Ein Kind des Junis

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John House

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Ein Kind des Junis
Ich sag dir ich bin ein Kind des Junis, ein Kind des Sommers, ein Kind des frischen Herzens und der duftenden Blumen, umsäumt von summenden Bienen, den Song der Wärme singend. Ich bin ein Kind der nach Teer duftenden, weichen Straßen, der Hitzewellen über dem Asphalt, der braunen, seidenen Haut, unter dünnen Bikinis. Ich liebe auch den Winter, ich liebe seine Winterabende und die gelbe Beleuchtung an den beschlagenen Fenstern, den mysteriösen Rauch aus den steinigen Schornsteinen und das Nachhause-Kommen in einen Raum, wo die Heizung haucht, wo Gebäck seinen Duft verteilt und deine Mutter mit roten Backen Glühwein kocht. Aber ich kann dem Winter nicht standhalten, vor allem seinen grauen, vorankündigenden Nachmittage, ohne Schnee, aber auch ohne Sonne, ohne Regen, sondern nur mit einem eisigen Wind, der über deinen aufgestellten, steifen Kragen schlüpft und deine Ohren einfriert. Ich kann dem Winter nicht standhalten, meine Lippen und Hände platzen direkt auf, denn ich bin ein Kind des Sommers. Ich kann der Sonne standhalten, kaum platzt meine Haut wegen ihr auf und ich sag euch wieso. Denn auch meine Großmutter war ein Kind des Sommers, Kind des Sommer '32, und ich des Sommers '97 und wo ist da der Unterschied? Ich bin ein Kind des Sommers, ich liebe es auf unserer kleinen Terrasse zu schlummern, und die Vögel zu beobachten, die freudig quietschend in unseren kleinen Teich springen und sich den Kopf unter den kleinen Wasserfall kühlen. Ich liebe diesen Teich und sein beruhigendes Gurgeln, was sein eigener, niemals endender Song ist. Doch jetzt ist es Dezember, jetzt ist es weiß, graue Frostdächer und brüchig braunes Laub und mein Teich ist voller Eis und singt nicht mehr und meine Hände platzen auf und ich singe vor brennendem Schmerz, wenn selbst das lauwarme Wasser viel zu heiß ist, als ich aus der Kälte nachhause komme, immer erschöpft, immer grau in den Augen, denn grau ist alles was ich sehe. Ich hasse es wach zu werden und durch meine Jalousien nur pechschwarze Dunkelheit zu sehen, keine Amseln die mich wecken, keine von fern herbei schlurfenden Sonnenstrahlen, sondern nur stählender Kälte, wenn ich eine Hand unter der Bettdecke hervorstrecke. Ich hasse es, wenn der Wind in meine Stirn beißt, hasse es, wenn ich in langweiligen ersten Schulstunden auf meinem Stuhl sitze und in der künstlich, müden Heizungswärme fast einschlafe, denn draußen ist immer noch nur Dunkelheit über meinen geliebten Ramneyportdächern. Mein Verstand schreit "Komm schon Blödmann, du bist ein Kind des Sommers, sie es ein, sie es ein! Hörst du noch die Vögel, hörst du sie noch? Du bist ein Kind des Junis, ein Kind des Sommers, ein Kind der Vögel, also pack deine Sachen und folge ihnen! Folge dem 'Kackaaa, kackaaaa, Kafkaaaa, bastaaaa' und entferne dich von dem 'Uhhhh, wischuuuu, Juuuuuuu-niiiii, weeeeg'!" Denn auch die Vögel sind Kinder des Sommers, doch sie lernten eine Weisheit mehr als wir. Doch ich sage euch warum ich auch den Winter liebe. Auch wenn ich ein Kind des Junis bin, ein Kind des, Setz dich hin und Kühl dich ab, denn die Welt ist ein Ort des Genusses und der roten Sonne und nicht ein Platz an dem man sich quälen und frieren muss, musste ich doch erst durch 17 kalte Winter gehen um das zu sehen. Und genau in diesem Moment, habe ich Sehnsucht danach, auf einer verlassenen Straße, vor den Weiden zu stehen, der eisige Wind aufgebauscht durch meinen schützenden Kragen, den Schal poetisch am Hals dick aufgerollte, eine vom Wind, wild, glühende Zigarette in der Hand und auf die gelb, ja golden leuchtenden Fassade der Kirche und des teuren Hotels zu blicken und dann hoch in den Himmel, nun dunkel und so befreit vom Grau, wo riesige Schwärme meiner Brüder und Schwestern ihre Reise in den Süden antreten und ich zu ihnen hinauf blicke und sie jetzt schon vermissen kann, bis in den nächsten Juni.


 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo John House!

"Ein Kind des Sommers" ja, das schilderst du in einer reichen, fast überschwenglichen Sprache, in immer neuen Variationen. Ich kann dieses Gefühl nachempfinden.
Aber: Wäre dies nicht ein Stück für die Kategorie "Kurzprosa", wo solch ein innerer Monolog ohne eigentliche Geschichte, aber mit viel Emphase und zahlreichen Wiederholungen niedergeschrieben, besser aufgehoben wäre?

Gruß, Hyazinthe
 



 
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