollte sie umgehend wissen.
Pierre hatte sich diese Frage gerade auch selbst gestellt. Aber, ja - es ging ihm gut, konnte er sagen. "Seltsam" gut. Nur wusste er nicht genau, was er gerade vor hatte. Natürlich gefiel es ihm trotzdem, mit Simi hier unten zu sein. Bei diesen - "dumpfen Vibrationen?"
"Ah, Pierre, falls du noch eine Pizza willst - wenn du noch bis kurz vor die U-Bahnstation mitkommst, wenn du das noch schaffst, da ist eine gute Pizzeria! Da kann ich auch noch ein bisschen auf dich warten!", sagte Simone und zündete sich eine Zigarette an. Über Pierres Blick huschte etwas Raubtierhaftes und ein Hauch des silbernen Gefühles kehrte wieder.
"Weißt du, meine nächste U-Bahn kommt aber schon in einer halben Stunde. Da müssen wir ein wenig Gas geben!"
"Äh - cool, dann bis gleich, Simone!", freute er sich total irritiert und stiefelte betont lässig munter drauf los - einem stolzierenden Pavian gleich und wirklich nur ausgesprochen knapp verfehlte er den beabsichtigten Imponier-Effekt, stolperte gleich danach über den fransigen Teppich eines Feinkostladens - was ihn beinahe einen bösen Sturz einbrachte. Simone musste unvermittelt lachen und zog intensiv an ihrer Zigarette. Nein, der Typ war bestimmt nichts für eine Beziehung, stellte sie fest. Aber er war süß. Wie ein Hundewelpen, ein tollpatschiges Welpen ( das Welpen von Muktada...)
Als reine Sicherheitsmaßnahme, fasste sie Pierre schließlich an seiner linken Hand und zog ihn behutsam den Gehweg entlang - Richtung U-Bahnstation. Pierres Hand zuckte und sein Penis wurde steif. Ja, das silberne Gefühl war nun allgegenwärtig. Der sonst so verhaltene Pierre fasste sich mit der rechten Hand in den Schritt und seufzte...

10 Minuten vergingen, in denen Pierre immer wieder, durch die große Fensterfront neben der Eingangstüre der Pizzeria, nach der rauchenden Simone Ausschau hielt und jedes Mal ein heftiges Pulsieren in seinem Penis verspürte, wenn er ihre, aus dem weit ausgeschnittenen Shirt quellenden, für ihn herrlichen, Brüste ansah. Nach dem ungefähr 10ten Hingucker, hätte er schwören können, dass Simone mittlerweile völlig nackt war und sich, während sie ihn beobachtete mit den Fingern über ihren feuchten Kitzler rieb und dabei das Gesicht auf ekstatische Weise verzog.
Völlig ungläubig beobachtete er das elektrisierende Schauspiel und als Simone schließlich einen letzten Zug von ihrer Zigarette nahm, spritze sich Pierre in die Hose - die Finger seiner beiden Hände entspannten sich das erste Mal seit 20 Minuten und gaben 2 blutige Handflächen frei. Pierre bekam gerade wieder so ein verdammt silbernes Gefühl. Die Luft war Freiheit - jawohl - die Luft war, WAS?
"Bitte sehr, 8 Euro macht das dann!"
Pierre drehte sich zu der dumpfen, weit entfernten Stimme um und erblickte erstaunt die mittlerweile völlig nackte, schwarzhaarige Kellnerin (wahrscheinlich italienischer Herkunft) wie sie vom schwitzenden Küchenchef mit kräftigen Stößen von hinten genommen wurde. Pierres Finger verkrampften sich sofort. Das Silber wurde zu Gold. Ein goldenes - ja, ein goldenes Gefühl war das jetzt.
"AAAcht Euroohhhhh, jaaahhh...", stöhnte sie.
Pierre biss sich auf die Unterlippe und spürte plötzlich den feuchten Fleck in seiner Hose. Und sein noch immer steifes Glied schien ihm gleich zu zerbersten. Diese beiden Sinneseindrücke schafften es für einen kurzen Moment, Pierre kurz in die Realität zurück zu holen.
"Ist ihnen nicht wohl? Sie sehen gar nicht gut aus!", fragte die auf einmal wieder angezogene Kellnerin besorgt.
"Ähm, nein es geht schon!", entgegnete Pierre, schon völlig blass und drückte der Kellnerin einen 10 Euroschein in die Hand, nahm den wohlriechenden Karton, mit der Champignonpizza darin, entgegen und versuchte eilig zu entkommen. Doch der Druck in seinem Penis wurde übermächtig und ein wahrer Goldrausch kündigte sich an. Der hilflose Pierre wusste gar nicht, wie ihm geschah.
"Gut dann, ähm tschüss!", sagte er mit allerletzter Klarheit und alles wurde zu Gold.
"Ciaohhhhhh, Bellissimohhhh, ohhh, ahhh...", Pierres Penisspitze schien gleich zu explodieren.
"Warten Sie, Sie bekommen AHHH! JAH, WILLST DU IHN AUCH EINMAL REINSTECKEN, OH, noch ihr, AH - ihr Wechselgeld!"
"Äh! - Ja; Fräulein - das würde mir sehr gut tun!", entgegnete Pierre. Ja, das würde er jetzt gerne. So ging er wieder ein paar Schritte auf die Kellnerin zu und streckte eine seiner blutigen Hände zitternd nach ihr aus - die andere Hand fingerte an der Hose herum. Während ihr Stöhnen nur immer lauter wurde und der Koch ihr auf die Pobacken schlug.
"JAH, JAH! Hey, was soll das? - ICH KOMME!"
Bevor Pierre seine Hose völlig geöffnet hatte und die Kellnerin nach dem Chef brüllen konnte, stürmte Simone in den Laden und beendete somit dieses, für alle wohl auf seine ureigenste Art, völlig absurde und eigenartige Schauspiel. Das Gold wurde kurz zu Bronze - auch der Geschmack in seinem Mund - Pierre leckte sich über seine blutigen Fingerspitzen...
"Das ist mein autistischer Bruder - Ähm, Asperger oder so - ja!", versuchte Simone hastig zu erklären. Die Kellnerin aber schaute nur völlig angewidert.
"Ja, nur raus mit diesem Perversen - schnell! Hier haben Sie das Restgeld!"
Simone hob den Pizzakarton vom Boden und beeilte sich, Pierre so schnell als nur möglich dort raus zu bekommen. Die Kellnerin zündete sich inzwischen ein Zigarette an und inhalierte tief. Dann schob Simone Pierre durch die Tür, eine ihrer Hände streifte unbeabsichtigt seinen steifen Penis und Bronze wurde wieder zu Gold...
Auf der Straße schließlich, drückte sie Pierre den Pizzakarton in die zitternden Hände und versuchte nochmal eine Verbindung zu Pierres extrem vernebelten Verstand aufzubauen. Inzwischen war Simone schockiert. Zum Glück, dachte sie, hatte sie die Pilze nicht angenommen...
"So ich muss jetzt gleich los - hey, hörst du mich?"
Pierre konnte es hören, das war nie das (besonders nicht sein) Problem. Sondern vielmehr war ausschlaggebend, wie er es hörte und auch vor allem, was sich vor seinen Augen abspielte.
"Eine kann ich noch rauchen! Ich werd auch versuchen, jemanden zu erreichen, der dich abholen kann!"
Als sich Simone darauf noch eine Zigarette anzündete und ihr Handy aus der Tasche holte, spritzte sich Pierre zum zweiten Mal in die Hose. Danach war alles blau. Oder war es violett? Nein, eindeutig ein klares, ein wissendes Blau. Die Klarheit! Pierre wusste auf einmal was zu tun war. Er musste, er musste - rennen?
"Ach ja, ähm - fein, danke!", sagte Pierre und ergänzte unerwartet: "Ich komm schon klar - Danke und Ciao!"
Simone sah etwas bestürzt drein, als Pierre sich nun einfach von ihr abwandte und einfach davon rannte.
"Hey, Pierre! Hey warte!", rief sie ihm besorgt nach. Doch Pierre rannte einfach weiter und bog in irgendeine Seitenstraße.
"Pass auf dich auf, ja?", murmelte Simone resignierend und steckte das Handy wieder in ihre Tasche. Wen sollte sie jetzt noch zur Hilfe rufen können? Dann drehte sie sich schwermütig um und ging zur U-Bahnstation auf der andern Straßenseite. Bei einem beiläufigen Blick zur Pizzeria, sah sie noch einmal die Kellnerin, die nur abwertend die Augen verdrehte.
"Ich hoffe, Pierre baut keine Scheiße - verdammt!"

Beinahe donnerte Pierre gegen einen Hydranten - zumindest seine Hoden. Als kosmische Strafe eventuell, dachte sich Pierre. Und die Klarheit schritt weiter voran. Simone interessierte ihn gerade nur mehr am Rande. Denn sein Pfad würde der der allumfassenden Erleuchtung sein. Und alles war so - so herrlich blau.
Als er um die Ecke bog und Simone einfach aus seinem Gedächtnis verschwunden war, wunderte er sich, dass er einen Pizzakarton in den Händen hielt. Was? Ein Geschenk, dachte er - wundervoll. Was wohl Muktada davon halten würde? Ja, genau - da wollte er jetzt hin. Muk Ta DA...
Es war aber sein Pech, das er gerade "irgendwohin" unterwegs war - nur mit Bestimmtheit nicht zu Muktadas Wohnung. "Jaauuul!!!"
Kurz darauf bog Pierre in irgendeine Seitenstraße ein und marschierte auf irgendeinen Wohnblock, welcher dem Gebäude, in dem seine Freunde gerade auf einen ebenso derben Trip waren, eigentlich überhaupt nicht ähnlich sah, zu und verschwand kurz darauf in dessen Stiegenhaus. Wie ein Irrer rannte er die Stufen nach oben - mit der Ausdauer eines Langstreckenläufers. In irgendeinem Stockwerk schließlich, spürte Pierre, das er richtig war und schwenkte auf einen schmalen Korridor ein. Schier unzählige Türen zweigten von ihm ab. Nebeneinanderliegend, gegenüberliegend - übereinanderliegend. Pierre begann zu zittern. Und dieser Gang vor ihm, zog sich gewaltig in die Länge. Pierre, für den jetzt alles immer mehr rot zu werden schien, befand sich gerade im 7ten Stockwerk dieses, ihm völlig unbekannten Gebäudes. Mühevoll setzte er stark schwankend, einen Fuß vor den anderen und fokussierte das sich immer weiter entfernende Ende dieses langen Ganges vor ihm. Doch plötzlich und ohne Vorwarnung, war er mit nur einem Schritt an dessen Ende angelangt. Ungläubig stand er vor der Wand am Ende - und ein abartiges Aroma durchströmte seinen Rachen. Es war kaum auszuhalten und das Rot schien ihn gleich zu übermannen. In seinem Kopf begann es ungewöhnlich heftig zu dröhnen und zu stechen, irgendwie wurde ihm arg übel und der mittlerweile unangenehme Geruch, den der Karton in seinen Händen verströmte, trug auch nicht dazu bei, dass die Übelkeit verschwand. Bevor er sich dessen bewusst wurde und er kotzen musste, sprang hinter ihm eine Türe auf und ein bärtiger, übel nach Schnaps riechender Mann, der einen abgesägten Besenstiel wie ein Gewehr in beiden Händen hielt, sprang ein oder zwei Schritte nach vorn, drehte sich um, tat so als würde er auf jemanden schießen und stemmte sich anschließend mit aller Gewalt gegen die Türe. Während der Bärtige hastig den Schlüssel ins Schloss steckte und die Türe versperrte, fragte sich Pierre, ob er sich das gerade einbildete, oder ob das wirklich geschah. Er konnte es nämlich überhaupt nicht mehr einschätzen, aber diese Feststellung wiederum bestärkte ihn irgendwie darin, dass er diesen Trip ja eigentlich gut im Griff hatte. Denn nur, wenn man sich diese Frage nicht mehr stellen kann - weiß man nicht mehr, dass man auf einem Trip ist und dann, ja dann ist man erst im Arsch. Ein stechender Schmerz hinter seinen Augen begleitete diese Erkenntnis und war momentan die einzige Verbindung zu dieser, seiner Wirklichkeit. Rot war es - alles rot. Geht es dem Mann gleich, oder geht es ihm gut. Oder - ja, ist er womöglich rot?
Um zu überprüfen, ob der Mann nun auch rot war oder nicht, fiel Pierre nichts besseres ein, als diesen zu fragen, ob es ihm noch gut gehe. Ein fragender Blick war die Antwort, gefolgt von den mehr als eindringlichen Worten.
"Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!", brüllte ihm dieser als Antwort entgegen.
Pierre konnte mit so einer Antwort natürlich gerade überhaupt nichts anfangen. Außerdem wurden seine Kopfschmerzen gerade noch eine Spur stärker. Ti, Ti, Ti, polterte es in seinem Kopf und mit ungläubigen und stark geröteten Augen, beobachtete Pierre, wie der Bärtige wie ein Besessener den langen Gang, den Pierre eben so mühevoll bewältigt hatte, entlang rannte und so den Eindruck erweckte, als würde er vor irgendetwas davon laufen.
Ti, Ti, Ti...
"Die Tinn?", fragte er sich. Ja, dieser Bärtige konnte einem wirklich leid tun. Die Tinn - da hatte er ja noch richtiges Glück mit seiner roten Farbe. So ein Glück..
Ti, Ti, Ti, und auf einmal waren die Kopfschmerzen verschwunden.
Als er sich von diesem letzten Ti - Ausbruch etwas erholt hatte, beschloss Pierre, einfach nachzusehen, ob dieser Gang hier vorne vielleicht um die Ecke bog und ob dort vielleicht Muktadas Wohnung war. Dann hörte er einen lauten Schuss und ihm fröstelte. Als er sich umdrehte, um nachzusehen, woher der Schuss gekommen war, stand er plötzlich vor einer alten Hütte mitten im Nirgendwo, bei sternenklarer Nacht und im Winter. Ganz weit hinten, sah er den Bärtigen gegen etwas rennen, das von hier aus, wie das Geländer einer Stiege aussah. Komisch- mitten in der Wildnis, dachte sich Pierre noch und bevor er erkennen konnte, wie ihm geschah, drangen dutzende scharfe Krallen in seinen Leib und begannen ihn zu zerfetzen und alles - ja alles wurde ROT. Zwei fremde Welten hatten sich gefunden...
 
Die Tinn

Markus Pließnig 23.07.2013



Draußen vor dem Fenster




"Wieder einmal auf, nach Scheiß-Brinkmaar, um beschissene Vorräte einzukaufen!", murmelte Georg gedankenverloren vor sich hin und spülte diese, für ihn widerwärtigen Worte, mit einem kräftigen Schluck selbstgebrandten Zirbenschnaps hinunter. Wieder einmal...
Georg hasste diese Stadt. Er hasste die Menschen dort, verabscheute jeden Straßezug, jedes Haus, ja jeden gottverdammten Ziegelstein. Aber besonders die Menschen. Diese heuchlerischen Bastarde.
"Ist ja überall das selbe Pack. Arbeiten bloß für Ansehen und Wohlstand - diese mickrigen Hunde!" Und wieder zogen diese Worte einen kräftigen Schluck Schnaps nach sich, gerade so, als wollte Georg das Gesagte damit wieder in die Kehle zurückspülen und es dadurch ungesagt machen. Wäre das wirklich seine Absicht gewesen, hätte Georg die Unmöglichkeit dieses Vorhabens an dieser Stelle vermutlich zutiefst bedauert. Aber für solcherlei Gedankengut war Georgs Verstand momentan sowieso viel zu beschäftigt. Er war erstens schon ziemlich besoffen und es musste zweitens, schließlich noch allerlei getan werden - damit diese leidige Zwangsmaßnahme (diese Reise) auch tatsächlich umgesetzt werden konnte. Nach Scheiß-Brinkmaar war es eben kein Katzensprung und Siebenmeilenstiefel hatte Georg leider auch nicht. Außerdem war da ja noch das andere Problem. Georg schluckte und seine stark geröteten Augen blickten sorgenvoll auf seine alte Schrotflinte an der Wand, direkt neben dem einzigen, nicht verbarrikadierten (weil aus Panzerglas bestehenden) Fenster, seiner schon längst in die Jahre gekommenen Hütte.
Dann wanderten seine Augen dorthin und er sah nach draußen. Es war Nacht und es schneite...
"Diese, diese, ..."; Georg setzte zu einem weiteren Schluck an, hielt kurz inne und vollendete den Satz,"...Schweinebrüder!"
So hockte er nun, in warmes Kerzenlicht getaucht, immer angespannter auf seinem einzigen Stuhl vor dem alten Stubentisch, an diesem Fenster, alleine in dieser schäbigen und beinahe völlig eingeschneiten Hütte, mitten in der Wildnis und war außer mit Saufen, auch noch eifrig damit beschäftigt, auf einem vergilbten Zettel festzuhalten, was er nach ca. 2 Tagen anstrengendem Fußmarsch unten in Scheiß-Brinkmaar eigentlich alles zu besorgen hatte. "Die doppelte Menge an Kerzen als beim letzten Mal...", notierte er sich in krakeligen Buchstaben auf dem Zettel. Dabei schaute er immer mal wieder über seine linke Schulter, wo seine alte Schrotflinte, die eigentlich eine Pumpgun war, völlig ruhig (beinahe schon lässig) an der Wand hing und tanzende Schatten warf. "Das wär ja was!", sagte er mit trockenem Hals und ließ auch diese Aussage nicht ohne einen brennenden Abgang ausklingen. Georg wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, sollte das Undenkbare Wirklichkeit werden. Das gelang ihm bedauernswerter Weise gerade überhaupt nicht.
"Sch..., SCH...,Schweinebrüder!"
Es stimmte ihn nämlich gerade schon besonders nachdenklich, dass er keine Kerzen mehr hatte - und mit schnell wachsenden Schweißperlen auf der Stirn, beäugte er immer misstrauischer den kümmerlichen Rest dieses flackernden Mistdings vor ihm am Tisch, das definitiv die letzte ihrer Art war (zumindest in seiner Hütte). Angestrengt versuchte Georg dabei abzuschätzen, wie lange er wohl noch warten musste, bis der letzte Wachstropfen dieser einst stattlichen (15 cm Durchmesser, 30 cm Höhe) Kerze abperlen und der Docht schwarz sein würde - wie alles andere auch. 5, 6 oder sogar 7 Stunden? Denn dann, gab es wohl nur noch ein probates Mittel, um am Leben zu bleiben: Weil ein Tischfeuer mit in Diesel getränkten Lumpen kam bestimmt nicht in Frage - obwohl er diese Möglichkeit gerade ernsthaft in Betracht zog. Nein - alles Blödsinn, der nächste Morgen würde bestimmt noch rechtzeitig kommen (obwohl Georg gerade das, arg bezweifelte)! Ansonsten würde er seine alte Pumpgun von der Wand nehmen müssen und könnte nur hoffen, dass seine Hütte dem zu erwartenden Ansturm standhalten würde. Eine eigenartige Vorstellung, nach all der Zeit hier oben. Aber vielleicht irrte er sich ja in Bezug auf die Kerze, oder eventuell hatte er ja das Glück und sie würden gar nicht kommen. Doch Glück hatte Georg nicht - auch an diesem Abend...

dunkel

Plötzlich wurde es dunkel, gerade in dem Moment als Georg in die Vorratskammer trat, um sich die letzten Dinge auf der Liste, für die morgige Reise zu notieren. Viel früher als erwartet. "Unmöglich!"
Mit eiligen Schritten stürmte er aus der Kammer, tapste unbeholfen durch die nunmehr völlig dunkle Hütte und versuchte, die unterdessen schon als reine Vorsichtsmaßnahme vorbereitete und durchgeladene Waffe zu erreichen. Sie lag am Tisch. Das musste jetzt schnell gehen, wusste Georg. Diese "Schweinebrüder" würden jede noch so kleine Chance ausnutzen um ihn endlich zur Strecke zu bringen. Doch dann traf sein Blick auf etwas Erfreuliches - etwas, das seinem Verständnis von der Restbrenndauer der (wirklich allerletzten) Kerze halbwegs nahe kam. Vor ihm auf dem Tisch loderte noch ein kleines Flammenzünglein, ausgesprochen schwach zwar, aber stark genug, um gerade noch zu erkennen, das sich unterhalb der Flamme noch gut 4 bis 5 Zentimeter "Restkerze" befanden.
"Warum brennst du nicht heller, blödes Ding?", entfuhr es Georg, der einige Augenblicke später, den Grund für diesen Unzustand entdeckte: Die Kerze war so unglücklich heruntergebrannt, dass sich eine kleine Mulde gebildet hatte, die es dem flüssigen Wachs unmöglich machte, irgendwo auf der Seite abzufließen. Deshalb ragte nur mehr eine kleine Spitze Docht aus dem flüssigen Wachs - auf welcher eine ebenso kleine Flamme thronte und loderte.
"Ach, so ein Glück!"
Diese freudige Erkenntnis wurde aber prompt zunichte gemacht, als wie aus dem Nichts etwas Unheilvolles vor seiner Hütte Stellung bezog. Georg konnte es genau hören - und trotz seines mittlerweile etwas entrückten Bewusstseinszustandes, bekam er es ernsthaft mit der Angst zu tun. Georg, der bärtige Einsiedler in der Wildnis. Er, von dem die Leute sich die seltsamsten Geschichten erzählten. Verrückt sollte er sein - und das war er auch. Beinahe verrückt vor Angst...
Dann begannen die Tinn, wie sie Georg manchmal nannte, damit ihr Opfer etwas einzuschüchtern. Ein irres Lechze und Keifen war das Mittel ihrer Wahl, begleitet von einem energischen Schaben und Kratzen (ganz in der Nähe) und all das ließ Georgs Nackenhaare steil zu Berge stehen.
Wie paralysiert stand er nun im sterbenden Kerzenlicht ( was aber eigentlich kaum mehr als Licht zu bezeichnen war) und begann sich auf sein wohl baldiges Ende einzustellen. Ein Teil seines Bewusstseins ließ die eine Hand nach der geladenen Waffe greifen und ein anderer, wacherer und klügerer Teil seiner Wahrnehmung, fasste mit der anderen Hand nach der Kerze, neigte sie ein Stück weit zur Seite und verhinderte so auf simple Art, ein völliges Absterben der Flamme. Und binnen Sekunden war das Innere der Hütte wieder in warmes Kerzenlicht getaucht - das Schaben und Kratzen verstummte. Ein schmerzvolles Heulen war noch zu hören, dann war es wieder still...
"Ja!", brüllte Georg," Verpisst euch nur, ihr, ihr lichtscheuen Sch., Sch., SCHweinebrüder!"
Eilig stolperte er, stockbesoffen wie er leider schon war, zurück in die Vorratskammer, griff sich die 2 Packungen Munition (eine ohne Inhalt ließ er dort zurück), ging zurück zum Tisch und setze sich.
" Das war knapp!", und wieder ließ Georg diese Worte mit einem kräftigen Schluck Schnaps ausklingen und fuhr sich mit zittriger Hand über seine schweißnasse Stirn.
"Das war knapp...", ächzte er nochmals.
Die Flamme der Kerze flackerte freudig auf und kurz dachte Georg daran, dass es ja nicht mehr lange dauern konnte, bis der Morgen anbrach. Dann wurde sein Blick trüber und seine Augenlider schwer. Langsam sackte sein Kopf nach vorn und einige Momente später ruhte sein Gesicht auf seinen Handrücken auf der Tischplatte. Neben seinem Kopf stand die geöffnete Schnapsflasche und die Kerze loderte weiter munter vor sich hin. Noch für einige Zeit...

"Long Distance Trip"

Da war wieder einer - einer dieser lauen Sommerabende, an denen es nichts Besseres zu tun gab, als sich hemmungslos und ohne Rücksicht auf Verluste, die Birne wegzuknallen. Der schüchterne Pierre teilte sich diese Ansicht mit seinen fragwürdigen Freunden Muktada, dem Arschloch Axel (der immer das Zeug hatte) und nicht zu vergessen dem wahren Grund (zumindest an diesem Tag) seiner Anwesenheit auf dieser netten kleinen Wohnungsparty, der hübschen/heißen Simone. Alles was hierzu nötig war, wurde vom Arschloch Axel gerade, unter den freudigen Blicken dieser Partygesellschaft und von Pierre, auf dem kleinen Glastisch in Muktadas Wohnung ausgebreitet. Zunächst ein kleiner Taschenspiegel, etwas Gras, ein wenig Koks, ca. 1 Gramm Speed und noch ein paar "Papers" für den Jointbau. Pierre war fast ein wenig erschrocken darüber. Muktada aber zog nur anerkennend die Augenbrauen nach oben und Simone fixierte mit gierigem Blick das durchsichtige Briefchen mit dem Koks.
"Jetzt brauchen wir natürlich erstmal die richtige "Mucke", Mucke!", sagte Axel betont cool zu Muktada gewand.
"Sonst gibt's keine rechte Stimmung, Alter - was?!"
"Tja, ähm...", Muktada kratze sich verlegen am Hinterkopf - und wirkte auf die anderen sichtlich gestresst - wegen der Frage, die ihn aber in Wahrheit eher kalt ließ. Vielmehr kam seine offensichtliche Unruhe von diesem plötzlichen Überangebot an Drogen, welches ihn gerade gewaltig überforderte, zumindest seine Widerstandskraft. Da war diese unerwartete Aufforderung geradezu lächerlich nebensächlich - welche "Mucke" sollte jetzt wohl die passende sein? War ihm egal.
Aber die Finger von Pierres linker Hand zuckten kurz zusammen, als Muktada sein "Hab-keine-Ahnung" Gesicht aufsetzte und es kurz ziemlich öde wurde auf der "Party". Als Pierres linke Finger erneut zuckten, war ein leises Seufzen zu hören - von Simone stammend und Pierres linke Finger bewegten sich gleich noch einmal - so wie immer wenn er sehr aufgeregt war oder versuchte, etwas zu unterdrücken. Doch Simones Anwesenheit schien gerade wahre Wunder zu wirken, erstaunlicherweise. Entgegen seinen "normalen" Gewohnheiten" wagte er es einfach so, die fade Stille zu durchbrechen.
"Ich glaub ich hab da was!", verkündete er mit halblauter Stimme und kramte wie von einer Hornisse gestochen mit der rechten Hand in seiner grünen Kampftasche herum. Alle beobachteten ihn dabei und Pierre wurde es etwas mulmig. Im Augenwinkel sah er Simone, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Seine Hände begannen zu zittern und die Finger der linken Hand, mit welchen er die Tasche hielt, zuckten erneut und begannen sich leicht zu verkrampfen. Kurz sah er auf und streifte Simones Blick - er lächelte verlegen...
Und dann plötzlich ruhten alle Augen der Anwesenden (einschließlich Pierres) auf dem neuen Album von Samsara Blues Experiment, welches er gerade aus der Tasche zog. "Long Distance Trip" war der Titel und das schien gut zu ihrem Vorhaben zu passen, fand Pierre gerade - was auch für alle Beteiligten zur bitteren Wahrheit werden sollte. Beim einen früher, beim anderen etwas später. Weil dies aber niemand auch nur ahnte, widmeten alle Anwesenden weiterhin ihre spärliche Aufmerksamkeit diesem Album, welches Pierre gerade in den Händen hielt. Das Cover war sehr ansprechend gestaltet und Pierre wusste dazu zu sagen, dass diese vielsagende, in Grün gehaltene Zeichnung, mit den tanzenden nackten Frauen, an irgendein mehr oder weniger berühmtes Gemälde, irgendeines mehr oder weniger berühmten Künstlers, angelehnt war. Aber das interessierte keinen in der Runde wirklich, so wie fast alles von dem Zeug, das Pierre so sagte - wenn er denn einmal was sagte. Denn Pierre gehörte der Spezies von Menschen an, an welcher sich die anderen mal so richtig austoben konnten, wenn sie das Bedürfnis dazu hatten. Juckte es also jemanden im kleinen Finger, war Pierre stets ein willkommenes Ventil; das Opfer. So war er froh, wenn er wenigsten irgendwo Anschluss fand. Diese Tatsache hatte ihn auch zu diesen "netten" Leuten getrieben, darüber hinaus auch die zaghafte Hoffnung, so vielleicht auch mal so ein lässiger Kerl zu werden, wie zum Beispiel Muktada. Um irgendwann einmal auch eine nette, oder zumindest eine hübsche Freundin zu haben. Wie Simone...
Klar hackten auch Muktada und vor allem das Arschloch Axel auf ihm rum, aber wenigstens nur die. Pierre empfand es deshalb als halb so schlimm. Zählte es doch am Ende nur, mit welchen Leuten man so abhing. Das stellte sich Pierre in etwa so vor, wie bei den Hundebesitzern. Der Hund wird seinem Herren mit der Zeit immer ähnlicher. Genau auf diesen Effekt hoffte Pierre. Da war eben Mukatada, und der war sogar so cool, dass es niemand anderer wagte, jemanden, der mit so einem coolen Typen unterwegs war oder abhing, auch nur zu verarschen. Ein netter Nebennutzen für Pierre. Aber auf die Mädchen wirkte er deshalb nicht anziehender. Wie das halt so ist, wenn man dieser Hundehalterphilosophie anhängt. Und während Pierre die noch unbekannte Disc in den CD-Schacht drückte, heftete sich sein Blick an Axel, wie der gerade die vier nackten Frauenkörper auf der Disc-Hülle, bewunderte.
"Ey Simi, die haben sicher genau so schöne Titten wie du - hahaha...", röhrte er, wofür er auch prompt, mehrere böse Blicke erntete - einer wilder als der andere. Besonders hervor tat sich der des Revierverteidigers Muktada - denn ER, wollte SIE unbedingt haben - wofür auch immer.
Der von Simone selbst natürlich, war auch nicht schlecht, so leicht erregbar wie sie war. Wütend ritt sie auch gleich einen wilden Gegenangriff gegen dieses Schandmaul.
"Axel, halts Maul !", keifte sie forsch und versuchte Axel mit ihren spitzen Lackstiefeletten am Knie zu erwischen, was ihr um Haaresbreite auch gelang.
Lediglich der Blick von Pierre tanzte etwas aus der Reihe. Einfach aus dem Grund, da er vielmehr ein trauriger war, denn ein böser. Aber das fiel sowieso niemandem auf, denn Pierre war gerade damit beschäftigt, die CD zum Laufen zu bringen und die anderen gackerten wirr durcheinander.
Doch dann: Die ersten sphärischen Klänge von "singata mystic queen", bewahrten den verdutzt drein schauenden Axel vor einer zweiten Stiefelattacke, Simone verschonte ihn unerwartet - diese Musik war einfach zu toll für sie. Bis jetzt.
"Das klingt irgendwie indisch, findet ihr nicht?", warf sie anerkennend ein und alle lauschten den unerwartet ruhigen Klängen des ersten Samsara Albums, welche aber sodann in einem groovigen Stonerrock-Riff mündeten und das Stück weiter vorantrieben, wohl auf irgendeinen bombastischen Höhepunkt zu. Alle Köpfe bewegten sich leicht im schweren Rhythmus der Musik - alle bis auf Pierres.
"Derbe, aber cool?", sagte Muktada grinsend und zum persönlichen Start der Party, goss er sich zunächst einmal etwas Absinth in sein Glas - das empfand er meistens als sehr ideal für den Anfang. Sein Lippen spitzten sich als sie sich dem Glas näherten.
Simone zwinkerte und nickte ihm dabei wohlwollend zu, was den sensiblen Pierre tief im Inneren zusammenzucken ließ - ja, das war heute wirklich bitterer als sonst, ein Herrchen zu haben - und zum ersten Mal überkam ihn der Hauch eines seltsamen silbernen Gefühles. Verstört sah er zu Simone und fragte sich, ob er wohl jemals eine Freundin wie sie haben würde.
"Hey Axel, hast du eigentlich die Pilze dabei? Wäre schade, wenn das wieder nur leere Worte gewesen wären!", ätzte der Gastgeber Muktada, der heute auf jeden Fall zuschlagen wollte (bei Simone). Jetzt wo's doch offensichtlich so gut lief.
"Und davor mal ein bisschen Koks - was?", ergänzte Muktada. Simone's Blick zollten ihm unverhohlenen Beifall und genau das wollte Muktada erreichen - Pierre lief ein unbehagliches Frösteln über den Rücken - ein leises Ti, Ti, Ti dröhnte in seinem Schädel. Es war irgendwie seltsam - aber nicht so schlimm, das man darüber besorgt sein musste. Pierre atmete durch und verfolgte das weitere Gespräch. Doch dann sah er etwas aufflackern - etwas wie ein Paar schwach gelb leuchtender Augen. "Aber was?"
Pierre war geschockt, doch bevor er diese Sichtung einordnen konnte, waren diese Augen auch schon wieder verschwunden. Hätte er aber gewusst, was die Konsequenzen seiner bald getroffenen Entscheidung sein würden, wäre er vermutlich sofort abgehauen - aber, er wusste von nichts. Nichts von diesen kleinen Rissen zwischen zwei (bald so ähnlichen) Welten, die einem oftmals als Warnung geschickt wurden. Als böses Omen. Pierre aber - hatte keine Ahnung von dergleichen und erkannte sie nicht, die Zeichen, welche bald mehr als das sein würden. Denn die Zeichen würden Wahnsinn werden - frostiger und blutiger Wahnsinn...
"Hey! Axel was is jetzt?!", hörte Pierre Muktada nachhacken. Erst darauf nickte Axel stumm, griff in seine Bauchtasche und warf einen kleinen Beutel mit einem Hanfblatt drauf, auf den Tisch. In diesem befanden sich feinste, von Axel selbst gezogenen und getrocknete Magic Mushrooms der stärksten Sorte. Ihre spitzkegeligen Hüte glänzten in mattem Braun, ihre gekringelten Stängel leuchteten derartig silbern, dass es mehr als nur eine magische Verheißung zu sein schien - vielleicht ein weiterer Riss zwischen 2 Welten?
Und Axel musste kurz schlucken als er noch lapidar anmerkte: "Die müssten reichen, sag ich!"
Muktadas dezente Augenbrauen wanderten abermals anerkennend nach oben. Ja, es sah so aus als würden die reichen! Während der ersten Klänge von "army of ignorance", griff Axel in den Beutel und legte für jeden, drei große, getrocknete Pilze auf den Tisch, welche Muktada und deshalb natürlich auch der schüchterne Pierre sofort dankend an - und einnahmen. Die Zukunft erbebte und Pierre wandelte nun endgültig auf den Pfad in seinen Untergang...
" Und auch du Simi! Let there be rock...", sagte Axel grinstend, für Simones Geschmack etwas zu widerlich, aber das war nicht der alleinige Grund, weshalb sie ihren gerade von Axel offerierten Trip gleich ablehnen würde. Weil später war sie noch mit ihrer Freundin Joey verabredet. Die Beiden hatten vereinbart, gemeinsam auf irgend so ein illegales Festchen zu gehen. Da wollte Simone einfach auf keinen Fall voll auf Pilzen dort aufkreuzen. Laut dem Flyer, den sie in ihrer Tasche hatte, war die Party nämlich irgendwo im Wald. Keine gute Umgebung für Stadtmädchen - schon gar nicht für Stadtmädchen auf Pilzen...
"Phu, nein, ich nicht! Lieber nur eine kleine Nase Koks! Hab heute noch was vor!"
Axel lächelte überlegen: "Ach SCHADE! Trotzdem, auch gut! Aber gib's zu Simi! Die Pilze magst du nur nicht, weil sie meine Babys sind!", schlussfolgerte er dennoch irgendwie richtig, während er nach dem gewünschten Briefchen griff. Bereitwillig streute er ihr daraufhin eine "Nase" auf seinen kleinen Taschenspiegel mitten im anderen Zeugs auf dem Tisch und schaute verstohlen zu Muktada, der nur dämlich grinste. In einer Hand hielt er schon sein silbernes, speziell zu diesem Zweck von einem besonderen Freund georderte und angefertigte Röhrchen - dazu auch noch die Bankomatkarte und die hackte gleich wild vor sich hin und Simone's Augen rückten keinen Zentimeter mehr vom weißen Pulver ab, als Axel das Koks auf dem Spiegel für sie vorbereitete . Ihre Atmung beschleunigte sich etwas. Mit etwas schriller Stimme sagte sie endlich, aber für einen gelungenen Konter viel zu spät: "Ja Axel, aber das ändert nichts daran, dass ich mit Joey heute noch auf eine Party gehe, da kann ich echt keine Paranoia gebrauchen! Ich hoffe, dass geht in deinen Schädel rein..."
Axel, der Simone mit übertrieben gönnerhafter Miene den Spiegel samt Zubehör überreichte, wollte gerade noch was dazu sagen, als ihm Muktada mit fester Stimme dazwischen funkte:" Echt? Party! Wieso weiß ich dann nichts davon?"
Simones Miene zuckte, sie nahm sich die ganze Brise mit nur einem Nasenloch und schaute zornig zu Muktada auf.
"Weil dich das nichts angeht! Bist ja nicht mein Kerl, oder!" , entkam es ihr kaltschnäuzig. Das Koks begann schon zu wirken, bekam Muktada zu spüren, der daraufhin mit offenem Mund dastand. Und für Pierre wirkte alles gerade ziemlich wie in einer besonders schlechten Sitcom. "Schon seltsam...", dachte er sich und die zarten Finger seiner linken Hand zuckten erneut - der Geschmack der Pilze klebte nun auf seiner pelzig gewordenen Zunge...
"Was isn das für eine Party, Simone?", warf er überraschend, mit lauterer Stimme als sonst, ein und fuhr kurz darauf zusammen. Simone sah ihn unvermittelt an und zog besonders hektisch an ihrer Zigarette. Ja, ihm konnte sie es ja verklickern - auch wenn die anderen davon Wind bekamen. Jetzt wo sie bald alle auf Pilzen sein würden, würde bestimmt niemand auf so eine blöde Idee kommen und sie begleiten wollen, oder? Dann griff sie in ihre Tasche, nahm den Partyflyer, welchen ihr ein hübscher Unbekannter vor ein paar Tagen in der Fußgängerzone zugesteckt hatte und reichte ihn an den verdutzten Pierre weiter. Das war der Moment in dem sich Muktada auch eine kräftige Nase nahm - nur für ein stabiles Gleichgewicht des Schreckens, dachte er sich.
" Partybox, feiern bis zum nächsten Tag! Let your Eggs rock!", las Pierre (in einer erfrischend ungehemmten Variante) allen laut vor, den Simones Aufmerksamkeit gerade zu einem wahren Höhenflug anstachelte - seine Stimme bebte nur leicht.
"Klingt aber schon komisch Simi! Das würde mich nicht hinter dem Ofen hervorlocken! Also ehrlich...", Muktada schaute gelangweilt drein und fügte, als Simone ihn nicht einmal ansah, wütend hinzu:" Wann wirst du denn dann abhauen? Würd mich nur interessieren..."
"Jetzt, du Arschloch! Jetzt sofort!", fauchte Simone kämpferisch und plötzlich völlig außer sich. Ihre Augen funkelten überheblich und ein tiefes Rosa überzog auf einmal ihre glatten Wangen, das an einigen Stellen sogar in ein feuriges Rot überging - sah ziemlich bedrohlich aus.
"Ah ja, und viel Spaß bei eurem Horrortrip wünsche ich euch! Könnt die scheiß Pilze gleich auf einen Pizzateig streuen und sie euch in den Arsch schieben, wo's doch dort so schön warm ist!", setzte sie noch eins drauf und Pierre musste innerlich lachen - jetzt wo das noch ging. Diese Aussage hatte wirklich Feuer. Dann traf ihn der vernichtende Blick von Muktada und der war ziemlich empört: "Was ist denn mit dir jetzt auf einmal los Simi! Packst das Koks nicht, oder...", denn damit hatte er nun auch wieder nicht gerechnet - zumindest nicht so schnell, außerdem war ihm aufgefallen, dass sein Hundchen gerade gelächelt hatte über ihn. Ja, dieser Pierre, der stand wohl auf Simone, na klar. Bevor er noch etwas dagegen tun konnte, warf Simone ihre Kippe achtlos auf den Parkettboden, würdigte ihn keines Blickes mehr und ging unter klacksenden Schritten schnurstracks zur Türe, wie eine hochwohlgeborenen Prinzessin, welche man extrem beleidigt hatte und das einzig zu dem Zweck, um nur bloß so schnell wie möglich von diesen (angewärmten) Idioten wegzukommen. Wieso war sie nur überhaupt dort hingegangen? Diese Frage konnte sie momentan nicht schlüssig beantworten. Wegen Muktada? Naja, vielleicht - nein, doch nicht.
Sie überlegte: "Oder wegen, NEIN - wegen Axel bestimmt nicht. Wegen Pierre? Kaum!" Also entschied Simone spontan, dass diese Typen sie so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen würden. Denn Drogen hatten andere auch. Vielleicht nicht so gutes Koks. Nun: Mit beiden Annahmen sollte Simone richtig liegen.
Kurz bevor sie die Türe mit aller Wut ins Schloss knallen wollte, drängte sich Pierre, kurzerhand dazwischen. Sein Schuh hinderte die Türe am Zuknallen und Simone wirkte plötzlich stark irritiert. So was auch? Reflexartig hätte sie ihm beinahe eine runter gehauen - beinahe...
"Du, das mit der Pizza war gar nicht so eine schlechte Idee! Kann ich dich vielleicht ein Stück begleiten?", spielte Pierre auf ihren vorherigen "Sager" an, lächelte scheu und senkte seinen schüchternen Blick. Ein Hauch von Silber lag in der Luft...
"Musst du wissen Pierre! Wann wirken denn die Pilze?", fragte Simone mit etwas sanfterer Stimme. Pierre war ja irgendwie in Ordnung - absolut langweilig zwar, aber doch irgendwie in Ordnung. Der einzige von diesen Arschlöchern...
"Weiß nicht - in einer Stunde?!"
"Na dann, komm halt mit!"


Die Übermacht

Die Lider schnellten blitzschnell nach oben. Doch den Augen bot sich nichts als schier endlose Schwärze. An die Ohren aber, drang ein eifriges und gesichtsloses Gekeife...
"Ein elendes, sabberndes und gesichtsloses Gekeife!", ergänzte Georg im panischen Gedanken und wusste sofort: "Ja, jetzt seid ihr da, ihr SCH..., Tinn!" - und alles war pure Dunkelheit als Georg blitzschnell aufsprang. Blindlings versuchte er nach der geladenen Waffe vor ihm am Tisch zu greifen. Dieser verzweifelte Griff ging jedoch soweit ins Leere, dass nur der Daumen ausgestreckt am Gewehr vorbei donnerte und es in hohen Bogen unter einem dumpfen Knallen auf den Boden beförderte - irgendwo in der Finsternis. Erregt sprang Georg auf und tappste unbeholfen aber dennoch flink (mit dröhnendem Schädel), noch einigermaßen gut abgefüllt, einen Schritt zurück, was auch noch den Stuhl zu Boden warf. Darauf folgten zwei weitere, hastige Schritte nach rechts, einer nach links, zwei Schritte nach vorn und der unglückselige Georg krachte nach einem dumpfen "Klonk!" rücklings auf den Bretterboden seiner Hütte. Danach hatte er nicht einmal die Chance, sich auf die frisch eingehandelten Schmerzen überhaupt einzulassen. Die Tinn begannen offenkundig gerade damit, sich zu Dutzenden gegen die Eingangstüre seiner Behausung zu werfen, was einen Krach verursachte, dass es Georg nur so durch Mark und Bein ging. Und von unter dem Bretterboden der Hütte, vernahm Georg zu allem Überfluss auch noch ein verdächtiges Schaben und Kratzen...
Er war nun außer sich vor Panik und tastete sich nun doch, aber unter Schock stehend und mit zittrigen Händen kurz über die Stelle, wo er wahrscheinlich gerade gegen den großen Messingkochtopf, der an einer Kette von der Decke hing, gerannt war. Warmes Blut benetzte sein Fingerkuppen...
"Wo ist meine Waffe !?", murmelte er aufgebracht, stand auf und taumelte, nicht nur vom Zusammenstoß mit dem vermuteten Messingkochtopf noch ein wenig benommen, aber durchaus zielstrebig drei weiter Schritte nach vorne, um endlich an dieses Gewehr zu kommen. Ein, zwei, drei - er ging in die Knie und seine Finger streckten sich gierig aus. Doch da war es nicht!
"Nein, mit mir nicht!!!", brüllte Georg und warf sich wieder, diesmal freiwillig und bäuchlings auf den Bretterboden - unter die Geräuschkulisse der angreifenden Tinn, mischte sich somit kurz, ein wuchtiges Donnern. Dann begann Georg wie wahnsinnig, einem irrer Fensterputzer gleich, mit den Armen nach dem Gewehr zu rudern. Und: "Klack" - tatsächlich.
Die zittrigen Finger seine rechten Hand hatten es doch glücklicherweise gestreift. Wie geölt schlitterte es über den Boden und fuhr letztlich gegen die blecherne Verkleidung seines Holzherdes, was Georgs Ohren freudig vernahmen. Eilig kroch Georg nun einigermaßen zuversichtlich in die angepeilte Richtung. Ganz nah vor der erwarteten Fundstelle erstarrte Georg, als hinter ihm der Boden aufbrach und etwas raubkatzengroßes ausgesprochen bedrohlich hinter ihm aufbäumte. Georg konnte es zwar nur hören - trotzdem fasste er diesen spontanen Entschluss: Beherzt, mit der Bestie im Rücken, sprang er nun auf die Stelle zu, wo er das Gewehr zuletzt gehört hatte und hoffte, diesmal nicht daneben zu liegen. Während des Sprunges biss er sich auf die Lippen, wohl wissend, dass es bestimmt gleich wieder weh tun würde; und das stimmte auch, wenn es auch aufgrund des Blutalkoholspiegels bei weitem nicht so schlimm war...
Hart schlug er auf dem unbehandelten und rauen Bretterboden auf, rammte sich ein paar Späne in beide Oberschenkel - als Bonus aber, bekam er so wenigstens die heiß begehrte Pumpgun mit den Zähnen zu fassen. Für seinen Zustand wirklich außergewöhnlich schnell, fuhr er herum, streckte beide Hände nach der Pumpgun aus, fasste sie fest und feuerte die ersten 7 Schuss völlig blind aber wie besessen, auf den Tinn ab und zerfetzte damit zufällig (und zum Glück) dessen Kopf.
Die Hölle war losgebrochen!!!
Dem zweiten aus den Loch im Boden stürmenden Tinn schlug er mit dem Gewehrschaft genau zwischen den schwach gelb leuchtenden Augen, den Schädel ein. Panisch hetzten seine Pupillen danach durch die Dunkelheit, auf der stetigen Suche nach einem weiteren Paar gelb strahlender Pupillen. Aber momentan war da nichts. Etwas Zeit für Georg in die Vorratskammer zu stürmen, um sich aus dem rechten, obersten Regal die restliche Munition zu besorgen - eine leichte Erinnerungslücke hinderte ihn aber daran, gleich auf dem Tisch nachzusehen...
Und Georg war wütend, das Adrenalin hatte seine Angstgefühle beiseite gedrängt. Er kochte geradezu vor Zorn. Verdammt! Ja, er hätte es wissen müssen. Er hätte darauf vorbereitet sein können - diese hinterhältige Kerze. Denn so war er dazu gezwungen, immer nur zu reagieren, hinkte dem Geschehen immer einen Schritt hinterher - was mit Sicherheit auch am Schnaps lag. Und wenn er sich nicht irrte, hatte er dort im Regal nur lächerliche 43 Schuss Munition. Viel zu wenig, dachte er - bei Weitem zu wenig...
"Wär ich doch nur einen Tag früher..."
Als er die Türe zur Kammer aufriss, tat er das so ungeschickt, dass der Besen, welcher innen neben der Türe lehnte, von der Wucht, mit welcher die Türe aufgrund Georgs ungestümen Vorgehens gegen die Außenwand der Kammer prallte, umgestoßen wurde und Georg mit etwas Schwung an der Nase erwischte. Ein kurzer, brennender Stich durchfuhr Georgs Nasenspitze und wanderte über die Nasenwurzel weiter nach innen und ergoss sich wie ein heißer, elektrischer Impuls hinter seinen Schläfen. Die kurze Zeitspannen, in der er dadurch ausgesprochen unaufmerksam war, reichte aus, dass er sich in der folgenden Schrittlänge irrte und mit ebenso brachialer Gewalt, welche den Besen vorhin aus seiner ruhigen Position gerissen hatte, gegen das Regal vor ihm rannte. Unter heftigem Getöse wurde er von den unzähligen Dosen und Kanistern, welche zuvor noch fein säuberlich dort aufgeschlichtet waren, begraben. Eine wahre Schmerzeruption war die Folge. Unter dem Berg aus Vorräten fluchte und tobte Georg wie ein kleines Kind, während draußen, vor der Kammer weitere Bodenlatten nach oben gedrückt wurden und ein biestiges Keifen und Röcheln zu hören war. Georg aber, bekam von all dem vorerst noch nichts mit, er versuchte stattdessen sich von dem ganzen Zeug frei zu machen. Mit zwei kräftigen Armbewegungen gelang es ihm und er ruderte sich durch das Gerümpel nach oben und schaffte es sogleich, sich, was ihn in Anbetracht der jüngsten Ereignisse selbst verwunderte, mit der linken Hand den vermeintlich vollen Karton mit den Patronen zu fassen und steckte ihn sich gleich in Tasche seiner roten Holzfällerjacke. Georg wollte kurz durchschnaufen, doch jetzt hatte er das Problem, dass sein Gewehr sich nicht mehr in seiner rechten Hand befand - dieses gemeine Unding musste sich noch irgendwo zwischen den heruntergefallenen Vorräten befinden. "Scheiße, Gott - du Arschloch!", brüllte Georg.
"Das ist meine Hütte ihr Drecksviecher - könnt ihr das hören?! Meine Hütte..."
Natürlich konnten ihn die Tinn hören, welche sich inzwischen zu Dutzenden in seiner Hütte eingefunden hatten. Und Georg fuhr herum und schaute ungläubig durch die weit offen stehende Vorratskammer, in seinen spartanischen, gerade ziemlich dunklen Wohn-Schlaf-Essbereich und konnte nicht umhin, sich selbst eine runterzuhauen. Fast ungläubig bemerkte er, dass er diesen Schmerz gar nicht mehr spürte, also schlug er sich ein zweites Mal - nur um ganz sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Wieder spürte er nichts! Aber alles was er noch immer sehen konnte, waren ungefähr 60 Paare gelb leuchtender, beschissener Mutantenhyänenaugen, sonst nichts weiter.
"Ihr Schweine lasst mir ja keine andere Wahl!"
Das war der traurige Moment, in dem er sich erinnerte, alle Patronen schon auf den Tisch gelegt zu haben - denn eine Hand griff in die Westentasche und zerdrückte einen leeren Karton.
Und schon wieder konnte er sich nur auf sein, immer in reichlichem Ausmaß vorhandenes, "Glück", verlassen. Blindlings grub sich seine Rechte in den Vorrätehaufen und...

Nachladen! Schießen, schießen, schießen, schießen...
Nachladen! Georg kam nicht mehr dazu, mehr als 4 Patronen auf einmal nachzuladen. Das war aber gerade noch ausreichend. Stück für Stück schoss er sich den Weg frei, oder besser gesagt, schoss er sich ins Zentrum seiner Hütte. Mit dem für ihn schlechten Ergebnis, dass er jetzt von allen Seiten gleichzeitig attackiert wurde. Ein (beinahe) zärtlicher Prankenhieb hier, ein kleiner Biss da; bis jetzt noch nichts Ernstes. Aber, bekanntlich, höhlt steter Tropfen ja jeden Stein...
Nachdem Georg mit seiner Pumpgun einen wilden (vorerst befreienden) Drehangriff vollführt hatte, bemerkten die Finger seiner linken Hand, dass nur noch etwa 5 Patronen in der (von ihm vorhin ziemlich eilig gefüllten) Westentasche waren. Bis jetzt waren es aber, soweit er sich erinnern konnte, nur 16 Schuss die er abgefeuert hatte. Daraus konnte er schlussfolgern, dass er vorhin nur etwa die Hälfte der Patronen vom Tisch ergattern konnte.
"Ah - Nein!"
Einige davon nahm sich Georg und zog die Hand wieder aus der geräumigen Westentasche seiner dicke Holzfällerjacke. Oder waren es sogar noch 6 in der Tasche verbleibende Stück - fragte er sich gleich darauf, sein Gedächtnis schien unter dem Schnaps und den zahlreichen Blessuren der nahen Vergangenheit, enorm zu leiden - unterdessen fielen ihm 2 Patronen von den 6, die er sich hastig gekrallt hatte, auf den Boden. Er hörte es nicht. Egal - jedenfalls erkannte Georg trotz seiner nicht unwesentlich ins Gewicht fallenden, geistigen Umnachtung, auf den zweiten Blick sofort, dass er seine Hütte umgehend aufgeben musste, wenn er diese "bekackte" Nacht überleben wollte! Sofort und auf der Stelle!
"Ihr gottlosen Tinn!", schimpfte er ein letztes Mal und stürmte unvermittelt auf die Eingangstüre zu, drückte noch im Lauf, deren rostige Klinke nach unten und hechte mit fuchtelnden Armen (diesmal hatte er das Gewehr noch fest in der rechten Hand) ins Freie - geistesgegenwärtig drehte er sich, sobald er die kalte Luft dieser Winternacht in seinen Lungen spürte, um und schoss das ganze (halbvolle) Magazin auf die ihm eilig folgenden Tinn ab, sodass gleich mehr als vier von ihnen, aus der offen stehenden Türe in die Hütte zurückgeschleudert wurden. Daraufhin setzte er ein paar Schritte zurück, sah noch, wie die Tinn gleich einen erneuten Versuch starteten, ihm zu folgen und schmetterte die Türe zurück ins Schloss. Mit übermenschlicher Kraft stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen - die Tinn brüllten vor Zorn, es war ein widerliches Geräusch.
"Das wär erstmal geschafft!", schnaufte Georg und fasste sich hastig an die Gürtelschnalle, wo an einem kleinen Hacken (zum Glück noch immer) der rostige Schlüssel zu dieser Türe hing und versperrte entschlossen das Tor zu seiner Hölle. Im Anschluss holte er die letzten, überraschenderweise jetzt nur mehr drei Patronen (Wo waren die andern beiden?) aus dem Karton in seiner Jackentasche und drückte sie in den Munitionsschacht seiner Pumpgun, während es bereits schon immer heftiger von innen gegen die Türe hämmerte.
Nur einige Augenblicke verstrichen, bis Georg wusste, was nun in weiterer Folge zu tun war. Wollte er, wie schon gesagt, am Leben bleiben, musste er rennen. Und das schnell - irgendwohin! Denn die Türe würde diesen Biestern bestimmt nicht lange standhalten. Einmal noch, drehte er sich um, erschrak fürchterlich , als ein Tinn durch ein kleines Loch unter seiner Hütte sprang, erlegte ihn mit einem gezielten Schuss zwischen die leuchtenden Augen und versuchte seine Flucht fortzusetzen...
Doch DANN:
"Hey, was isn mit dir los? Gehts dir noch gut?", fragte ihn ein völlig unpassend bekleideter junger Mann plötzlich und wie aus dem Nichts. Georg wunderte sich gewaltig. Er sah ihn kurz an, diesen Fremden mit einem stinkenden Karton in den Händen. Konnte aber nichts mit dieser sonderbaren Erscheinung anfangen und schrie ihm warnend entgegen: "Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!"
Als Georg nur einen dämlichen, völlig verklärten Blick als Antwort erhielt, rannte er einfach weiter und überließ den jungen Tölpel seinem Schicksal. Einen Schuss feuerte Georg noch aus einiger Entfernung ab, um den Tinn, der gerade auf diesen völlig lethargischen Jungen zu hechtete, unschädlich zu machen, dachte sich aber gleich, dass es doch sowieso völlig sinnlos war. Außerdem konnte er von Glück reden, dass er den Jungen nicht auch gleich mit umgenietet hatte - aufgrund der enormen Streuung seiner Waffe. So rannte er einfach weiter, schnell wie ein Windhund! Doch so weit konnte er gar nicht kommen um nicht zu hören, wie die Tinn sich über den jungen Mann hermachten und ihn mit unglaublicher Brachialität, in kleine Stücke zerrissen und sich so ihren Wanst vollschlugen. Somit hatte der Junge ihm wenigstens einen kleinen Vorsprung verschafft, dachte sich Georg, fand aber nicht mehr die Zeit, sich bei diesem, wenn auch nur rein gedanklich, zu bedanken - oder gar, um diesen zu bedauern. Denn blöderweise rannte er gerade gegen etwas in Bauchnabelhöhe, kippte vornüber und stützte wortlos in die Tiefe - einige Meter, sein Körper schlug hart und ungebremst auf hartem Untergrund auf. Georg war sofort tot.


Bad Trip

Während sie so den Bürgersteig entlang schlenderten, konnte es Pierre sich nicht verkneifen, immer mal wieder einen Blick in Simones imposanten Ausschnitt zu riskieren - zu verlockend war es. Er gab sich zwar redlich Mühe, dass sie es nicht bemerkte, doch scheinbar stellte er sich so ungeschickt an, dass sich Simone nach einigen verstohlenen Blicken dazu aufgefordert fühlte, etwas dazu zu sagen.
"Hast wohl schon länger keine Freundin mehr? Oder, Pierre?", fragte sie in einem, für diese Situation fast ungewöhnlich sanftem Tonfall und lachte Pierre noch dazu herzlich an - völlig ungewohnt für Pierre, dessen Magen sich zusammenzog um gleich darauf klebrigen "Pilzschleim" durch die Speiseröhre nach oben zu drücken. Ein intensives Aroma füllte seinen Mund.
"Ähm, äh - nein, hab ich nicht! Äh, noch nie - ja...", stammelte er verlegen, schluckte den Schleim hinunter und schaute verschüchtert zu Boden. Simone fand das irgendwie süß...
"Nun, also - ähm, du musst doch jetzt bestimmt weiter, zu deiner Partybox-Sache, nicht?", versuchte Pierre abzulenken und ein leises Rauschen tönte plötzlich zwischen seinen Augen. Und da war es wieder, nur wesentlich stärker - ein helles, ja ein silbernes Gefühl überkam ihn. Pierre blieb sofort stehen. Sein Blick war verklärt und seine Lippen zeichnete ein hohles Grinsen in sein Gesicht. Simone begann sich gerade ernsthafte Sorgen zu machen.
"Hey hallo! Noch da?", fragte sie vorsichtig.
Klar war er noch da, dachte sich Pierre - dann der erschrockene Blick in Simones Augen - äh Augenwinkeln? Ein dumpfes Brummen, die Finger der linken Hand verkrampfen sich zusehends.
"Hey hallo, Pierre!"
Doch Simone erhielt noch immer keine Antwort.
"HAaLo PieRReÄÄÄä?"
Auch die Finger seiner rechten Hand verkrampften sich.
"PIIIIIIIIIIIIIIääääääääääääääääääAAAA!?"
Und dann: Das silberne Gefühl verschwand wieder - ein paar Augenaufschläge lang und Pierre schaute verwirrt in Simones fragendes Gesicht. Was war nur los mit ihm? Ah, die Pilze - das ging aber schnell. Wie lange war es jetzt her? 20 Minuten?
"Ähm, ja - was - ach so!"
Pierre war inzwischen ziemlich drauf, dachte sich Simone. Seine glasigen Augen wirkten irgendwie leicht verdreht. Seltsam. Auch sie bemerkte, dass das aber recht schnell gegangen war. Zu schnell?
"Gehts bei dir noch?", wollte sie umgehend wissen.
Pierre hatte sich diese Frage gerade auch selbst gestellt. Aber, ja - es ging ihm gut, konnte er sagen. "Seltsam" gut. Nur wusste er nicht genau, was er gerade vor hatte. Natürlich gefiel es ihm trotzdem, mit Simi hier unten zu sein. Bei diesen - "dumpfen Vibrationen?"
"Ah, Pierre, falls du noch eine Pizza willst - wenn du noch bis kurz vor die U-Bahnstation mitkommst, wenn du das noch schaffst, da ist eine gute Pizzeria! Da kann ich auch noch ein bisschen auf dich warten!", sagte Simone und zündete sich eine Zigarette an. Über Pierres Blick huschte etwas Raubtierhaftes und ein Hauch des silbernen Gefühles kehrte wieder.
"Weißt du, meine nächste U-Bahn kommt aber schon in einer halben Stunde. Da müssen wir ein wenig Gas geben!"
"Äh - cool, dann bis gleich, Simone!", freute er sich total irritiert und stiefelte betont lässig munter drauf los - einem stolzierenden Pavian gleich und wirklich nur ausgesprochen knapp verfehlte er den beabsichtigten Imponier-Effekt, stolperte gleich danach über den fransigen Teppich eines Feinkostladens - was ihn beinahe einen bösen Sturz einbrachte. Simone musste unvermittelt lachen und zog intensiv an ihrer Zigarette. Nein, der Typ war bestimmt nichts für eine Beziehung, stellte sie fest. Aber er war süß. Wie ein Hundewelpen, ein tollpatschiges Welpen ( das Welpen von Muktada...)
Als reine Sicherheitsmaßnahme, fasste sie Pierre schließlich an seiner linken Hand und zog ihn behutsam von der Straße weg.
"So, dich nehm ich wohl besser an der Hand!", sagte sie in vergnügtem Tonfall und so machten sich die beiden "Händchen haltend" auf den Weg - Richtung U-Bahnstation. Für Pierre wäre diese göttliche Berührung schon unter normalen Umständen etwas Besonderes gewesen. Aber so: Pierres Hand zuckte und sein Penis wurde steif. Ja, das silberne Gefühl war nun allgegenwärtig. Der sonst so verhaltene Pierre fasste sich mit der rechten Hand in den Schritt und seufzte...
Silber, Silber, SILBER !!!

10 Minuten vergingen, in denen Pierre immer wieder, durch die große Fensterfront neben der Eingangstüre der Pizzeria, nach der rauchenden Simone Ausschau hielt und jedes Mal ein heftiges Pulsieren in seinem Penis verspürte, wenn er ihre, aus dem weit ausgeschnittenen Shirt quellenden, für ihn herrlichen, Brüste ansah. Nach dem ungefähr 10ten Hingucker, hätte er schwören können, dass Simone mittlerweile völlig nackt war und sich, während sie ihn beobachtete mit den Fingern über ihren feuchten Kitzler rieb und dabei das Gesicht auf ekstatische Weise verzog.
Völlig ungläubig beobachtete er das elektrisierende Schauspiel und als Simone schließlich einen letzten Zug von ihrer Zigarette nahm, spritze sich Pierre in die Hose - die Finger seiner beiden Hände entspannten sich das erste Mal seit ca. 20 Minuten und gaben mahnend 2 blutige Handflächen frei. Pierre liebte das Silber - es war geil! Anders als sonst, anders als er - doch einfach herrlich enthemmt. Die Luft war plötzlich Freiheit - jawohl - die Luft war, WAS?
"Bitte sehr, 8 Euro macht das dann!"
Pierre drehte sich zu der dumpfen, weit entfernten Stimme um und erblickte erstaunt die mittlerweile völlig nackte, schwarzhaarige Kellnerin (wahrscheinlich italienischer Herkunft) wie sie vom schwitzenden Küchenchef mit kräftigen Stößen von hinten genommen wurde. Pierres Finger verkrampften sich sofort. Das Silber wurde zu Gold. Ein goldenes - ja, ein goldenes Gefühl war das jetzt.
"AAAcht Euroohhhhh, jaaahhh...", stöhnte sie.
Pierre biss sich auf die Unterlippe und spürte plötzlich den feuchten Fleck in seiner Hose. Und sein noch immer steifes Glied schien ihm gleich zu zerbersten. Diese beiden Sinneseindrücke schafften es für einen kurzen Moment, Pierre kurz in die Realität zurück zu katapultieren.
"Ist ihnen nicht wohl? Sie sehen gar nicht gut aus!", fragte die auf einmal wieder angezogene Kellnerin besorgt.
"Ähm, nein es geht schon!", entgegnete Pierre, schon völlig blass und drückte der Kellnerin einen 10 Euroschein in die Hand, nahm den wohlriechenden Karton, mit der Champignonpizza darin, entgegen und versuchte eilig zu entkommen. Doch der Druck in seinem Penis wurde übermächtig und ein wahrer Goldrausch kündigte sich an. Der hilflose Pierre wusste gar nicht, wie ihm geschah.
"Gut dann, ähm tschüss!", sagte er mit allerletzter Klarheit und alles wurde zu Gold.
"Ciaohhhhhh, Bellissimohhhh, ohhh, ahhh...", Pierres Penisspitze schien gleich zu explodieren.
"Warten Sie, Sie bekommen AHHH! JAH, WILLST DU IHN AUCH EINMAL REINSTECKEN, OH, noch ihr, AH - ihr Wechselgeld!"
"Äh! - Ja; Fräulein - das würde mir sehr gut tun!", entgegnete Pierre, mit einem goldigen Lächeln im Gesicht - in seinem Blick aber, regierte schon mehr als bloß die Pilze. Und JA, das würde er jetzt gerne - ihn reinstecken. So ging er wieder ein paar Schritte auf die Kellnerin zu und streckte eine seiner blutigen Hände zitternd nach ihr aus - die andere Hand fingerte an der Hose herum. Während ihr Stöhnen nur immer lauter wurde und der Koch ihr auf die Pobacken schlug.
"JAH, JAH! Hey, was soll das? - ICH KOMME!"
Bevor Pierre seine Hose völlig geöffnet hatte und die Kellnerin nach dem Chef brüllen konnte, stürmte Simone in den Laden und beendete somit dieses, für alle wohl auf seine ureigenste Art, völlig absurde und eigenartige Schauspiel. Das Gold wurde kurz zu Bronze - auch der Geschmack in seinem Mund - Pierre leckte sich über seine aufgebissenen Lippen...
"Das ist mein autistischer Bruder - Ähm, Asperger oder so - ja!", versuchte Simone hastig zu erklären. Die Kellnerin aber schaute nur völlig angewidert und wies auf die Tür.
"Ja, nur raus mit diesem Perversen - schnell! Hier haben Sie das Restgeld! Der Rest interessiert mich nicht!"
Simone hob schnell den Pizzakarton vom Boden und beeilte sich, Pierre so schnell als nur möglich dort raus zu bekommen. Die Kellnerin zündete sich inzwischen ein Zigarette an und inhalierte tief. Dann schob Simone Pierre durch die Tür, eine ihrer Hände streifte unbeabsichtigt seinen steifen Penis und Bronze wurde wieder zu Gold...
Auf der Straße, drückte sie Pierre den Pizzakarton in die zitternden Hände und versuchte nochmal eine Verbindung zu Pierres extrem vernebelten Verstand aufzubauen. Pierre war aber schon beinahe nicht mehr Pierre und er würde es nie wieder sein (können)...
Seine Augen waren es, etwas in seinen Augen und er starrte sie die ganze Zeit an. Simone war zutiefst schockiert - über Pierres Zustand. Konnte man den so rumlaufen lassen, fragte sie sich. Pierre begann wild in seiner noch immer geöffneten Hose herumzurubbeln.
"Sag mal spinn ich!", dachte sie und war heilfroh, zum Glück doch keine Pilze angenommen zu haben...
"So ich muss jetzt gleich los - hey, hörst du mich?", fragte Simone irgendwie angewidert und hatte das dringende Bedürfnis, nur schnell wie möglich von Pierre wegzukommen. Zumindest ein Teil von ihr wollte das. Ein anderer Teil fühlte sich irgendwie verantwortlich und dachte daran, etwas zu unternehmen.
"Hey, hörst du mich?"
Pierre konnte es hören, das war nie das (besonders nicht sein) Problem. Sondern vielmehr war ausschlaggebend, wie er es hörte und auch vor allem, was sich vor seinen Augen abspielte. Munter rubbelte er weiter und ließ Simone dabei nicht aus dem Blick. Simone wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. War ihr noch nie passiert, dass jemand vor ihr auf der Straße zu masturbieren anfing...
"Eine kann ich noch rauchen! Ich werd auch versuchen, jemanden zu erreichen, der dich abholen kann!"
Als sich Simone darauf noch eine Zigarette anzündete, nur um irgendwie abgelenkt zu sein und eilig ihr Handy aus der Tasche holte, spritzte sich Pierre zum zweiten Mal in die Hose. Danach war alles blau. Oder war es violett? Nein, eindeutig ein klares, ein wissendes Blau. Die Klarheit! Pierre wusste auf einmal was zu tun war. Er musste, er musste - rennen?
"Ach ja, ähm - fein, danke!", sagte Pierre und ergänzte unerwartet: "Ich komm schon klar - danke und ciao!"
Simone sah etwas bestürzt drein, als Pierre sich nun einfach von ihr abwandte und einfach davon rannte. "Ist er jetzt gerade gekommen?", fragte sie sich voll der Bestürzung.
"Hey, Pierre! Hey warte!", rief sie ihm besorgt nach. Doch Pierre rannte einfach weiter und bog in irgendeine Seitenstraße.
"Pass auf dich auf, ja?", murmelte Simone resignierend und steckte das Handy wieder in ihre Tasche. Wen sollte sie jetzt noch zur Hilfe rufen können? Dann nahm sie einen Tiefen Zug von ihrer Zigarette, drehte sie sich schwermütig um und ging zur U-Bahnstation auf der andern Straßenseite. Bei einem beiläufigen Blick zur Pizzeria, sah sie noch einmal die Kellnerin, die nur abwertend die Augen verdrehte.
"Ich hoffe, Pierre baut keine Scheiße - verdammt!"
Dann verschwand sie in der Station und war dennoch froh, nicht mehr mit dieser Sache in Verbindung zu stehen. Dafür aber, sollte sie bald mit einer anderen, mit einer sehr viel schrecklicheren Sache in Verbindung stehen...
"Let your Eggs Rock!"

Beinahe donnerte Pierre gegen einen Hydranten - zumindest seine Hoden. Als kosmische Strafe eventuell, dachte sich Pierre. Und die Klarheit schritt weiter voran. Simone interessierte ihn gerade nur mehr am Rande. Denn sein Pfad würde der der allumfassenden Erleuchtung sein. Und alles war so - so herrlich blau.
Als er um die Ecke bog und Simone einfach aus seinem Gedächtnis verschwunden war, wunderte er sich, dass er einen Pizzakarton in den Händen hielt. Was? Ein Geschenk, dachte er - wundervoll. Was wohl Muktada davon halten würde? Ja, genau - da wollte er jetzt hin. Muk Ta DA...
Es war aber sein Pech, das er gerade "irgendwohin" unterwegs war - nur mit Bestimmtheit nicht zu Muktadas Wohnung.
Kurz darauf bog Pierre in irgendeine Seitenstraße ein und marschierte auf irgendeinen Wohnblock, welcher dem Gebäude, in dem seine Freunde gerade auf einen ebenso derben Trip waren, eigentlich überhaupt nicht ähnlich sah, zu und verschwand kurz darauf in dessen Stiegenhaus. Wie ein Irrer rannte er die Stufen nach oben - mit der Ausdauer eines Langstreckenläufers. In irgendeinem Stockwerk schließlich, spürte Pierre, das er richtig war und schwenkte auf einen schmalen Korridor ein. Schier unzählige Türen zweigten von ihm ab. Nebeneinanderliegend, gegenüberliegend - übereinanderliegend. Pierre begann zu zittern. Und dieser Gang vor ihm, zog sich gewaltig in die Länge. Pierre, für den jetzt alles immer mehr rot zu werden schien, befand sich gerade im 7ten Stockwerk dieses, ihm völlig unbekannten Gebäudes. Mühevoll setzte er stark schwankend, einen Fuß vor den anderen und fokussierte das sich immer weiter entfernende Ende dieses langen Ganges vor ihm. Doch plötzlich und ohne Vorwarnung, war er mit nur einem Schritt an dessen Ende angelangt. Ungläubig stand er vor der Wand am Ende - und ein abartiges Aroma durchströmte seinen Rachen. Es war kaum auszuhalten und das Rot schien ihn gleich zu übermannen. In seinem Kopf begann es ungewöhnlich heftig zu dröhnen und zu stechen, irgendwie wurde ihm arg übel und der mittlerweile unangenehme Geruch, den der Karton in seinen Händen verströmte, trug auch nicht dazu bei, dass die Übelkeit verschwand. Bevor er sich dessen bewusst wurde und er kotzen musste, sprang hinter ihm plötzlich eine Türe auf und ein bärtiger, übel nach Schnaps riechender Mann, der einen abgesägten Besenstiel wie ein Gewehr in beiden Händen hielt, sprang ein oder zwei Schritte nach vorn, drehte sich um, tat so als würde er auf jemanden schießen und stemmte sich anschließend mit aller Gewalt gegen die Türe. Während der Bärtige hastig den Schlüssel ins Schloss steckte und die Türe versperrte, fragte sich Pierre, ob er sich das gerade einbildete, oder ob das wirklich geschah. Er konnte es nämlich überhaupt nicht mehr einschätzen, aber diese Feststellung wiederum bestärkte ihn irgendwie darin, dass er diesen Trip ja eigentlich gut im Griff hatte. Denn nur, wenn man sich diese Frage nicht mehr stellen konnte - wusste man nicht mehr, dass man auf einem Trip war und dann, ja dann war man erst im Arsch. Doch Pierre irrte sich gerade gewaltig, ein stechender Schmerz hinter seinen Augen begleitete diese falsche Erkenntnis und war außer diesem satten ROT, momentan die einzige Verbindung zu dieser, seiner Wirklichkeit. Rot war es - jawohl, alles rot! Geht es dem Mann gleich, oder geht es ihm gut. Oder - ja, ist er womöglich rot?
Um zu überprüfen, ob der Mann nun auch rot war oder nicht, fiel Pierre nichts besseres ein, als diesen zu fragen, ob es ihm noch gut gehe. Ein fragender Blick war die Antwort, gefolgt von den mehr als eindringlichen Worten.
"Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!", brüllte ihm dieser als Antwort entgegen.
Pierre konnte mit so einer Antwort natürlich gerade überhaupt nichts anfangen. Außerdem wurden seine Kopfschmerzen gerade noch eine Spur stärker. Ti, Ti, Ti, polterte es in seinem Schädel und mit ungläubigen und stark geröteten Augen, beobachtete Pierre, wie der Bärtige wie ein Besessener den langen Gang, den er selbst eben, so sonderbar und dadurch mühevoll bewältigt hatte, entlang rannte und so den Eindruck erweckte, als würde er vor irgendetwas davon laufen.
Ti, Ti, Ti...
"Die Tinn?", fragte er sich. Ja, dieser Bärtige konnte einem wirklich leid tun. Die Tinn - da hatte er ja noch richtiges Glück mit seiner roten Farbe. So ein Glück..
Ti, Ti, Ti, und auf einmal waren die Kopfschmerzen verschwunden.
Als er sich von diesem letzten Ti - Ausbruch etwas erholt hatte, beschloss Pierre, einfach nachzusehen, ob dieser Gang hier vorne vielleicht um die Ecke bog und ob dort vielleicht Muktadas Wohnung war. Dann hörte er einen lauten Schuss und ihm fröstelte. Als er sich umdrehte, um nachzusehen, woher der Schuss gekommen war, stand er plötzlich vor einer alten Hütte mitten im Nirgendwo, bei sternenklarer Nacht und im Winter. Ganz weit hinten, sah er den Bärtigen gegen etwas rennen, das von hier aus, wie das Geländer einer Stiege aussah. Komisch- mitten in der Wildnis, dachte sich Pierre noch und bevor er erkennen konnte, wie ihm geschah, drangen dutzende scharfe Krallen in seinen Leib und begannen ihn zu zerfetzen und alles - ja alles war ROT. Zwei fremde Welten hatten sich gefunden...
 
Die Tinn

Markus Pließnig 23.07.2013


Draußen vor dem Fenster



"Wieder einmal auf, nach Scheiß-Brinkmaar, um beschissene Vorräte einzukaufen!", murmelte Georg gedankenverloren vor sich hin und spülte diese, für ihn widerwärtigen Worte, mit einem kräftigen Schluck selbstgebrandten Zirbenschnaps hinunter. Wieder einmal...
Georg hasste diese Stadt. Er hasste die Menschen dort, verabscheute jeden Straßezug, jedes Haus, ja jeden gottverdammten Ziegelstein. Aber besonders die Menschen. Diese heuchlerischen Bastarde.
"Ist ja überall das selbe Pack. Arbeiten bloß für Ansehen und Wohlstand - diese mickrigen Hunde!" Und wieder zogen diese Worte einen kräftigen Schluck Schnaps nach sich, gerade so, als wollte Georg das Gesagte damit wieder in die Kehle zurückspülen und es dadurch ungesagt machen. Wäre das wirklich seine Absicht gewesen, hätte Georg die Unmöglichkeit dieses Vorhabens an dieser Stelle vermutlich zutiefst bedauert. Aber für solcherlei Gedankengut war Georgs Verstand momentan sowieso viel zu beschäftigt. Er war erstens schon ziemlich besoffen und es musste zweitens, schließlich noch allerlei getan werden - damit diese leidige Zwangsmaßnahme (diese Reise) auch tatsächlich umgesetzt werden konnte. Nach Scheiß-Brinkmaar war es eben kein Katzensprung und Siebenmeilenstiefel hatte Georg leider auch nicht. Außerdem war da ja noch das andere Problem. Georg schluckte und seine stark geröteten Augen blickten sorgenvoll auf seine alte Schrotflinte an der Wand, direkt neben dem einzigen, nicht verbarrikadierten (weil aus Panzerglas bestehenden) Fenster, seiner schon längst in die Jahre gekommenen Hütte.
Dann wanderten seine Augen dorthin und er sah nach draußen. Es war Nacht und es schneite...
"Diese, diese, ..."; Georg setzte zu einem weiteren Schluck an, hielt kurz inne und vollendete den Satz,"...Schweinebrüder!"
So hockte er nun, in warmes Kerzenlicht getaucht, immer angespannter auf seinem einzigen Stuhl vor dem alten Stubentisch, an diesem Fenster, alleine in dieser schäbigen und beinahe völlig eingeschneiten Hütte, mitten in der Wildnis und war außer mit Saufen, auch noch eifrig damit beschäftigt, auf einem vergilbten Zettel festzuhalten, was er nach ca. 2 Tagen anstrengendem Fußmarsch unten in Scheiß-Brinkmaar eigentlich alles zu besorgen hatte. "Die doppelte Menge an Kerzen als beim letzten Mal...", notierte er sich in krakeligen Buchstaben auf dem Zettel. Dabei schaute er immer mal wieder über seine linke Schulter, wo seine alte Schrotflinte, die eigentlich eine Pumpgun war, völlig ruhig (beinahe schon lässig) an der Wand hing und tanzende Schatten warf. "Das wär ja was!", sagte er mit trockenem Hals und ließ auch diese Aussage nicht ohne einen brennenden Abgang ausklingen. Georg wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, sollte das Undenkbare Wirklichkeit werden. Das gelang ihm bedauernswerter Weise gerade überhaupt nicht.
"Sch..., SCH...,Schweinebrüder!"
Es stimmte ihn nämlich gerade schon besonders nachdenklich, dass er keine Kerzen mehr hatte - und mit schnell wachsenden Schweißperlen auf der Stirn, beäugte er immer misstrauischer den kümmerlichen Rest dieses flackernden Mistdings vor ihm am Tisch, das definitiv die letzte ihrer Art war (zumindest in seiner Hütte). Angestrengt versuchte Georg dabei abzuschätzen, wie lange er wohl noch warten musste, bis der letzte Wachstropfen dieser einst stattlichen (15 cm Durchmesser, 30 cm Höhe) Kerze abperlen und der Docht schwarz sein würde - wie alles andere auch. 5, 6 oder sogar 7 Stunden? Denn dann, gab es wohl nur noch ein probates Mittel, um am Leben zu bleiben: Weil ein Tischfeuer mit in Diesel getränkten Lumpen kam bestimmt nicht in Frage - obwohl er diese Möglichkeit gerade ernsthaft in Betracht zog. Nein - alles Blödsinn, der nächste Morgen würde bestimmt noch rechtzeitig kommen (obwohl Georg gerade das, arg bezweifelte)! Ansonsten würde er seine alte Pumpgun von der Wand nehmen müssen und könnte nur hoffen, dass seine Hütte dem zu erwartenden Ansturm standhalten würde. Eine eigenartige Vorstellung, nach all der Zeit hier oben. Aber vielleicht irrte er sich ja in Bezug auf die Kerze, oder eventuell hatte er ja das Glück und sie würden gar nicht kommen. Doch Glück hatte Georg nicht - auch an diesem Abend...

dunkel

Plötzlich wurde es dunkel, gerade in dem Moment als Georg in die Vorratskammer trat, um sich die letzten Dinge auf der Liste, für die morgige Reise zu notieren. Viel früher als erwartet. "Unmöglich!"
Mit eiligen Schritten stürmte er aus der Kammer, tapste unbeholfen durch die nunmehr völlig dunkle Hütte und versuchte, die unterdessen schon als reine Vorsichtsmaßnahme vorbereitete und durchgeladene Waffe zu erreichen. Sie lag am Tisch. Das musste jetzt schnell gehen, wusste Georg. Diese "Schweinebrüder" würden jede noch so kleine Chance ausnutzen um ihn endlich zur Strecke zu bringen. Doch dann traf sein Blick auf etwas Erfreuliches - etwas, das seinem Verständnis von der Restbrenndauer der (wirklich allerletzten) Kerze halbwegs nahe kam. Vor ihm auf dem Tisch loderte noch ein kleines Flammenzünglein, ausgesprochen schwach zwar, aber stark genug, um gerade noch zu erkennen, das sich unterhalb der Flamme noch gut 4 bis 5 Zentimeter "Restkerze" befanden.
"Warum brennst du nicht heller, blödes Ding?", entfuhr es Georg, der einige Augenblicke später, den Grund für diesen Unzustand entdeckte: Die Kerze war so unglücklich heruntergebrannt, dass sich eine kleine Mulde gebildet hatte, die es dem flüssigen Wachs unmöglich machte, irgendwo auf der Seite abzufließen. Deshalb ragte nur mehr eine kleine Spitze Docht aus dem flüssigen Wachs - auf welcher eine ebenso kleine Flamme thronte und loderte.
"Ach, so ein Glück!"
Diese freudige Erkenntnis wurde aber prompt zunichte gemacht, als wie aus dem Nichts etwas Unheilvolles vor seiner Hütte Stellung bezog. Georg konnte es genau hören - und trotz seines mittlerweile etwas entrückten Bewusstseinszustandes, bekam er es ernsthaft mit der Angst zu tun. Georg, der bärtige Einsiedler in der Wildnis. Er, von dem die Leute sich die seltsamsten Geschichten erzählten. Verrückt sollte er sein - und das war er auch. Beinahe verrückt vor Angst...
Dann begannen die Tinn, wie sie Georg manchmal nannte, damit ihr Opfer etwas einzuschüchtern. Ein irres Lechze und Keifen war das Mittel ihrer Wahl, begleitet von einem energischen Schaben und Kratzen (ganz in der Nähe) und all das ließ Georgs Nackenhaare steil zu Berge stehen.
Wie paralysiert stand er nun im sterbenden Kerzenlicht ( was aber eigentlich kaum mehr als Licht zu bezeichnen war) und begann sich auf sein wohl baldiges Ende einzustellen. Ein Teil seines Bewusstseins ließ die eine Hand nach der geladenen Waffe greifen und ein anderer, wacherer und klügerer Teil seiner Wahrnehmung, fasste mit der anderen Hand nach der Kerze, neigte sie ein Stück weit zur Seite und verhinderte so auf simple Art, ein völliges Absterben der Flamme. Und binnen Sekunden war das Innere der Hütte wieder in warmes Kerzenlicht getaucht - das Schaben und Kratzen verstummte. Ein schmerzvolles Heulen war noch zu hören, dann war es wieder still...
"Ja!", brüllte Georg," Verpisst euch nur, ihr, ihr lichtscheuen Sch., Sch., SCHweinebrüder!"
Eilig stolperte er, stockbesoffen wie er leider schon war, zurück in die Vorratskammer, griff sich die 2 Packungen Munition (eine ohne Inhalt ließ er dort zurück), ging zurück zum Tisch und setze sich.
" Das war knapp!", und wieder ließ Georg diese Worte mit einem kräftigen Schluck Schnaps ausklingen und fuhr sich mit zittriger Hand über seine schweißnasse Stirn.
"Das war knapp...", ächzte er nochmals.
Die Flamme der Kerze flackerte freudig auf und kurz dachte Georg daran, dass es ja nicht mehr lange dauern konnte, bis der Morgen anbrach. Dann wurde sein Blick trüber und seine Augenlider schwer. Langsam sackte sein Kopf nach vorn und einige Momente später ruhte sein Gesicht auf seinen Handrücken auf der Tischplatte. Neben seinem Kopf stand die geöffnete Schnapsflasche und die Kerze loderte weiter munter vor sich hin. Noch für einige Zeit...

"Long Distance Trip"

Da war wieder einer - einer dieser lauen Sommerabende, an denen es nichts Besseres zu tun gab, als sich hemmungslos und ohne Rücksicht auf Verluste, die Birne wegzuknallen. Der schüchterne Pierre teilte sich diese Ansicht mit seinen fragwürdigen Freunden Muktada, dem Arschloch Axel (der immer das Zeug hatte) und nicht zu vergessen dem wahren Grund (zumindest an diesem Tag) seiner Anwesenheit auf dieser netten kleinen Wohnungsparty, der hübschen/heißen Simone. Alles was hierzu nötig war, wurde vom Arschloch Axel gerade, unter den freudigen Blicken dieser Partygesellschaft und von Pierre, auf dem kleinen Glastisch in Muktadas Wohnung ausgebreitet. Zunächst ein kleiner Taschenspiegel, etwas Gras, ein wenig Koks, ca. 1 Gramm Speed und noch ein paar "Papers" für den Jointbau. Pierre war fast ein wenig erschrocken darüber. Muktada aber zog nur anerkennend die Augenbrauen nach oben und Simone fixierte mit gierigem Blick das durchsichtige Briefchen mit dem Koks.
"Jetzt brauchen wir natürlich erstmal die richtige "Mucke", Mucke!", sagte Axel betont cool zu Muktada gewand.
"Sonst gibt's keine rechte Stimmung, Alter - was?!"
"Tja, ähm...", Muktada kratze sich verlegen am Hinterkopf - und wirkte auf die anderen sichtlich gestresst - wegen der Frage, die ihn aber in Wahrheit eher kalt ließ. Vielmehr kam seine offensichtliche Unruhe von diesem plötzlichen Überangebot an Drogen, welches ihn gerade gewaltig überforderte, zumindest seine Widerstandskraft. Da war diese unerwartete Aufforderung geradezu lächerlich nebensächlich - welche "Mucke" sollte jetzt wohl die passende sein? War ihm egal.
Aber die Finger von Pierres linker Hand zuckten kurz zusammen, als Muktada sein "Hab-keine-Ahnung" Gesicht aufsetzte und es kurz ziemlich öde wurde auf der "Party". Als Pierres linke Finger erneut zuckten, war ein leises Seufzen zu hören - von Simone stammend und Pierres linke Finger bewegten sich gleich noch einmal - so wie immer wenn er sehr aufgeregt war oder versuchte, etwas zu unterdrücken. Doch Simones Anwesenheit schien gerade wahre Wunder zu wirken, erstaunlicherweise. Entgegen seinen "normalen" Gewohnheiten" wagte er es einfach so, die fade Stille zu durchbrechen.
"Ich glaub ich hab da was!", verkündete er mit halblauter Stimme und kramte wie von einer Hornisse gestochen mit der rechten Hand in seiner grünen Kampftasche herum. Alle beobachteten ihn dabei und Pierre wurde es etwas mulmig. Im Augenwinkel sah er Simone, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Seine Hände begannen zu zittern und die Finger der linken Hand, mit welchen er die Tasche hielt, zuckten erneut und begannen sich leicht zu verkrampfen. Kurz sah er auf und streifte Simones Blick - er lächelte verlegen...
Und dann plötzlich ruhten alle Augen der Anwesenden (einschließlich Pierres) auf dem neuen Album von Samsara Blues Experiment, welches er gerade aus der Tasche zog. "Long Distance Trip" war der Titel und das schien gut zu ihrem Vorhaben zu passen, fand Pierre - was auch für alle Beteiligten zur bitteren Wahrheit werden sollte. Beim einen früher, beim anderen etwas später. Weil dies aber niemand auch nur ahnte, widmeten alle Anwesenden weiterhin ihre spärliche Aufmerksamkeit diesem Album, welches Pierre gerade in den Händen hielt. Das Cover war sehr ansprechend gestaltet und Pierre wusste dazu zu sagen, dass diese vielsagende, in Grün gehaltene Zeichnung, mit den tanzenden nackten Frauen, an irgendein mehr oder weniger berühmtes Gemälde, irgendeines mehr oder weniger berühmten Künstlers, angelehnt war. Aber das interessierte keinen in der Runde wirklich, so wie fast alles von dem Zeug, das Pierre so sagte - wenn er denn einmal was sagte. Denn Pierre gehörte der Spezies von Menschen an, an welcher sich die anderen mal so richtig austoben konnten, wenn sie das Bedürfnis dazu hatten. Juckte es also jemanden im kleinen Finger, war Pierre stets ein willkommenes Ventil; das Opfer. So war er froh, wenn er wenigsten irgendwo Anschluss fand. Diese Tatsache hatte ihn auch zu diesen "netten" Leuten getrieben, darüber hinaus auch die zaghafte Hoffnung, so vielleicht auch mal so ein lässiger Kerl zu werden, wie zum Beispiel Muktada. Um irgendwann einmal auch eine nette, oder zumindest eine hübsche Freundin zu haben. Wie Simone...
Klar hackten auch Muktada und vor allem das Arschloch Axel auf ihm rum, aber wenigstens nur die. Pierre empfand es deshalb als halb so schlimm. Zählte es doch am Ende nur, mit welchen Leuten man so abhing. Das stellte sich Pierre in etwa so vor, wie bei den Hundebesitzern. Der Hund wird seinem Herren mit der Zeit immer ähnlicher. Genau auf diesen Effekt hoffte Pierre. Da war eben Mukatada, und der war sogar so cool, dass es niemand anderer wagte, jemanden, der mit so einem coolen Typen unterwegs war oder abhing, auch nur zu verarschen. Ein netter Nebennutzen für Pierre. Aber auf die Mädchen wirkte er deshalb nicht anziehender. Wie das halt so ist, wenn man dieser Hundehalterphilosophie anhängt. Und während Pierre die noch unbekannte Disc in den CD-Schacht drückte, heftete sich sein Blick an Axel, wie der gerade die vier nackten Frauenkörper auf der Disc-Hülle, bewunderte.
"Ey Simi, die haben sicher genau so schöne Titten wie du - hahaha...", röhrte er, wofür er auch prompt, mehrere böse Blicke erntete - einer wilder als der andere. Besonders hervor tat sich der des Revierverteidigers Muktada - denn ER, wollte SIE unbedingt haben - wofür auch immer.
Der von Simone selbst natürlich, war auch nicht schlecht, so leicht erregbar wie sie war. Wütend ritt sie auch gleich einen wilden Gegenangriff gegen dieses Schandmaul.
"Axel, halts Maul !", keifte sie forsch und versuchte Axel mit ihren spitzen Lackstiefeletten am Knie zu erwischen, was ihr um Haaresbreite auch gelang.
Lediglich der Blick von Pierre tanzte etwas aus der Reihe. Einfach aus dem Grund, da er vielmehr ein trauriger war, denn ein böser. Aber das fiel sowieso niemandem auf, denn Pierre war gerade damit beschäftigt, die CD zum Laufen zu bringen und die anderen gackerten wirr durcheinander.
Doch dann: Die ersten sphärischen Klänge von "singata mystic queen", bewahrten den verdutzt drein schauenden Axel vor einer zweiten Stiefelattacke, Simone verschonte ihn unerwartet - diese Musik war einfach zu toll für sie. Bis jetzt.
"Das klingt irgendwie indisch, findet ihr nicht?", warf sie anerkennend ein und alle lauschten den unerwartet ruhigen Klängen des ersten Samsara Albums, welche aber sodann in einem groovigen Stonerrock-Riff mündeten und das Stück weiter vorantrieben, wohl auf irgendeinen bombastischen Höhepunkt zu. Alle Köpfe bewegten sich leicht im schweren Rhythmus der Musik - alle bis auf Pierres.
"Derbe, aber cool?", sagte Muktada grinsend und zum persönlichen Start der Party, goss er sich zunächst einmal etwas Absinth in sein Glas - das empfand er meistens als sehr ideal für den Anfang. Sein Lippen spitzten sich als sie sich dem Glas näherten.
Simone zwinkerte und nickte ihm dabei wohlwollend zu, was den sensiblen Pierre tief im Inneren zusammenzucken ließ - ja, das war heute wirklich bitterer als sonst, ein Herrchen zu haben - und zum ersten Mal überkam ihn der Hauch eines seltsamen silbernen Gefühles. Verstört sah er zu Simone und fragte sich, ob er wohl jemals eine Freundin wie sie haben würde.
"Hey Axel, hast du eigentlich die Pilze dabei? Wäre schade, wenn das wieder nur leere Worte gewesen wären!", ätzte der Gastgeber Muktada, der heute auf jeden Fall zuschlagen wollte (bei Simone). Jetzt wo's doch offensichtlich so gut lief.
"Und davor mal ein bisschen Koks - was?", ergänzte Muktada. Simone's Blick zollten ihm unverhohlenen Beifall und genau das wollte Muktada erreichen - Pierre lief ein unbehagliches Frösteln über den Rücken - ein leises Ti, Ti, Ti dröhnte in seinem Schädel. Es war irgendwie seltsam - aber nicht so schlimm, das man darüber besorgt sein musste. Pierre atmete durch und verfolgte das weitere Gespräch. Doch dann sah er etwas aufflackern - etwas wie ein Paar schwach gelb leuchtender Augen. "Aber was?"
Pierre war geschockt, doch bevor er diese Sichtung einordnen konnte, waren diese Augen auch schon wieder verschwunden. Hätte er aber gewusst, was die Konsequenzen seiner bald getroffenen Entscheidung sein würden, wäre er vermutlich sofort abgehauen - aber, er wusste von nichts. Nichts von diesen kleinen Rissen zwischen zwei (bald so ähnlichen) Welten, die einem oftmals als Warnung geschickt wurden. Als böses Omen. Pierre hatte, wie gesagt, keine Ahnung von dergleichen und erkannte sie nicht, die Zeichen, welche bald mehr als das sein würden. Denn die Zeichen würden Wahnsinn werden - frostiger und blutiger Wahnsinn...
"Hey! Axel was is jetzt?!", hörte Pierre Muktada nachhacken. Erst darauf nickte Axel stumm, griff in seine Bauchtasche und warf einen kleinen Beutel mit einem Hanfblatt drauf, auf den Tisch. In diesem befanden sich feinste, von Axel selbst gezogenen und getrocknete Magic Mushrooms der stärksten Sorte. Ihre spitzkegeligen Hüte glänzten in mattem Braun, ihre gekringelten Stängel leuchteten derartig silbern, dass es mehr als nur eine magische Verheißung zu sein schien - vielleicht ein weiterer Riss zwischen 2 Welten?
Und Axel musste kurz schlucken als er noch lapidar anmerkte: "Die müssten reichen, sag ich!"
Muktadas dezente Augenbrauen wanderten abermals anerkennend nach oben. Ja, es sah so aus als würden die reichen! Während der ersten Klänge von "army of ignorance", griff Axel in den Beutel und legte für jeden, drei große, getrocknete Pilze auf den Tisch, welche Muktada und deshalb natürlich auch der schüchterne Pierre sofort dankend an - und einnahmen. Die Zukunft erbebte und Pierre wandelte nun endgültig auf den Pfad in seinen Untergang...
" Und auch du Simi! Let there be rock...", sagte Axel grinstend, für Simones Geschmack etwas zu widerlich, aber das war nicht der alleinige Grund, weshalb sie ihren gerade von Axel offerierten Trip gleich ablehnen würde. Weil später war sie noch mit ihrer Freundin Joey verabredet. Die Beiden hatten vereinbart, gemeinsam auf irgend so ein illegales Festchen zu gehen. Da wollte Simone einfach auf keinen Fall voll auf Pilzen dort aufkreuzen. Laut dem Flyer, den sie in ihrer Tasche hatte, war die Party nämlich irgendwo im Wald. Keine gute Umgebung für Stadtmädchen - schon gar nicht für Stadtmädchen auf Pilzen...
"Phu, nein, ich nicht! Lieber nur eine kleine Nase Koks! Hab heute noch was vor!"
Axel lächelte überlegen: "Ach SCHADE! Trotzdem, auch gut! Aber gib's zu Simi! Die Shroomsis magst du nur nicht, weil sie meine Babys sind!", schlussfolgerte er dennoch irgendwie richtig, während er nach dem gewünschten Briefchen griff. Bereitwillig streute er ihr daraufhin eine "Nase" auf seinen kleinen Taschenspiegel mitten im anderen Zeugs auf dem Tisch und schaute verstohlen zu Muktada, der nur dämlich grinste. In einer Hand hielt er schon sein silbernes, speziell zu diesem Zweck von einem besonderen Freund georderte und angefertigte Röhrchen - dazu auch noch die Bankomatkarte und die hackte gleich wild vor sich hin und Simone's Augen rückten keinen Zentimeter mehr vom weißen Pulver ab, als Axel das Koks auf dem Spiegel für sie vorbereitete . Ihre Atmung beschleunigte sich etwas. Mit etwas schriller Stimme sagte sie endlich, aber für einen gelungenen Konter viel zu spät: "Ja Axel, aber das ändert nichts daran, dass ich mit Joey heute noch auf eine Party gehe, da kann ich echt keine Paranoia gebrauchen! Ich hoffe, dass geht in deinen Schädel rein..."
Axel, der Simone mit übertrieben gönnerhafter Miene den Spiegel samt Zubehör überreichte, wollte gerade noch was dazu sagen, als ihm Muktada mit fester Stimme dazwischen funkte:" Echt? Party! Wieso weiß ich dann nichts davon?"
Simones Miene zuckte, sie nahm sich die ganze Brise mit nur einem Nasenloch und schaute zornig zu Muktada auf.
"Weil dich das nichts angeht! Bist ja nicht mein Kerl, oder!" , entkam es ihr kaltschnäuzig. Das Koks begann schon zu wirken, bekam Muktada zu spüren, der daraufhin mit offenem Mund dastand. Und für Pierre wirkte alles gerade ziemlich wie in einer besonders schlechten Sitcom. "Schon seltsam...", dachte er sich und die zarten Finger seiner linken Hand zuckten erneut - der Geschmack der Pilze klebte nun auf seiner pelzig gewordenen Zunge...
"Was isn das für eine Party, Simone?", warf er überraschend ein, mit wesentlich lauterer Stimme als sonst und fuhr kurz darauf beschämt zusammen. Simone sah ihn unvermittelt an und zog besonders hektisch an ihrer Zigarette. Ja, ihm konnte sie es ja verklickern - auch wenn die anderen davon Wind bekamen. Jetzt wo sie bald alle auf Pilzen sein würden, würde bestimmt niemand auf so eine blöde Idee kommen und sie begleiten wollen, oder? Dann griff sie in ihre Tasche, nahm den Partyflyer, welchen ihr ein hübscher Unbekannter vor ein paar Tagen in der Fußgängerzone zugesteckt hatte und reichte ihn an den verdutzten Pierre weiter. Das war der Moment in dem sich Muktada auch eine kräftige Nase nahm - nur für ein stabiles Gleichgewicht des Schreckens, dachte er sich.
" Partybox, feiern bis zum nächsten Tag! Let your Eggs rock!", las Pierre (in einer erfrischend ungehemmten Variante) allen laut vor, den Simones Aufmerksamkeit gerade zu einem wahren Höhenflug anstachelte - seine Stimme bebte nur leicht.
"Klingt aber schon komisch Simi! Das würde mich nicht hinter dem Ofen hervorlocken! Also ehrlich...", Muktada schaute gelangweilt drein und fügte, als Simone ihn nicht einmal ansah, wütend hinzu:" Wann wirst du denn dann abhauen? Würd mich nur interessieren..."
"Jetzt, du Arschloch! Jetzt sofort!", fauchte Simone kämpferisch und plötzlich völlig außer sich. Ihre Augen funkelten überheblich und ein tiefes Rosa überzog auf einmal ihre glatten Wangen, das an einigen Stellen sogar in ein feuriges Rot überging - sah ziemlich bedrohlich aus.
"Ah ja, und viel Spaß bei eurem Horrortrip wünsche ich euch! Könnt die scheiß Shroomsis gleich auf einen Pizzateig streuen und sie euch in den Arsch schieben, wo's doch dort so schön warm ist!", setzte sie noch eins drauf und Pierre musste innerlich lachen - jetzt wo das noch ging. Diese Aussage hatte wirklich Feuer. Dann traf ihn der vernichtende Blick von Muktada und der war ziemlich empört: "Was ist denn mit dir jetzt auf einmal los Simi! Packst das Koks nicht, oder...", denn damit hatte er nun auch wieder nicht gerechnet - zumindest nicht so schnell, außerdem war ihm aufgefallen, dass sein Hundchen gerade gelächelt hatte über ihn. Ja, dieser Pierre, der stand wohl auf Simone, na klar. Bevor er noch etwas dagegen tun konnte, warf Simone ihre Kippe achtlos auf den Parkettboden, würdigte ihn keines Blickes mehr und ging unter klacksenden Schritten schnurstracks zur Türe, wie eine hochwohlgeborenen Prinzessin, welche man extrem beleidigt hatte und das einzig zu dem Zweck, um nur bloß so schnell wie möglich von diesen (angewärmten) Idioten wegzukommen. Wieso war sie nur überhaupt dort hingegangen? Diese Frage konnte sie momentan nicht schlüssig beantworten. Wegen Muktada? Naja, vielleicht - nein, doch nicht.
Sie überlegte: "Oder wegen, NEIN - wegen Axel bestimmt nicht. Wegen Pierre? Kaum!" Also entschied Simone spontan, dass diese Typen sie so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen würden. Denn Drogen hatten andere auch. Vielleicht nicht so gutes Koks. Nun: Mit beiden Annahmen sollte Simone richtig liegen.
Bevor sie nun die Türe mit aller Wut ins Schloss "dreschen" wollte, drängte sich Pierre, kurzerhand dazwischen. Sein Schuh hinderte die Türe am Zuknallen und Simone wirkte plötzlich stark irritiert. So was auch? Reflexartig hätte sie ihm beinahe eine runter gehauen - beinahe...
"Du, das mit der Pizza war gar nicht so eine schlechte Idee! Kann ich dich vielleicht ein Stück begleiten?", spielte Pierre auf ihren vorherigen "Sager" an, lächelte scheu und senkte seinen schüchternen Blick. Ein Hauch von Silber lag in der Luft...
"Musst du wissen Pierre! Wann wirken denn die Pilze?", fragte Simone mit etwas sanfterer Stimme. Pierre war ja irgendwie in Ordnung - absolut langweilig zwar, aber doch irgendwie in Ordnung. Der einzige von diesen Arschlöchern...
"Weiß nicht - in einer Stunde?!"
"Na dann, komm halt mit!"


Die Übermacht

Die Lider schnellten blitzschnell nach oben. Doch den Augen bot sich nichts als schier endlose Schwärze. An die Ohren aber, drang ein eifriges und gesichtsloses Gekeife...
"Ein elendes, sabberndes und gesichtsloses Gekeife!", ergänzte Georg im panischen Gedanken und wusste sofort: "Ja, jetzt seid ihr da, ihr SCH..., Tinn!" - und alles war pure Dunkelheit als Georg blitzschnell aufsprang. Blindlings versuchte er nach der geladenen Waffe vor ihm am Tisch zu greifen. Dieser verzweifelte Griff ging jedoch soweit ins Leere, dass nur der Daumen ausgestreckt am Gewehr vorbei donnerte und es in hohen Bogen unter einem dumpfen Knallen auf den Boden beförderte - irgendwo in der Finsternis. Erregt sprang Georg auf und tappste unbeholfen aber dennoch flink (mit dröhnendem Schädel), noch einigermaßen gut abgefüllt, einen Schritt zurück, was auch noch den Stuhl zu Boden warf. Darauf folgten zwei weitere, hastige Schritte nach rechts, einer nach links, zwei Schritte nach vorn und der unglückselige Georg krachte nach einem dumpfen "Klonk!" rücklings auf den Bretterboden seiner Hütte. Danach hatte er nicht einmal die Chance, sich auf die frisch eingehandelten Schmerzen überhaupt einzulassen. Die Tinn begannen offenkundig gerade damit, sich zu Dutzenden gegen die Eingangstüre seiner Behausung zu werfen, was einen Krach verursachte, dass es Georg nur so durch Mark und Bein ging. Und von unter dem Bretterboden der Hütte, vernahm Georg zu allem Überfluss auch noch ein verdächtiges Schaben und Kratzen...
Er war nun außer sich vor Panik und tastete sich nun doch, aber unter Schock stehend und mit zittrigen Händen kurz über die Stelle, wo er wahrscheinlich gerade gegen den großen Messingkochtopf, der an einer Kette von der Decke hing, gerannt war. Warmes Blut benetzte sein Fingerkuppen...
"Wo ist meine Waffe !?", murmelte er aufgebracht, stand auf und taumelte, nicht nur vom Zusammenstoß mit dem vermuteten Messingkochtopf noch ein wenig benommen, aber durchaus zielstrebig drei weiter Schritte nach vorne, um endlich an dieses Gewehr zu kommen. Ein, zwei, drei - er ging in die Knie und seine Finger streckten sich gierig aus. Doch da war es nicht!
"Nein, mit mir nicht!!!", brüllte Georg und warf sich wieder, diesmal freiwillig und bäuchlings auf den Bretterboden - unter die Geräuschkulisse der angreifenden Tinn, mischte sich somit kurz, ein wuchtiges Donnern. Dann begann Georg wie wahnsinnig, einem irrer Fensterputzer gleich, mit den Armen nach dem Gewehr zu rudern. Und: "Klack" - tatsächlich.
Die zittrigen Finger seine rechten Hand hatten es doch glücklicherweise gestreift. Wie geölt schlitterte es über den Boden und fuhr letztlich gegen die blecherne Verkleidung seines Holzherdes, was Georgs Ohren freudig vernahmen. Eilig kroch Georg nun einigermaßen zuversichtlich in die angepeilte Richtung. Ganz nah vor der erwarteten Fundstelle erstarrte Georg, als hinter ihm der Boden aufbrach und etwas raubkatzengroßes ausgesprochen bedrohlich hinter ihm aufbäumte. Georg konnte es zwar nur hören - trotzdem fasste er diesen spontanen Entschluss: Beherzt, mit der Bestie im Rücken, sprang er nun auf die Stelle zu, wo er das Gewehr zuletzt gehört hatte und hoffte, diesmal nicht daneben zu liegen. Während des Sprunges biss er sich auf die Lippen, wohl wissend, dass es bestimmt gleich wieder weh tun würde; und das stimmte auch, wenn es auch aufgrund des Blutalkoholspiegels bei weitem nicht so schlimm war...
Hart schlug er auf dem unbehandelten und rauen Bretterboden auf, rammte sich ein paar Späne in beide Oberschenkel - als Bonus aber, bekam er so wenigstens die heiß begehrte Pumpgun mit den Zähnen zu fassen. Für seinen Zustand wirklich außergewöhnlich schnell, fuhr er herum, streckte beide Hände nach der Pumpgun aus, fasste sie fest und feuerte die ersten 7 Schuss völlig blind aber wie besessen, auf den Tinn ab und zerfetzte damit zufällig (und zum Glück) dessen Kopf.
Die Hölle war losgebrochen!!!
Dem zweiten aus den Loch im Boden stürmenden Tinn schlug er mit dem Gewehrschaft genau zwischen den schwach gelb leuchtenden Augen, den Schädel ein. Panisch hetzten seine Pupillen danach durch die Dunkelheit, auf der stetigen Suche nach einem weiteren Paar gelb strahlender Pupillen. Aber momentan war da nichts. Etwas Zeit für Georg in die Vorratskammer zu stürmen, um sich aus dem rechten, obersten Regal die restliche Munition zu besorgen - eine leichte Erinnerungslücke hinderte ihn aber daran, gleich auf dem Tisch nachzusehen...
Und Georg war wütend, das Adrenalin hatte seine Angstgefühle beiseite gedrängt. Er kochte geradezu vor Zorn. Verdammt! Ja, er hätte es wissen müssen. Er hätte darauf vorbereitet sein können - diese hinterhältige Kerze. Denn so war er dazu gezwungen, immer nur zu reagieren, hinkte dem Geschehen immer einen Schritt hinterher - was mit Sicherheit auch am Schnaps lag. Und wenn er sich nicht irrte, hatte er dort im Regal nur lächerliche 43 Schuss Munition. Viel zu wenig, dachte er - bei Weitem zu wenig...
"Wär ich doch nur einen Tag früher..."
Als er die Türe zur Kammer aufriss, tat er das so ungeschickt, dass der Besen, welcher innen neben der Türe lehnte, von der Wucht, mit welcher die Türe aufgrund Georgs ungestümen Vorgehens gegen die Außenwand der Kammer prallte, umgestoßen wurde und Georg mit etwas Schwung an der Nase erwischte. Ein kurzer, brennender Stich durchfuhr Georgs Nasenspitze und wanderte über die Nasenwurzel weiter nach innen und ergoss sich wie ein heißer, elektrischer Impuls hinter seinen Schläfen. Die kurze Zeitspannen, in der er dadurch ausgesprochen unaufmerksam war, reichte aus, dass er sich in der folgenden Schrittlänge irrte und mit ebenso brachialer Gewalt, welche den Besen vorhin aus seiner ruhigen Position gerissen hatte, gegen das Regal vor ihm rannte. Unter heftigem Getöse wurde er von den unzähligen Dosen und Kanistern, welche zuvor noch fein säuberlich dort aufgeschlichtet waren, begraben. Eine wahre Schmerzeruption war die Folge. Unter dem Berg aus Vorräten fluchte und tobte Georg wie ein kleines Kind, während draußen, vor der Kammer weitere Bodenlatten nach oben gedrückt wurden und ein biestiges Keifen und Röcheln zu hören war. Georg aber, bekam von all dem vorerst noch nichts mit, er versuchte stattdessen sich von dem ganzen Zeug frei zu machen. Mit zwei kräftigen Armbewegungen gelang es ihm und er ruderte sich durch das Gerümpel nach oben und schaffte es sogleich, sich, was ihn in Anbetracht der jüngsten Ereignisse selbst verwunderte, mit der linken Hand den vermeintlich vollen Karton mit den Patronen zu fassen und steckte ihn sich gleich in Tasche seiner roten Holzfällerjacke. Georg wollte kurz durchschnaufen, doch jetzt hatte er das Problem, dass sein Gewehr sich nicht mehr in seiner rechten Hand befand - dieses gemeine Unding musste sich noch irgendwo zwischen den heruntergefallenen Vorräten befinden. "Scheiße, Gott - du Arschloch!", brüllte Georg.
"Das ist meine Hütte ihr Drecksviecher - könnt ihr das hören?! Meine Hütte..."
Natürlich konnten ihn die Tinn hören, welche sich inzwischen zu Dutzenden in seiner Hütte eingefunden hatten. Und Georg fuhr herum und schaute ungläubig durch die weit offen stehende Vorratskammer, in seinen spartanischen, gerade ziemlich dunklen Wohn-Schlaf-Essbereich und konnte nicht umhin, sich selbst eine runterzuhauen. Fast ungläubig bemerkte er, dass er diesen Schmerz gar nicht mehr spürte, also schlug er sich ein zweites Mal - nur um ganz sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Wieder spürte er nichts! Aber alles was er noch immer sehen konnte, waren ungefähr 60 Paare gelb leuchtender, beschissener Mutantenhyänenaugen, sonst nichts weiter.
"Ihr Schweine lasst mir ja keine andere Wahl!"
Das war der traurige Moment, in dem er sich erinnerte, alle Patronen schon auf den Tisch gelegt zu haben - denn eine Hand griff in die Westentasche und zerdrückte einen leeren Karton.
Und schon wieder konnte er sich nur auf sein, immer in reichlichem Ausmaß vorhandenes, "Glück", verlassen. Blindlings grub sich seine Rechte in den Vorrätehaufen und...

Nachladen! Schießen, schießen, schießen, schießen...
Nachladen! Georg kam nicht mehr dazu, mehr als 4 Patronen auf einmal nachzuladen. Das war aber gerade noch ausreichend. Stück für Stück schoss er sich den Weg frei, oder besser gesagt, schoss er sich ins Zentrum seiner Hütte. Mit dem für ihn schlechten Ergebnis, dass er jetzt von allen Seiten gleichzeitig attackiert wurde. Ein (beinahe) zärtlicher Prankenhieb hier, ein kleiner Biss da; bis jetzt noch nichts Ernstes. Aber, bekanntlich, höhlt steter Tropfen ja jeden Stein...
Nachdem Georg mit seiner Pumpgun einen wilden (vorerst befreienden) Drehangriff vollführt hatte, bemerkten die Finger seiner linken Hand, dass nur noch etwa 5 Patronen in der (von ihm vorhin ziemlich eilig gefüllten) Westentasche waren. Bis jetzt waren es aber, soweit er sich erinnern konnte, nur 16 Schuss die er abgefeuert hatte. Daraus konnte er schlussfolgern, dass er vorhin nur etwa die Hälfte der Patronen vom Tisch ergattern konnte.
"Ah - Nein!"
Einige davon nahm sich Georg und zog die Hand wieder aus der geräumigen Westentasche seiner dicke Holzfällerjacke. Oder waren es sogar noch 6 in der Tasche verbleibende Stück - fragte er sich gleich darauf, sein Gedächtnis schien unter dem Schnaps und den zahlreichen Blessuren der nahen Vergangenheit, enorm zu leiden - unterdessen fielen ihm 2 Patronen von den 6, die er sich hastig gekrallt hatte, auf den Boden. Er hörte es nicht. Egal - jedenfalls erkannte Georg trotz seiner nicht unwesentlich ins Gewicht fallenden, geistigen Umnachtung, auf den zweiten Blick sofort, dass er seine Hütte umgehend aufgeben musste, wenn er diese "bekackte" Nacht überleben wollte! Sofort und auf der Stelle!
"Ihr gottlosen Tinn!", schimpfte er ein letztes Mal und stürmte unvermittelt auf die Eingangstüre zu, drückte noch im Lauf, deren rostige Klinke nach unten und hechte mit fuchtelnden Armen (diesmal hatte er das Gewehr noch fest in der rechten Hand) ins Freie - geistesgegenwärtig drehte er sich, sobald er die kalte Luft dieser Winternacht in seinen Lungen spürte, um und schoss das ganze (halbvolle) Magazin auf die ihm eilig folgenden Tinn ab, sodass gleich mehr als vier von ihnen, aus der offen stehenden Türe in die Hütte zurückgeschleudert wurden. Daraufhin setzte er ein paar Schritte zurück, sah noch, wie die Tinn gleich einen erneuten Versuch starteten, ihm zu folgen und schmetterte die Türe zurück ins Schloss. Mit übermenschlicher Kraft stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen - die Tinn brüllten vor Zorn, es war ein widerliches Geräusch.
"Das wär erstmal geschafft!", schnaufte Georg und fasste sich hastig an die Gürtelschnalle, wo an einem kleinen Hacken (zum Glück noch immer) der rostige Schlüssel zu dieser Türe hing und versperrte entschlossen das Tor zu seiner Hölle. Im Anschluss holte er die letzten, überraschenderweise jetzt nur mehr drei Patronen (Wo waren die andern beiden?) aus dem Karton in seiner Jackentasche und drückte sie in den Munitionsschacht seiner Pumpgun, während es bereits schon immer heftiger von innen gegen die Türe hämmerte.
Nur einige Augenblicke verstrichen, bis Georg wusste, was nun in weiterer Folge zu tun war. Wollte er, wie schon gesagt, am Leben bleiben, musste er rennen. Und das schnell - irgendwohin! Denn die Türe würde diesen Biestern bestimmt nicht lange standhalten. Einmal noch, drehte er sich um, erschrak fürchterlich , als ein Tinn durch ein kleines Loch unter seiner Hütte sprang, erlegte ihn mit einem gezielten Schuss zwischen die leuchtenden Augen und versuchte seine Flucht fortzusetzen...
Doch DANN:
"Hey, was isn? Bist du auch so rot wie ich?", fragte ihn ein völlig unpassend bekleideter junger Mann plötzlich und wie aus dem Nichts. Georg wunderte sich gewaltig. Er sah ihn kurz an, diesen Fremden mit einem stinkenden Karton in den Händen. Konnte aber nichts mit dieser sonderbaren Erscheinung anfangen und schrie ihm warnend entgegen: "Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!"
Als Georg nur einen dämlichen, völlig verklärten Blick als Antwort erhielt, rannte er einfach weiter und überließ den jungen Tölpel seinem Schicksal. Einen Schuss feuerte Georg noch aus einiger Entfernung ab, um den Tinn, der gerade auf diesen völlig lethargischen Jungen zu hechtete, unschädlich zu machen, dachte sich aber gleich, dass es doch sowieso völlig sinnlos war. Außerdem konnte er von Glück reden, dass er den Jungen nicht auch gleich mit umgenietet hatte - aufgrund der enormen Streuung seiner Waffe. So rannte er einfach weiter, schnell wie ein Windhund! Doch so weit konnte er gar nicht kommen um nicht zu hören, wie die Tinn sich über den jungen Mann hermachten und ihn mit unglaublicher Brachialität, in kleine Stücke zerrissen und sich so ihren Wanst vollschlugen. Somit hatte der Junge ihm wenigstens einen kleinen Vorsprung verschafft, dachte sich Georg, fand aber nicht mehr die Zeit, sich bei diesem, wenn auch nur rein gedanklich, zu bedanken - oder gar, um diesen zu bedauern. Denn blöderweise rannte er gerade gegen etwas in Bauchnabelhöhe, kippte vornüber und stützte wortlos in die Tiefe - einige Meter, sein Körper schlug hart und ungebremst auf hartem Untergrund auf. Georg war sofort tot.


Bad Trip

Während sie so den Bürgersteig entlang schlenderten, konnte es Pierre sich nicht verkneifen, immer mal wieder einen Blick in Simones imposanten Ausschnitt zu riskieren - zu verlockend war es. Er gab sich zwar redlich Mühe, dass sie es nicht bemerkte, doch scheinbar stellte er sich so ungeschickt an, dass sich Simone nach einigen verstohlenen Blicken dazu aufgefordert fühlte, etwas dazu zu sagen.
"Hast wohl schon länger keine Freundin mehr? Oder, Pierre?", fragte sie in einem, für diese Situation fast ungewöhnlich sanftem Tonfall und lachte Pierre noch dazu herzlich an - völlig ungewohnt für Pierre, dessen Magen sich zusammenzog um gleich darauf klebrigen "Pilzschleim" durch die Speiseröhre nach oben zu drücken. Ein intensives Aroma füllte seinen Mund.
"Ähm, äh - nein, hab ich nicht! Äh, noch nie - ja...", stammelte er verlegen, schluckte den Schleim hinunter und schaute verschüchtert zu Boden. Simone fand das irgendwie süß...
"Nun, also - ähm, du musst doch jetzt bestimmt weiter, zu deiner Partybox-Sache, nicht?", versuchte Pierre abzulenken und ein leises Rauschen tönte plötzlich zwischen seinen Augen. Und da war es wieder, nur wesentlich stärker - ein helles, ja ein silbernes Gefühl überkam ihn. Pierre blieb sofort stehen. Sein Blick war verklärt und seine Lippen zeichnete ein hohles Grinsen in sein Gesicht. Simone begann sich gerade ernsthafte Sorgen zu machen.
"Hey hallo! Noch da?", fragte sie vorsichtig.
Klar war er noch da, dachte sich Pierre - dann der erschrockene Blick in Simones Augen - äh Augenwinkeln? Ein dumpfes Brummen, die Finger der linken Hand verkrampfen sich zusehends.
"Hey hallo, Pierre!"
Doch Simone erhielt noch immer keine Antwort.
"HAaLo PieRReÄÄÄä?"
Auch die Finger seiner rechten Hand verkrampften sich.
"PIIIIIIIIIIIIIIääääääääääääääääääAAAA!?"
Und dann: Das silberne Gefühl verschwand wieder - ein paar Augenaufschläge lang und Pierre schaute verwirrt in Simones fragendes Gesicht. Was war nur los mit ihm? Ah, die Pilze - das ging aber schnell. Wie lange war es jetzt her? 20 Minuten?
"Ähm, ja - was - ach so!"
Pierre war inzwischen ziemlich drauf, dachte sich Simone. Seine glasigen Augen wirkten irgendwie leicht verdreht. Seltsam. Auch sie bemerkte, dass das aber recht schnell gegangen war. Zu schnell?
"Gehts bei dir noch?", wollte sie umgehend wissen.
Pierre hatte sich diese Frage gerade auch selbst gestellt. Aber, ja - es ging ihm gut, konnte er sagen. "Seltsam" gut. Nur wusste er nicht genau, was er gerade vor hatte. Natürlich gefiel es ihm trotzdem, mit Simi hier unten zu sein. Bei diesen - "dumpfen Vibrationen?"
"Ah, Pierre, falls du noch eine Pizza willst - wenn du noch bis kurz vor die U-Bahnstation mitkommst, wenn du das noch schaffst, da ist eine gute Pizzeria! Da kann ich auch noch ein bisschen auf dich warten!", sagte Simone und zündete sich eine Zigarette an. Über Pierres Blick huschte etwas Raubtierhaftes und ein Hauch des silbernen Gefühles kehrte wieder.
"Weißt du, meine nächste U-Bahn kommt aber schon in einer halben Stunde. Da müssen wir ein wenig Gas geben!"
"Äh - cool, dann bis gleich, Simone!", freute er sich total irritiert und stiefelte betont lässig munter drauf los - einem stolzierenden Pavian gleich und wirklich nur ausgesprochen knapp verfehlte er den beabsichtigten Imponier-Effekt, stolperte gleich danach über den fransigen Teppich eines Feinkostladens - was ihn beinahe einen bösen Sturz einbrachte. Simone musste unvermittelt lachen und zog intensiv an ihrer Zigarette. Nein, der Typ war bestimmt nichts für eine Beziehung, stellte sie fest. Aber er war süß. Wie ein Hundewelpen, ein tollpatschiges Welpen ( das Welpen von Muktada...)
Als reine Sicherheitsmaßnahme, fasste sie Pierre schließlich an seiner linken Hand und zog ihn behutsam von der Straße weg.
"So, dich nehm ich wohl besser an der Hand!", sagte sie in vergnügtem Tonfall und so machten sich die beiden "Händchen haltend" auf den Weg - Richtung U-Bahnstation. Für Pierre wäre diese göttliche Berührung schon unter normalen Umständen etwas Besonderes gewesen. Aber so: Pierres Hand zuckte und sein Penis wurde steif. Ja, das silberne Gefühl war nun allgegenwärtig. Der sonst so verhaltene Pierre fasste sich mit der rechten Hand in den Schritt und seufzte...
Silber, Silber, SILBER !!!

10 Minuten vergingen, in denen Pierre immer wieder, durch die große Fensterfront neben der Eingangstüre der Pizzeria, nach der rauchenden Simone Ausschau hielt und jedes Mal ein heftiges Pulsieren in seinem Penis verspürte, wenn er ihre, aus dem weit ausgeschnittenen Shirt quellenden, für ihn herrlichen, Brüste ansah. Nach dem ungefähr 10ten Hingucker, hätte er schwören können, dass Simone mittlerweile völlig nackt war und sich, während sie ihn beobachtete mit den Fingern über ihren feuchten Kitzler rieb und dabei das Gesicht auf ekstatische Weise verzog.
Völlig ungläubig beobachtete er das elektrisierende Schauspiel und als Simone schließlich einen letzten Zug von ihrer Zigarette nahm, spritze sich Pierre in die Hose - die Finger seiner beiden Hände entspannten sich das erste Mal seit ca. 20 Minuten und gaben mahnend 2 blutige Handflächen frei. Pierre liebte das Silber - es war geil! Anders als sonst, anders als er - doch einfach herrlich enthemmt. Die Luft war plötzlich Freiheit - jawohl - die Luft war, WAS?
"Bitte sehr, 8 Euro macht das dann!"
Pierre drehte sich zu der dumpfen, weit entfernten Stimme um und erblickte erstaunt die mittlerweile völlig nackte, schwarzhaarige Kellnerin (wahrscheinlich italienischer Herkunft) wie sie vom schwitzenden Küchenchef mit kräftigen Stößen von hinten genommen wurde. Pierres Finger verkrampften sich sofort. Das Silber wurde zu Gold. Ein goldenes - ja, ein goldenes Gefühl war das jetzt.
"AAAcht Euroohhhhh, jaaahhh...", stöhnte sie.
Pierre biss sich auf die Unterlippe und spürte plötzlich den feuchten Fleck in seiner Hose. Und sein noch immer steifes Glied schien ihm gleich zu zerbersten. Diese beiden Sinneseindrücke schafften es für einen kurzen Moment, Pierre kurz in die Realität zurück zu katapultieren.
"Ist ihnen nicht wohl? Sie sehen gar nicht gut aus!", fragte die auf einmal wieder angezogene Kellnerin besorgt.
"Ähm, nein es geht schon!", entgegnete Pierre, schon völlig blass und drückte der Kellnerin einen 10 Euroschein in die Hand, nahm den wohlriechenden Karton, mit der Champignonpizza darin, entgegen und versuchte eilig zu entkommen. Doch der Druck in seinem Penis wurde übermächtig und ein wahrer Goldrausch kündigte sich an. Der hilflose Pierre wusste gar nicht, wie ihm geschah.
"Gut dann, ähm tschüss!", sagte er mit allerletzter Klarheit und alles wurde zu Gold.
"Ciaohhhhhh, Bellissimohhhh, ohhh, ahhh...", Pierres Penisspitze schien gleich zu explodieren.
"Warten Sie, Sie bekommen AHHH! JAH, WILLST DU IHN AUCH EINMAL REINSTECKEN, OH, noch ihr, AH - ihr Wechselgeld!"
"Äh! - Ja; Fräulein - das würde mir sehr gut tun!", entgegnete Pierre, mit einem goldigen Lächeln im Gesicht - in seinem Blick aber, regierte schon mehr als bloß die Pilze. Und JA, das würde er jetzt gerne - ihn reinstecken. So ging er wieder ein paar Schritte auf die Kellnerin zu und streckte eine seiner blutigen Hände zitternd nach ihr aus - die andere Hand fingerte an der Hose herum. Während ihr Stöhnen nur immer lauter wurde und der Koch ihr auf die Pobacken schlug.
"JAH, JAH! Hey, was soll das? - ICH KOMME!"
Bevor Pierre seine Hose völlig geöffnet hatte und die Kellnerin nach dem Chef brüllen konnte, stürmte Simone in den Laden und beendete somit dieses, für alle wohl auf seine ureigenste Art, völlig absurde und eigenartige Schauspiel. Das Gold wurde kurz zu Bronze - auch der Geschmack in seinem Mund - Pierre leckte sich über seine aufgebissenen Lippen...
"Das ist mein autistischer Bruder - Ähm, Asperger oder so - ja!", versuchte Simone hastig zu erklären. Die Kellnerin aber schaute nur völlig angewidert und wies auf die Tür.
"Ja, nur raus mit diesem Perversen - schnell! Hier haben Sie das Restgeld! Der Rest interessiert mich nicht!"
Simone hob schnell den Pizzakarton vom Boden und beeilte sich, Pierre so schnell als nur möglich dort raus zu bekommen. Die Kellnerin zündete sich inzwischen ein Zigarette an und inhalierte tief. Dann schob Simone Pierre durch die Tür, eine ihrer Hände streifte unbeabsichtigt seinen steifen Penis und Bronze wurde wieder zu Gold...
Auf der Straße, drückte sie Pierre den Pizzakarton in die zitternden Hände und versuchte nochmal eine Verbindung zu Pierres extrem vernebelten Verstand aufzubauen. Pierre war aber schon beinahe nicht mehr Pierre und er würde es nie wieder sein (können)...
Seine Augen waren es, etwas in seinen Augen und er starrte sie die ganze Zeit an. Simone war zutiefst schockiert - über Pierres Zustand. Konnte man den so rumlaufen lassen, fragte sie sich. Pierre begann wild in seiner noch immer geöffneten Hose herumzurubbeln.
"Sag mal spinn ich!", dachte sie und war heilfroh, zum Glück doch keine Pilze angenommen zu haben...
"So ich muss jetzt gleich los - hey, hörst du mich?", fragte Simone irgendwie angewidert und hatte das dringende Bedürfnis, nur so schnell wie möglich von Pierre wegzukommen. Zumindest ein Teil von ihr wollte das. Ein anderer Teil fühlte sich irgendwie verantwortlich und dachte daran, etwas zu unternehmen.
"Hey, hörst du mich?"
Pierre konnte es hören, das war nie das (besonders nicht sein) Problem. Sondern vielmehr war ausschlaggebend, wie er es hörte und auch vor allem, was sich vor seinen Augen abspielte. Munter rubbelte er weiter und ließ Simone dabei nicht aus dem Blick. Simone wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. War ihr noch nie passiert, dass jemand vor ihr auf der Straße zu masturbieren anfing...
"Eine kann ich noch rauchen! Ich werd auch versuchen, jemanden zu erreichen, der dich abholen kann!"
Als sich Simone darauf noch eine Zigarette anzündete, nur um irgendwie abgelenkt zu sein und eilig ihr Handy aus der Tasche holte, spritzte sich Pierre zum zweiten Mal in die Hose. Danach war alles blau. Oder war es violett? Nein, eindeutig ein klares, ein wissendes Blau. Die Klarheit! Pierre wusste auf einmal was zu tun war. Er musste, er musste - rennen?
"Ach ja, ähm - fein, danke!", sagte Pierre und ergänzte unerwartet: "Ich komm schon klar - danke und ciao!"
Simone sah etwas bestürzt drein, als Pierre sich nun blitzschnell von ihr abwandte und einfach davon rannte. "Ist er jetzt gerade gekommen?", fragte sie sich voll der Bestürzung.
"Hey, Pierre! Hey warte!", rief sie ihm besorgt nach. Doch Pierre rannte einfach weiter und bog in irgendeine Seitenstraße.
"Pass auf dich auf, ja?", murmelte Simone resignierend und steckte das Handy wieder in ihre Tasche. Wen sollte sie jetzt noch zur Hilfe rufen können? Dann nahm sie einen Tiefen Zug von ihrer Zigarette, drehte sich schwermütig um und ging zur U-Bahnstation auf der andern Straßenseite. Bei einem beiläufigen Blick zur Pizzeria, sah sie noch einmal die Kellnerin, die nur abwertend die Augen verdrehte.
"Ich hoffe, Pierre baut keine Scheiße - verdammt!"
Dann verschwand sie in der Station und war dennoch froh, nicht mehr mit dieser Sache in Verbindung zu stehen. Dafür aber, sollte sie bald mit einer anderen, mit einer sehr viel schrecklicheren Sache in Verbindung stehen...
"Let your Eggs Rock!"

Beinahe donnerte Pierre gegen einen Hydranten - zumindest seine Hoden. Als kosmische Strafe eventuell, dachte sich Pierre. Und die Klarheit schritt weiter voran. Simone interessierte ihn gerade nur mehr am Rande. Denn sein Pfad würde der der allumfassenden Erleuchtung sein. Und alles war so - so herrlich blau.
Als er um die Ecke bog und Simone einfach aus seinem Gedächtnis verschwunden war, wunderte er sich, dass er einen Pizzakarton in den Händen hielt. Was? Ein Geschenk, dachte er - wundervoll. Was wohl Muktada davon halten würde? Ja, genau - da wollte er jetzt hin. Muk Ta DA...
Es war aber sein Pech, das er gerade "irgendwohin" unterwegs war - nur mit Bestimmtheit nicht zu Muktadas Wohnung.
Kurz darauf bog Pierre in die nächstbeste Seitenstraße ein und marschierte auf irgendeinen Wohnblock, welcher dem Gebäude, in dem seine Freunde gerade auf einen ebenso derben Trip waren, eigentlich überhaupt nicht ähnlich sah, zu und verschwand kurz darauf in dessen Stiegenhaus. Wie ein Irrer rannte er die Stufen nach oben - mit der Ausdauer eines Langstreckenläufers. In irgendeinem Stockwerk schließlich, spürte Pierre, das er richtig war und schwenkte auf einen schmalen Korridor ein. Schier unzählige Türen zweigten von ihm ab. Nebeneinanderliegend, gegenüberliegend - übereinanderliegend. Pierre begann zu zittern. Und dieser Gang vor ihm, zog sich gewaltig in die Länge. Pierre, für den jetzt alles immer mehr rot zu werden schien, befand sich gerade im 7ten Stockwerk dieses, ihm völlig unbekannten Gebäudes. Mühevoll setzte er stark schwankend, einen Fuß vor den anderen und fokussierte das sich (komischerweise) immer weiter entfernende Ende dieses langen Ganges vor ihm. Doch plötzlich und ohne Vorwarnung, war er mit nur einem Schritt an dessen Ende angelangt. Ungläubig stand er vor der Wand am Ende - und ein abartiges Aroma durchströmte seinen Rachen. Es war kaum auszuhalten und das Rot schien ihn gleich zu übermannen. In seinem Kopf begann es ungewöhnlich heftig zu dröhnen und zu stechen, irgendwie wurde ihm arg übel und der mittlerweile unangenehme Geruch, den der Karton in seinen Händen verströmte, trug auch nicht dazu bei, dass die Übelkeit verschwand. Bevor er sich dessen bewusst wurde und er kotzen musste, sprang hinter ihm plötzlich eine Türe auf und ein bärtiger, übel nach Schnaps riechender Mann, der einen abgesägten Besenstiel wie ein Gewehr in beiden Händen hielt, sprang ein oder zwei Schritte nach vorn, drehte sich um, tat so als würde er auf jemanden schießen und stemmte sich anschließend mit aller Gewalt gegen die Türe. Während der Bärtige hastig den Schlüssel ins Schloss steckte und die Türe versperrte, fragte sich Pierre, ob er sich das gerade einbildete, oder ob das wirklich geschah. Er konnte es nämlich überhaupt nicht mehr einschätzen, aber diese Feststellung wiederum bestärkte ihn irgendwie darin, dass er diesen Trip ja eigentlich gut im Griff hatte. Denn nur, wenn man sich diese Frage nicht mehr stellen konnte - wusste man nicht mehr, dass man auf einem Trip war und dann, ja dann war man erst im Arsch. Doch Pierre irrte sich gerade gewaltig, ein stechender Schmerz hinter seinen Augen begleitete diese falsche Erkenntnis und war außer diesem satten ROT, momentan die einzige Verbindung zu dieser, seiner Wirklichkeit. Rot war es - jawohl, alles rot! Geht es dem Mann gleich, oder geht es ihm gut. Oder - ja, ist er womöglich rot?
Um zu überprüfen, ob der Mann nun auch rot war oder nicht, fiel Pierre nichts besseres ein, als diesen danach zu fragen. Ein fragender Blick war die Antwort, gefolgt von den mehr als eindringlichen Worten.
"Renn um dein Leben, du Narr, die Tinn kommen! Siehst du sie nicht? Hinter mir - die Viecher mit den leuchtenden Augen!", brüllte ihm dieser als Antwort entgegen.
Pierre konnte mit so einer Antwort natürlich gerade überhaupt nichts anfangen. Außerdem wurden seine Kopfschmerzen gerade noch eine Spur stärker. Ti, Ti, Ti, polterte es in seinem Schädel und mit ungläubigen und stark geröteten Augen, beobachtete Pierre, wie der Bärtige wie ein Besessener den langen Gang, den er selbst eben, so sonderbar und dadurch mühevoll bewältigt hatte, entlang rannte und so den Eindruck erweckte, als würde er vor irgendetwas davon laufen.
Ti, Ti, Ti...
"Die Tinn?", fragte er sich. Ja, dieser Bärtige konnte einem wirklich leid tun. Die Tinn - da hatte er ja noch richtiges Glück mit seiner roten Farbe. So ein Glück..
Ti, Ti, Ti, und auf einmal waren die Kopfschmerzen verschwunden.
Als er sich von diesem letzten Ti - Ausbruch etwas erholt hatte, beschloss Pierre, einfach nachzusehen, ob dieser Gang hier vorne vielleicht um die Ecke bog und ob dort vielleicht Muktadas Wohnung war. Dann hörte er einen lauten Schuss und ihm fröstelte. Erschrocken drehte er sich um und versuchte herauszufinden, von woher dieser Schuss denn gekommen war. Als er das rasche Drehmanöver abgeschlossen hatte, stand er aber plötzlich vor einer alten Hütte mitten im Nirgendwo, bei sternenklarer Nacht und im Winter. Er war mehr als nur erstaunt und ganz weit hinten, sah er diesen Bärtigen gegen etwas rennen, das von hier aus, wie das Geländer einer Stiege aussah. Komisch- mitten in der Wildnis, dachte sich Pierre noch und bevor er erkennen konnte, wie ihm geschah, drangen dutzende scharfe Krallen in seinen Leib und begannen ihn zu zerfetzen und alles - ja alles wurde ROT...
 



 
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