Ein Wiedersehn in Duisburg

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La Luna

Mitglied
Hallo Udogi-Sela,

als ich deine Geschichte zu lesen begann, erstaunte mich deine knappe Ausdrucksweise, mit der du jedoch sehr präzise Eindrücke vermitteltest. Doch dem nicht genug: Die Spannung über eine so lange Strecke, und dazu auch noch mit einer Ortsbeschreibung, aufrecht zu erhalten, dazu gehört allerhand. Das hast du gemeistert, indem du unverbrauchte Umschreibungen für Bilder fandest, die alltäglich scheinen und über die sich niemand mehr so recht Gedanken macht, weil sie selbstverständlich sind.
Ich denke da z.B. an das viergeteilte Gesicht, der rostige Schweif, der grobe Rechen, der halbe Ordnung herstellt, der eingefräste Viertelkreis… und zwischendurch immer wieder das Warten. In dieser Geschichte steckt ein waches Auge und viel Liebe zum Detail und gerade das zeichnet sie aus. Nicht zu vergessen der Schluss. Mein spontaner Gedanke war: Alzheimer. Doch es folgt keine Erklärung und das ist gut so. Ein kurzer Einblick in die Gefühlswelt und dann: „Tag, Mama“. Knapp, und doch so aussagekräftig.
Allerdings möchte ich einen Satz dennoch beanstanden:

Ihr Blick schreibt das Fragezeichen in ihrem Kopf an meiner Silhouette nach.

Zwar weiß ich nach dem zweiten Lesen, und folglich in Kenntnis des Endes, was du meinst. Beim ersten Mal jedoch, dachte ich an eine Fragezeichensilhouette á la Karl Valentin. Ich meine, das Wort "Silhouette" ist daran schuld, kann das aber an keinem Grund festmachen.
Aber vielleicht weißt du ja, was ich meine.

Was mir noch angenehm auffiel ist die perfekte Rechtschreibung und Interpunktion.
Ich freue mich, dass ich diese Geschichte gelesen habe!


Liebe Grüße
Julia
 

Udogi-Sela

Mitglied
Hallo, LaLuna oder Julia (was ist Dir lieber?)

Danke für Deine freundliche Antwort. Hat mich richtig gefreut. Ich habe tatsächlich ziemlich lange an diesen Sätzen geschrieben, verworfen und geändert, aber das darf man ja nicht merken. "Sichtbare Mühe ist zuwenig Mühe".
Den beanstandeten Satz kann man weglassen, ohne dass das Ganze Schaden leidet.

Liebe Grüße
Udo (Gisela)
 

La Luna

Mitglied
Hallo Udo-Gisela, (was ist dir lieber?)

"Sichtbare Mühe ist zuwenig Mühe".
Kluge Worte, da ist was dran.
Dass du dir viel Mühe machtest, kann das geschulte Augen erkennen, aber offensichtlich ist es nicht, da kann ich dich beruhigen.
Doch um deine Frage zu beantworten, was mir lieber wäre, als La Luna oder Julia genannt zu werden:
Hm... ein Sommerurlaub in Irland oder Frankreich vielleicht. Manchmal sogar ein Schokoeis mit Sahne...*lach*.

Man liest sich....

Lieber Gruß
Julia
 

domino

Mitglied
Hallo, Udo,
eine beklemmende Geschichte in eindrucksvollen Bildern gemalt.
(Nur der Satz mit der "winzigen und riesengroße Leere" wirkt auf mich nicht "rund".)
Lieber Gruß
domino
 
B

bluefin

Gast
hallo @udo,

es ist keine geschichte, sondern eine szene, die von der genauen beobachtung des lyrich lebt, der dinge erkennt, über die viele einfach hinweg sehen.

dass es auf die begegnung von jung und alt hinausläuft, vermutet man ziemlich bald, aber das macht nichts - es wird dies ja auf eine besondere art und weise geschildert: ein ganzes haus als metapher.

ein bisschen zuviel gechnörkel, finde ich, ist noch mit dabei; manchmal zuviel umstand und der eine oder andere pathetische ansatz, den's nicht bräuchte. @la luna hält deine ausdrucksweise für knapp, bluefin findet sie hier eher ein spürchen zu opulent. zum beispiel:
Lange warte ich vor der grau lackierten Haustür, [blue]der letzte klingelton ist längst verhallt[/blue]
(Vor einer Ewigkeit verhallte der letzte Klingelton).Ich trete ein paar Schritte zurück.
Warten.
Mein Blick [blue]folgt dem türstock[/blue] (fährt an der Kante des Hauseingangs entlang);(mit) meine(n) Augen zeichne[blue]n[/blue] (ich) die Risse im Mauerwerk nach.
War da was hinterm Fenster über der Haustür?
(Dann fühle) ich [blue]spüre[/blue] (nur noch) den Kragen meiner Jacke im Genick[blue]:[/blue] Oben am Fensterrahmen bröckeln Farbe und Kitt.
(Von Zigarettenqualm) vergilbte Gardinen halten die Sonne fest.
Ein Fensterhaken zieht einen rostigen Schweif auf dem Putz hinter sich her [blue](sehr schön gesagt!!)[/blue].
(Schwarzer) Ruhrgebietsstaub aus vergangenen Tagen [blue]sitzt[/blue] (hat sich) unter den Fensterbänken (festgesetzt) und (im Wechselbad des) [blue]der[/blue] Regen(s) [blue] hat die Front [/blue]d[blue]e[/blue]s alte[blue]n[/blue] Zechenhauses kariert.
Warten.
Ein paar wilde Gräser (fühlen sich) [blue]kümmern[/blue] im Vorgärtchen (wohl).
In schwarzer Erde faulen Zaunpfähle; Reste weißer Farbe(, die noch Festigkeit vortäuschen, schützen die) [blue]blättern über[/blue] morschen Fasern. (Das Gitter lehnt am einzigen dünnen Betonpfeiler.)
Warten.
undsoweiter.

die in klammern gesetzten worte oder passagen passen m. e. nicht oder sind entbehrlich. vielleicht regt dich mein gebläu dazu an, darüber nachzudenken, ob melancholie nicht besser einfach und leis daherkommt, um zu beeindrucken.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
S

suzah

Gast
hallo udo,
mir hat die geschichte sehr gut gefallen.

liebe grüße suzah
 

Udogi-Sela

Mitglied
Verkrampfte Leere

Hallo Antje,

danke für deinen Kommentar zu meinem Text, den ich vor nun schon 6 (!) Jahren hier eingestellt habe. Ich musste ihn zur Erinnerung erst selbst noch mal lesen.

Das mit der „winzigen und riesengroße Leere“ habe ich in Zusammenhang mit dem Verkrampfen des Magens und der Leere im Gehirn geschrieben.
Du hast recht; ich habe es falsch ausgedrückt, denn eine Leere kann sich z. B. nicht verkrampfen.

Ich werde es ändern.

Liebe Grüße vom
Udo
 

Udogi-Sela

Mitglied
Laute Melancholie

Hallo bluefin,

danke für deine Anmerkungen, die mir sehr gut gefallen. Einige Deiner Vorschläge zur Änderung verbessern tatsächlich die Aussagen der einzelnen Bilder. Das heißt, du hast den Text wirklich gelesen.

Ich werde diese Szene (du hast recht, mehr ist es nicht), nochmals überarbeiten, dank deines „Gebläus“.

Na ja, Melancholie kann manchmal auch laut sein…

Liebe Grüße vom Udo
 
H

Heidrun D.

Gast
Hallo Gisela,

mir gefällt dein Text ausgezeichnet, hebt er sich doch vom gefälligen Einheitsbrei ab, den es öfter einmal zu beklagen gibt.

Kurz, prägnant und in eleganter Sprache verfasst, professionell und hintersinnig; hoffentlich gibt es bald mehr von dir zu lesen!

Liebe Grüße
Heidrun
 
B

bluefin

Gast
hallo @udo,

lass dich nicht irremachen - dein text ist überhaupt nicht "kurz und prägnant". er erzählt vielmehr sehr ausführlich davon, wie's aussieht, wenn etwas ganz lamngsam zerbröselt.

über das bisschen "zuviel" dabei haben wir ja schon geredet.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

FrankK

Mitglied
Hallo Udo
Da wurde aber was ausgegraben, danke, domino, gut gemacht.

Eine schöne Geschichte mit einer überraschenden Wendung.
Mir gefällt, wie auch Julia, dass das Ende im Grunde offen bleibt.
Eine unverschnörkelte Sprache, die klare und deutliche Bilder zeichnet, den Stil der Region gut trifft.
Die vielen Details am Gebäude, dennoch nicht langweilig beschrieben.

Viele Dinge sind mir mehr oder weniger vertraut.
Duisburg - (Ruhrort? Bruchhausen?) - Zechenhäuschen, des Kumpels heile Welt.


Viele Grüße
Frank
 

Udogi-Sela

Mitglied
Dank

Hallo @Heidrun,

jetzt hast du mich mit dem Namen meiner Frau Gisela angesprochen. Mein Nickname Udogi-Sela ist das zusammengesetzte Udo & Gisela in anderer Schreibweise.

Da wir aber eine Einheit sind, macht die Anrede durchaus Sinn…

Danke für deinen Kommentar, freut mich, wenn dir der kleine Text gefällt.


Hallo @bluefin,

sagen wir, es handelt sich um eine doch relativ kurze Szene, die Raum für Assoziationen lässt.


Hallo @Frank,

auch dir danke für deinen Kommentar.

(„Ein Wiedersehen in Duisburg-Hamborn“ wäre als Titel auch gegangen.)

Liebe Grüße vom Udo
 
B

bluefin

Gast
leider bleibt das ende nicht offen, lieber @frank - das zechenhaus steht kurz vor dem zusammenbruch, und mutti erkennt ihren sohn nicht mehr. raum für weiter gehende assoziationen sieht ein walfisch nicht.

es ist keine kurzgeschichte, sondern eine sehr lange szene: zeitlupe. eine sehr schöne. die paar mängel, die sie hat, fallen nicht ins gewicht. vielleicht sieht sie nur jemand, die sie wirklich ganz nah ans auge hält.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

FrankK

Mitglied
Guten Morgen, Udogi-Sela
Stimmt, Hamborn könnte es auch sein. Die beiden anderen waren mir nur spontan eingefallen. Spielt für die Geschichte aber auch keine Rolle.

Sehr geehrter Benutzer des Nicknames @bluefin
das zechenhaus steht kurz vor dem zusammenbruch
Warum wegen einer heruntergekommenen Aussenfassade gleich das ganze Gebäude zum Einsturz bringen?

und mutti erkennt ihren sohn nicht mehr.
Es bleibt halt offen, warum sie ihn nicht erkennt.

raum für weiter gehende assoziationen sieht ein walfisch nicht.
Warum nicht? Warum nur immer so stur "geradeaus" denken?

es ist keine kurzgeschichte, sondern eine sehr lange szene
Und was soll dieser Einwurf?


Freundliche Grüße aus Westfalen
Frank
 
B

bluefin

Gast
das haus hat bereits risse, wenn man so genau hinschaut wie das lyrich; der gartenzaun fällt zusammen, mutti pflegt sich nicht mehr und hat obendrein alzheimer.

dass zechenhäuser im allgemein bereits metapher sind, gibt einen zusätzlichen hinweis, lieber @frank.

wahrscheinlich kam es dem autor weniger darauf an, dass ihm mitgeteilt würde, man wäre auch einer aus dem ruhrgebiet, hielte ihn für einen gebäudesachverständigen und wäre im übrigen überrascht davon, dass das kaputte häusel am ende von einer ebenso kaputten alten frau bewohnt wird, als darauf, dass jemand in dem bild den schmerz erkennen würde, den jeder fühlt, wenn er den verfall von ihm lieb gewordenem nicht aufhalten kann.

über die überflüssigen schnörkel brauch ich mich nicht mehr auszulassen (s. den besprochenen abschnitt), und auch darüber nicht, dass es keine kurzgeschichte ist, sondern ein langer, aus tiefem herzen kommender seufzer, der überhaupt keine spielräume läßt.

wer den nicht hört, lieber frank, hat nicht gelesen.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

FrankK

Mitglied
Sehr geehrter Benutzer des Nicknames @bluefin
das haus hat bereits risse, wenn man so genau hinschaut wie das lyrich
Richtig, nichts von wegen Baufällig.

mutti pflegt sich nicht mehr und hat obendrein alzheimer
Kann man so erahnen. Was es im Endeffekt ist, wird ja nicht genannt. Und genau das war es, was ich gut fand. Es lässt noch andere Möglichkeiten offen.
Mit etwas Fantasie ...

dass zechenhäuser im allgemein bereits metapher sind, gibt einen zusätzlichen hinweis, lieber @frank.
Das ist, gelinde ausgedrückt, blühender Unsinn.

... hielte ihn für einen gebäudesachverständigen ...
Wieder einer Ihrer typischen Ablenkungsmanöver, davon hat nie jemand gesprochen.

Da alle weiteren Ausführungen lediglich dumpfsinniges Geschwafel ergeben, belassen wir es mal besser dabei.

Ich finde es lediglich interessant, dass ich dem Verfasser eines Textes mein Lob und meine Anerkennung ausspreche und Sie glauben der Berufene zu sein, mich zurecht zu weisen.


Lieber Udo
Deine Geschichte gefällt mir, lass Dich nicht irre machen, sie ist gut, so wie sie ist.

Das war`s von meiner Seite aus.


Viele Grüße
Frank
 
S

suzah

Gast
hallo frankk,

"Deine Geschichte gefällt mir, lass Dich nicht irre machen, sie ist gut, so wie sie ist."

ich glaube, dass jemand, der so gut schreibt wie udo, auch selbst sehr gut beurteilen kann, ob er nach den kommentaren etwas ändern oder den text so lassen möchte. er braucht nicht deinen hinweis "lass Dich nicht irre machen".

liebe grüße suzah

lieber udo,
hoffentlich lesen wir bald wieder von dir, danke,
liebe grüße suzah
 

Udogi-Sela

Mitglied
Kein Streit!

Hallo suzah, Hallo bluefin, Hallo Frank,

lieben Dank für eure Kommentare und Anmerkungen. Nicht dass noch darüber ein Streit entbrennt. Jedenfalls habt ihr mich dazu gebracht, noch mal über die Ausführung der Szene nachzudenken. Das ist doch wirklich schon eine ganze Menge.
Ein paar Textänderungen werde ich gewiss auch noch vornehmen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Text ja nun auch schon so alt ist, stehe ich sozusagen auch wie ein Fremder daneben und erkenne auch ein paar Mängel. Das wäre ohne euer Zutun sicher nicht eingetreten.
Ich freue mich über euren Zuspruch.

Liebe Grüße vom Udo
 



 
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