Fasse dich kurz!
Else Borgerding hatte in der Tat ein recht merkwürdiges Hobby, wenn man dieses denn als solches bezeichnen konnte; sie frönte dem sogenannten AB Marathon, das heißt ihre Leidenschaft war das Zuquatschen von Anrufbeantwortern.
Wo andere Zeitgenossen sich damit begnügten, dem Teilnehmer am anderen Ende der Leitung eine kurze Nachricht zu hinterlassen, legte Else los, kaum dass beispielsweise die monotone Aufforderung „Sprechen Sie bitte nach dem Signalton!“ verklungen war.
Hierbei verfuhr sie im krassen Widerspruch zu der ungeschriebenen Regel, sich am Telefon kurz zu fassen, denn Else liebte es nun einmal lang.
Natürlich reichte im Allgemeinen der knappe Zeitraum einer Einzelnachricht eines normalen AB bei weitem nicht aus, für das, was Else so zu erzählen hatte, und flugs rief sie ein zweites Mal an, um fortzufahren, denn es gab ja noch soviel zu berichten, und ein drittes Mal und so weiter, bis der AB je nach Kapazität komplett zugekleistert war, mit Elses Neuigkeiten.
In der Regel waren es Freundinnen, denen Else längere Ansprachen hielt, und die meisten dieser Freundinnen lebten nicht allein, sondern verfügten daheim über einen Ehemann oder ähnlichen Lebenspartner, und bei diesen kam jedes Mal helle Freude auf, wenn sie nach harter Tageslast feststellen mussten, dass einige wichtige Nachrichten, auf die sie schon länger warteten, nicht auf dem AB zu finden waren, weil dieser mit Monologen von Elses süßer Stimme angereichert war.
Allerdings nahm sie nicht nur mit den Anrufbeantwortern ihrer zahlreichen Freundinnen vorlieb, sondern unterhielt sich auch freudig mit ihnen, wenn sie zuhause anwesend waren.
Diese Gespräche waren dann keineswegs kürzer als die zuvor erwähnten Langnachrichten, doch erkannte so manch ein genervter Ehemann an den relativ einsilbigen Antworten seiner Ehefrau, dass Else wohl den Monolog mehr liebte als den Dialog.
Mit der Zeit aber stellte Else Borgerding fest, dass die Kapazität der Anrufbeantworter bei einigen ihrer Freundinnen für ihr Mitteilungsbedürfnis zu wünschen ließ, und sie bat die Betroffenen dringend um Abhilfe.
„Ach, ich hätte ja noch soviel zu erzählen, liebe Ursula“ klagte sie, mit unverhohlener Enttäuschung, „aber du hast ja so einen vorsintflutlichen Anrufbeantworter, da passt ja nichts drauf; ich kam noch nicht mal dazu, dir das Wesentliche zu berichten. Also tschüß, ich ruf später noch mal an.“
Einige Freundinnen nahmen diese Aufforderung wörtlich und schmollten bei ihren Männern nach neuen, moderneren AB’s, hüteten sich aber, den wahren Grund für ihren Wunsch zu offenbaren.
Nun traf es sich aber, dass fünf der Ehemänner von Elses Freundinnen auch untereinander Kontakt hatten und auf diese Weise erfuhren, dass sie nicht allein standen, auf dem Erdenrund, mit ständig voll gequatschten Anrufbeantwortern, und so entwarfen sie einen genialen Plan.
Die besseren Hälften dieser fünf bildeten nämlich seit langer Zeit schon eine feste Frauengemeinschaft, die sich einmal im Monat zum Kaffeekränzchen traf.
Darüber hinaus zogen die Damen einmal im Jahr hinaus in die Welt, für eine gute Woche, um ihren daheim geblieben Männern das Fürchten zu lernen, indem sie hierbei mehr Geld ausgaben, als notwendig war.
Diese Gelegenheit ließen sich die Männer natürlich nicht entgehen, um ihre Sorgen bei einem gemeinsamen Zusammentreffen auszutauschen und den Tränen freien Lauf in die Biergläser zu lassen.
Else Borgerding gehörte nicht zu diesem Damenkränzchen, noch nicht, denn all ihre Aufnahmeanträge waren in der Vergangenheit abgeschmettert worden, doch sie nutzte natürlich die Jahrestour der Freundinnen ausgiebig dazu, um wie gewohnt, alle fünf AB’sder Reihe nach zu füllen.
Diesmal sollte es anders kommen.
Noch am Vorabend des Ausflugs rief Else alle Teilnehmerinnen des Kränzchens nacheinander an, um ihnen in mehrstündigen Ansagen alles Gute für die Reise zu wünschen.
Mehr oder weniger abgekämpft begaben sich die Damen anschließend zur Ruhe, in freudiger Erwartung der kommenden Tage.
Am nächsten Tag rief Else zunächst alle anderen Freundinnen an, um diese teilweise persönlich und zum Teil via Anrufbeantworter ausgiebig über den letzten Stand der Dinge und hierbei vor allem über die Reise des Damenkränzchens zu informieren.
Die AB’s der Damen selbst aber, die sparte sie sich als besonderes Vergnügen für später auf.
Der Abend war gekommen.
Else hatte es bequem gemacht, es bestand ja auch ein besonderer Anlass dazu.
Ein Glas Wein vor sich, genügend Knabbermaterial in Reichweite, nahm sie kampfeslustig den Telefonhörer zur Hand.
Wie groß aber war ihre Enttäuschung, die zum namenlosen Entsetzen wuchs,
als sie statt der gewohnten liebevollen Ansage des AB’S ihrer ersten Freundin eine männliche Grabesstimme, die direkt aus dem Schattenreich zu kommen schien, mit folgendem Wortlaut vernahm:
„Guten Tag.
Dies ist der Anrufbeantworter von Ursula und Bernd G.
Wir können Ihren Anruf nicht entgegennehmen, und das hat seinen besonderen Grund. Wir sind nämlich gerade verstorben, alle beide, vor genau fünf Minuten. Wir bitten Sie daher, von weiteren Anrufen abzusehen.
Aufwiederhören.“
Else tat einen spitzen Schrei und warf mit Grausen den Hörer von sich.
So kurz hatte sie sich noch nie gefasst, bei einem Telefonat.
Am anderen Ende der Leitung jauchzten fünf Freunde vor Vergnügen und ließen ihren Tränen freien Lauf in die Biergläser.
Dieses Mal waren es Freudentränen.
Else Borgerding hatte in der Tat ein recht merkwürdiges Hobby, wenn man dieses denn als solches bezeichnen konnte; sie frönte dem sogenannten AB Marathon, das heißt ihre Leidenschaft war das Zuquatschen von Anrufbeantwortern.
Wo andere Zeitgenossen sich damit begnügten, dem Teilnehmer am anderen Ende der Leitung eine kurze Nachricht zu hinterlassen, legte Else los, kaum dass beispielsweise die monotone Aufforderung „Sprechen Sie bitte nach dem Signalton!“ verklungen war.
Hierbei verfuhr sie im krassen Widerspruch zu der ungeschriebenen Regel, sich am Telefon kurz zu fassen, denn Else liebte es nun einmal lang.
Natürlich reichte im Allgemeinen der knappe Zeitraum einer Einzelnachricht eines normalen AB bei weitem nicht aus, für das, was Else so zu erzählen hatte, und flugs rief sie ein zweites Mal an, um fortzufahren, denn es gab ja noch soviel zu berichten, und ein drittes Mal und so weiter, bis der AB je nach Kapazität komplett zugekleistert war, mit Elses Neuigkeiten.
In der Regel waren es Freundinnen, denen Else längere Ansprachen hielt, und die meisten dieser Freundinnen lebten nicht allein, sondern verfügten daheim über einen Ehemann oder ähnlichen Lebenspartner, und bei diesen kam jedes Mal helle Freude auf, wenn sie nach harter Tageslast feststellen mussten, dass einige wichtige Nachrichten, auf die sie schon länger warteten, nicht auf dem AB zu finden waren, weil dieser mit Monologen von Elses süßer Stimme angereichert war.
Allerdings nahm sie nicht nur mit den Anrufbeantwortern ihrer zahlreichen Freundinnen vorlieb, sondern unterhielt sich auch freudig mit ihnen, wenn sie zuhause anwesend waren.
Diese Gespräche waren dann keineswegs kürzer als die zuvor erwähnten Langnachrichten, doch erkannte so manch ein genervter Ehemann an den relativ einsilbigen Antworten seiner Ehefrau, dass Else wohl den Monolog mehr liebte als den Dialog.
Mit der Zeit aber stellte Else Borgerding fest, dass die Kapazität der Anrufbeantworter bei einigen ihrer Freundinnen für ihr Mitteilungsbedürfnis zu wünschen ließ, und sie bat die Betroffenen dringend um Abhilfe.
„Ach, ich hätte ja noch soviel zu erzählen, liebe Ursula“ klagte sie, mit unverhohlener Enttäuschung, „aber du hast ja so einen vorsintflutlichen Anrufbeantworter, da passt ja nichts drauf; ich kam noch nicht mal dazu, dir das Wesentliche zu berichten. Also tschüß, ich ruf später noch mal an.“
Einige Freundinnen nahmen diese Aufforderung wörtlich und schmollten bei ihren Männern nach neuen, moderneren AB’s, hüteten sich aber, den wahren Grund für ihren Wunsch zu offenbaren.
Nun traf es sich aber, dass fünf der Ehemänner von Elses Freundinnen auch untereinander Kontakt hatten und auf diese Weise erfuhren, dass sie nicht allein standen, auf dem Erdenrund, mit ständig voll gequatschten Anrufbeantwortern, und so entwarfen sie einen genialen Plan.
Die besseren Hälften dieser fünf bildeten nämlich seit langer Zeit schon eine feste Frauengemeinschaft, die sich einmal im Monat zum Kaffeekränzchen traf.
Darüber hinaus zogen die Damen einmal im Jahr hinaus in die Welt, für eine gute Woche, um ihren daheim geblieben Männern das Fürchten zu lernen, indem sie hierbei mehr Geld ausgaben, als notwendig war.
Diese Gelegenheit ließen sich die Männer natürlich nicht entgehen, um ihre Sorgen bei einem gemeinsamen Zusammentreffen auszutauschen und den Tränen freien Lauf in die Biergläser zu lassen.
Else Borgerding gehörte nicht zu diesem Damenkränzchen, noch nicht, denn all ihre Aufnahmeanträge waren in der Vergangenheit abgeschmettert worden, doch sie nutzte natürlich die Jahrestour der Freundinnen ausgiebig dazu, um wie gewohnt, alle fünf AB’sder Reihe nach zu füllen.
Diesmal sollte es anders kommen.
Noch am Vorabend des Ausflugs rief Else alle Teilnehmerinnen des Kränzchens nacheinander an, um ihnen in mehrstündigen Ansagen alles Gute für die Reise zu wünschen.
Mehr oder weniger abgekämpft begaben sich die Damen anschließend zur Ruhe, in freudiger Erwartung der kommenden Tage.
Am nächsten Tag rief Else zunächst alle anderen Freundinnen an, um diese teilweise persönlich und zum Teil via Anrufbeantworter ausgiebig über den letzten Stand der Dinge und hierbei vor allem über die Reise des Damenkränzchens zu informieren.
Die AB’s der Damen selbst aber, die sparte sie sich als besonderes Vergnügen für später auf.
Der Abend war gekommen.
Else hatte es bequem gemacht, es bestand ja auch ein besonderer Anlass dazu.
Ein Glas Wein vor sich, genügend Knabbermaterial in Reichweite, nahm sie kampfeslustig den Telefonhörer zur Hand.
Wie groß aber war ihre Enttäuschung, die zum namenlosen Entsetzen wuchs,
als sie statt der gewohnten liebevollen Ansage des AB’S ihrer ersten Freundin eine männliche Grabesstimme, die direkt aus dem Schattenreich zu kommen schien, mit folgendem Wortlaut vernahm:
„Guten Tag.
Dies ist der Anrufbeantworter von Ursula und Bernd G.
Wir können Ihren Anruf nicht entgegennehmen, und das hat seinen besonderen Grund. Wir sind nämlich gerade verstorben, alle beide, vor genau fünf Minuten. Wir bitten Sie daher, von weiteren Anrufen abzusehen.
Aufwiederhören.“
Else tat einen spitzen Schrei und warf mit Grausen den Hörer von sich.
So kurz hatte sie sich noch nie gefasst, bei einem Telefonat.
Am anderen Ende der Leitung jauchzten fünf Freunde vor Vergnügen und ließen ihren Tränen freien Lauf in die Biergläser.
Dieses Mal waren es Freudentränen.