Entschleiert

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Joh

Mitglied
Entschleiert


Ohne zu wollen
entzaubere ich dich und die Schleier
in die mein Fühlen dich geschlungen hat
- verdunsten

habe mein Wünschen
mit deinem Blick auf mich verbunden
und Liebevolles begierig aufgesogen
nicht hörend, daß du zu Allen freundlich bist

ich bin errötend aufgewacht
und erleichtert,
daß du nicht in mich sehen kannst
- übe jetzt Unbefangenheit

 

Eve

Mitglied
Hallo Joh,

herzlich Willkommen auf der Lupe :)

Dein erster Text wirft allerdings ein paar Fragen in mir auf ... wieso wählst du die zentrierte Form? Finde ich etwas "störend" beim Lesen, da der Text auch nicht experimentell ist, ist es wohl eher eine grafische Gestaltungsidee? Aber das ist ja nun Geschmackssache ;-)

Das "verdunsten" in der ersten Strophe verstehe ich nicht ganz, was verdunstet? Die Schleier? "Mein Fühlen" würde ich ersetzen, vielleicht mit "meine Sehnsucht, meine Wünsche, meine Träume ..." auch der Beginn "ungewollt entzaubert sie ihn selbst" - ist das wirklich so? Will sie lieber in der Illusion leben, es gäbe da mehr zwischen ihrer beider Blicke? Oder entzaubert nicht eher die Erkenntnis, hervorgerufen durch ihre Beobachtung, dass er sich zu allen Menschen um ihn herum genauso verhält, eher ihre falsche Annahme?

Ansonsten umschreibt dein Text eine Situation, die sicher jeder schon erlebt hat ... einer legt mehr in den Blick eines anderen hinein, als dieser damit beabsichtigte - du hast das vielleicht etwas "umständlich" umgesetzt, man könnte sicher noch einiges zusammenziehen und verdichten, aber als Basis bietet der Text eine gute Grundlage dafür, dieses peinliche Gefühl des Zuviel-Hinein-Interpretierens zu beschreiben :)

Vielleicht kannst du mit meinen Gedanken etwas anfangen?

Viele Grüße,
Eve
 

Joh

Mitglied
Hallo Eve,

danke erst einmal für Dein Willkommen, und für Deinen ausführlichen Kommentar!

Habe ich etwas nicht mitbekommen, seit wann wird denn die zentrierte Form bei Gedichten nicht mehr verwendet (Lach)?

Ich werde Deine Gedanken einfach mal "abarbeiten". Das "verdunsten" bezieht sich auf die Schleier. Dein Hinweis mit dem "Fühlen" hört sich gut an, ich werde mir Gedanken machen, durch welches Wort ich es am treffensten ersetzten kann. Und ungewolltes entzaubern finde ich sehr passend, denn sich von diesen Gefühlen zu verabschieden, ist schon auch eine Sache der Vernunft, denn sie kann helfen die Situation klarer zu sehen, auch wenn das Gefühl nur langsam folgen kann. Raffen möchte ich eigentlich nicht, es gibt Themen, die auch etwas mehr vertragen können, ohne überladen zu sein.

ein Gruß an Dich, Johanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo joh,

auch von mir ein herzliches willkommen, bevor es losgeht.

auch mich irritiert die zentrierte form, da sie dem text keine zusätzliche ebene verleiht. thematisch ist es gut getroffen, sprachlich ist es mir zu distanziert.

grüße
nofrank
 

Joh

Mitglied
Entschleiert


Ohne zu wollen
entzaubere ich dich und die Schleier
in die meine Sehnsucht dich geschlungen hat
- verdunsten

habe mein Wünschen
mit deinem Blick auf mich verbunden
und Liebevolles begierig aufgesogen
nicht hörend, daß du zu Allen freundlich bist

ich bin errötend aufgewacht
und erleichtert,
daß du nicht in mich sehen kannst
- übe jetzt Unbefangenheit

 

Joh

Mitglied
Hallo Nofrank,

danke für Dein Willkommen.

An die Zentrierung werdet Ihr Euch bei mir wohl gewöhnen müssen (Lach), da es beide Formen gibt, und mir diese nun einmal besser gefällt. Aber für Leseprofis ist das sicher kein Problem und kein Hinderungsgrund.

Freut mich, daß Dir zumindest die Thematik gefallen hat.

Ein Gruß an Dich, Johanna
 

Perry

Mitglied
Hallo Johanna,
einen besonderen Moment hast du hier lyrisch eingefangen. Manchmal ist es ganz gut, dass Blicke nicht alles verraten. Dann haben wir Zeit, Wunsch und Realität noch einmal zu sortieren.
Als Anregung könntest du eventuell die gewählte Zeitform überdenken. Eine einheitliche Darstellung wirkt bei kurzen Texten manchmal flüssiger.
LG
Manfred
 

Oblomow

Mitglied
Wahre Verse: Ich denke, dass ich Zwischenmenschliches schon oft in dieser Weise empfunden habe, all das Ver- und Entzaubern, all das Wollen und Nicht-wahrhaben-wollen.
Besonders der letzte Satz ist Dir sehr gut gelungen.

Mit freundlichem Gruß,
Oblomow
 

Joh

Mitglied
Hallo Perry

freut mich, daß Dir mein Gedicht gefällt.

Könntest du mir bei meinem Brett vor dem Kopf auf die Sprünge helfen? Ich sehe die Zeitsprünge einfach nicht.

LG Johanna
 

Joh

Mitglied
Hallo Oblomov,

schön, daß auch Du mein Gedicht nachempfinden konntest.

ich grüße dich, Johanna
 

Perry

Mitglied
Hallo Johanna,
nur mal als Anregung ein Vorschlag für eine "reine" Gegenwartsversion:

Entschleiert


Ohne zu wollen
entzaubere ich dich und die Schleier
in die meine Sehnsucht dich hüllt
- verdunsten

mein Wünschen
bindet deinen Blick auf mich
und saugt Liebevolles begierig auf
hört nicht, dass du zu Allen freundlich bist

ich wache errötend
und erleichtert auf,
dass du nicht in mich siehst
- übe jetzt Unbefangenheit

Natürlich wäre auch eine reine Vergangenheitsform als Alternative möglich. Wie gesagt alles nur Anregungen!
LG
Manfred
 

Oblomow

Mitglied
... da aber der Logik halber die zweite Strophe zeitich vor der ersten liegen muss, müsste man, wenn man unbedingt im Präsens schreiben will, die erste mit der zweiten Strophe tauschen.

Im Übrigen finde ich die ursprüngliche Version besser: Auf Grund des Themas sollte die Dynamik (die hier durch verschiedene Zeitformen erreicht wird) nicht für Einheitlichkeit aufgegeben werden.
Flüssiger finde ich Deinen Vorschlag nicht – beim Lesen bin ich ins Stocken geraten. Dass erinnertere Augenblicke plötzlich aus der Vergangenheit in die Gegenwart springen, verwirrt nur, da sie in der ersten Strophe bereits bewältigt werden, bzw. die Bewältigung dort einsetzt.
 



 
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