El Floridita

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Lomil

Mitglied
Szene in einer Bar in Havanna.


Die Mahagoni getäfelte Bar schimmerte matt mit ihrem dezent dunklen Interieur. Auf den schwarzen Holzkacheln des Schanktisches steht in stolzem Goldton "Wiege des Daiquiri" auf Spanisch und Englisch.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.

Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig. Die roten High Heels lagen achtlos davor. Sie war zu dünn, wie das Kleid das sie trug, das mehr von ihrem Körper zeigte als verdeckte. Zu dünn für die klimafrostige Atmosphäre des El Floridita. Seit geraumer Zeit drehte sie eine Zigarette zwischen ihren schlanken Fingern hin und her. Eine gründliche, von keiner Nervosität gestörte Handlung.
Der große Spiegel hinter der Bar aus rautenförmig geschliffenem Glas, gab ihr Konterfei nur verzerrt wieder.
Die linke, mir zugewandte Seite ihres Profils war ebenmäßig mit ausgeprägter, leicht gebogener Nase und hohen Wangenknochen. Schwarze Haare fielen in großen Wellen über ihre nackten Schultern und ein tief ins Gesich fallender Pony veranlasste sie, ihn mit einer schnellen Kopfbewegung zur Seite zu befördern, wenn er ihr die Sicht versperrte.

Es war nicht viel los um diese Zeit im El Floridita.
Antonio polierte Gläser. Mit blütenweißer Serviette. Wenn er eines poliert hatte, hielt er es gegen das Licht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten. Wenn er hinten fertig war, fing er vorne wieder an.
Antonio war ein Schwarzer. Ein sehr schwarzer Schwarzer. Wie Gaze an den Gelenken eines edlen Rennpferdes wirkten die Manschetten seines weißen Hemdes, die ein paar Zentimeter unter den Ärmeln seines schwarzen Jaketts herausschauten.

Mit Antonio konnte man über alles reden; was sicher nicht nur an seiner Mehrsprachlichkeit lag, und über alles schweigen. Im Moment schwiegen wir. Die dünne Frau, Antonio und ich.
Antonio stellte in einem dreigeteilten Schälchen, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne auf die Bar. Eines zwischen die dünne Frau und mich. Sie beachtete es nicht. Rührte jetzt gedankenverloren mit dem Strohhalm in ihrem Daiquiri. Legte ihn zur Seite und trank ein paar gierige Schlucke aus dem Glas, was ein gurgelndes Geräusch hinterließ.
Untypisch für eine Frau, dachte ich mir. Sie kam sich wohl unbeobachtet vor.

Ein Mitvierziger, mit pudelmützenartig, dauergewelltem Haar, gelockerter Krawatte und um die Schultern gehängtem Jakett betrat die Bar.

Galt das El Floridita früher als Treffpunkt von Glücksrittern, abgehalfterten Journalisten, eleganten Zuhälter und korrupten Diplomaten, so war es heute Anlaufstelle für Touristen. Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr nobelpreisgekrönte Hintern gesessen. Allen voran der unverwüstliche Ernest Hemingway, der sich an diesem Ort bereitwillig dem Suff hingab.
Sein geflügeltes Bekenntnis im El Floridita kennt jeder.
"My Daiquiri un El Floridita."
Hier fand er die Figuren seiner Storys. Zwielichte Typen allesamt und hierher ließ er sie als Romanfiguren wieder zurückkehren.

"Is this seat free", fragte der Mann und deutete auf den freien Barhocker zwischen der dünnen Frau und mir.
Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er ihn in Beschlag genommen. Er war so klein, dass seine Füße die Stützen des Hockers nicht erreichten und seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Sah lächerlich aus.

"Es este el Maestro?" fragte der kleine Mann und deutete auf den in Bronze gegossenen Hemingway.
"Si, Don Ernesto", antwortete Antonio.
"Hemingway speziale" orderte der kleine Mann und der dünnen Frau zugewandt: "Would you like Drink?"
"Yes", antwortete sie mit tiefer, gutturaler Stimme, die so gar nicht zu ihrem knabenhaften Körper paste.
Sie nahm ihr Glas und trank den verbliebenen Rest aus. Dazu legte sie den Kopf in den Nacken und ich fand, dass sie für eine Frau einen viel zu ausgeprägten Kehlkopf hatte.
Antonio schob zwei Daiquiri über die Theke wie Hemingway sie gerne trank. Mit doppelter Menge Grapefruitsaft und Maraschino, ohne Zucker.

"What is your name?", fragte der kleine Mann die dünne Frau.
"Inez", sagte sie, wobei sie die Betonung auf die zweite Silbe legte.
"Nice name", sagte er.
Die Unterhaltung stockte. Der Mann begann Witze zu erzählen. Bevor er einen neuen anfing fragte er: "Do you know my joke?"
Inez verneinte, sie kannte keine Witze. Der Mann erzählte einen nach dem anderen. Er selbst lachte so laut über seine Witze, dass es ihm das Wasser in die Augen trieb und er sich ständig auf die Oberschenkel schlug.
Inez lachte ein trockenes, rauchiges Lachen, ihrer Stimme entsprechend fast heiser. Auch Antonio und ich lachten. Ich lautlos und Antonio zurückhaltend, höflichkeitshalber. Warscheinlich hatte er jeden einzelnen Witz schon hunderte Male gehört.

Der Witzeerzähler warf Cashewkerne in die Luft und fing sie mit offenstehendem Mund wieder auf. Inez versuchte es ihm gleichzutun. Es mißlang. Der kleine Mann suchte die auf den Boden gefallenen Nüsse wieder auf und warf sie in den Aschenbecher.
Er nahm einen fünfzig Dollarschein aus einer Klammer mit einem dicken Bündel Scheine und legte ihn auf die Theke.
Antnio nickte leicht mit dem Kopf und steckte das Geld komentarlos in die Kasse.
Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Er legte seine Hand um ihre dünne Taille und sie verließen gemeinsam die Bar.

Antonio mixte einen neuen Daiqiri und stellte ihn vor Don Ernesto auf die Theke.
 

Ilona B

Mitglied
Hallo Lomil,
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er schafft Atmosphäre und ich kann mir die Bar und die Personen gut vorstellen.
Nur ist es für mich, wie die Überschrift schon sagt, eine Szene. Es passiert nicht so wirklich viel und auch nichts Erwähnenswertes.
Herzliche Grüße Ilona
 

Lomil

Mitglied
Hallo Ilona
Ich danke Dir für Deine Meinung. Die beschriebene Szene in der Bar soll auf subtile Art darauf hinweisen, dass es sich bei der dünnen Frau um einen Ladyboy handelt. Das finde ich Erwähnenswert genug. Wenn mir das allerdings, durch die Hinweise darauf nicht gelungen ist, habe ich wohl etwas falsch gemacht.

Gruß Lomil
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Lomil,

nein, auf einen „Ladyboy“ bin ich auch nicht gekommen – aber vielleicht habe ich einfach zu flüchtig gelesen. Ich meine, das solltest Du noch ein wenig deutlicher herausarbeiten.

Leider sind wieder mehrere Rechtschreib- und Tippfehler enthalten. Du wirst sie finden, wenn Du mal eine Rechtschreibprüfung drüberlaufen lässt.

Gruß Ciconia
 
U

USch

Gast
Hallo Lomil,
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er schafft Atmosphäre und ich kann mir die Bar und die Personen gut vorstellen.
von ilonab

Dem kann ich mich gut anschließen. Ich kenne Havanna und habe auch dort in Bars gesessen, die afrokubanische Musik, die ich selber zeitweise getrommelt habe, inhaliert, und getanzt. Und auch mal etwas dazu geschrieben.
Vielleicht schaffst du es, daraus eine echte Kurzgeschichte zu machen, die einen Spannungsbogen aufzeigt. Denk mal drüber nach. Das Zeug dazu hast du.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.
Toller Gag. Stimmt das wirklich oder ist es erfunden? Es gibt doch das Hotelzimmer, in dem Hamingway gehaust hat, heute als Museumszimmer in dem Hotel, aber von Büsten anderswo hab ich noch nichts gehört.

Alles andere zum Formalen ist gesagt.
Eine Bewertung kommt von mir erst, wenn eine überarbeitete Version fertig ist. Ich mag es nicht, wenn die erste Version ohne Chance für den Autor zur Verbesserung bewertungsmäßig niedergemacht wird.
LG USch
 

Lomil

Mitglied
Hallo Ciconia

Danke Dir für Deine Meinung. Werde mir den Text nochmal vornehmen und bearbeiten.

Gruß Lomil
 

Lomil

Mitglied
Hallo Usch

Danke Dir fürs Lesen und Deine Meinung. Die lebensgroße, in Bronze gegossene Figur von Hemingway, sitz wirklich auf einem Barhocker im El Floridita. Qelle Wikipedia. Werde mir den Text nochmal vornehmen.

Gruß Lomil
 
U

USch

Gast
Hallo Lomil,
die Geschichte klingt so, als ob du da warst - spricht, wie auch meine persönlichen Eindrücke von Havanna, für sie. Die Bar habe ich nicht besucht, weil dort wegen Hemingway zu viel Touristenrummel ist.
Wikipedia ist eine gute Rechercheinstitution, wenn man etwas über Orte, Bars, Hotels usw. in Gegenden sucht, die man nicht selbst besucht hat, aber in Geschichten einbauen will.
LG USch
 

Vagant

Mitglied
Hallo Lomil; na ja, so unverwüstlich war er am Ende dann doch nicht, der Hemingway.
Ein feiner Stil, der darauf bedacht ist die Story nach vorn zu treiben. Vielleicht sind hier und da die Typen ein bisschen zu zwielichtig, die Finger etwas zu schlank, die High Heels zu rot, die Mähne zu schwarz und wuschelig... Adjektive; aber das ist mehr eine Frage des Geschmacks.
Spendier' dem 'kommentarlos' noch ein 'm'.
Ich habe es gern gelesen. Vagant.
 

James Blond

Mitglied
Ich war zwar noch nicht in Havanna, aber das Athmosphärische der Schilderung überträgt sich auch ohne Vorkenntnisse, zudem ist wohl fast jeder Leser mit entsprechenden Berichten über Hemingway's Stammkneipe bereits vorgeimpft.

Ein musealer Ort, dessen einstige Authentizität längst der Touristifizierung geopfert wurde und der jetzt als Devisenbringer mit den üblichen Dienstleistungen dieses Gewerbes seine Leblosigkeit nur notdürftig kaschiert.

Dementsprechend wimmelt es hier auch von Klischees: Der schwarze Barkeeper, allwissend und verschwiegen, die Nutte vom Dienst, gelangweilt, abgetakelt und vermutlich auch noch von männlicher Bauart, der Tourist, aufdringlich und selbstgefällig protzend. Was allerdings der Ich-Erzähler in dieser Szene verloren hat, erschließt sich mir nicht ganz. Zwar ist er Beobachter und Gedankenlieferant, allerdings ginge von der Wirkung kaum etwas verloren, würde die Schilderung auf seine Person und Überlegungen verzichten, denn Klischees sind zu verständlich, als dass sie noch der erläuternden Moderation bedürften.

Nein, die Klischees kennt man zur Genüge, der Reiz der Schilderung erwächst aus den Nebensächlichkeiten, aus der originellen Art ihrer Beschreibung. Leider aber auch viele Fehler und Schwächen.

Die Einleitung steht teilweise im Präsens.

Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig.
Die Passage eignet sich schlecht zur Einführung der Person. Der (männliche) Blick auf eine Frau beginnt nicht bei den Füßen.

klimafrostige Athmosphäre
Irreführender Begriff: Gemeint ist hier wohl die klimatisierte Kälte des Innenraumes, weniger eine frostige Athmosphäre aus emotionaler Kälte.

Tippfehler:
Stilblüten:
Wenn er hinten fertig war, fing er vorne wieder an.
... Antonio war ein Schwarzer.
Wortfehler:
Mehrsprachlichkeit
Formulierung:
... , was ein gurgelndes Geräusch hinterließ.
Besser: "erzeugte", Geräusche sind zumeist flüchtig.


Schreibfehler:

Behauptung:
Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr nobelpreisgekrönte Hintern gesessen.
Selbst Hemingway hatte nur einen Hintern und das zuvor erwähnte Gesocks der früheren Besucher war nicht gerade nobelpreisverdächtig.

Tippfehler

Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Für mich ist dies die stärkste Szene in der Schilderung, weil hier etwas jenseits der Klischees durchschimmert, ohne dass es anschließend von weiteren Erklärungen erschlagen wird.

Tipps:
Weniger ist mehr! Bleib bei Andeutungen und überlasse dem Leser die Freiheit seiner Entdeckungen. Bewahre ihn vor dem Holzhammer klischeehafter Übertreibung, es sei denn, es geht um eine Satire, etc. Überschütte ihn nicht mit überflüssigen Erläuterungen.

LG JB
 

Lomil

Mitglied
Szene in einer Bar in Havanna.


Die Mahagoni getäfelte Bar schimmerte matt mit ihrem dezent dunklen Interieur. Auf den schwarzen Holzkacheln des Schanktisches steht in stolzem Goldton "Wiege des Daiquiri" auf Spanisch und Englisch.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.

Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig. Ihre High Heels lagen achtlos davor. Sie war zu dünn, wie das Kleid das sie trug, das mehr von ihrem Körper zeigte als verdeckte. Zu dünn für die klimafrostige Kälte des El Floridita. Seit geraumer Zeit drehte sie eine Zigarette zwischen ihren Fingern hin und her. Eine gründliche, von keiner Nervosität gestörte Handlung.
Der große Spiegel hinter der Bar aus rautenförmig geschliffenem Glas, gab ihr Konterfei nur verzerrt wieder.
Die linke, mir zugewandte Seite ihres Profils war ebenmäßig mit ausgeprägter, leicht gebogener Nase und hohen Wangenknochen. Schwarze Haare fielen in großen Wellen über ihre nackten Schultern und ein tief ins Gesicht fallender Pony veranlasste sie, ihn mit einer schnellen Kopfbewegung zur Seite zu befördern, wenn er ihr die Sicht versperrte.

Es war nicht viel los um diese Zeit im El Floridita.
Antonio polierte Gläser. Mit blütenweißer Serviette. Wenn er eines poliert hatte, hielt er es gegen das Licht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten.
Antonio war ein Schwarzer. Ein sehr schwarzer Schwarzer. Wie Gaze an den Gelenken eines edlen Rennpferdes wirkten die Manschetten seines weißen Hemdes, die ein paar Zentimeter unter den Ärmeln seines schwarzen Jacketts herausschauten.

Mit Antonio konnte man über alles reden und über alles schweigen. Im Moment schwiegen wir. Die dünne Frau, Antonio und ich.
Antonio stellte in einem dreigeteilten Schälchen, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne auf die Bar. Eines zwischen die dünne Frau und mich. Sie beachtete es nicht. Rührte jetzt gedankenverloren mit dem Strohhalm in ihrem Daiquiri. Legte ihn zur Seite und trank ein paar gierige Schlucke aus dem Glas und ein gurgelndes Geräusch verursachte.
Untypisch für eine Frau, dachte ich mir. Sie kam sich wohl unbeobachtet vor.

Ein Mitvierziger, mit pudelmützenartig, dauergewelltem Haar, gelockerter Krawatte und um die Schultern gehängtem Jackett betrat die Bar.

Galt das El Floridita früher als Treffpunkt von Glücksrittern, abgehalfterten Journalisten, eleganten Zuhälter und korrupten Diplomaten, so war es heute Anlaufstelle für Touristen. Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr hochdekorierte Hintern gesessen. Scott Fitzgerald, J.D. Salinger, Spencer Tracy, Graham Green und allen voran der unverwüstliche Ernest Hemingway, die sich an diesem Ort bereitwillig dem Suff hingaben.
Hemingways geflügeltes Bekenntnis im El Floridita kennt jeder.
"My Daiquiri un El Floridita."
Hier fand er die Figuren seiner Storys. Zwielichte Typen allesamt und hierher ließ er sie als Romanfiguren wieder zurückkehren.

"Is this seat free", fragte der Mann und deutete auf den freien Barhocker zwischen der dünnen Frau und mir.
Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er ihn in Beschlag genommen. Er war so klein, dass seine Füße die Stützen des Hockers nicht erreichten und seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Sah lächerlich aus.

"Es este el Maestro?" fragte der kleine Mann und deutete auf den in Bronze gegossenen Hemingway.
"Si, Don Ernesto", antwortete Antonio.
"Hemingway speziale" orderte der kleine Mann und der dünnen Frau zugewandt: "Would you like Drink?"
"Yes", antwortete sie mit tiefer, gutturaler Stimme, die so gar nicht zu ihrem knabenhaften Körper paste.
Sie nahm ihr Glas und trank den verbliebenen Rest aus. Dazu legte sie den Kopf in den Nacken und ich fand, dass sie für eine Frau einen viel zu ausgeprägten Kehlkopf hatte.
Antonio schob zwei Daiquiri über die Theke wie Hemingway sie gerne trank. Mit doppelter Menge Grapefruitsaft und Maraschino, ohne Zucker.

"What is your name?", fragte der kleine Mann die dünne Frau.
"Inez", sagte sie, wobei sie die Betonung auf die zweite Silbe legte.
"Nice name", sagte er.
Die Unterhaltung stockte. Der Mann begann Witze zu erzählen. Bevor er einen neuen anfing fragte er: "Do you know my joke?"
Inez verneinte, sie kannte keine Witze. Der Mann erzählte einen nach dem anderen. Er selbst lachte so laut über seine Witze, dass es ihm das Wasser in die Augen trieb und er sich ständig auf die Oberschenkel schlug.
Inez lachte ein trockenes, rauchiges Lachen, ihrer Stimme entsprechend fast heiser. Auch Antonio und ich lachten. Ich lautlos und Antonio zurückhaltend, höflichkeitshalber. Warscheinlich hatte er jeden einzelnen Witz schon hunderte Male gehört.

Der Witzeerzähler warf Cashewkerne in die Luft und fing sie mit offenstehendem Mund wieder auf. Inez versuchte es ihm gleichzutun. Es mißlang. Der kleine Mann suchte die auf den Boden gefallenen Nüsse wieder auf und warf sie in den Aschenbecher.
Er nahm einen fünfzig Dollarschein aus einer Klammer mit einem dicken Bündel Scheine und legte ihn auf die Theke.
Antnio nickte leicht mit dem Kopf und steckte das Geld kommentarlos in die Kasse.
Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Er legte seine Hand um ihre dünne Taille und sie verließen gemeinsam die Bar.

Antonio mixte einen neuen Daiquiri und stellte ihn vor Don Ernesto auf die Theke.
 

Lomil

Mitglied
Hallo USch
Nein, ich war noch nicht in Havanna. Fantasie und Recherche.
Gruß Lomil

Hallo Vagant
Ja, Ja die Adjektivfalle; bin wieder einmal hineingetappt.
Habe den Fingern die Schlankheit und den High Heels die rote Farbe genommen, allerdings die Haare lang und schwarz gelassen und dem komentarlos ein m spendiert.
Ich danke Dir für Deinen Kommentar und freue mich, dass es Dir gefallen hat.
Gruß Lomil

Hallo James Blond
Danke Dir für Deine konstruktive Kritik und Deine Verbesserungsvorschläge. Habe ein paar Veränderungen vorgenommen.
Gruß Lomil
 

Lomil

Mitglied
Szene in einer Bar in Havanna.


Die Mahagoni getäfelte Bar schimmerte matt mit ihrem dezent dunklen Interieur. Auf den schwarzen Holzkacheln des Schanktisches steht in stolzem Goldton "Wiege des Daiquiri" auf Spanisch und Englisch.
An der Theke im Barraum des El Floridita sitzt eine, von Josè Villa Soberon geschaffene bronzene lebensgroße Figur von Hemingway, die jeden Tag von den Barkeepern einen Daiquiri vorgesetzt bekommt.

Mit ihren strumpflosen Zehen umklammerte sie die Fußstützen des Barhockers, wie ein Vogel die Stangen in seinem Käfig. Ihre High Heels lagen achtlos davor. Sie war zu dünn, wie das Kleid das sie trug, das mehr von ihrem Körper zeigte als verdeckte. Zu dünn für die klimafrostige Kälte des El Floridita. Seit geraumer Zeit drehte sie eine Zigarette zwischen ihren Fingern hin und her. Eine gründliche, von keiner Nervosität gestörte Handlung.
Der große Spiegel hinter der Bar aus rautenförmig geschliffenem Glas, gab ihr Konterfei nur verzerrt wieder.
Die linke, mir zugewandte Seite ihres Profils war ebenmäßig mit ausgeprägter, leicht gebogener Nase und hohen Wangenknochen. Schwarze Haare fielen in großen Wellen über ihre nackten Schultern und ein tief ins Gesicht fallender Pony veranlasste sie, ihn mit einer schnellen Kopfbewegung zur Seite zu befördern, wenn er ihr die Sicht versperrte.

Es war nicht viel los um diese Zeit im El Floridita.
Antonio polierte Gläser. Mit blütenweißer Serviette. Wenn er eines poliert hatte, hielt er es gegen das Licht, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten.
Antonio war ein Schwarzer. Ein sehr schwarzer Schwarzer. Wie Gaze an den Gelenken eines edlen Rennpferdes wirkten die Manschetten seines weißen Hemdes, die ein paar Zentimeter unter den Ärmeln seines schwarzen Jacketts herausschauten.

Mit Antonio konnte man über alles reden und über alles schweigen. Im Moment schwiegen wir. Die dünne Frau, Antonio und ich.
Antonio stellte in einem dreigeteilten Schälchen, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne auf die Bar. Eines zwischen die dünne Frau und mich. Sie beachtete es nicht. Rührte jetzt gedankenverloren mit dem Strohhalm in ihrem Daiquiri. Legte ihn zur Seite und trank ein paar gierige Schlucke aus dem Glas und ein gurgelndes Geräusch verursachte.
Untypisch für eine Frau, dachte ich mir. Sie kam sich wohl unbeobachtet vor.

Ein Mitvierziger, mit pudelmützenartig, dauergewelltem Haar, gelockerter Krawatte und um die Schultern gehängtem Jackett betrat die Bar.

Galt das El Floridita früher als Treffpunkt von Glücksrittern, abgehalfterten Journalisten, eleganten Zuhälter und korrupten Diplomaten, so war es heute Anlaufstelle für Touristen. Auf keinen Barhockern der Welt haben mehr hochdekorierte Hintern gesessen. Scott Fitzgerald, J.D. Salinger, Spencer Tracy, Graham Green und allen voran der unverwüstliche Ernest Hemingway; der sich an diesem Ort bereitwillig dem Suff hingab.
Hemingways geflügeltes Bekenntnis im El Floridita kennt jeder.
"My Daiquiri un El Floridita."
Hier fand er die Figuren seiner Storys. Zwielichte Typen allesamt und hierher ließ er sie als Romanfiguren wieder zurückkehren.

"Is this seat free", fragte der Mann und deutete auf den freien Barhocker zwischen der dünnen Frau und mir.
Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er ihn in Beschlag genommen. Er war so klein, dass seine Füße die Stützen des Hockers nicht erreichten und seine Beine hilflos in der Luft baumelten. Sah lächerlich aus.

"Es este el Maestro?" fragte der kleine Mann und deutete auf den in Bronze gegossenen Hemingway.
"Si, Don Ernesto", antwortete Antonio.
"Hemingway speziale" orderte der kleine Mann und der dünnen Frau zugewandt: "Would you like Drink?"
"Yes", antwortete sie mit tiefer, gutturaler Stimme, die so gar nicht zu ihrem knabenhaften Körper paste.
Sie nahm ihr Glas und trank den verbliebenen Rest aus. Dazu legte sie den Kopf in den Nacken und ich fand, dass sie für eine Frau einen viel zu ausgeprägten Kehlkopf hatte.
Antonio schob zwei Daiquiri über die Theke wie Hemingway sie gerne trank. Mit doppelter Menge Grapefruitsaft und Maraschino, ohne Zucker.

"What is your name?", fragte der kleine Mann die dünne Frau.
"Inez", sagte sie, wobei sie die Betonung auf die zweite Silbe legte.
"Nice name", sagte er.
Die Unterhaltung stockte. Der Mann begann Witze zu erzählen. Bevor er einen neuen anfing fragte er: "Do you know my joke?"
Inez verneinte, sie kannte keine Witze. Der Mann erzählte einen nach dem anderen. Er selbst lachte so laut über seine Witze, dass es ihm das Wasser in die Augen trieb und er sich ständig auf die Oberschenkel schlug.
Inez lachte ein trockenes, rauchiges Lachen, ihrer Stimme entsprechend fast heiser. Auch Antonio und ich lachten. Ich lautlos und Antonio zurückhaltend, höflichkeitshalber. Warscheinlich hatte er jeden einzelnen Witz schon hunderte Male gehört.

Der Witzeerzähler warf Cashewkerne in die Luft und fing sie mit offenstehendem Mund wieder auf. Inez versuchte es ihm gleichzutun. Es mißlang. Der kleine Mann suchte die auf den Boden gefallenen Nüsse wieder auf und warf sie in den Aschenbecher.
Er nahm einen fünfzig Dollarschein aus einer Klammer mit einem dicken Bündel Scheine und legte ihn auf die Theke.
Antnio nickte leicht mit dem Kopf und steckte das Geld kommentarlos in die Kasse.
Der Mann rutschte von seinem Hocker und stützte Inez, bis ihre Füße Halt in den High Heels gefunden hatten.
Er legte seine Hand um ihre dünne Taille und sie verließen gemeinsam die Bar.

Antonio mixte einen neuen Daiquiri und stellte ihn vor Don Ernesto auf die Theke.
 



 
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