Fremder Gott

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Dorothea

Mitglied
Der Du im Unbegrenzten bist,
wir sind im Staub gefangen,
der unsres Leibes Zukunft ist
nach Schmerz und Todesbangen.
Die Frage, ob Dich unsre Not
ersonnen hat aus Angst vor’m Tod,
macht unsren Geist befangen.

Du weilst im ungeschaffnen Licht,
wir sind von Nacht umgeben.
Auch wenn der Tag stets neu anbricht,
bleibt dunkel unser Streben.
Das Licht, das unsre Klugheit schafft,
erhellt mit gnadenloser Kraft,
daß wir am Abgrund leben.

Dein Wort weht stumm durch unsre Zeit
der technischen Sensoren.
In lärmender Geschäftigkeit
ging uns sein Klang verloren.
Wenn Dein Geist uns nicht Stille schenkt,
den Mut zu hören in uns senkt,
wird es nicht neu geboren.
 
H

Heidrun D.

Gast
Ein Gedicht wie ein Gebet, besser wie ein Aufschrei blinder Propheten.

Das ist dir ganz wunderbar gelungen.

Liebe Grüße
Heidrun

An der Stelle:

"Wenn Dein Geist uns nicht Stille schenkt",

will ich immer:

"wenn uns dein Geist nicht Stille schenkt" lesen ... mmh.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Dorothea,

vielen sprichst Du sicher aus dem Herzen mit diesem Text. Die eine Stolperstelle, die Heidrun schon angemerkt hat, kannst Du ja leicht ausbessern. Das Reimschema gefällt mir gut mit der siebenten Zeile in jeder Strophe.

a
b
a
b
c
c
b

Es ist nicht nur ein intereressantes Schema, es transportiert auch den Inhalt auf eine günstige Weise.In der siebenten Zeile steht jeweils die Essenz des vorher Gesagten.

Auch dass bei der unterschiedlichen Silbenzahl die größere Anzahl von Silben mit einem einsilbigen Wort endet, ist ungewöhnlich. Viel Arbeit steckt darin, denke ich mir, aber es kommt trotzdem ganz leicht einher.

Ich finde, das ist hier ein kleines Juwel.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Dorothea

Mitglied
Der Du im Unbegrenzten bist,
wir sind im Staub gefangen,
der unsres Leibes Zukunft ist
nach Schmerz und Todesbangen.
Die Frage, ob Dich unsre Not
ersonnen hat aus Angst vor’m Tod,
macht unsren Geist befangen.

Du weilst im ungeschaffnen Licht,
wir sind von Nacht umgeben.
Auch wenn der Tag stets neu anbricht,
bleibt dunkel unser Streben.
Das Licht, das unsre Klugheit schafft,
erhellt mit gnadenloser Kraft,
daß wir am Abgrund leben.

Dein Wort weht stumm durch unsre Zeit
der technischen Sensoren.
In lärmender Geschäftigkeit
ging uns sein Klang verloren.
Wenn uns Dein Geist nicht Stille schenkt,
den Mut zu hören in uns senkt,
wird es nicht neu geboren.
 

Dorothea

Mitglied
Liebe Heidrun,

herzlichen Dank für den freundlichen Kommentar und den überaus brauchbaren Verbesserungsvorschlag.

Herzliche Grüße
 
I

inken

Gast
mir gefällts nicht ganz so gut,
das hört sich so an,
als wäre gott eine fremdbestimmung,
etwas von aussen, dem wir nicht zuhoren,
aber eigentlich ist die stimme in uns
und wir tragen selbst die verantwortung,
ob wir sie hören wollen oder nicht,
ich finde es ein wenig einfach,
einem gott von draussen
die verantwortung zuzuschieben

liebe grüsse inken
 

Vera-Lena

Mitglied
Für mich klingt die letzte Strophe so, dass sich da jemand aufmacht und sich den Mut zu hören wünscht. Insofern kann ich keine Einseitigkeit erkennen, eher eine Demut, die darum weiß, dass alles Heilende und Helfende ein Geschenk ist.

Vera-Lena
 

Dorothea

Mitglied
Hallo zusammen,

zunächst einmal herzlichen Dank für's Lesen und kommentieren!

@inken:
So habe ich es nicht gemeint! Mir geht es um die Frage, warum viele moderne Menschen keinen Gottesbezug mehr herstellen können. Diese Not wird quasi als eine dringliche Frage vor Gott getragen. Wenn man will, kann dieses Gedicht auch als Gebet gelesen werden mit der Bitte um die Fähigkeit der Gotteswahrnehmung. Die innere Stimme als eine Offenbarung Gottes wahrzunehmen, ist ja keine weit verbreitete Selbstverständlichkeit in unserer Kultur.

@Vera-Lena und Spaetschreiber:
Herzlichen Dank!
 
I

inken

Gast
@liebe Dorothea, aber du sagst es ja selbst, du möchtest eigentlich die Menschen ansprechen, die keinen Gottesbezug herstellen können. Genau das macht dein Gedicht didaktisch und didaktische Gedichte mag ich nicht, weil ich mich frage, wie sieht der Gottesbezug der Schreiberin aus?


Liebe Grüsse inken
 

Dorothea

Mitglied
Liebe inken,

ist dieses Gedicht ein didaktisches? Für Dich ja, für mich nein. Das können wir einfach so stehen lassen. Na ja, und der "Gottesbezug der Schreiberin", der steckt im Gedicht!

Herzliche Grüße
 
G

Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Netter Versuch mich zu reizen.
Also ohne große Worte direkt die Verbesserung:


Der Du im[red] Grenzenlosen [/red]bist,
wir sind im Staub gefangen,
der unseres Leibes Zukunft ist
[red]nach Schmerz und Tod und Bangen[/red].

Die Frage, ob Dich unsre Not
ersonnen hat aus Angst vor’m Tod,
(Das geht gar nicht; Not oder Frage können sich nicht ersonnen; Bleibt: Gott ersonnt sich, weil er Angst vorm Tod hat?)

macht unsren Geist befangen.

Du weilst dich im [red]dunklem[/red] Licht,
(fünfsilbriges Wort? Wo ist die Wiederholung)
wir sind von Nacht umgeben.
[red]Da der Tag stets [/red]neu anbricht,
[red]bleibt unser dunkel [/red]Streben.
Das Licht,
(Zeilenbruch: ich finde es besser so, muss aber nicht sein)
das [red]unsere[/red] Klugheit schafft,
erhellt mit [red]voller[/red] Kraft,
daß wir am Abgrund leben.

Dein Wort weht stumm durch [red]unsere [/red]Zeit
der technischen Sensoren.
(unsre Zeit, Geschäftigkeit, warum kürzt Du unsere ab? Die Silbe fehlt)[blue]ok, weiß nicht ob besser[/blue]
In lärmender Geschäftigkeit
ging uns sein Klang verloren.
Wenn uns Dein Geist nicht Stille schenkt,
den Mut zu hören in uns senkt,
wird es nicht neu geboren.
 

Dorothea

Mitglied
Hallo Tigerauge,

herzlichen Dank für die intensive Auseinandersetzung mit meinem Text. Die von Dir vorgeschlagenen Verbesserungen sind für mich keine, zum Teil auch, weil damit eine ganz andere Aussage transportiert wird als die von mir erwünschte.

Einen Abschnitt, so vermute ich, hast Du etwas missverstanden:

[blue]die Frage ob dich unsre Not
ersonnen hat aus Angst vorm Tod[/blue]

Damit ist die in der Philosphie vielfach diskutierte These angesprochen, dass jede Religion, also jede Vorstellung, es gäbe einen Gott, aus der Verzweiflung des Menschen herrührt, der seine Sterblichkeit nicht ertragen kann. Diese Philosphen stellen die nicht so leicht abzuweisende Behauptung auf, Gott sei nur eine Projektion, eine Wunschvorstellung des menschlichen Geistes.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Dann so:

Die Frage, ob uns unsre Not
Besonnen hat...

Liebe Dorothea,
es sind natürlich alles nur Vorschläge. Sie sollten den Text flüssiger machen. Die Wortwahl ist dabei unter umständen schlechter , ja.

Aber ganz schlecht finde ich:
Du weilst im ungeschaffenen Licht

Wenn Dir grade diese Worte wichtig sind, dann ist es schlecht.
Wäre dieser Satz im Rhythmus, dann könnte man die kleinen Schrittfehler überlesen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Mein abschließendes Urteil ist sehr mäßig.

Je komplizierter ein Gedicht, desto stimmiger muss es sein, dass ist meine Meinung. Ein „Hoppla, hoppla, Reiter“ findest Du traurig peinlich. Ein kompliziertes Schema entspringt jedoch nicht immer einem hohen Geist, manchmal ist es einfach nur nicht angebracht, und bei Dir vertuscht es inhaltliche Schwächen. Du ziehst einen Reim nach, dieser hat aber keine ansprechende Metapher, die an den Ursprung erinnert. Hier ein Beispiel, für einen nachgezogen Reim:
Der schöne Wein
Schmeckt mir so fein
In diesem Rot
Lauert der Tot
Der Tot ist mein
Jetzt muss es aber noch ein Kreuzreim sein; na ja besser Abstand halten, mit einer gemischten Eigenkreation. Jetzt erhebt mich wirklich gar nichts mehr. Da kann ich nur sagen: „Hoppla, hoppla Reiter, wenn er fällt, dann schreit er“.
 

Dorothea

Mitglied
Hallo Tigerauge,

mir scheint, Du gehst mit bestimmten poetischen Regeln um als seien es Dogmen und nicht Gestaltungsmöglichkeiten, die immer auch überschritten, erweitert werden können. Sonst hätten die Dichter z.B. nie über den Stabreim hinausgehen dürfen oder noch ältere Formen.

Aber lassen wir das. Ich denke, wir haben zu unterschiedliche Blickwinkel auf die Lyrik als dass wir uns verständigen könnten.
 



 
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