Es kann jeden treffen

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Anonym

Gast
Es ist ein erbärmlicher Anblick. Deine einst so stolzen Schultern hängen betrübt, die rosigen Wangen sind eingesunken und haben einen fahlen Grauton angenommen. Deine Augen blicken trüb in eine ungerechte Welt. Dennoch sprichst du von ihm mit einem fast flehenden Zittern in der Stimme. Dann wieder schweigst du und rutscht unbehaglich auf meinem Sofa hin und her. Es ist das erste Mal, dass du mich besuchst, seit du nach Frankfurt gezogen bist und ich nach München.

Ich hatte mich so gefreut und jetzt kaue ich an einer überwürzten Mahlzeit. Ich zucke hilflos mit den Schultern. Wie viele sorglose Stunden haben wir zusammen verbracht, fast acht Jahre während unseres Studiums und kurz danach. Als wir in andere Städte zogen, sah es zunächst danach aus, als würden wir uns aus den Augen verlieren, aber das Band war stärker und wir hielten Kontakt. Erzählten uns, was uns das Leben bescherte, nahmen teil am Schicksal des anderen, freuten uns gemeinsam, ab und an zerstreuten wir gegenseitig unsere Befürchtungen und Sorgen.

Ich sehe dich an und möchte dich vom Sofa schubsen. Stattdessen schenke ich dir nach und lege eine neue CD ein. Der Kerl ist ein Idiot, siehst du das nicht? Denke ich und suche nach einer Formulierung, die ich aussprechen kann. Er behandelt dich wie ein altes Kleidungsstück, von dem man sich nicht trennen kann. Du bist ein echter Monet und hast dich von ihm in der Rumpelkammer aufhängen lassen, wo er dich ab und an, wenn er zufällig dort vorbei kommt, mit einem Blick streift oder auch mal mit einer Berührung. Er benutzt dich und ich könnte noch nicht einmal sagen wozu. Ich weiß, du möchtest nicht so einfach aufgeben, du hast schon soviel Zeit investiert. Und Gefühle und Dinge, die sich nicht aufrechnen lassen. Ich hasse es mit anzusehen, wie du dich gehen lässt. Glaubst du wirklich, er wird seine Familie verlassen, irgendwann? Seit fast einem Jahr spricht er davon, vertröstet dich und saugt dich aus. Ich weiß nicht, vielleicht bist ja auch du der Idiot? Immerhin ist das nicht die erste unglückliche Liebesgeschichte, die du erlebst. Immer wieder gleichen sie sich in ihrer Verantwortungslosigkeit und Selbstverliebtheit, deine Männer.

Ich krame unwillig in meiner Handtasche, ohne wirklich etwas zu suchen. In den vergangenen elf Monaten war ich nur entfernter Zeuge dieses Millionen Mal gespielten Dramas. Ich spüre eine Wut in mir aufsteigen. Du fängst an ihn zu entschuldigen und in einer unangemessen verständnisvollen Weise seine Situation darzustellen. Ich hole tief Luft und halte dir deine Inkonsequenz vor Augen. Und deine Blauäugigkeit. Und dass diese Liebe, wie du es fälschlicherweise nennst, doch nur eine Illusion ist. Eine Zeitlang hatte ich dir zugeredet, dass du um ihn kämpfen solltest. Aber das ist schon lange überfällig. Ich spüre eine Übelkeit aufsteigen und greife automatisch an meinen Bauch, der mittlerweile eine beachtliche Rundung aufweist. Entschuldigend folgst du meinem Blick. Ich sollte mich nicht so aufregen, das ist nicht gut fürs Kind.

Hastig nehme ich einen Schluck Tee und gieße dir erneut Wein ein. Die Dämmerung verschluckt unsere unsicheren Blicke und fast erleichtert höre ich den Schlüssel in der Haustür. Du wirst heute endlich Thomas kennenlernen, ein Beispiel dafür, dass man mit einem Mann auch glücklich werden kann. Denke ich inbrünstig und mache eine halbe Drehung auf dem Sofa. Ein kleiner Stolz kriecht mir den Rücken entlang und ein erwartungsvolles Lächeln übers Gesicht. Als er das Wohnzimmer betritt, höre ich ein glucksendes Geräusch hinter mir. Besorgt drehe ich mich um und sehe dein kreidebleiches, plötzlich schweißgebadetes Gesicht mit weit aufgerissenen Augen. „Tom...?“ höre ich dich sagen, während sich deine spitzen Finger in meine Sofakissen bohren. Ich wende den Blick zu einem steinernen Männergesicht. Automatisch greife ich an meinen Unterleib und bin nicht sicher, ob ich den Rest dieser Geschichte erfahren möchte...
 
L

Lotte Werther

Gast
An Anonymous

Im Ansatz nicht schlecht, deine Geschichte. Handwerklich ist Einiges zu verbessern. Es gibt zu viele flachen Sätze.

jetzt sehe ich ein einziges Jammertal
sprachen ab und an Trost aus
du hast schon soviel Zeit investiert und Gefühle und ich weiß nicht was noch alles


Diese Sätze sollten berühren und lassen den Leser doch kalt.

Dann der Vergleich der Freundin mit Monet.

Du bist ein echter Monet und hast dich von ihm in der Rumpelkammer aufhängen lassen, wo er dich ab und an, wenn er zufällig dort vorbei kommt, mit einem Blick streift oder auch mal mit einer Berührung. Er benutzt dich und ich könnte noch nicht einmal sagen wozu.

Auch ein Monet ist ein Objekt, das man benutzt, wenn auch ein teures.

Und immer wieder Adjektive, die dem Leser Emotionen fertig servieren wollen:

dieses blödsinnigen Dramas
in eine ungerechte Welt
zu einem nicht minder schockierten Männergesicht


Warum immer du im Anonymen posten wolltest, dein Stil verträgt noch Einiges an Schliff.

Lotte Werther
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
Hallo A. und Lotte,

ich schließe mich Lottes Ausführungen an. Habe aber noch folgendes Problem mit dem Text:

Der Tom müsste es doch wissen, dass Frau und Freundin einander kennen.

Einfach so: er kommt am Abend spät nach Hause, fragt, wie geht es dir, mein Schatz.

Sie: Ich habe mit Annain F. telefoniert. Ich mache mir Sorgen um sie, bla bla bla.

Ist dieser Tom denn so naiv, dann verstehe ich es nicht, dass gleich zwei Frauen in ihn verknallt sind, in so einen Blödmann. Oder spielt er va banque? Er weiß auch nicht, dass die Freundin aus F. zu Besuch ist, sonst hätte er sein überraschtes Gesicht nicht.

Ich hatte im Fremdgehen auch mal etwas Übung. Aber auf diese Art?

Nachdenkliche Grüße
Elisabeth
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Abgesehen vom handwerklichen Feinschliff: Diese Geschichte ist schon so oft erzählt worden, dass sie nur noch durch das wirklich Individuelle der Schicksale erzählenswert wird. Das fehlt hier aber ganz. Selbst der Ansatz "die Erzählerin hält ihre Freundin für blöd, so einen Blödmann zu lieben, und leibt ihn doch selbst" ist weder originell noch einigermaßen "kraftvoll" herausgearbeitet. Tipp: Die ganze Geschichte erzählen – wie lebt die Ich-Erzählerin, wie nimmt sie ihren Mann wahr, wie entwickelt sich ihre Einstellung zur Affäre ihrer Freundin, was erzählt die eigentlich genau über ihren Geliebten…
 

Anonym

Gast
Liebe Lotte.
Du hast recht, es bedarf sicher des Feinschliffs. Das war so eine dahin geworfene Geschichte, spontan geschrieben (in einer halben Stunde, wie ich zugeben muss) und nur einmal redigiert. Ich habe mir die von dir genannten Stellen noch einmal angesehen und zum Teil kleine Änderungen vorgenommen. An dieser Stelle möchte ich mich für die Hinweise bedanken.

Liebe Elisabeth.
Es ist eine grobe Skizze, die einer Realitätsprüfung gar nicht Stand halten kann. Genau genommen lasse ich den Schluss ja offen. Ist Thomas wirklich der Geliebte, von dem die Rede war? Oder gibt es eine andere Erklärung für das Verblassen der Gesichter? Oder ist es so, dass die Ich-Erzählerin sich glücklich verbändelt fühlt, aber nicht einmal soviel Austausch mit ihrem Auserwählten pflegt, dass er von der Freundin weiß? Eher unwahrscheinlich, dass er die Zusammenhänge kennt, daran hatte ich am allerwenigsten gedacht. Letztendlich ging es mir aber um das, was im Titel zum Ausdruck kommt. Wir glauben oft, über das gegenüber Bescheid zu wissen und sind am Ende in einer viel schlimmeren oder lächerlicheren (gibt es da einen Komparativ?) Situation.

Und hallo jon.
Naja, die meisten Liebesgeschichten sind schon erzählt worden, ich wollte nicht unbedingt etwas vollkommen Neues erschaffen. Aber du hast recht, es wäre sicherlich eine interessante Variante, die Skizze zu einer raffiniert ausgefeilten Verstrickung zu verflechten. Möglich, dass ich das noch tue. Wie gesagt, es ging mir hauptsächlich darum, eine absurde Konstellation zu skizzieren, mehr beispielhaft für das, was tagtäglich um uns herum passiert...

Besten Dank fürs Kommentieren.
A.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
„…die Skizze zu einer raffiniert ausgefeilten Verstrickung zu verflechten.“
…sicher wäre das interessant, das war aber nicht das, was ich "anmahnte". Mir fehlten einfach Charaktere. Leute, mit denen man mitfühlt (, doder die man zumidnest "wiederrkennt"). Die Situation selbst ist – so absurd sie erscheint – schon tausendfach genannt, skizziert, erzählt worden. Sie rührt – nur so, als Situation – nicht an, löst nichts aus (außer: Hach Gottchen, schon wieder jemand, der das für originell hält! {Mal ganz übertrieben gesagt}).
 



 
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