Freudiges Backen

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Isa

Mitglied
Süßer Moment

Süßer Moment

Kleine weiße Hände drücken gegen die kalte Fensterscheibe. Kurz darauf folgt ein Gesicht, welches sich an der Scheibe die kleine Stupsnase platt drückt. Die Augen scheinen in der hereinbrechenden Dunkelheit etwas zu suchen.
Das Kindergesicht wird zurückgezogen und streng angeschaut. Die Mutter möchte, dass das Kind ruhig sitzt, denn es soll beim Backen helfen. Als sich die kleinen Finger nach einem Stückchen des süßen Teiges ausstrecken, fährt eine ältere Hand auf die kleinen weißen Finger nieder und erschrocken zuckt die Kinderhand zurück. Die großen Kinderaugen schimmern feucht, als es die harten Worte der Mutter hört. Es darf kein Teig genascht werden, man bekommt davon Bauchschmerzen. Der Kopf des Kindes nickt, doch in den noch feuchten Augen erkennt man ein kleines Aufbegehren. Der Teig riecht so verlockend süß und sieht so weich und saftig aus.
Die Mutter rollt den Teig aus und Mehl wirbelt auf. Die Kinderaugen folgen gespannt dem sanften Mehlregen, der sich wie eine zarte Schneedecke über den ausgerollten Teig legt. Der Kinderkörper beugt sich über den Tisch und somit erreicht die Kinderhand die Schüssel mit Mehl. Vom Mehl hat die Mutter nichts gesagt. Die Finger schließen sich das weiche, feine Mehl. Es fühlt sich an, wie warmer Schnee.
Das Kind setzt sich zurück auf seinen Platz, die Mutter ist immer noch mit dem Teig beschäftigt und das Kind öffnet die Hand. Die kleine Menge Mehl sieht aus, wie ein Miniaturgebirge. Das Kind will es schneien lassen. Es holt tief Luft und pustet mit voller Kraft auf das zarte Mehlgebirge in seiner Hand. Und wirklich, Schnee rieselt über den ganzen Tisch, auf die Haare der Mutter, den nun schon dünn ausgerollten Teig, die Plätzchenausstecher und den Boden. Die Mutter schaut zuerst erschrocken, dann erbost. Das Kind merkt, dass es schon wieder etwas falsch gemacht hat.
Nun fließen Tränen aus seinen Augen, als es die Strafpredigt der Mutter über sich ergehen lässt. Ja, es will nun brav sein, und viele Sterne und Monde ausstechen. Sie sollen ein leckeres Weihnachtsgebäck haben, welches sie Oma und Opa bringen werden, als besondere Vorweihnachtsfreude. Die Mutter lächelt das Kind an, schüttelt das Mehl aus ihrem Haar und wischt das Tränen verschmierte Gesicht mit einem Taschentuch trocken. Dann sucht die Mutter nach den richtigen Ausstechern.
Nach wenigen Augenblicken hält das Kind einen kleinen Stern in der Hand und drückt diesen immer kräftig in den Teig. Ab und zu, wenn die Mutter nicht hinsieht, gelingt es ihm, kleine süße Teigfetzen zu stibitzen und in den Mund zu stecken. Es schmeckt wirklich süß und würzig und fühlt sich an, wie Weihnachten im Mund.
Dann ist kein Platz mehr für Sterne und Mutter macht aus dem Restteig kleine Brezeln und Hörnchen. Das Kind sieht fasziniert zu. Später, wenn es größer ist, möchte es auch so gut backen können, wie die Mutter, das steht schon einmal fest. Die Mutter schiebt das Blech in den vorgeheizten Ofen. Nun heißt es Warten und Aufräumen. Während das Kind mit einem kleinen Besen den Mehlstaub aufkehrt steht die Mutter an der Spüle und wäscht das Geschirr und ihre Backutensilien ab. Das Kind riecht, wie die Plätzchen langsam backen und der süße Geruch wird immer intensiver, dann wandert sein Blick zum Fenster, an welchen man immer noch seinen Gesichtsabdruck sehen kann. Die Augen leuchten erfreut auf und schon flitzen kurze Beine zur Mutter hinüber. Die kleine Hand schließt sich um die Schürze der Mutter und es wird heftig daran gezogen, bis sich die Mutter endlich umwendet. Die freie Hand deutet aufgeregt auf das Fenster und die Mutter lässt sich gutmütig dorthin ziehen.
Große Kinderaugen strahlen in dem glücklichen Kindergesicht und die Mutter muss lächeln, über die Freude ihres Kindes. Sie freut sich mit ihm. Das erste Mal an diesem Tag vergisst sie ihre Hausarbeit, die auf sie wartet, all die unerledigten Aufgaben, die scheinbar unmöglich machbar sind. Jetzt zählt nur der Augenblick, mit ihrem Kind zusammen in die neue Welt vor ihnen zu sehen. Sie staunt mit ihrem Kind, wie sie es vor langer Zeit das letzte Mal getan hat, über die weiße Pracht, die sich vor ihnen erstreckt.
Sie öffnet das Fenster, während ihr die erstaunten Kinderaugen gespannt folgen, und holt ihrem Kind eine weiße Pracht ins Haus. Sie staunen gemeinsam über die herrliche Figur des Eiskristalls, bis er schmilzt und nichts weiter übrig bleibt, als ein kleiner nasser Fleck auf dem Finger der Mutter.
Dann fährt die Mutter mit einem Mal herum und stürzt zum Ofen. Die Plätzchen sind verbrannt. Noch bevor sie sich richtig aufregt, überkommt sie auf einmal ein unglaubliches Gefühl der Ruhe. Sie nimmt ihr Kind in den Arm und blickt mit ihm in die weiße Winterlandschaft. Lieber verbrannte Plätzchen, als ein verpasster Moment mit ihren Liebsten!
 
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xzar

Gast
hallo isa,
dein text hat mich an meine eigene kindheit erinnert. sehr langsam: fast wie eine schneeflocke (da siehst du, wie versüßt ich selbst durch den text bin!)
ich würde nur den titel ändern. fast hätte ich den text gar nicht gelesen, weil ein titel wie "fröhliches backen" mich nicht angesprochen hätte. das klang mir mehr nach kitsch und weniger nach dem, was für mich dein text ist: zärtlich, bedächtig - eine genaue beobachtung eines kindes. wenn ich weihnachten nicht so hassen würde, wäre ich jetzt in weihnachtsstimmung.

liebe grüße
constantin
 

anemone

Mitglied
Hmm

Na die Bauchschmerzen beim Backen gibt es nur,
wenn Backpulver im Teig den Magen zum Rumoren bringt.
Oder wenn die Hefe noch ein wenig aufgehen will.
Mit den richtigen Zutaten wird das nicht passieren
und was ist schöner für ein Kind, als Schlecken!
 



 
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