Gedankenkrank

F. Alexander

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Als Nicole mich betrog, brach meine Welt zusammen. Ich möchte nur zu gerne glauben, dass sie gezwungen wurde. Ich male mir aus, sie sei unter Drogen gesetzt worden. Bestimmt wurde sie erpresst. Vielleicht belüge ich mich selbst.
Wir hatten einen schlimmen Streit damals, als Nicole das erste Mal verschwand. Zwei Tage war sie fort. Um mich zu bestrafen, glaubte ich. Als sie wieder zurückkehrte, war ich viel zu glücklich, um Fragen zu stellen.
Wie sehr ich sie damals geliebt habe.
Ich muss blind gewesen sein. Blind und dumm. Alle Zeichen waren da, nur ich habe sie nicht gesehen. Ihre Heimlichtuerei, wenn sie mit ihren Freundinnen telefonierte, zum Beispiel.
»Das sind Frauengespräche. Die langweilen dich nur, Schatz.«
»Lade deine Freundinnen doch mal ein, ich würde sie gerne kennenlernen.«
»Ach weißt du, so ein Haufen Hühner und du als Hahn ... Dass würde nicht gut gehen. Hinterher spannt dich mir noch eine aus.«
Damit war das Thema erst einmal vom Tisch. Ihre gelegentlichen Wochendausflüge mit ihren »Hühnern«, die offensichtliche Gelöstheit, wenn sie zurück kam; ich mochte nicht glauben, es sei mehr als nur eine Frauenfreundschaft. Auch wenn ich jedes Mal Angst um sie hatte.
Doch etwas veränderte sich im Laufe der Zeit. Sie wurde immer abweisender zu mir. Sie zog sich zurück. Sie verstand mich nicht mehr. Wir gerieten wieder und wieder in Streit, manchmal nur wegen Kleinigkeiten. Aber ich liebte sie immer noch mehr als alles andere. Ich wollte nicht wahrhaben, dass sie mich nicht mehr liebte. Selbst als sie mich Spinner und paranoid nannte, wollte ich sie weiter lieben.
Dann habe ich ihren Verrat entdeckt.
Dass sie mich auslachte, als ich ihr von den Beoabachtern vor unserem Haus erzählte, konnte ich ihr verzeihen. Sie war manchmal so naiv. Zumindest glaubte ich das. Dass sie mich wahnsinnig nannte, als ich die Wände zum Schutz vor den Spionstrahlen mit Alufolie bekleben wollte, schrieb ich ihrer momentanen Situation zu. Sie hatte wieder einmal einen negativen Schwangerschaftstest. Ich brachte es nicht übers Herz ihr zu erzählen, dass ein Kind uns zu einem leichten Ziel machen würde. Deshalb hätte ich sie nie geschwängert.
Als sie jedoch einen hysterischen Anfall bekam, nachdem ich den Sender aus meinem Arm geschnitten hatte, verriet sie sich. Ein harmloser Mückenstich sei das doch gewesen. Sie flehte mich an, mit ihr ins Krankenhaus zu kommen. Mich behandeln zu lassen, nicht nur am Arm. Sie wurde immer aufgeregter, je mehr ich mich dagegen wehrte. Sie bedrängte mich, endlich Hilfe anzunehmen. Sie log mir sogar vor, ihre Ausflüge seien heimliche Treffen mit einem Mann gewesen.
»Du weißt es doch schon seit langem. Deshalb hast du dir auch diese Schwachsinnsgeschichten einfallen lassen. Spionstrahlen. Beobachter. Pah!«
Ich sollte mit ihr darüber sprechen, statt meinen Arm aufzuschlitzen. Alles würde gut werden, wenn ich nur Hilfe annehmen wollte. Sogar von ihrem angeblichen Geliebten wolle sie sich lossagen, wenn ich nur ins Krankenhaus mit ihr käme.
Sie weinte und schrie und wurde immer verzweifelter, weil ich mich so beharrlich weigerte, ihr zu glauben. Aber meine Gedanken wurden immer klarer, je länger der Sender nicht mehr in mir war. Ich erkannte die Wahrheit. Dass Nicole für sie arbeitete. Meine Nicole. Die Liebe meines Lebens. Sie hatte mich verraten! Sie hatten sie mir genommen.
Als ich sie tötete, habe ich geweint wie ein kleines Kind. Ich musste es tun, auch wenn etwas in mir mit ihr starb. Ich darf nicht zulassen, dass sie wieder Kontrolle über mich erlangen; denn ich werde die bestrafen, die uns das angetan haben. Ich habe ihre Zentrale entdeckt. Sie tarnen es als Einkaufszentrum. Die Bombe ist fast fertig, und morgen werde ich Rache nehmen. Ich schreibe alles auf, damit die Welt die Wahrheit erfährt. Ich werde es an eine Zeitung schicken, der ich zutraue, noch eine eigene Meinung zu haben. Nicht wie die gleichgeschalteten und von ihnen kontrollierten Massenmedien. In denen wird man berichten, ich sei ein Verblendeter gewesen. Ein Verzweifelter. Ein Irrer.
Ihr werdet es besser wissen.

Diese Geschichte basiert auf der Geschichte "Gnadenlos" des Autors Chris Hunter. Beides, Bearbeitung und Veröffentlichung, geschehen mit Einverstädnis des Autors. Den link zur Originalgeschichte gebe ich auf Wunsch per PN weiter.
 

FrankK

Mitglied
Hallo F.Alexander
Eigentlich gar nicht mal so schlecht die Story.

Ich hatte erst angenommen, es handele sich um eine Übersetzung aus dem englischen aber - schade, dass es lediglich eine Abwandlung von 'Gnadenlos' ist.

Diese Geschichte basiert auf der Geschichte "Gnadenlos" ...
Unter 'basiert auf' hätte ich die Erzählung eines Nebenstrangs der Original-Handlung erwartet. Oder etwas, was sich davor oder danach noch abspielt.

Den link zur Originalgeschichte gebe ich auf Wunsch per PN weiter.
Die Mühe ist Überflüssig, ist leicht mit Google zu finden unter Suchbegriff: 'Chris Hunter - Gnadenlos'


Viele Grüße
Frank
 
Hallo,

ich kenne das "Original" nicht. Werde es mir aber bald zu Gemüte führen.
Deine Version gefällt mir gut, ist spannend. Mir gefällt die Ironie in der Geschichte. Die untreue Ehefrau wird aus den "falschen" Gründen getötet. Nicht wegen ihrer Untreue, sondern weil der schizophrene Mann eine Verschwörung wittert und die Frau Teil dieser Verschwörung sein soll.

LG

Bernie
 



 
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