Folge 2: Barry und ein Fisch namens Edna

Anonym

Gast
Als Barry ins Ministerium zurückkam, stand Johnson Johnson beteits an seinem halben Schreibtisch (Barry teilte ihn mit Ronaldo Vileza). Johnson hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickte aus dem Fenster. Barry bog vom Korridor ins Büro ein und machte sofort kehrt. Den Rücken an die Wand neben der Tür gepresst, grub er seinen inzwischen wieder aufgefüllten Flachmann aus der Jacketttasche und trank ihn zur Hälfte leer. Sein Stottern konnte er jetzt nicht gebrauchen. Er schob sich einen Kaugummi in den Mund und betrat das Zimmer.

«Ah, da sind Sie ja!», drehte sich Johnson um. «Da - sind - Sie - ja!», wiederholte er laut und deutlich, damit Barry ihn verstand. «Haben Sie die Drachen!! - gefunden??»

«Nein.», gab Barry zur Antwort.

«Warum können Sie nicht ein paar kleine Drachen finden? Naja, das dachte ich mir schon. Barry, - ich - habe»

«Vielleicht sind sie so schwer zu finden, weil sie so klein sind.», konterte Barry und Johnson Johnson blickte ihn erstaunt an. Nach einer Sekunde fasste er sich: «Glauben Sie das, ja? Na, wie Sie meinen. Ich hab Sie übrigens landen sehen. Gar nicht in die Mülltonnen heute.» Barry presste die Lippen aufeinander. Seine Narbe auf der Stirn pulsierte. Johnsons Augen nahmen indes einen milderen Ausdruck an. «Wie dem auch sei. Ich - habe - einen neuen - Auftrag!! für Sie. Ein Großer Fisch, wenn Sie so wollen. Bin sicher, dass Sie diesmal erfolgreich sein werden.»

Tante Edna war etwa 185 Zentimeter groß und wog etwa 185 Kilogramm - 370 Pfund. Barrys Auftrag bestand darin, sie zu ihrem Zug nach Brighton, einem Kurort an der Küste Südenglands, zu bringen. Wenn alles glatt ginge, hatte er sich ausgerechnet, könnte er um 19 Uhr Feierabend machen, endlich. Diese Hoffnung geriet angesichts der schwerfälligen Tante ins Schwanken. Barry blickte in ein rundes Teiggesicht mit dünnen Lippen und kleinen farblosen Augen. Am Kinn fiel das Gesicht terassenförmig ab und ging in einen feisten Hals über. Barry stellte sich vor, wie sie am Strand läge und aufgeregte Umweltschützer versuchen würden, sie ins Wasser zu zerren, weil es Wale dieser Größe kaum noch gab. Er wusste noch nicht, wie plausibel seine Vorstellung war.

«Warum bringt Johnny mich nicht», fragte das runde Gesicht auf dem runden Körper, der die viereckige Wohnungstür ausfüllte.
«Er hat keine Zeit.» Warum musst du denn unbedingt mit dem Zug reisen, wollte Barry zurückfragen. Doch ihm fiel ein, dass Tante Edna für typische Transportwege wie Besen und Kamin (Flohpulver) nicht geeignet war; so dick war sie. Warum sie aber nicht allein zum Bahnhof fahren konnte, begriff er, als er ihr Gepäck sah ...

Tante Edna blieb vor einem Schaufenster stehen. Außer sich selbst trug sie nur eine winzige Handtasche. Diese war aufdringlich grün und passte auf den ersten Blick nicht zu dem hellblauen Kleid, den roten Schuhen, den gelben Locken und dem violetten Hut mit weißem Federbusch. Denn das modische Konzept dahinter lag zweifelsfrei in der Kühnheit, sämtliche Farben des Regenbogens miteinander zu kombinieren. Barry nutzte die Gelegenheit, die Koffer abzusetzen. Drei imposante braune Koffer trug er, wobei er sich den dritten unter den Arm klemmte. Er schwitzte, und die Beine taten ihm weh. (Die Arme spürte er nicht mehr.) Und dummerweise wusste er keinen muggle-unauffälligen Zauber, um das Gepäck ohne Kraftaufwand zu dieser verdammten Straßenbahn zu bringen.

«Ich brauche diesen Hut.», sagte das Tantchen plötzlich zum Schaufenster, und bevor Barry verstand, dass das nicht bloß so dahingesagt war, zog sie einen winzigen Zauberstab aus der Handtasche und machte kurzerhand die Scheibe so durchlässig wie ein offenes Fenster. Der Hut, eine Art breitkrempiges schwarzes Wagenrad, schwebte und landete auf Barrys Kopf.

«Www-ww ...!» Was tust du!, wollte er sie anschreien. Keine Zeit, sie mussten fort. «Elevatus!», ‹Schwebe!›, rief er aus und schwang seinen Stab. «Elevatus!» Er stapelte die Koffer übereinander und setzte die erschreckt jauchzende Edna obendrauf. Ab ging die Post. Der Kofferturm schwebte hinweg. Barry eilte hinterher und fasste an einer Kofferecke an, so als trüge er diese ganze Kranladung.

Auf dem weiteren Weg nahm Tante Edna ihm von ihrem Kofferthron aus den Hut ab, zur Begutachtung. Dabei entdeckte sie seine Narbe unter dem Pony ... «Stimmt es, dass Sie mit einem Basilisken gekämpft haben?», nervte sie ihn. «War es schlimm für Sie, als Ihre Eltern von Du-weißt-schon-wem zerfetzt wurden??» ... «Und warum begleiten Sie, nicht Johnny, mich zum Bahnhof und stellen sich mit falschem Namen vor? Oh weh! Ich ahne es! Es ist doch nicht etwa der Dunkle Lord wieder auferstanden und macht Jagd auf meine Familie??? Geht es Johnny gut? Reden Sie!»

Das letzte Stück zum Bahnhof musste Barry noch einmal Koffer schleppen. Er hatte Tante Edna inzwischen erklärt, dass er nicht Harry Potter sei. Die Narbe habe ihm im Kampfe ein Drache zugefügt. Tante Edna glaubte ihm schließlich und fand, dass der Harry Potter auf Sammelbildern und Corn Flakes-Packungen auch viel niedlicher sei als Barry. Dann holte sie weit aus und legte dar, welch gefürchteter Drachentöter-Ahnenreihe sie entstammte, um zu dem Schluss zu kommen: «Jetzt hab ich doch meine Drachenlederstiefeletten vergessen! Wir müssen sofort zurück.», marschierte sie entschlossen stadtauswärts.

«Sie ha-haben besti-e ...» Barry hatte die Koffer hingeworfen und war ihr nachgelaufen. Aber ohne Zauberei war Tante Edna, einmal in Fahrt, nicht aufzuhalten. «... bestimmt, noch, andedere tschwere Schuhe in ih-ihren Ko-ko ...»
«Ich brauche sie. Holen Sie die Koffer.»
«Mi-misses Johnson, ih-ihr Zug.» Barry wollte in Tränen ausbrechen. Zum Bahnhof waren es keine hundert Meter mehr.
«Ich nehme den nächsten.»
«Ih, Ihr Neffe, hat mich, angewiesen ...»
«Ist mir egal. Dann hätte er selbst kommen müssen, statt so ein junges Würstchen zu schicken. Ich hole sie. Bleiben Sie bei den Koffern.»

Entnervt zog Barry seinen Zauberstab aus dem Gürtel, jedoch Tante Edna war schneller. Während Barry einen Fessel-Zauberspruch zusammenstotterte, hatte sie den nächsten Gullydeckel geöffnet. Einen Moment später steckte ein großer bunter Zierfisch im Gully fest und zappelte mit dem Schwanz.

Muggle-Passanten gafften, rieben sich die Augen. «Seien Sie auf der Hut, sie ist ein Animagus», hatte Johnson Johnson noch gewarnt und mit Barry den «Manifestate!»/‹Offenbare dich!›-Spruch aus der sechsten Klasse wiederholt - den Barry genau in dieser Sekunde vergessen hatte. Zum Glück verwandelte sich Tante Edna selbst zurück. Sie dachte wohl, sich auf die Weise befreien zu können. Natürlich umsonst. Sie war als Mensch nicht nur weniger beweglich, sondern auch weniger glatt. Muggles zogen inzwischen an ihren dicken, weichen Strumpfhosenbeinen, versuchten zu helfen - auch dies erfolglos. «Helfen Sie mir, Harry! Zu Hülfe!»

Barry ging im Kopf alle 20 oder 30 Zaubersprüche durch, die er beherrschte. Er konnte sie nicht ebenfalls in einen Hasen verwandeln. Außerdem schauten Muggles zu. Am Ende erwischte er noch einen von ihnen.
«Hilfe!»
Oder wahrscheinlich würde es bei so viel Publikum gar nicht erst klappen. Aber wie sollte er dann vor seinen Chef treten? Ihre Tante verpasste leider den Zug, sie steckte fest. Nein, nicht im Fahrstuhl. - Es war nicht meine Schuld. Ich habe alles getan, was sie gesagt hat.
«Harry, helfen Sie mir!»
Alles getan, was sie ... Dumm stellen!!!, schoss es Barry durch den Kopf. Und er hörte sich stottern: «O-ok! Da-dann ho-hol ich jetzt die Schhhhhhhh- schtiefel hol ich! Ne-nicht weggehn!»
Edna schimpfte. Ihre Beine strampelten. Von allen Seiten strömten Muggles herbei, um die dicke Frau im Gullyloch anzusehen. Johnson oder irgendjemand oder die Muggles würden sich schon um sie kümmern. Als Beamter des Ministeriums lag das hier gar nicht in seinem Aufgabenbereich. Barry machte sich auf den Weg des geringsten Widerstandes.

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