Szene in einer Bar in Havanna.
Die Mahagoni getäfelte Bar schimmerte matt mit ihrem dezent dunklen Interieur. Auf den schwarzen Holzkacheln des Schanktisches steht in stolzem Goldton "Wiege des Daiquiri" auf Spanisch und Englisch.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.
Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig. Die roten High Heels lagen achtlos davor. Sie war zu dünn, wie das Kleid das sie trug, das mehr von ihrem Körper zeigte als verdeckte. Zu dünn für die klimafrostige Atmosphäre des El Floridita. Seit geraumer Zeit drehte sie eine Zigarette zwischen ihren schlanken Fingern hin und her. Eine gründliche, von keiner Nervosität gestörte Handlung.
Der große Spiegel hinter der Bar aus rautenförmig geschliffenem Glas, gab ihr Konterfei nur verzerrt wieder.
Die linke, mir zugewandte Seite ihres Profils war ebenmäßig mit ausgeprägter, leicht gebogener Nase und hohen Wangenknochen. Schwarze Haare fielen in großen Wellen über ihre nackten Schultern und ein tief ins Gesich fallender Pony veranlasste sie, ihn mit einer schnellen Kopfbewegung zur Seite zu befördern, wenn er ihr die Sicht versperrte.
Es war nicht viel los um diese Zeit im El Floridita.
Antonio polierte Gläser. Mit blütenweißer Serviette. Wenn er eines poliert hatte, hielt er es gegen das Licht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten. Wenn er hinten fertig war, fing er vorne wieder an.
Antonio war ein Schwarzer. Ein sehr schwarzer Schwarzer. Wie Gaze an den Gelenken eines edlen Rennpferdes wirkten die Manschetten seines weißen Hemdes, die ein paar Zentimeter unter den Ärmeln seines schwarzen Jaketts herausschauten.
Mit Antonio konnte man über alles reden; was sicher nicht nur an seiner Mehrsprachlichkeit lag, und über alles schweigen. Im Moment schwiegen wir. Die dünne Frau, Antonio und ich.
Antonio stellte in einem dreigeteilten Schälchen, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne auf die Bar. Eines zwischen die dünne Frau und mich. Sie beachtete es nicht. Rührte jetzt gedankenverloren mit dem Strohhalm in ihrem Daiquiri. Legte ihn zur Seite und trank ein paar gierige Schlucke aus dem Glas, was ein gurgelndes Geräusch hinterließ.
Untypisch für eine Frau, dachte ich mir. Sie kam sich wohl unbeobachtet vor.
Ein Mitvierziger, mit pudelmützenartig, dauergewelltem Haar, gelockerter Krawatte und um die Schultern gehängtem Jakett betrat die Bar.
Galt das El Floridita früher als Treffpunkt von Glücksrittern, abgehalfterten Journalisten, eleganten Zuhälter und korrupten Diplomaten, so war es heute Anlaufstelle für Touristen. Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr nobelpreisgekrönte Hintern gesessen. Allen voran der unverwüstliche Ernest Hemingway, der sich an diesem Ort bereitwillig dem Suff hingab.
Sein geflügeltes Bekenntnis im El Floridita kennt jeder.
"My Daiquiri un El Floridita."
Hier fand er die Figuren seiner Storys. Zwielichte Typen allesamt und hierher ließ er sie als Romanfiguren wieder zurückkehren.
"Is this seat free", fragte der Mann und deutete auf den freien Barhocker zwischen der dünnen Frau und mir.
Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er ihn in Beschlag genommen. Er war so klein, dass seine Füße die Stützen des Hockers nicht erreichten und seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Sah lächerlich aus.
"Es este el Maestro?" fragte der kleine Mann und deutete auf den in Bronze gegossenen Hemingway.
"Si, Don Ernesto", antwortete Antonio.
"Hemingway speziale" orderte der kleine Mann und der dünnen Frau zugewandt: "Would you like Drink?"
"Yes", antwortete sie mit tiefer, gutturaler Stimme, die so gar nicht zu ihrem knabenhaften Körper paste.
Sie nahm ihr Glas und trank den verbliebenen Rest aus. Dazu legte sie den Kopf in den Nacken und ich fand, dass sie für eine Frau einen viel zu ausgeprägten Kehlkopf hatte.
Antonio schob zwei Daiquiri über die Theke wie Hemingway sie gerne trank. Mit doppelter Menge Grapefruitsaft und Maraschino, ohne Zucker.
"What is your name?", fragte der kleine Mann die dünne Frau.
"Inez", sagte sie, wobei sie die Betonung auf die zweite Silbe legte.
"Nice name", sagte er.
Die Unterhaltung stockte. Der Mann begann Witze zu erzählen. Bevor er einen neuen anfing fragte er: "Do you know my joke?"
Inez verneinte, sie kannte keine Witze. Der Mann erzählte einen nach dem anderen. Er selbst lachte so laut über seine Witze, dass es ihm das Wasser in die Augen trieb und er sich ständig auf die Oberschenkel schlug.
Inez lachte ein trockenes, rauchiges Lachen, ihrer Stimme entsprechend fast heiser. Auch Antonio und ich lachten. Ich lautlos und Antonio zurückhaltend, höflichkeitshalber. Warscheinlich hatte er jeden einzelnen Witz schon hunderte Male gehört.
Der Witzeerzähler warf Cashewkerne in die Luft und fing sie mit offenstehendem Mund wieder auf. Inez versuchte es ihm gleichzutun. Es mißlang. Der kleine Mann suchte die auf den Boden gefallenen Nüsse wieder auf und warf sie in den Aschenbecher.
Er nahm einen fünfzig Dollarschein aus einer Klammer mit einem dicken Bündel Scheine und legte ihn auf die Theke.
Antnio nickte leicht mit dem Kopf und steckte das Geld komentarlos in die Kasse.
Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Er legte seine Hand um ihre dünne Taille und sie verließen gemeinsam die Bar.
Antonio mixte einen neuen Daiqiri und stellte ihn vor Don Ernesto auf die Theke.
Die Mahagoni getäfelte Bar schimmerte matt mit ihrem dezent dunklen Interieur. Auf den schwarzen Holzkacheln des Schanktisches steht in stolzem Goldton "Wiege des Daiquiri" auf Spanisch und Englisch.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.
Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig. Die roten High Heels lagen achtlos davor. Sie war zu dünn, wie das Kleid das sie trug, das mehr von ihrem Körper zeigte als verdeckte. Zu dünn für die klimafrostige Atmosphäre des El Floridita. Seit geraumer Zeit drehte sie eine Zigarette zwischen ihren schlanken Fingern hin und her. Eine gründliche, von keiner Nervosität gestörte Handlung.
Der große Spiegel hinter der Bar aus rautenförmig geschliffenem Glas, gab ihr Konterfei nur verzerrt wieder.
Die linke, mir zugewandte Seite ihres Profils war ebenmäßig mit ausgeprägter, leicht gebogener Nase und hohen Wangenknochen. Schwarze Haare fielen in großen Wellen über ihre nackten Schultern und ein tief ins Gesich fallender Pony veranlasste sie, ihn mit einer schnellen Kopfbewegung zur Seite zu befördern, wenn er ihr die Sicht versperrte.
Es war nicht viel los um diese Zeit im El Floridita.
Antonio polierte Gläser. Mit blütenweißer Serviette. Wenn er eines poliert hatte, hielt er es gegen das Licht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten. Wenn er hinten fertig war, fing er vorne wieder an.
Antonio war ein Schwarzer. Ein sehr schwarzer Schwarzer. Wie Gaze an den Gelenken eines edlen Rennpferdes wirkten die Manschetten seines weißen Hemdes, die ein paar Zentimeter unter den Ärmeln seines schwarzen Jaketts herausschauten.
Mit Antonio konnte man über alles reden; was sicher nicht nur an seiner Mehrsprachlichkeit lag, und über alles schweigen. Im Moment schwiegen wir. Die dünne Frau, Antonio und ich.
Antonio stellte in einem dreigeteilten Schälchen, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne auf die Bar. Eines zwischen die dünne Frau und mich. Sie beachtete es nicht. Rührte jetzt gedankenverloren mit dem Strohhalm in ihrem Daiquiri. Legte ihn zur Seite und trank ein paar gierige Schlucke aus dem Glas, was ein gurgelndes Geräusch hinterließ.
Untypisch für eine Frau, dachte ich mir. Sie kam sich wohl unbeobachtet vor.
Ein Mitvierziger, mit pudelmützenartig, dauergewelltem Haar, gelockerter Krawatte und um die Schultern gehängtem Jakett betrat die Bar.
Galt das El Floridita früher als Treffpunkt von Glücksrittern, abgehalfterten Journalisten, eleganten Zuhälter und korrupten Diplomaten, so war es heute Anlaufstelle für Touristen. Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr nobelpreisgekrönte Hintern gesessen. Allen voran der unverwüstliche Ernest Hemingway, der sich an diesem Ort bereitwillig dem Suff hingab.
Sein geflügeltes Bekenntnis im El Floridita kennt jeder.
"My Daiquiri un El Floridita."
Hier fand er die Figuren seiner Storys. Zwielichte Typen allesamt und hierher ließ er sie als Romanfiguren wieder zurückkehren.
"Is this seat free", fragte der Mann und deutete auf den freien Barhocker zwischen der dünnen Frau und mir.
Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er ihn in Beschlag genommen. Er war so klein, dass seine Füße die Stützen des Hockers nicht erreichten und seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Sah lächerlich aus.
"Es este el Maestro?" fragte der kleine Mann und deutete auf den in Bronze gegossenen Hemingway.
"Si, Don Ernesto", antwortete Antonio.
"Hemingway speziale" orderte der kleine Mann und der dünnen Frau zugewandt: "Would you like Drink?"
"Yes", antwortete sie mit tiefer, gutturaler Stimme, die so gar nicht zu ihrem knabenhaften Körper paste.
Sie nahm ihr Glas und trank den verbliebenen Rest aus. Dazu legte sie den Kopf in den Nacken und ich fand, dass sie für eine Frau einen viel zu ausgeprägten Kehlkopf hatte.
Antonio schob zwei Daiquiri über die Theke wie Hemingway sie gerne trank. Mit doppelter Menge Grapefruitsaft und Maraschino, ohne Zucker.
"What is your name?", fragte der kleine Mann die dünne Frau.
"Inez", sagte sie, wobei sie die Betonung auf die zweite Silbe legte.
"Nice name", sagte er.
Die Unterhaltung stockte. Der Mann begann Witze zu erzählen. Bevor er einen neuen anfing fragte er: "Do you know my joke?"
Inez verneinte, sie kannte keine Witze. Der Mann erzählte einen nach dem anderen. Er selbst lachte so laut über seine Witze, dass es ihm das Wasser in die Augen trieb und er sich ständig auf die Oberschenkel schlug.
Inez lachte ein trockenes, rauchiges Lachen, ihrer Stimme entsprechend fast heiser. Auch Antonio und ich lachten. Ich lautlos und Antonio zurückhaltend, höflichkeitshalber. Warscheinlich hatte er jeden einzelnen Witz schon hunderte Male gehört.
Der Witzeerzähler warf Cashewkerne in die Luft und fing sie mit offenstehendem Mund wieder auf. Inez versuchte es ihm gleichzutun. Es mißlang. Der kleine Mann suchte die auf den Boden gefallenen Nüsse wieder auf und warf sie in den Aschenbecher.
Er nahm einen fünfzig Dollarschein aus einer Klammer mit einem dicken Bündel Scheine und legte ihn auf die Theke.
Antnio nickte leicht mit dem Kopf und steckte das Geld komentarlos in die Kasse.
Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Er legte seine Hand um ihre dünne Taille und sie verließen gemeinsam die Bar.
Antonio mixte einen neuen Daiqiri und stellte ihn vor Don Ernesto auf die Theke.