Fleisch

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Lars Lang

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Fleisch

Er mochte diese Schweineschnitzel nicht mehr. Der Grund dafür waren nicht die Fleischfasern, die er sich nach dem Essen mühsam aus den Zahnlücken puhlen musste, und es war auch nicht sein schlechtes Gewissen, weil seine Waage ihm zu einer Ernährungsumstellung riet. Er langweilte sich auf seiner Waage. Sie verriet ihm nichts, was sein Spiegel ihm nicht schon verraten hätte. Dieser verdammte Spiegel in seinem Flur, an dem er nicht schnell genug vorbeikam – er sagte es ihm deutlich: Du bist zu fett!
Aber all dies hätte ihn niemals davon abgehalten, von Fett triefendes Fleisch in sich hinein zu schaufeln. Fleisch essen war wie ein Machtkampf mit dem Tier, welchen er mit Messer und Gabel führte – mit den Errungenschaften der Zivilisation. Mit diesen Waffen musste er mit Sicherheit gewinnen. Aber in den letzten Tagen hatte er das Gefühl, als würde sein Gegner mit unerlaubten Mitteln zurückschlagen.
Da war dieser Beigeschmack nach Medikamenten und Hormonen (wie – verdammt – schmeckten Hormone?), den er auch mit der Extraportion Salz und Pfeffer nicht unterdrücken konnte. Er glaubte an die Massentierhaltung, wollte, dass jedes Schnitzel genauso schmeckte, wie das vom Vortag und das, welches er am nächsten Tag in die Pfanne werfen würde. Aber das funktionierte nicht mehr.
Manchmal lief die ein oder andere Nachricht aus dem Fernsehen in einer Endlosschleife durch seinen Kopf, wie ein verdammter Ohrwurm aus dem Radio. Und plötzlich schmeckte sein Schnitzel nicht mehr.
Er hatte tatsächlich einmal überlegt, ob er die kurze Strecke zum Supermarkt nicht mit dem Auto fahren sollte – aber dann regnete es. Er befürchtete, dass er sich eine Erkältung zuziehen würde, wenn sein guter Pullover noch in der Wäsche steckte und seine Wohnung unter 24 Grad abkühlte. Wer konnte es ihm übelnehmen, dass er nach einem harten Arbeitsjahr einen Flug in die Sonne buchte? Für diesen Luxus hatte er andere Menschen hart arbeiten lassen. Er hatte eine Menge Geld verdient und es daher auch verdient, sich ständig neue Sachen zu kaufen.
Er schob das zerkleinerte Fleisch auf seinem Teller erneut von einer Seite zur anderen. Die Dinge waren richtig - aber sein Schnitzel schmeckte nicht mehr. Dann überlegte er, dass er den Supermarkt wechseln würde. Er müsste etwas weiter fahren. Draußen war es heiß. Er freute sich auf die Klimaanlage in seinem Auto.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lars,

diese Klimaüberlegungen sind mir zu wenig für eine echte Kurzgeschichte und deshalb verschiebe ich den Text in die Kurzprosa.

Viele Grüße,
DS
 



 
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