Eine Unkonventionelle Art eine Arbeit zu verschieben

1,50 Stern(e) 2 Bewertungen

CarlVester

Mitglied
07:53 stand unter dem Tacho meines Autos. 3 Minuten waren noch verblieben, bis die erste Schulstunde (IV an diesem Tag) begann. Nach mehrmaligem Abwägen, ob es sich lohnen würde, den Morgen im Auto anstatt in der Schule zu verbringen und somit den nicht genügend gelernten Chemie-Test, der in der fünften Stunde anstand, zu verpassen, begab ich mich doch aus meinem bequemen Fahrersitz auf den Weg zur nicht weit entfernten Schule.Noch pünktlich und zum Erstaunen meiner Mitschüler, die nicht mit meinem Erscheinen rechneten, erreichte ich noch vor unserem Lehrer den Computerraum.

Die ersten beiden Stunden verliefen gewohnt ruhig und gelassen. Trotz der Moralpredigt, die wir als Klasse letzte Stunde von unserem Klassenlehrer erhielten, packten wir auch diesmal wieder sieben Minuten vor dem Erklingen des Pausengongs unsere Taschen und verließen den Raum in Richtung Foyer, dem zentralen Knotenpunkt für alle, die zum Lehrerzimmer, dem Sekretariat, den Toiletten oder durch den Haupteingang zum vorderen großen Pausenhof wollen.

Mit dem Lernzettel in der Hand begrüßten wir jeden noch nicht gesehenen Freund oder Kursnachbarn mit Handschlag. Spekulierend, welche Fragen uns wohl im Test erwarten würden und ob es sich noch lohnte, sich in den folgenden zwei Englischstunden austragen zu lassen, freuten sich meine Freunde über den sich nähernden noch fehlenden Kameraden unserer Clique. Das Grinsen stand uns allen erwartungsvoll im Gesicht, denn zwei aus unserer Truppe hatten sich vor zwei Tagen Pupsspray bestellt, welches gestern angekommen war und nun sofort mal getestet werden musste.

Anfänglich sprach ich mich in unserem Gruppenchat auf Whatsapp gegen die Idee Pupsspray zu bestellen aus, da ich mir voll und ganz bewusst über den abnormal nach verfaulenden Kotüberresten giftenden Geruch war. Allerdings fiel meine Kritik gegenüber der Überlegung, sich solch einen Spaßartikel zuzulegen, bei meinen Freunden nicht auf fruchtbaren Boden.

Als wir realisierten, dass sich unserem Pausenzeit dem Ende zuneigte, musste natürlich die Sprühdose auf Funktionalität und Wirkungsgrad getestet werden.
Der Gruppe nachmachend schnallte ich meinen Rucksack auf den Rücken und verstaute den Lernzettel für Chemie in meiner Hosentasche, damit wir uns sofort vom Acker machen konnten, wenn der Mief beginnen würde sich zu verbreiten.

Die Dose wurde vom Plastikdeckel befreit und der Sprühknopf betätig. Es war nicht auszuhalten, so extrem stank dieses Zeug. Selbst Kotüberreste betäuben die Nebenhöhlen nicht so stark wie dieser Gestank. Uns vor Lachen nicht mehr haltend stellten wir fest, dass das wohl der Geruch sein müsse, der beim Verwesen eines organischen Körpers in Sommermonaten auftrat. Die Reaktion der sich in ihre Klassenräume aufmachenden Personen im Korridor lies nicht lange auf sich warten. Fast jeder lief mit zugehaltener Nase oder dem Pullover über dem Gesicht an uns vorbei.

Als wir dann auf unsere Kursmitglieder trafen, die schon vor dem Raum warteten, in dem Englisch stattfand, waren unsere Augen noch voller Tränen vor Lachen. So langsam bekam ich ebenfalls das Gefühl, dass wir noch einen unglaublich spaßigen Tag vor uns hatten.

Netter weise wurde uns die Tür von Raum 212 schon vor Eintreffen unserer Lehrerin aufgeschlossen, was für uns natürlich die nächste Möglichkeit war, unsere neue Errungenschaft auszutesten. Unbemerkt wurde auch dieser Raum kontaminiert und somit erst einmal für Unterricht untauglich gemacht.

Erneut den Tränen nahe waren wir als unsere Englischlehrerin reinkam und uns sofort aufforderte Stoß zu lüften, da es hier unerträglich stank. Nach scherzhaftem Fragen seitens des Lehrkörpers, ob jemand in der Pause seine Tasche in Hundekot gestellt habe, war das Pupsspray schon wieder in Richtung anderem Ende der Bank unterwegs.

Auch nach dem zweiten Versprühen kam kein Verdacht auf, dass wir etwas mit dem abnormal Übelkeit erregenden Gestank zu tun hätten. 30 Sekunden später zog auch ich mir meinen Rollkragen übers Gesicht, allerdings nicht aus dem Grund, dass ich mich nach Sauerstoff sehnte, sondern um mein nicht mehr zurückzuhaltendes, tatverdächtiges Lachen zu verschleiern.

Nach weiteren fünf Minuten verschwand das Spray in der Tasche eines Freundes und wurde auch bis zum Anfang der nächsten Pause nicht mehr ausgepackt.
Jedoch dachten wir alle, einen Weg gefunden zu haben, uns trotz Anwesenheit vor der Chemie-Arbeit zu drücken.Es wurde der Plan geschmiedet, vor Beginn der fünften Stunde das ganze Gebäude plus unseren Chemie-Raum zu ´vergiften´.

Parallel zum Pausenklingeln machten wir uns schnellen Schrittes auf und fingen an, das zweite Stockwerk inklusive des Treppenhauses zu markieren.

Wieder im Foyer angekommen, legten wir eine Pause ein um noch verbliebene Luft zu schnappen, da wir vor lauter Lachen das Atmen vernachlässigt hatten.

Aufgrund der Tatsache, dass die Schülerschaft fast wie bei einem Feueralarm sich auf dem Pausenhof flüchtete, konnten wir uns nur schwer einkriegen.

Zum Ende der Pause befanden wir uns schon im dritten Stockwerk, da wir der Pausenaufsicht mitgeteilt hatten, dass wir nun eine Chemie-Klausur schreiben würden und uns deshalb schon vorbildhaft in die vorgegebene Sitzposition begeben wollten.

Da wir nicht die gleiche Treppe nutzten wie die vor Raum 212,wo wir zuvor Englisch hatten, ergab sich uns die Möglichkeit, noch einen weiteren Teil des Schulgebäudes mit dem süßen uns inzwischen neutral vorkommendem Geruch von vierfach verfaulten Eiern mit Majonäse zu besprühen.

Oben angekommen stand zu unserem Glück auch noch die Tür des Chemieraums offen, wodurch sich uns wieder die Gelegenheit ergab auch diesen Raum zur Sauerstoffarmen Zone zu erklären. Da wir nicht wussten, dass wir die Arbeit jedoch in unserem eigentlichem Klassenraum schreiben sollten, warteten wir im obersten Stockwerk vergeblich auf unsere Klassenkameraden. Als wir schließlich realisierten, dass wahrscheinlich der falsche Raum ´vergast´ worden war, kam uns auch schon unsere Chemielehrerin entgegen.

Wir baten vielmals um Verzeihung, dass wir uns nicht erkundigt hatten wo der Test geschrieben wurde und fügten hinzu, dass das komplette Gebäude mördermäßig schlimm stank. Unsere Lehrerin, die vergessen hatte, die Raumänderung auf das Digitale Schwarze Brett zu schreiben, erwiderte uns mit Verständnis, dass es kein Problem wäre, da wir eh nicht die kompletten zwei Stunden brauchen würden, wir uns jedoch auf dem schnellsten Weg zu Raum 213 begeben sollten, wo es ebenfalls etwas stinken würde. Da ein paar Personen ihre Taschen im Chemieraum, dessen Tür zugefallen war, vergessen hatten, machten sich meine Freunde auf, den langsam verschwindenden Geruch zu erneuern.

Als unsere Lehrerin unseren Klassenraum, der sich im anderen Gebäudeflügel befand, betrat und mit der farblosen Gestankwolke konfrontiert wurde, bat sie den gesamten Chemiekurs sich doch bitte wieder in Richtung Raum 303 zu begeben, wo es anscheinend komischerweise nicht mehr so stank. Dort angekommen ließ uns unsere Chemielehrerin für einen Moment alleine, um zum Hausmeister zu gehen und die Ursache des Gestanks zu erfragen.

Alleine im Raum dachten wir, der Tag wäre doch super verlaufen, schließlich hatten wir den ganzen Vormittag über jede Menge Spaß und es schien es uns allen klar, dass wir Chemie nicht mehr schreiben würden.

Dem war allerdings nicht so…

Als unsere Lehrerin nach mehr als zehn Minuten immer noch nicht zurückgekehrt war, entschlossen wir uns auf dem Gang zu warten, wo es bedeutend besser roch als im Chemieraum. Voller Stolz gratulierten wir uns gegenseitig zu unserem Erfolg, bis unsere Lehrerin kam und uns bat, wir sollten uns doch auf den inneren Schulhof begeben.

Als wir im Begriff waren, unsere Ranzen und Ordner aus dem immer noch miefenden Chemieraum zu nehmen, hörten wir auf einmal Martinshörner und spassten lautstark, dass die wahrscheinlich zu uns kämen. Unsere Lehrerin antwortete mit besorgter Miene, dass dies stimmen würde.

Mit die waren Feuerwehr, Krankenwagen in Kombination mit Notarzt und Polizei gemeint, die von der Schulleitung gerufen worden waren.
Erschrocken erfuhren wir, dass es einen Verdacht auf Auslaufen von Buttersäure gab, denn solch ein Vorfall wäre schon einmal an dieser Schule vorgefallen.

Unten angekommen baten wir um Erlaubnis, uns etwas von der Gruppe zu entfernen und auf dem vorderen Schulhof etwas frische Luft zu schnappen.

Vor unserer Schule hatten sich inzwischen 3 Fahrzeuge, darunter ein Mannschaftswagen mit Drehleiter der städtischen Feuerwehr, zwei Krankenwagen, ein Notarztwagen, ein Polizeifahrzeug und ein roter Bus mit der Aufschrift Messtechnik versammelt.

So infantil auch unsere Idee mit dem Pupsspray gewesen war, dass diese Rettungskräfte wegen uns gekommen waren, wurde uns sofort bewusst. Ohne viel Zeit zu verschwenden begaben wir uns wieder in Richtung innerer Schulhof, wo unserer restlicher Kurs wartete.

Als nach ein paar Minuten zwei Polizeibeamte, unsere Lehrerin und eine Schülerin auf uns zu kamen, war mir der Ausgang dieser Aktion in vollem Maße bewusst.

Auf die Frage, wer im Gebäude herum gesprüht hätte, hob mein Freund rechts von mir sofort seine Hand. Der Beamte forderte ihn, auf ihm die die Sprühdose auszuhändigen, die er allerdings vor lauter Unwohlsein auf dem Rückweg von vorhin in einen Busch geworfen hatte. „Der Täter“ wurde von der Polizei abgeführt und wir hoch in den stinkenden Chemieraum (303) geschickt.

Als später unser Klassenkamerad zusammen mit dem Polizisten durch die Tür kam, teilte er uns mit, dass er niemanden verpfiffen hätte, jedoch die zweite beteiligte Person bitte, sich nun ebenfalls zu melden, damit er nicht alleine die Kosten für den gesamten Einsatz aller Kräfte tragen müsse.

Ein andere Mitschüler sagte, dass er ebenfalls das Pupsspray benutzt und im Gebäude verteilt hätte. Die Polizisten nahmen die Personalien auf verließen mit den Worten, da es ja keine gefährlichen Substanzen waren, niemand mit einer Anzeige zu rechnen hätte, den Raum. Allerdings wurden meine beiden Freunde für morgen nochmals zur Schulleitung bestellt und müssen sich die Kosten für den Einsatz teilen. Auch wenn sonst niemand die Sprays benutzt oder wie ich noch nicht mal in die Hand genommen hat, beschlossen wir gemeinsam, einen Teil der Kosten aufzutreiben. Schließlich stehen wir in der Schuld unserer beiden Kursmitglieder, die auf eine unkonventionelle Art dafür gesorgt haben, dass wir Chemie erst in zwei Wochen schreiben müssen.

Für mich habe ich entschieden, dass es die richtige Entscheidung war, aus dem Auto auszusteigen und in die Schule zu gehen, denn sonst hätte ich dies alles nicht erlebt. Jedoch werde ich versuchen, nächstes mal konsequenter meiner Meinung gegenüber Scherzartikeln durchzusetzen.
 



 
Oben Unten