Entführt

B.J.T.

Mitglied
Es geschah kurz vor Weihnachten,
als ein paar Männer kamen.

Sie schlugen ihn
und rissen ihn aus der Mitte seiner Liebsten.

Er wurde auf einen Wagen geschmissen,
wo schon andere Leidensgenossen standen.

Er hatte große Angst, als sich der LKW
in Bewegung setzte und dieser ihn immer weiter von
seiner Familie entfernte.
Schon nach kurzer Zeit konnte er sie nicht mehr sehen.

Die Umgebung war ihm fremd,
denn er war noch nie fort gewesen.

Sie brachten ihn in ein Lager mit großen Zäunen drumherum,
wo sie alle dicht aneinander gedrängt stehen mußten.

Dann kam ein anderer Mann, der ihn von allen Seiten betrachtete und ihn dann mit nahm, mit zu sich ins Haus.
Dort war es wenigstens warm.

Auch sonst waren sie hier viel netter zu ihm.
Sie hängten ihm Ketten und andere glitzernde Sachen um.
Und an diesem Abend, wohl einem ganz besonderen Tag,
legten sie ihm sogar Geschenke zu Füßen und sangen ihm
ein Lied: "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind
Deine Blätter..."


Zum Gedenken an die millionen von Tannenbäumen, die für
uns an diesem Weihnachtsfest wieder ihr Leben lassen müssen.
 

B.J.T.

Mitglied
Liebe Jutta,

ich freue mich über Deine Antwort.
Natürlich aber auch, dass ich Dich ein wenig
in die falsche Richtung (gedanklich gesehen)
locken konnte.

Grüße

B.J.T.
 
G

Gunnar Braun

Gast
Hallo BJT,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen, auch wenn ich die Assoziationen, die Du am Anfang weckst, zunächst schon auch ein wenig gewagt fand für eine Geschichte über einen (gefällten und "entführten") Weihnachts b a u m.

Aber auch die Sprache und der Stil gefielen mir.

Nach dem Lesen hatte ich eine zweite Assoziation, ganz spontan und sicher nicht sehr ausgereift:


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Es geschah kurz vor Ostern,
als ein paar Männer kamen.

Sie schlugen ihn
und rissen ihn aus der Mitte seiner Liebsten.

Er mußte seinen Weg zu Fuß machen,
wie schon andere Leidensgenossen vor ihm, doch allein.

Er hatte große Angst, als sich der Plan
in Bewegung setzte und dieser ihn immer weiter von
seinem Zuhause entfernte.
Schließlich kam man auch für ihn die Zeit, daß er es kaum noch sehen konnte.

Die Umgebung war ihm nicht fremd,
denn er war oft hier gewesen, aber damals frei.

Sie brachten ihn in ein Lager mit großen Mauern drumherum,
wo er ganz alleine stehen mußte.

Dann kam ein anderer Mann, der ihn von allen Seiten betrachtete und ihn dann mit nahm, mit zu sich ins Haus.
Dort war es wenigstens warm. Der Mann wusch sich seine Hände.

Doch sonst waren sie hier nicht viel netter zu ihm.
Sie legten ihm eine Kette an und einen Umhang um.
Und an diesem Abend, wohl einem ganz besonderen Tag,
setzten sie ihm sogar eine Krone auf den Kopf und machten (ihre) Spiele mit ihm: "Sag, wer ist es, der dich schlug?..."


Zum Gedenken an ihn, der für
uns an diesem Weihnachtsfest ins Leben gekommen ist,
um sein Leben
zu lassen.

Für uns.

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- ich weiß nicht, ob Du es mögen wirst ... wenn nicht, kannst Du Dich wenigstens darüber freuen, daß Deine Geschichte jemanden inspiriert hat.

Gruß & frohe Weihnachten,
Gunnar
 

B.J.T.

Mitglied
Hallo Gunnar,

ich freue mich sehr darüber, wie sehr Du Dich
mit meiner Geschichte auseinander gesetzt hast.
Es ist schon merkwürdig zu sehen, wie man durch
einen Gedanken, den man in eine Geschichte gefaßt
hat, andere wiederum inspirieren kann, diesen
Gedanken weiter zu denken und einen selbst, die
ganze Sache aus einem ganz neuen Winkel sehen läßt.

Was ich aber noch kurz bemerken möchte ist, dass
die Geschichte weder religiös, noch politisch ge-
meint war. Ich möchte auch niemanden in seinem
christlichen Glauben an Weihnachten verletzen.
Ganz im Gegenteil, was mich an Weihnachten stört,
ist einfach die Tatsache, das diese Zeit einfach
nur dazu dient um möglichst viel Kohle zu machen
(unter anderem auch mit dem Verkauf von Weihnachts-
bäumen). Gedankenlos stellen wir uns so ein grünes
Teil ins Wohnzimmer und führen an im merkwürdige
Rituale aus.
Darauf, wollte ich eigentlich hauptsächlich hinaus.

Also, trotzdem wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest.

B.J.T.
 



 
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