Drehbuch: Die Interaktivität des Seins

T

Tabasco

Gast
Die Interaktivität des Seins
(Wie ich lernte ein Arschloch zu spielen, ohne eins zu sein)

Gedämmtes Licht. Eine Person steht in der Mitte der Bühne, bekleidet mit einem Bademantel, eine Zigarette in der linken Hand. Er atmet sehr schwer, bevor er anfängt zu sprechen.

Mark
Also ich sag Ihnen eines. Es gibt nichts besseres, als vor dem PC zu sitzen, sich ein paar schmuddelige Bilder anzuschauen, zu masturbieren, dabei sein Lieblingslied zu hören und direkt beim Refrain abzuspritzen, wenn die emotionale Tiefe des Songs am besten ist. Dabei könnt ich immer sterben. Die Gefühle, die dabei entstehen, gibt’s sonst nur im Kino. Aber wissen Sie, was wirklich schlimm ist? Also, ich weiß ja nicht ob das nur bei mir so ist, aber wenn man Bier getrunken hat, so zwei bis drei, und wenn man dann onaniert dann muss man nach dem Abspritzen laufend pissen, obwohl nichts rauskommt. Da kann man sich dann nur unter die Dusche stellen und warten bis es wieder vorbei ist. Oder man setzt sich aufs Klo und presst qualvoll jeden kleinen Tropfen aus sich heraus. Ich kann Ihnen sagen, das ist so scheiße.

Abgang

2. Person tritt auf (schwarzer Anzug, Aktenkoffer, Zigarette in rechter Hand)

Markus
Guten Abend (stellt den Aktenkoffer auf den Boden, zieht von der Zigarette). Soeben waren Sie zeugen einer Emotion. Dieser Mann, nennen wir ihn an dieser Stelle Mark, verriet uns etwas aus seinem innersten, was so gut wie keiner weiß, zumindest nicht von ihm. Es mag sein, dass der eine oder andere von Ihnen Marks Gefühle durchaus nachvollziehen kann. Es war ihm sichtlich peinlich, haben Sie das bemerkt? Oh mann, wär das meine Rolle gewesen, hätt ich mir nach dem Auftritt einen Strick gesucht. Aber lassen wir das. Sie fragen sich sicher wer ich bin (kniet sich neben den Aktenkoffer und öffnet ihn). Ich bin der Markus. Ich verkaufe pessimistische Schlüsselanhänger. Ich weigere mich zu glauben, dass alle Menschen nur witzigen belanglosen Scheiß auf Ansteckern, Schlüsselanhängern und so weiter sehen wollen. Manchmal sind wir traurig und da brauchen wir Sprüche wie „du bist scheiße“, die uns bestätigen. Wollen wir Mut, reden wir mit Freunden, Psychiatern oder mit dem Partner. Wollen wir Mitleid, schauen wir auf meine Anhänger (holt ein paar Anhänger aus dem Koffer und zeigt sie in Richtung Publikum). Mark war mein bester Kunde und ich bin hier um zu erwähnen, (packt die Anhänger wieder in den Koffer, schließ ihn, nimmt ihn in die Hand und steht auf), dass ich mich fortan vom gesamten weiteren Werdegang Stückes sowie besonders von allen Entwicklungen in Marks Leben distanziere. Guten Tag.

Abgang

1.


Eine junge, sichtlich traurige Frau betritt die Bühne. Sie zieht ein Seil hinter sich her, an dem etwas zu hängen scheint. Erst nachdem sie die Mitte der Bühne erreicht hat, wird auf Grund der Länge des Seils sichtbar, was daran befestigt ist. Am Ende des Seils ist ein beräderter Kleiderständer befestigt, an welchem Mark mit einem Strick angehangen ist, aber dennoch mit den Füßen den Boden berührt, sodass er trotz seiner toten Körperhaltung laufen kann. Die Frau zieht von der Mitte aus Mark an sich heran.

Mandy
Was Sie vorhin gesehen haben, war nicht Mark. Das hier ist Mark. Der echte Mark hätte nie den Mut gehabt, derart private Informationen über sich Preis zu geben. Was Sie gesehen haben war eine Illusion. Sowas machen wir im Theater öfter, um die Zuschauer hinters Licht zu führen. Der echt Mark hier ist tot. Mausetot. Und er wird nie wieder aufwachen. Er ist gegangen. Für immer weg. Über’n Jordan isser! Da haben wir Sie ganz schön reingelegt oder?

Mark
(hebt plötzlich den Kopf)
Eigentlich bin ich noch gar nicht tot!
(senkt den Kopf wieder)

Mandy
Sehen Sie, wir haben es schon wieder getan. Sie sind wirklich schnell beeinflussbar. Tztztz. Auch Markus ist eigentlich gar kein Verkäufer von Schlüsselanhängern und ob Sie’s glauben oder nicht, er ist nicht einmal Schauspieler.

Markus
(guckt kurz hinter dem Seiteneingang der Bühne hervor)
Stimmt, bin ich nicht.
(verschwindet wieder)

Mandy
Markus ist eigentlich mein Freund. Und das, obwohl ich hier mit Mark stehe und so tue als würde ich um ihn trauern.

Mark
(hebt den Kopf)
So tue?

Mandy
Ja Mark.

Mark
(senkt den Kopf wieder)

Mandy
Also eigentlich ist, wie gesagt, Markus mein Freund.

Markus
(guckt wieder kurz)
Stimmt, bin ich!

Mandy
Sie merken also, nichts ist so wie es scheint. So Sie haben es nicht einmal vermutet. Und da will mir noch mal einer erzählen, das Theaterpublikum sei kultivierter als die Kinogänger? Leseratten, Fernseheulen. Fast-Food Esser, Selberkocher. Sprotbetreiber, Fußballalkis. Was ich sagen will, rechnen Sie immer damit, jeden Augenblick aufs Kreuz genommen zu werden. Akzeptieren Sie nicht alles was sie sehen. Beachten Sie die Tatsache, dass nichts von alledem ernst gemeint sein muss. Erkennen sie die Ironie in unseren Worten.

Mark
(blickt auf, danach wieder ab)
Ja!

Markus
(kurzzeitig mit dem Kopf im Bühnenbild)
Ja!

Mandy
Mein Name ist Mandy.
Glauben Sie uns nichts!

Abgang (Mandy drückt den Kleiderständer mit von der Bühne)


2.

Adolf Hitler kommt von links auf die Bühne marschiert, bleibt in der Mitte stehen, hebt den rechten Arm.

Hitler
Sieg Heil!

Er marschiert weiter und verschwindet auf der rechten Seite der Bühne.
Charlie Chaplin betritt kurz darauf von der rechten Seite die Bühne, läuft tapsig in die Mitte und blickt sich dabei immer wieder verduzt nach hinten in Richtung Hitler um. In Bühnenmitte bleibt er stehen.


Chaplin
(kurzes Schweigen)
Ist Ihnen eigentlich auf gefallen, dass alle Namen in diesem Stück mit M anfangen außer seiner? (zeigt mit Zeigefinger Richtung Hitler)

Abgang (nach links)

Kurz nach Abgang betritt ein Punk von rechts die Bühne und läuft, auf die Bühne spuckend, die Hände in den Hosentaschen Richtung Mitte, wo er stehen bleibt)

Punk
Und was is mit ihm? (zeigt Richtung Chaplin) Der fängt ja wohl ooch nich mit M an. Ikk bin Malte.

Abgang (nach links)





3.

Das Licht erlischt. Kurz darauf geht es wieder an und alle Darsteller außer Hitler (Mark, Markus, Mandy, Malte, Chaplin) betreten die Bühne, stellen sich in einer Reihe auf und verbeugen sich.

Wenn Publikum klatscht Wenn Publikum nicht klatscht
Alle: Sie sind so dumm! Sie haben es schon wieder getan. Das Stück ist noch lange nicht zu Ende. Wie blöd kann man sein? Schämen Sie sich! Ich hoffe Sie haben aus diesem Test gelernt! Alle: Na Bravo. Ich sehe, Sie verstehen langsam! Das war nur ein Test. Bestanden!

Abgang (alle)

Hitler betritt abermals von rechts die Bühne, marschiert in Richtung Mitte und bleibt dort stehen.

Hitler
(mit typischem Akzent)
Merken Sie denn nicht, was man hier mit Ihnen macht? Das ist Manipulation! Lassen Sie sich nicht manipulieren. Klatschen Sie, wenn Ihnen danach ist. Dies ist ihr gutes Recht! Wir leben in einem freien Land! Sie müssen sich doch nicht von ein paar Schauspielamateuren sagen lassen, wann Sie zu klatschen haben. Überall hört, liest und spricht man von Gedankenbeeinflussung und irrsinnigen Vorschriften. Sicherlich hat keiner der Schauspieler daran gedacht, dass Sie vielleicht nur geklatscht haben, in der frommen Hoffnung, das Stück sei zu Ende. (wird lauter und aggressiver) Lassen Sie sich nichts einreden! Garnichts! Deshlab frage ich Sie, Proletarier dieser Erde, wollt ihr euch weiter auf solch schamlose Weise für zweifelhafte Kunst benutzen lassen? Nein, das wollt ihr nicht! Ich sage, Schluss damit! Ich sage, schluss mit deutschem Stumpfsinn. Ich sage, weg mit alten Normen. Her mit einer neuen Ordnung! Her mit neuen Rechten! Ich sage, nieder mit den Unbeugsamen! Ich sage es ist Zeit für eine Revolution! Deshalb frage ich euch, Proletarier dieser Erde: Wollt ihr den totalen Krieg???

Plötzlich eine monotone Stimme über einen Lautsprecher (oder Megaphon)

Stimme
Ok Adolf. Jetzt runter von der Bühne. Deine Zeit ist um.

Hitler
(guckt nach oben wo die Stimme herkam)
Schon?
(lässt den Kopf hängen und trottet Richtung linker Bühnenausgang)

Abgang





4.

Von links und rechts betreten zwei Putzkräfte (Anita, Ralph) mit Besen (bzw. Mob & Eimer) bewaffnet (und 2 Stühle & einen Tisch tragend), die Bühne und treffen sich in der Mitte.

Ralph
(stellt die beiden Stühle ab)
Na Anita?!

Anita
(stellt den Tisch ab)
Na Ralph?!

Ralph
(stellt Eimer und Mob auf den Boden)
Hast du das auch gerade alles mitgehört?

Anita
Jupp. Ich stand direkt hinter der Bühne.

Ralph
Und was denkst du jetzt?

Anita
(stützt sich auf ihrem Besen ab)
Scheiße. Das denk ich.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Warum arbeitest du beim Theater Ralph?

Ralph
Ich bin Putzkraft Anita.

Anita
Ja, aber trotzdem. Warum arbeitest du gerade hier? Du hättest auch in einem Bürogebäude als Putzkraft arbeiten können.

Ralph
Na wegen Kultur und so.

Anita
(legt den Besen auf den Boden)
Ja, ich auch.

Ralph
Und?


Anita
Naja, ich denk jetzt irgendwie anders darüber.


Ralph
Ja, ich auch.

Anita
In wie fern?

Ralph
Hmm...Darstellende Kunst geht halt doch irgendwie den Bach runter. Da steckt echt Null Kreativität hinter. Ziemlich traurig, find ich.

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Selbst unser Job hier ist teilweise ehrenhafter.

Anita
Ja stimmt. Ich zumindest denke über die Sachen, die ich so von mir gebe noch nach.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Und trotzdem...keiner respektiert unsere harte Arbeit und keiner will hören, was in unseren Köpfen vorgeht. Dabei habe ich den ganzen Kopf voller guter Drehbuchideen.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Wir sollten eigene Stücke produzieren Ralph.

Ralph
Genau. Wir könnten es allen zeigen. Wir haben Potential. Wir müssen zusammen halten Anita. Wir beide. Ich bin davon überzeugt, dass ich ein guter Schauspieler wäre.

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Wirklich?

Anita
Ja.

Ralph
Anita, weißt du was?

Anita
Was denn, Ralph?

Ralph
(greift nach Anitas Hand)
Ich liebe dich, Anita.

Anita
Ja, ich auch.

Beide lächeln sich verliebt an und küssen sich.

Ralph
Wann hast du heute Feierabend?

Anita
So um Sechs.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Super. Ich wollte heute Abend vielleicht ins Kino gehen.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Echt? Wollen wir zusammen gehen?

Ralph
Auf jeden Fall. Ich wollte dich sowieso schon fragen.

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
(lächelt sie an)
Wie spät ist es jetzt?

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Wie?

Anita
(hebt Besen und Tisch auf)
Halb Fünf


Ralph
(nimmt Mob und Eimer in die Hand)
Ja, ich auch.

Abgang (er nach links, sie nach rechts)













































5.

Licht wird bis auf einzelne Effekte völlig abgedunkelt. Von oben ertönt eine männliche Stimme. Während des Monologs schleicht sich eine nur teilweise als Schatten erkennbare Person auf die Bühne und setzt sich in die Mitte.

Stimme
Kleingeist, schwerer Sühne,
malträtierst auf deiner Bühne.

Wenn im Vakuum man singen könnte.
Wenn weinerliche Augenblicke
auch Tränen zeugten in der Clique.

Denkst du noch darüber nach?
Stirbt Hoffnung immernoch zuletzt?
Ist alles andere bereits gestorben,
so dass du jene auch verletzt?

Wer gibt dir das Recht zu glauben?
Wer gibt mir das Recht zu fragen?
Summa Summarum, wer will's wissen?
Ja sag, wen interessiert das schon?
Nur uns beide möcht’ ich meinen,
laut Negation der Negation.

Hol dir die Verantwortung,
die du brauchst zur Wissenslähmung.
Tritt bei dem so geheimen Bund,
der Geister, stets verneinend,
all die Worte niemals meinend.
Auf dass auch alles was entsteht,
sowie auch alles was ich sehe
und jeder Traum nach dem ich flehe
wert sei, dass er zu Grunde gehe.

Ich denke, ich verstehe...

Und als Prinzip bleibt zu beachten,
dass ein Jedes meiner Worte
auch nur Teil des Irrsinns ist,

dass all die, die damals lachten,
die der ganz bestimmten Sorte,
so wortlos, treu, gefügig, trist,

sich in uns beiden widerspiegeln,
solang wir fremde Mähnen striegeln.

Das Gegenteil?
Wovon denn Bitte?
Ich liefere nur ungern Thesen.
Die Denkweise der Antithesen
verkauft man sittlich unterm Tresen.










Als du das letzte Mal versuchtest
für deine Bitch mit Wok zu kochen,
hast du dir den Arm gebrochen.
Als du neulich, wie so oft,
mal wieder diesen Duft vermisstest,
übersahst du, wie du Schweine fistest,
den Großteil deiner Existenz
in fetten fremden Ärschen fristest,
an den Gestank gewöhnt schon bist,
ein Leben lang nur Scheiße frisst.

Dank!, vom obersten Gericht,
hoffnungsloser Wicht!
Ich?
Nein, ich erschieß dich nicht.

Motiviert durch Gottes Lüge,
als singender tanzender Abschaum der Welt,
gehört dir keiner deiner Körper,
kein Hund, kein Fick, kein Geld.
Ich hingegen hat, besitzt, behält,
wovon du glaubst, es sei nicht deins.
Dein Frühstück, du mein großer Held.

Dein Mittagessen, Abendbrot.
Der Rest des Tages, sprich: dein Kot.
Egoistisch greifend, Morgenrot.
Schwärmend schleckend, Kindestod.

Man nehme, zerschlage und breche das Brot,
hält das Leitmotiv im Lot,
ernährt sich aus der Lust der Not.

Und das Gift auf meinen Lippen?
Darfst du nicht persönlich nehmen.
Lutsch es lieber!
Gib es weiter!
Reich es jedem Zuckerbrot!
Zieh die Peitsche!
Nutz die Chance!
Gib der Luft den Hauch von Schrot,
den sie braucht!

Und am Rande eines noch:
ICH LIEBE DICH!
...ich weiß, ich weiß...
...wie unwichtig...

Das Licht erhellt sich leicht. Die Person die nun sichtbar wird ist eine schluchzende junge Frau, die auf dem Boden sitzt, die Hände über dem Gesicht.

Maria
Gott, was ist das nur? Dieses Gefühl. Wie unendliche Leere. Und nichts, gar nichts, was einen Boden darstellen könnte. Nichts was mich auffangen könnte, noch so hart. Ständiges Fallen. Nicht mal den Trost eines harten tödlichen Aufschlags auf einer kalten Betonplatte, der mir den Schädel in kleine Stücke trümmert, gönnt man mir. Nur dieses ewige Fallen. Ich haben das Gefühl, dass es niemals aufhören wird.
Anita und Ralph schlendern plötzlich von links nach rechts glücklich lachend, umarmt über die Bühne und verschwinden wieder
Selbst die sind glücklich. Alle sind glücklich. Irgendwann werden sie auch fallen. Irgendwann. Aber warum gibt mir dieser Gedanke keinen Trost? Ich kann essen und werde satt. Ich trinke und bin nicht länger durstig. Ich atme und glaube zu leben. Ich schlafe und es kostet mich nichts. Ich habe doch alles was ich brauche. Ich kann alles haben. Alles, außer die Liebe. Sie lässt sich nicht erzwingen. Ach warum nur, warum nur muss gerade ich Maria sein. Die Frau die nie einen abbekommen wird? Warum bin ich es, Maria, die zum Single geboren zu sein scheint. Warum kann nicht irgendwer anderes Maria sein? Warum will kein Mensch Maria lieben?

Ein junger Mann betritt von rechts die Bühne, geht auf Maria zu, kniet sich hinter sie und streichelt ihr den Rücken.

Joseph
Aber ich liebe dich doch, Maria!

Maria
Verschwinde Joseph!

Der junge Mann steht auf, gibt ein genervtes Geräusch von sich und verlässt die Bühne wieder – nach rechts abgehend. Maria fährt fort.

Maria
Ach, dies ist kein Leben. Nicht einmal ansatzweise. Ich kann nicht einmal sagen, was genau mir fehlt. Aber es fehlt etwas, soviel steht fest. Ist es eine starke Schulter, an die ich mich anlehnen kann? Ist es die Geborgenheit, vor der ich mich andererseits so sehr fürchte? Ist es vielleicht auch genau jenes unstillbare Verlangen, das mich zerstört? Nein, das Leben ist kein Film. Auch kein Theaterstück. Es ist brutale Realität, in der es darum geht sich zu verzehren, aufzugeben, loszulassen und zu verlassen, bevor man selbst verlassen wird. Nichts hält ewig. Garnichts! Und alles was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht.

Das Licht der Bühne demmt sich wieder bis zum völligen Erlischen. Eine weibliche Stimme ertönt. Unterdessen entfernt sich Maria in der Dunkelheit von der Bühne und Matthias nimmt unerkannt ihren Platz ein.

Stimme
Meine allerbesten Freunde
haben sich vor meinen Augen aufgelöst.
Und während ich langsam das Kabel berührte
waren sie längst alle weggedöst.

Da hat man sich mal zusammengerissen
um die eigene Schutzburg zu sprengen
und wenn ich so zitternd am Stromkabel hänge
weiß man nichts bess'res als abzuhängen.



Da war dieses Mädchen.
Ich fand sie sehr schön.
Ich hab mich gefragt, ob ich sie wiedersehe.
Sie hat den Abend lang zu mir geguckt,
was ich noch immer nicht richtig verstehe.

Ich glaub sie hat viel von der Bowle getrunken
und einmal hat sie mir zugewunken.
Da hab ich nur einfach schnell weggeschaut.

Der Kasper, der will sie auch schon seit langem,.
Er hatte beim Stolpern sie aufgefangen,
nur hat er sich leider nie mehr getraut.

Ich glaube eifersüchtig bin ich nicht.
Ich habe ja auch kein Recht dazu.
Denn selbst als ich merkte, sie will was von mir,
sah ich ihr lieber beim flirten zu,
als selbst mein Glück zu versuchen.

Ich geb mir jetzt noch 20 Sekunden,
dann ist so ziemlich alles vorbei.
Ja klar, ich bereue das ganze schon jetzt,
doch gleichzeitig bin ich endlich als "Ich" dabei.

Genau hier, genau jetzt.
Ich habe mich in der Zeit verschätzt.

Genau so, genau ich.
Mehr zum Sterben brauch ich nicht.

Hilfe hilfe. Leben zieht.
Die Augen, sie rollen im Kreise des Strudels.
Hilfe hilfe. Gedächtnis zerfließt.
In meiner Magengegend sprudelt's.

Ein Schrei in der Stille,
er war nicht von mir.
Ein lautstarkes Krächzen
und ich war es nicht.
Ein Quieken von draußen,
doch ich hänge hier.
Ein Todesgekreische
und ich mache Licht.

Helferkomplex, oh Helferkomplex,
da lass ich das Kabel doch rasch nochmal los.
Dann gehe ich raus, dann rett' ich die Frau
und setze sie männlich auf meinen Schoß.


Dann quassle ich von dummen Wichsern,
die Mädchen an die Wäsche geh'n.
Dann sag ich, ich würde sie allesamt töten,
sollte einer von ihnen vor mir steh'n.

Verliebte Blicke werden getauscht.
Es wird gefummelt und geküsst.
Und ach, wie schön: Die Sonne geht auf,
als wenn sie es zwanghaft tuen müsst'.

In all der Stumpfheit frag ich mich dann,
warum ich am Kabel nicht hängen blieb.
In all dieser Eintracht beschäftigt es mich,
wieso ich noch immer am Leben bin.
Im Glanze der Sonne gefällt sie mir nicht,
wirkt ferner als jeder Lottogewinn.

Der Plage entsprechend hab ich mich entschlossen
jetzt noch ein letztes Mal einzulochen,
um danach befriedigt am Kabel zu kochen.

Und alles schläft still.
Ich ficke, will sterben.
Und alles geht weiter,
im Himmel, auf Erden.

Wer will schon wissen, was ich zukünftig werde?
Wen intressiert's, ob ich ficke...oder sterbe?

Das Licht erhellt sich wieder und der junge Mann, auf dem Boden sitzend wird sichtbar. Er beginnt seinen Monolog..

Matthias
Mann, mann, mann. Frauen! Scheiß Frauen. Die sind eh an allem Schuld. Die vermitteln einem ständig den Eindruck, dass man sich schämen sollte, sich im Spiegel zu betrachten. Ich hasse Frauen. Von mir aus sollen die alle krepieren. Die ganze Menschheit ist im Arsch. Wer denkt da noch an Fortpflanzung. Ich sollte einfach schwul werden. Das würde vieles ändern. Es würde so vieles leichter machen. Männer kann man wenigstens verstehen. Die denken noch halbwegs logisch! Oder ich entschließe mich, für den Rest meines Lebens enthaltsam zu bleiben. Ins Kloster gehen oder so. Da wird ich mit dem ganzen Sex-Dreck gar nicht erst konfrontiert. Wenn ich stark genug wäre, könnte ich mich auch einfach als Single aus Überzeugung verkaufen, aber erstens wer sollte mir glauben schenken und zweitens, würde ich das durchhalten? Die Versuchung wäre zu stark und ich würde immer und immer wieder in die selbe Falle laufen. Was heißt hier würde? Das ist eine Tatsache. Ich werde. Verdammt, ich bin im Arsch. Als ob sich alles im Leben nur um das eine drehen würde. Was heißt hier würde? Das ist eine Tatsache. So ist es und so wird es immer sein. Und ich? Ja, ich gehöre zu der Sorte Mensch, die nie lernen wird damit umzugehen. Ich bin im Arsch. Ich bin so was von im Arsch.

Ein junge Frau betritt von rechts die Bühne, geht auf Matthias zu, kniet sich hinter ihn und streichelt ihm den Rücken.
Josephine
Ich mag dich trotzdem, Matthias.

Matthias
Verschwinde Josephine!

Josephine
Verschwinden soll ich? Was bildest du dir eigentlich ein?

Matthias
Hey Schnecke, nimms mir nicht übel, aber Leute die nicht mit M anfangen haben in diesem Stück einfach nichts verloren, ok?

Josephine
Was geht’s mich an?

Matthias
Ja, ja. Los, ab ins J-Stück mit dir!

Josephine rümpft empört die Nase und geht nach links ab. Matthias richtet seinen Blick zum Publikum.

Matthias
Sie sehen? Frauen! Ich wird’s wohl nie begreifen.

Hinter der Bühne ertönt die Stimme Marias wie ein Echo Matthias’

Maria
Männer! Ich wird’s wohl nie begreifen.

Das Bühnenlicht verschwindet wieder. Komplette Dunkelheit. Von oben ertönen gleichzeitig die Stimmen von Maria und Matthias.


Maria & Matthias (Stimmen)
Ein Knorpelstück.
Ich hab's gegessen.
Ich hab den Großteil deines Kochens
nie an dir gemessen.

Dann ging die Sonne auf,
wir weinten.
Wir dichteten uns Landschaften,
auch wenn sie sich nie reimten.

An einem Tag im Februar,
am 11.02.2002
fragtest du nach Sonnenschein
doch ich hatte keinen dabei.




Dich in den Arm zu nehmen viel mir leicht,
vielleicht weil Leichtigkeit dir gleicht
und Kommunikation, ganz zart und seicht
dir im Liebesleben reicht.

Wenn ich mit den Augen rollte,
rollten deine mit.
Sie rollten in die andr'e Richtung.
für Streit ein erster Schritt.

Und wenn der Hund im Zimmer war,
dann rollten wir zu dritt.

Dein Asthma fand ich immer lustig.
Jeder Anfall war ein Schrei
in meiner lustlos-liebend' Seele
waren's sogar Zwei.

Früher wartete ich lange,
bis ich dann zum Hörer griff.
Am Telefon hat deine Stimme
nicht den wahren Schliff.

Und was das Frühstücken betrifft,
ich ess nicht gern im Bett.
Das wusstest du und brachtest es
immer grinsend, ziemlich nett.

Wo tausende Dämonen weinten,
begannen wir zu lachen.
Ich hab dich dann ausgelacht
und du spieltest den Drachen.

Dem Morgen nie entgegen gehend
wolltest du mich binden.
In der Traunacht schwarzer Menschen
wollt ich dich nicht finden
und lies den Antrag wie die Geste
im Alltagsstress verschwinden.

Dann ging die Sonne auf,
wir weinten.
Wir dichteten uns Landschaften,
die sich niemals reimten.

Alles verstummt. Matthias hat sich unterdessen von der Bühne entfernt.



6.

Die Bühne ist noch dunkel. Musik wird eingespielt (1. Strophe: “Nine Inch Nails – The Day the whole world went away”). Nach Ablauf der Musik erhellt sich die Bühne wieder und Markus, Mark & Mandy stehen sich kreisförmig gegenüber.

Mandy
Und?

Markus
Was und?

Mark
Ja was?

Mandy
Kriegen sie sich?

Mark
Wer?

Mandy
Na die beiden.

Markus
Genau, die beiden!

Mandy
Sag uns doch bitte welche beiden ich meine, Markus.

Markus
Ähm...

Mark
Depp.

Mandy
Matthias und Maria, mensch!

Mark
Ich hab nicht die geringste Ahnung.

Markus
Ich auch nicht.

Mandy
Das war auch keine Frage im eigentlichen Sinne. Vielmehr eine Überlegung, ob wir uns einmischen sollten oder nicht.

Mark
Wobei?
Markus
Ja, wobei?

Mandy
Hmpf, na beim Trauerspiel zwischen den beiden!

Markus
Genau! Beim Trauerspiel zwischen den beiden!

Mark
Welche beiden?

Mandy
(rollt mit den Augen)
Maria und Matthias

Markus
(zu Mark)
Na! Maria und Matthias!

Mark
Ich denke nicht.

Markus
Das wissen wir, Mark.

Mandy
Warum nicht, Mark?

Markus
Ja, warum nicht?

Mark
Weil die Liebe eben hinfällt, wo sie hingehört.

Markus
Genau.

Mandy
Aber oftmals bedurfte es in der Geschichte großer Liebespaare kleiner Helfer im Hintergrund die die Sache ins Rollen brachten.

Markus
Genau

Mark
Schon, aber....ach, macht doch was ihr wollt!

Mark verlässt die Bühne ärgerlich.


Markus
Wo will er hin?

Mandy
Er hat zu kämpfen, weißt du Markus?!

Markus
Aber womit denn?

Mandy
Mit der Tatsache, dass wir beide uns gefunden haben. Und das nur, weil ich mit ihm befreundet war.

Markus
Er hat mir dich vorgestellt.

Mandy
Genau.

Markus
Ja

Mandy
Er sieht sich selbst eine so eine Art kleiner Helfer im Hintergrund. Und er leidet schrecklich darunter.

Markus
Warum? Ist doch schön dass er uns das ermöglicht hat.

Mandy
Ja schon, aber...

Markus
Aber was?

Mandy
Aber er liebt...

Markus
Was liebt er? Wen liebt er?

Mandy
Dich, Markus! Das ist sehr schwer für ihn.

Markus
Ja

Mandy
Hmm...


Markus
Wann ist das Stück zu Ende, Mandy?

Mandy
Keine Ahnung. In einiger Zeit. So jedenfalls kann man es nicht enden lassen.

Markus
Ja. Wie spät ist es jetzt?

Mandy
Ja, ich auch.

Markus
Wie?

Mandy
Um Sechs. (Uhrzeit ist variabel)

Markus
Ja, ich auch.

Beide verlassen arm-umschlungen die Bühne. Die Bühne steht nun ein paar Sekunden lang leer, bis plötzlich Hitler von links das Feld betritt. In der Mitte angekommen will er wieder zum „Sieg Heil“ ansetzen, als plötzlich der Punk Malte ebenfalls von links, mit einem großen (an einem Besen befestigten) Schild, auf dem „Gegen Nazis!“ zu lesen ist, auf ihn zustürmt und ihm kraftvoll ins Kreuz tritt. Als Hitler ächzend am Boden liegt, betritt von rechts Chaplin auf die Bühne.

Chaplin
(zu Malte)
Lassen Sie den Mann in Ruhe! Der hat Ihnen nichts getan!

Chaplin stürmt auf Malte zu um ihn zu vermöbeln. Malte seinesgleichen bewegt sich auf Chaplin zu und tritt diesem bei nötiger Nähe kräftig in den Magen, wobei er das Schild unauffällig wendet. Auf diesem ist fortan nun „Gegen Kultur!“ zu lesen. Nachdem auch Chaplin „alle“ ist und Malte als triumphierender Sieger das Schild in der Luft noch zwei mal gewendet hat, erlischt abermals das Licht auf der Bühne und alles verstummt. Chaplin, Hitler & Malte entfernen sich unterdessen lautlos von der Bühne.













7.

Die Bühne erhellt sich. Matthias schlendert aus einer Seitengasse und bummelt pfeifend über die Bühne und beschaut sich die Kulisse.

Matthias
(im Herumgehen)
Nette Dekoration, das muss man schon sagen. Haben die wirklich gut hinbekommen. Alle Achtung. Jemand, irgendwo in diesem Gebäude, hat sich sichtlich Mühe gegeben, alles herzurichten. Mag sein, es ist keine Profiarbeit und sicherlich auch nicht Oscar-verdächtig, aber da steckt Liebe drin, das seh ich. (bleibt stehen, wird plötzlich still. Nach einer Weile:) Ach, Liebe! Verdammt (seufzt). Und dabei hatte der Tag so gut begonnen. Ich war in Begriff, zu vergessen. Neu anzufangen. Aber man kommt nicht drum rum. So ist das.

Von rechts kommt nun mit schnellem Fuß ein als Postbote verkleideter humpelnder Hitler mit gesenktem Kopf über die Bühne gerannt, bleibt dann kurz bei Matthias stehen.

Hitler
POST...für Sie!

Danach verlässt er die Bühne nach rechts, so wie er gekommen war.
Matthias betrachtet den Umschlag

Matthias
(skeptisch)
Von Maria. Hmmm...

Matthias rupft den Brief ungläubig auf, blickt sich nach rechts und links um und fängt dann an ihn zu lesen. Die Stimme Marias gibt von oben wieder, was Matthias liest.

Maria
Lieber Unbekannter. Ich weiß wir kennen uns kaum. Im Grunde kennen wir uns gar nicht. Doch als man mir von Ihnen erzählte, fühlte ich mich Ihnen so nah, als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kennen würden. Ihre Gedanken, wenn ich den Berichten über Sie Glauben schenken kann, spiegeln so ziemlich genau das wider, was mich den ganzen Tag über beschäftigt. Ich hatte die Hoffnung schon so gut wie aufgegeben, als ich von Ihnen hörte. Vielleicht sollte ich mich irren, vielleicht mache ich mir wie immer etwas vor, aber ich habe nichts mehr zu verlieren. Nach Erzählungen geht es Ihnen ähnlich. Ach, ich weiss gar nicht was ich sagen soll, aber was halten Sie von einem Treffen? Ich würde liebend gerne den Mann kennenlernen, der mir wieder einen Funken Hoffnung in die Seele gezaubert hat und der wohlmöglich in der Lage ist, mich glücklich zu machen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke...

Die Stimme wird unterbrochen. Anitas Stimme ist plötzlich von rechts zu hören. Sie liest den Brief anscheinend weiter. Als sie langsam, ebenfalls in einen Brief vertieft (in Putzenkleidung), die Bühne betritt, wird klar was Sache ist. Sie liest ihn laut vor. Matthias hört auf in seinem Brief zu lesen und blickt sie an. Sie bemerkt es nicht und nähert sich ihm langsam.



Anita
...ich bin verliebt in dich. Nie habe ich eine Frau getroffen, die es so sehr verstand, mir den Kopf zu verdrehen. Du machst mich schier wahnsinnig. Wir teilen die selben Interessen, haben große Ziele und wenn es nach mir ginge würde ich jedes einzelne davon gerne mit dir zusammen erreichen. Du bist das Mädchen meines Lebens. Ich will nie eine andere haben (sie liest gelangweilter, ist nun fast direkt vor Matthias angekommen). Ich möchte dich nie verlieren. Du bist meine Sonne. Bla bla bla...

Anita stößt fast mit Matthias zusammen, als sie den Kopf hebt und den Brief abfällig neben sich auf den Boden wirft. Sie erschreckt sich.

Anita
Huch. Entschuldigen Sie!

Matthias
Ja. Lesen Sie ihre Briefe immer laut?

Anita
Sie haben das mitgehört?

Matthias
Es war quasi nicht zu überhören.

Anita
Öhm nun ja, für gewöhnlich nicht, aber...

Matthias
(unterbricht sie)
War aber ein schöner Brief.

Anita
Ja schon, wenn es nicht schon der dritte in Folge wäre. Langsam kotzt’s mich an. Der Kerl vereinnahmt mich total.

Matthias
Eine Frau braucht Luft zum Atmen.

Anita
Genau. Sie sprechen mir aus der Seele. Aber...was treiben Sie hier?

Matthias
Ich arbeite hier.

Anita
(erstaunt)
Ich auch! Ich habe Sie noch nie hier gesehen.

Matthias
Sie sind Reinigungskraft, nicht wahr? Nun ja, ich enthalte mich gerne der Öffentlichkeit. Es sei denn, ich habe eine Vorstellung. Dann bin ich nicht ich selbst.

Anita
Wie, Sie sind dann nicht Sie selbst?

Matthias
Naja, als Schauspieler kann ich alles spielen, ohne es sein zu müssen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Unendlich.

Anita
(schwärmt)
Ja, das stimmt. Es muss toll sein, die Möglichkeit zu haben, aus seinem Körper zu flüchten.

Matthias
Ganz ohne Drogen.

Anita
Ganz ohne Drogen.

Beide lächeln sich an.

Anita
Und was machen Sie jetzt gerade hier?

Matthias
(zeigt aufs Publikum)
Ich bin gerade in einer Vorstellung.

Anita
Also sind Sie gerade nicht Sie selbst?

Matthias
Doch, doch. Wenn ich mit Ihnen rede schon. Das gehört schließlich nicht zum Drehbuch.

Anita
(lächelt)
Und was spielen Sie?

Matthias
Einen, der nie eine abbekommt, oder besser gesagt, der immer an die falschen gerät, sich von Frauen verarschen lässt und dazu bestimmt ist, ein Leben lang einsam zu sein.

Anita
Oh ja, da haben Sie wirklich eine Rolle, mit der sie aus Sich selbst flüchten können.

Matthias
(lächelt ebenfalls)
Sie schmeicheln mir!

Anita
Ich liebe Schauspieler!


Matthias
Ist das so?

Anita
Ja. Schon immer.

Matthias
Sie haben wunderschöne Augen Anita.

Anita
Möchten Sie mich küssen?

Matthias
Ich denke schon die ganze Zeit daran.

Beide blicken sich tief in die Augen, gehen ein paar Schritte aufeinander zu und küssen sich lange und zärtlich. Danach umarmen sie sich fest und fieren in dieser Position ein.

Die Bühnenscheinwerfer sind leicht gedämpft und werfen ihr ganzes Licht auf das frische Paar. Nach ein paar Sekunden ertönen synchron die Stimmen von Maria und Ralph. Nach dem ersten Viertel des folgenden Monologs der beiden werden auch sie, am hinteren Kulissenrand der Bühne stehend, von unten mit getöntem Scheinwerferlicht bedrohlich beleuchtet. Das Liebespaar bleibt unterdessen unverändert stehen.

Maria & Ralph
In Tausenden von Gläsern fing ich Perlen meiner Tränen.
In Tausenden von Einsamkeiten wollte ich mich lähmen.
Nach Tausenden von Küssen wollte ich mich sehnen.
In Tausenden von Betten wollt ich müde gähnen.

An Tausenden von Tagen könnt ich dich vermissen.
In Tausenden von Klagen könnt ich weiße Fahnen hissen.
In Tausenden von Träumen fühl ich mich zerrissen.
In Tausenden von Betten möcht’ ich auf die Unschuld pissen.

In Tausenden Gedichten hass ich es zu lieben.
In Tausenden von Emotionen will ich mich in Wärme wiegen.
In Tausenden von Köpfen möcht’ ich Ideale biegen.
In Tausenden von Betten will ich nur bei dir liegen.

In Tausenden Momenten will ich bei dir bleiben.
An Tausenden von Blicken erhöhe ich mein Leiden.
Tausende von Adern möchte ich zerschneiden.
In Tausenden von Betten töte ich die Beiden.

Musik wird eingespielt (Anfangsmelodie: „Nine Inch Nails – Something I can never have). Maria & Ralph umarmen sich nun ebenfalls sehr fest. Nach ein paar Sekunden der Reglosigkeit aller Akteure erlischt alles Licht. Musik verstummt nach einer Weile.



9.

Noch bleibt es dunkel auf der Bühne. Im Dunkeln erklingen die Stimmen von Mandy, Markus und Mark.

Mandy
Nein, das kann ich nicht dulden, Markus!

Markus
Nein, Mandy?

Mandy
Definitiv nicht! So war das nicht gedacht!

Markus
Was hast du vor, Mandy?

Mandy
Das wirst du schon sehen, Markus.

Mark
Ihr seid doch verrückt! Alle beide.

Mandy
Mark! Wir brauchen dich hierfür! Zu zweit schaffen wir es nicht.

Mark
Fass mich nicht an, Markus!

Mandy
Er fasst dich an?

Mark
Er begrabbelt mich.

Markus
Tu ich gar nicht.

Mandy
Lass es einfach, ok Markus? Bist du nun dabei oder was Mark?

Mark
Bleibt mir etwas anderes übrig?

Markus & Mandy
Nein!

Mark
(seufzt)
Dann los.

Einen Moment herrscht absolute Stille. Gefolgt von einem krankhaften Lachen, das sich langsam in ein schmerzerfülltes Weinen und schluchzen wandelt. Danach erhellt sich die Bühne wieder. In der Mitte sind die zwei von oben bis unten blutverschmierten Leichen von Anita und Ralph zu sehen. Eine Blutspur zieht sich vom Leichenhaufen in Richtung rechten Bühnenausgang. Ein paar Sekunden geschieht nichts, bis man ein Schleifen aus der rechten Bühnenecke hört. Nach einer Weile wird Malte sichtbar, der die ebenso blutverschmierten Leichen von Hitler und Chaplin, welche ebenfalls eine dicke Blutspur hinterlassen, müsam an den Beinen zur Mitte zerrt. Dort angekommen schmeißt er sie mit auf den Stapel, putzt sich die Hände aneinander sauber, atmet tief durch und entfernt sich wieder in die Richtung aus der er gekommen ist. Auch Malte selbst ist an einigen Körperstellen mit dem Blut Hitlers und Chaplins beschmiert. Wieder ist einige Sekunden nur der Leichenberg zu sehen. Dann betreten vom linken (bereits mit Blutspur versehenden) Bühneneingang Mandy, Markus und Mark die Bühne (alle drei auch mit fremdem Blut beschmiert). Sie beschauen sich das Gesamtwerk.

Mark
Mein Gott, was haben wir getan?

Markus
Wir? Ich hab damit gar nichts zu tun.

Mandy
(verpasst Markus eine Kopfnuss)
Und wo kommt bitte all das Blut auf deinen Klamotten her?

Markus
(überlegt kurz, zeigt dann auf den Stapel)
Also mit zwei von denen hab ich garantiert nichts zu tun!

Mark
Blödmann! Das waren wir auch gar nicht!

Mandy
Wer sind die beiden anderen eigentlich?

Mark
Nur zwei schlechte Schauspieler Mandy. Nur zwei schlechte Schauspieler.

Markus
Verdammt schlechte!

Mark
Alle beide!

Mandy
Ich glaube unsere Arbeit hier ist getan.

Markus
Ist sie.


Mark
Definitiv.

Mandy
Gelungene Arbeit?

Mark
Gelungene Arbeit!

Markus
Gelungene Arbeit!

Mark
Definitiv.

Mandy
Sehr schön! Ok, Jungs, ich geb einen aus. Wie findet ihr das?

Mark und Markus
Echt? Geil! Freibier! Muuuaahhaahaa!!!

Mark und Markus rennen nach rechts von der Bühne. Mandy schreit ihnen hinterher.

Mandy
Jungs!!! Aber erst neue Klamotten, verstanden???

Mandy richtet sich an das Publikum.

Mandy
Meine Jungs. Sie können weder Schauspielern, noch irgendwas. Aber wenn man jemanden braucht, dem man die Scheiße anhängen kann, die man selbst verbockt hat, dann sind die beiden genau die richtigen. Wir drei sind schon ein schönes Gespann, auch wenn ich mich selbst oftmals frage, welche Rolle ich in der Clique überhaupt einnehme. Im Grunde spielt es auch gar keine Rolle. Denn selbst wenn wir es geschafft haben Maria und Matthias zusammen zu führen bleiben wir drei immer noch die schönste M-Pärchengruppe, die man sich vorstellen kann. Einer heißt Mark. Einer heißt Markus. Mein Name ist Mandy. Glauben Sie uns nichts!

Mandy geht nach rechts ab. Wieder sieht man einige zeit den Leichenstapel, bis von links und rechts Maria und Matthias angerannt kommen und jeweils links und rechts vom Leichenberg stehen bleiben. Beide blicken sich einige Zeit an. Dann fängt Matthias an zu sprechen.

Matthias
Das, was du Verständnis nennst,
das Wort mit dem du Reue hemmst,
nach jedem Streit benutzt du es,
obwohl du innerlich noch brennst
und doch genauso weißt wie ich,
dass du nicht verstehen kannst.


Trotz allem sagst du's immer wieder,
weil du um mein Leben bangst,
nicht weil du mich so gerne hast,
nur weil du dir die Schuld verpasst,
im Falle meines Todes.

Solange ich am Leben bin
bleibe ich der Schuldige,
für deine Qual, mich auszuhalten,
wie sehr ich dich auch huldige
und versuche dir zu zeigen,
dass wir beide gleich stark leiden.

So heuchlerisch, wie du dich gibst,
obwohl ich sehe, wie du fühlst.
Du müsstest wissen, dass ich merke,
wenn du deine Wut wegspülst,
die innerlich erhalten bleibt
und langsam auf mich übersiedelt.
Auch ich fühl nun den Hass in mir,
den unsere Liebe widerspiegelt.

Maria lächelt ihn gutmütig an und fängt ebenfalls an zu sprechen.

Maria
Das was du Verzweiflung nennst,
der Schmerz, in den du dich verrennst,
scheint einem Lebensweg zu folgen,
den du selber nicht mal kennst
und den du garnicht leben willst,
weil du weißt, dass du damit
jede Form von Hoffnung killst,
die dir noch geblieben ist,
die dein Herz wie Nahrung frisst,
bis nichts mehr davon übrig ist
und du in dich zusammenfällst,
auch wenn du denkst,
dass wärst du längst.

Du merkst nicht wie du vorsätzlich
dein Leben an den Haken hängst.

Mit dem Wort Verzweiflung
versuchst du dies Gefühl zu deuten.
So hast du scheinbar nie gelernt,
deinen Wortschatz auszubeuten,
sonst wüsstest du, dass dieses Leid
mehr ist als ein schwarzes Kleid,
aus Trauer, Hass und Wut.


Das alles schließt sich zwar nicht aus
und ist darauf zurückzuführen,
wir aber nie den eigentlichen
Kernpunkt des Problems berühren,
der viel mehr als das zusammenfasst,
indem ich deinem Leid erliege.
Ich weiß zwar nicht wie du das siehst,
doch ich nenn sowas Liebe.

Beide lächeln sich nun an. Dann steigen sie auf den Leichenberg und küssen sich zärtlich und lange. Im Hintergrund läuft langsam Musik an (Vnv Nation – Archlight). Nach einigen Sekunden erlischt das Licht abermals. (nach circa 30 Sekunden Musik)
































10.

Die Bühne bleibt dunkel. Die Musik läuft weiter. Nach 1:10 Min. Musik verstummt diese langsam und die Bühne wird wieder hell. Das Blut befindet sich noch auf der Bühne, die Leichen sind weg. Wenn die Musik völlig verstummt ist kommen (immer noch blutig und ramponiert) Anita (mit Hitler an ihrer Seite) und Ralph (mit Chaplin an seiner Seite) von links und rechts, in Putzenuniform, bewaffnet mit Tisch (sie) und Stühlen (er) auf die Bühne. Die Bühne selbst erscheint in einem rötlichen Licht. Im Hintergrund erklingen einige Schreie und düsteres Gelächter. Als sich die beiden auf halber Strecke zur Mitte erblicken bleiben sie stehen und blicken sich verduzt und etwas aggressiv an.

Anita
Ich wollte Karten spielen...

Ralph
Ja, ich auch.

Beide gehen näher aufeinander zu. Hitler und Chaplin kratzen sich zeitgleich am Kopf, blicken recht verlegen, machen kehrt und verschwinden wieder hinter der Bühne. Anita und Ralph lassen vom Augenkontakt nicht ab. In der Mitte angekommen stellt sie den Tisch ab, er positioniert die Stühle auf beiden Seiten des Tisches. Sie setzen sich. Er holt ein Kartenspiel aus der Hosentasche und legt es auf den Tisch.

Ralph
Ich will mischen.

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Dann mach du.

Sie mischt die Karten.

Anita
Ich wollte Rommee spielen.

Ralph
Ja, ich auch.

Beide lächeln sich an.

Anita
Hier ist’s nicht so schlecht, wie ich immer dachte. Ich hätt’s mir schlimmer vorgestellt.

Ralph
Ja, ich auch.

Anita
Wir beide...

Ralph
Ich hab jetzt Feierabend.

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Wie spät ist es jetzt?

Anita
Ja, ich auch.

Ralph
Wie?

Anita
Halb Acht. (Zeit ist variabel)

Ralph
Ja, ich auch.

Sie teilt die Karten aus, das Licht erlischt sehr langsam. Zeitgleich ertönt Musik („Vnv Nation – Archlight ~zweiter Teil~“ oder „L’âme Immortelle – Ich gab dir alles“). Der Song läuft bis zu Ende durch. Dann Ruhe.






Ende
 

NSchaefer

Mitglied
Allein wegen des zum Totlachen und Schmunzeln anregenden 1. Monologs (von Mark) ein MUß!!!
Und auch die Idee der "Interaktivität" mit dem Zuschauer, mit dem Spielen der Erwartungen ist klasse und auch noch gut umgesetzt!
Nur der Titel will mir noch nicht so klar werden... Aber ich werd noch weiter überlegen...
 



 
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