Feierabend

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„Hallo Papa“, werde ich von meinem Sohn freudig begrüßt. Während ich meine Jacke ausziehe, umklammert er meine Beine und verteilt die Reste eines Kekses auf meiner Hose.
„Hallo Sammi! Schönen Tag im Kindergarten gehabt?“
Derweil ich mich meiner Schuhe entledige, meinen Rucksack abstelle und meine Frau begrüße, klebt Sammi an meinen Fersen und berichtet minutiös seinen Tagesablauf.
Ich lasse mich auf dem Sofa nieder und strecke die müden Beine aus.
„Ah, das tut gut“, seufze ich, stopfe mir ein Sofakissen hinter den Kopf und schnappe mir die Fernsehzeitung.
„Papa, warum kann Wasser nicht nach oben fließen?“
„Wie kommst du denn jetzt da drauf?“, frage ich und blättere zum heutigen Fernsehprogramm.
„Wir lernen im KIGA grad was über die Natur“, antwortet unser Sohn wichtig und seine kleine Hand drückt die Zeitung nach unten, so dass ich nicht mehr weiterlesen kann. „Warum fließt jetzt das Wasser immer nach unten?“
„Hat was mit der Schwerkraft zu tun. Wenn es die Schwerkraft nicht gäbe, würde alles auf der Erde durch die Luft fliegen.“
„Das wäre lustig“, gluckst er, wird aber sofort wieder ernst. „Waru-um?“
„Das ist zu kompliziert, um es genauer zu erklären“, ziehe ich mich aus der Affäre. „Und jetzt hätte ich gerne fünf Minuten meine Ruhe.“
„Warum willst du deine Ruhe?“ Sammi steht vor mir und blickt mich mit seinen braunen Augen aufmerksam an.
„Weil ich müde von der Arbeit bin.“
„Warum bist du müde?“
„Weil die Arbeit anstrengend ist.“
„Warum machst du dann eine anstrengende Arbeit? Such dir doch eine leichte.“
Ich atme tief aus und ein. „Leichte Arbeit wird aber nicht so gut bezahlt. Und wir wollen doch in den Urlaub fliegen.“
„Dann sind die Möbelpacker reich“, stellt Sammi bewundernd fest.
Wir sind erst vor Kurzem hier eingezogen und Sammi war todunglücklich, dass er den Umzugstag bei Oma und Opa verbringen musste; ließ sich aber alles genau beschreiben.
„Wie bitte?“
„Na, die haben doch noch eine schwerere Arbeit als du.“
„Ja-nein! Das ist kompliziert!“ Ich wende mich wieder dem Fernsehprogramm zu.
„Warum ist es kompliziert?“
„Schluss jetzt“, sage ich energisch. „Keine blöden Warum-Wie oder Was-Fragen mehr! Ich will jetzt endlich meine Ruhe haben.“
Sammi hält wirklich kurzzeitig seinen Mund und klettert stattdessen auf meinen Bauch -das heißt- er sitzt eher weiter unten.
„Uff“, stöhne ich, „könntest du bitte etwas hochrutschen?“
„Waru-um?“
Ich blicke ihn scharf an, antworte jedoch trotzdem.
„Weil es da sonst weh tut!“
„Bei der Mama darf ich da aber sitzen.“
„Die hat da ja auch nix.“
Irritiert blickt mich Sammi an. „Was hat sie nicht?“
„Tust du mir einen Gefallen“, lenke ich plump vom Thema ab, „und holst mir ein Bier aus dem Kühlschrank?“
Gehorsam marschiert der Knirps in die Küche, um kurz darauf unverrichteter Dinge wiederzuerscheinen.
„Is alle!“
„Die Mama war doch heute einkaufen“, antworte ich stirnrunzelnd und versuche mich zu erinnern, ob sie immer dienstags oder doch erst mittwochs geht.
„Die Kästen sind noch im Auto“, ruft meine Frau aus der Küche. „Du könntest sie bitte reintragen.“
„Warum muss immer ich die Kästen aus dem Auto holen?“, maule ich und mir ist durchaus klar, dass dies eine rein rhetorische Frage war.
„Papa!“
„Was?“, knurre ich unwillig.
„Keine blöden Warum-Wie-oder Was-Fragen mehr“, entgegnet der Kleine ungerührt, während er es sich neben mir auf dem Sofa gemütlich macht. „Ich will jetzt endlich mal meine Ruhe haben!“
 
K

Karn Hardt

Gast
Liebe Christa,

so oder ähnlich kann man es als Papa tatsächlich erleben :)
Ich war (als Leser) drin in deinem kleinen Erlebniskino der tagtäglichen Art im Spot "Familienleben & Co.".
Hab ich gern gelesen.

LG, Karn
 
Hallo Karn,

vielen Dank für die positive Bewertung und das Feedback. War für mich (als Frau) ungewohnt, aus der männlichen Perspektive zu schreiben.

LG
Christa
 
K

Karn Hardt

Gast
das kann ich mir gut vorstellen. Hast es aber glaubhaft rübergebracht! :)

LG
 
A

aligaga

Gast
Hallo @Christa,

@ali hat sich weniger über die penetrante Fragerei des Kindergarten-Hooligans amüsiert (die kennt ja jeder, der schon mal mit eigenen oder den Kindern anderer zu tun hatte) als über den Typen, den du uns hier vorstellst, und die häuslichen Umstände, in denen er sich befindet.

Ein Pappa, der für sich reklamiert, ein Besserverdiener zu sein, arbeitet in aller Regel nicht körperlich. Wenn er ein Kindergartenkind daheim hat, ist er wohl auch noch nicht uralt (Rucksack!). Wieso ist er dann so kaputt und jammert? Heute gehen die Pappis joggen, wenn sie vom Büro heimkommen, oder sie stopfen das Kind ins Auto und fahren zum Baggersee oder zum Schlittenberg. Die Mutti ist nicht in der Küche geparkt wie bei dir, sondern mit dabei.

Noch sonderbarer das Interesse Pappis für das Fernsehprogramm. Die Kernarbeitszeiten gehen von 7:30 bis 16:30 Uhr. Der Alte ist daher spätestens um 17:30 Uhr daheim. Wer interessiert sich da als erstes für ein Fernsehprogramm? Und was gäb's da wohl zu gucken? Allenfalls "Bügelsendungen" (Bügelsendungen sind die, vor denen die Hausfrauen stehen oder hocken und Herrenhemden bügeln). Das Durchschnittsalter des Publikums der öffentlich- rechtlichen Sendeanstalten ist ü64(!!); das jüngere Prekariat, das von RTL lümmelt, hat kein Geld für Fernsehzeitungen - da ist die Glotze immer an.

Der Typ scheint ein ausgesprochenes Weichei zu sein. Einem kernigen Mannsbild macht es nämlich nicht das allergeringste aus, wenn er sein Kind nicht auf dem Wanst, sondern dem Schoß sitzen hat. Die Hoden ruhen geschützt zwischen den Beinen.

Die Mutti in der Küche hatten wir schon.

Fazit: Keine "Kurzgeschichte", sondern ein Sittenbild aus den 60ern oder frühen 70ern des vorigen Jahrhunderts, wo die Mütter noch wussten, was sie zu tun hatten, wo der Fernseher noch schwarz-weiß war und von Typen wie Hans-Joachim Kuhlenkampff oder Rudi Carell beherrscht wurde. Das einzige, was heute noch ins Bild passte, wären die Bierträger.

Tipp, Christa: Eine Perspektive für die "Kinder fragen Eltern ein Loch in den Bauch"- Nummer wählen, die dir vertrauter ist, oder deutlich machen, dass es sich um einen spießigen vor-68er Haushalt handelt.

Gruß

aligaga
 
Hallo Aligaga,

das mag ja sein, dass es Väter gibt, die um 17 Uhr daheim sind. Mein Mann (und viele aus unserem Bekanntenkreis) gehört da nicht dazu. Er kommt zwischen 19 und 20 Uhr heim, wenn er nicht auf Dienstreise ist oder ein Geschäftsessen hat. Da hat er dann einen 12-Stunden-Tag (oder länger) hinter sich und ist erst einmal kaputt.
Auch geistige Arbeit macht müde (eine Marathon-Sitzung nach der anderen z.B). Im Text steht nicht, dass er einer körperlichen Arbeit nachgeht, tut er auch nicht.
Davon abgesehen müssen die Geschichten von Sammi und seinem Vater ja nicht jedem gefallen und das Buch, welches irgendwann mal erscheint, muss man sich ja nicht kaufen.

Gruß Christa
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Christa!
Ich fand den Text witzig; wer kennt nicht diese ständige Nachfragerei der Kinder: Warum? Warum? Die Szene konnte ich gut nachempfinden.
Nur in diesem Abschnitt:

„Uff“, stöhne ich, „könntest du bitte etwas hochrutschen?“
„Waru-um?“
Ich blicke ihn scharf an, antworte jedoch trotzdem.
„Weil es da sonst weh tut!“
„Bei der Mama darf ich da aber sitzen.“
„Die hat da ja auch nix.“


Hab ich mich sehr gewundert. Ich glaub nicht, dass es einem Mann wehtut, wenn ein Junge “dort” sitzt; ihm tuts ja auch nicht weh, wenn eine Frau dort sitzt oder akrobatisch rumturnt (grins). Dass der Junge sagt: Bei Mama darf ich da aber sitzen / und Papa antwortet: Die hat da ja auch nix – klingt sehr seltsam.
(Für mich) Ansonsten: Sehr gern gelesen.
Liebe Grüsse,
Ji
 
Hallo Ji Rina,

danke für das Feedback und es freut mich, wenn dich die Geschichte zum Schmunzeln bringen konnte.

„Uff“, stöhne ich, „könntest du bitte etwas hochrutschen?“
Vielleicht überarbeite ich die Stelle noch, aber Kinder haben die Angewohnheit sich plumpsen zu lassen und das ist anscheinend manchmal recht unangenehm. Steht aber so nicht im Text, da muss ich dir recht geben.

LG
Christa
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Christa,
Ja, das wäre vielleicht eine glaubhaftere Alternative: Wenn der Junge sich draufplumpsen liesse...
Liebe Grüsse!
Ji
 
„Hallo Papa“, werde ich von meinem Sohn freudig begrüßt. Während ich meine Jacke ausziehe, umklammert er meine Beine und verteilt die Reste eines Kekses auf meiner Hose.
„Hallo Sammi! Schönen Tag im Kindergarten gehabt?“
Derweil ich mich meiner Schuhe entledige, meinen Rucksack abstelle und meine Frau begrüße, klebt Sammi an meinen Fersen und berichtet minutiös seinen Tagesablauf.
Ich lasse mich auf dem Sofa nieder und strecke die müden Beine aus.
„Ah, das tut gut“, seufze ich, stopfe mir ein Sofakissen hinter den Kopf und schnappe mir die Fernsehzeitung.
„Papa, warum kann Wasser nicht nach oben fließen?“
„Wie kommst du denn jetzt da drauf?“, frage ich und blättere zum heutigen Fernsehprogramm.
„Wir lernen im KIGA grad was über die Natur“, antwortet unser Sohn wichtig und seine kleine Hand drückt die Zeitung nach unten, so dass ich nicht mehr weiterlesen kann. „Warum fließt jetzt das Wasser immer nach unten?“
„Hat was mit der Schwerkraft zu tun. Wenn es die Schwerkraft nicht gäbe, würde alles auf der Erde durch die Luft fliegen.“
„Das wäre lustig“, gluckst er, wird aber sofort wieder ernst. „Waru-um?“
„Das ist zu kompliziert, um es genauer zu erklären“, ziehe ich mich aus der Affäre. „Und jetzt hätte ich gerne fünf Minuten meine Ruhe.“
„Warum willst du deine Ruhe?“ Sammi steht vor mir und blickt mich mit seinen braunen Augen aufmerksam an.
„Weil ich müde von der Arbeit bin.“
„Warum bist du müde?“
„Weil die Arbeit anstrengend ist.“
„Warum machst du dann eine anstrengende Arbeit? Such dir doch eine leichte.“
Ich atme tief aus und ein. „Leichte Arbeit wird aber nicht so gut bezahlt. Und wir wollen doch in den Urlaub fliegen.“
„Dann sind die Möbelpacker reich“, stellt Sammi bewundernd fest.
Wir sind erst vor Kurzem hier eingezogen und Sammi war todunglücklich, dass er den Umzugstag bei Oma und Opa verbringen musste; ließ sich aber alles genau beschreiben.
„Wie bitte?“
„Na, die haben doch noch eine schwerere Arbeit als du.“
„Ja-nein! Das ist kompliziert!“ Ich wende mich wieder dem Fernsehprogramm zu.
„Warum ist es kompliziert?“
„Schluss jetzt“, sage ich energisch. „Keine blöden Warum-Wie oder Was-Fragen mehr! Ich will jetzt endlich meine Ruhe haben.“
Sammi hält wirklich kurzzeitig seinen Mund und klettert stattdessen auf meinen Bauch -das heißt- er lässt sich eher weiter unten drauf plumpsen und hüpft auf und ab.
„Uff“, stöhne ich, „könntest du bitte etwas hochrutschen?“
„Waru-um?“
Ich blicke ihn scharf an, antworte jedoch trotzdem.
„Weil es da sonst weh tut!“
„Bei der Mama darf ich da aber sitzen.“
„Die hat da ja auch nix.“
Irritiert blickt mich Sammi an. „Was hat sie nicht?“
„Tust du mir einen Gefallen“, lenke ich plump vom Thema ab, „und holst mir ein Bier aus dem Kühlschrank?“
Gehorsam marschiert der Knirps in die Küche, um kurz darauf unverrichteter Dinge wiederzuerscheinen.
„Is alle!“
„Die Mama war doch heute einkaufen“, antworte ich stirnrunzelnd und versuche mich zu erinnern, ob sie immer dienstags oder doch erst mittwochs geht.
„Die Kästen sind noch im Auto“, ruft meine Frau aus der Küche. „Du könntest sie bitte reintragen.“
„Warum muss immer ich die Kästen aus dem Auto holen?“, maule ich und mir ist durchaus klar, dass dies eine rein rhetorische Frage war.
„Papa!“
„Was?“, knurre ich unwillig.
„Keine blöden Warum-Wie-oder Was-Fragen mehr“, entgegnet der Kleine ungerührt, während er es sich neben mir auf dem Sofa gemütlich macht. „Ich will jetzt endlich mal meine Ruhe haben!“
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Christa,

ein sehr altkluges Kerlchen kommt hier zu Wort. Ich finde das Ganze leicht unglaubwürdig. Vor allem die Pointe am Schluss. Zu gewollt. Das Ganze erinnert mich an "Papa, Charly hat gesagt...".

Für mich scheint zu viel durch, dass ein Erwachsener einem Kind Worte in den Mund legt.


LG DS
 
Hallo Doc Schneider,
Sammi gibt es wirklich und er ist auch in der Realität ein altkluges Bürschlein. Die Dialoge sind teils Originalton (wirklicher) Sammi, teils von unseren Kindern (ich habe, als diese klein waren, viele ihrer altklugen Sprüche aufgeschrieben).

Aber trotzdem danke fürs Feedback.

Gruß
Christa
 
Tut mir leid, aber auch hier muss ich widersprechen. Meine Schwester hat die Leitung eines Kindergartens und alle sagen KIGA. KITA ist bei uns etwas Anderes als ein Kindergarten. Wenn hier jemand sein Kind in der KITA hat, dann ist das eine Krippe, wo Kinder vom Säuglingsalter an betreut werden, während im Kindergarten die Kinder erst aufgenommen werden in dem Jahr, in dem sie 3 Jahre alt werden.
Aber wenn KIGA im restlichen Deutschland nicht gebräuchlich ist, so kann ich es ändern. Werde mal nachfragen.
Danke für den Hinweis.
Gruß
 
A

aligaga

Gast
O je, @Christa – was für eine Familie!

Der Alte kommt erst nach acht körperlich erschlafft von der geistigen Maloche heim, das Kindergartenkind ist noch nicht im Bettchen (im Öffentlich-Rechtlichen kommt das Sandmännchen um sieben!), Muttern schafft sich immer noch in der Küche ab, während der HErr das Kind wegschiebt und nach Glotze und Bier verlangt.

Es mag schon sein, dass es solche Milieus (immer noch) gibt – sie zum Rahmen einer witzig gemeinten, recht bemüht klingenden Kindergeschichte zu machen, halte ich für ungeschickt. Nicht das Plappern des Kindes gerät in den Vordergrund, sondern das prekäre Verhalten des Vaters.

Wie bereits einmal empfohlen: plausibilisieren, @Christa! Verorte die Geschichte entweder ins Jahr 1965, oder lass Mammi und Pappi auf der Höhe der Zeit sein.

Und noch was: Das Argument, persönlich beobachtete Verhältnisse seien gerade so wie die geschilderten, ist das schlechteste, das sich denken lässt. Es macht den Text ja nicht logischer!

Gruß

aligaga
 



 
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