Die tote Form des Lebens.

pleistoneun

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Ernst-Ewald erwachte wie jeden Morgen: schweißnass, mit spröder Stimme und widerlichem Geschmack im Mund. Daran war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war an diesem Morgen nur, dass er tot war. Beim Lesen der Morgenzeitung fiel ihm zunächst nur auf, dass sie gar nicht da war. Auch der Morgenkaffee, der sonst immer schon auf dem Frühstückstisch stand, fehlte. Ernst-Ewald schöpfte Verdacht - eine böse Verschwörung seiner Frau? Seiner Kinder? Eine stille Demonstration gegen ihn? Trotzig wandelte er in den Schuppen um sich an die Arbeit zu machen. Doch dort, wo früher sein Pferdekarren stand, protzte jetzt ein neumoderner Wagen. Seltsam. Ernst-Ewald kratzte sich, wo er sich immer kratzte, wenn er spürte, dass etwas nicht stimmte. Und gerade als er im Begriff war, das Licht der Petroleumlampe heller zu drehen, ging das Garagentor auf und zwei wildfremde Menschen setzten sich in das Fahrzeug. Ernst-Ewald protestierte heftig, schrie und tobte, doch alles was er die beiden sagen hörte, war die Beanstandung der schlechten Luft in der Garage, die wohl von seinem ungeputzten Mund stammte.
Diese und ähnlich geartete Vorfälle ereigneten sich alltäglich und allwöchentlich und allmonatlich und alljährlich und immer mit derselben Verwunderung und derselben Bestürzung Ernst-Ewalds. Dass er tot war, hatte er all die Jahre nicht bemerkt, er wollte nur seinem Alltag nachgehen: die Rösser vor den Karren spannen, am Dorfmarkt überteuert Kohlen und Kartoffeln kaufen, das Feld bestellen, das Vieh hüten, die Familie schlagen und sich jeden Abend ordentlich einen hinter die Binde kippen. Jetzt tummelten sich aber ortsfremde Menschen in seinem Haus.

Eines Tages hatte Ernst-Ewald die Nase voll und beging zum zweiten Mal in seinem Dasein Selbstmord. Einen Schlussstrich setzen, sich von der Welt verabschieden, konsequent den Weg zu Ende gehen, jawohl! Aber auch am nächsten Morgen stand da kein Kaffee auf dem Tisch, wo sonst immer einer war.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo pleistoneun,

bis auf den Hinweis auf 'The Sixth Sense' (mir unbekannt) hätte ich dir genau das geschrieben, was Columbia nun bereits getan hat. Sie war nur wesentlich ausführlicher, als ich es wohl gewesen wäre.
Aber eines möchte ich noch betonen:
Idee - finde ich toll (birgt viel Ansätze für humorige Szenen)
Plot - büschen dünne, aber ausbaufähig, ausbaufähig, ausbaufähig...

Scheiße - jetzt bin ich tatsächlich dabei, Columbia wiederzukäuen. Also Schluss und Gruß
Ralph
 



 
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