Gefühle des Friedens

1,10 Stern(e) 8 Bewertungen

JaneFond

Mitglied
Alles labert vom Weltfrieden,
doch im Donbass ist Krieg -
genauso wie im Irak und Afghanistan,
Syrien und Jemen, Türkei und Palästina.
Alle Worte heizen sich auf,
Wortgefechte eskalieren zu offener Gewalt.
Die Schimpfwörter der Hindus kennen wir nicht.
Wir beherrschen nicht einmal unsere Sprache.
Die Sprache des Friedens ist Vogelgezwitscher,
Miauen der Katzen, Wiehern der Pferde.
Tiere sind die einzigen Freunde,
die uns Menschen in der Gegenwart bleiben.
Tiere fragen nicht, was sind die Ziele
meines Ichs in der Zukunft?
Die Zeit schenken sie uns immer im Jetzt
und fragen nicht nach unserem Schicksal.
Lasst uns miauen!
 

Tula

Mitglied
Hallo Jane

da ich gerade schlechte Bewertungen immer begründen will:
Die Sprache des Friedens ist Vogelgezwitscher,
Miauen der Katzen, Wiehern der Pferde.
Tiere sind die einzigen Freunde,
die uns Menschen in der Gegenwart bleiben.
Tiere fragen nicht, was sind die Ziele
meines Ichs in der Zukunft?
ich vermute du meinst Haustiere und selbst diese werden von unserer Spezie noch schlecht behandelt. Also die meisten Tiere würden uns ganz bestimmt nicht als "Freunde" bezeichnen.

Der Text ist nicht nur lyrisch, sondern auch inhaltlich mehr als fragwürdig und im zitierten Teil furchtbar naiv.

LG
Tula
 

JaneFond

Mitglied
Hallo Tula!
Vielen Dank für überhaupt eine Bewertung!
Ich denke, dass Tiere unsere Freunde sind und dass Haustiere ganz besonders unsere Freunde sind, weil sie einfach das Leben mit uns teilen bzw. wir ohne sie überhaupt nicht leben könnten. Aber wir führen Kriege, gezielt und vernichten uns gegenseitig plus die Tiere, die damit natürlich nicht rechnen.
Das klingt vielleicht naiv, doch Menschen sind da viel naiver als Tiere, denn sie glauben an ihre Worte statt an ihre Taten, was Tiere eben nicht tun.
LG JaneFond
 
F

Frodomir

Gast
Hallo JaneFond,

wenn ich meine Meinung unter dein Gedicht schreiben darf, möchte ich gern sagen, dass es ihm an allerlei fehlt, aber dass es auch Möglichkeiten zeigt, die du beim nächsten Mal vielleicht mehr ins Blickfeld nehmen könntest, so du es denn willst.

In meinen Augen ist das grundlegende Problem deines Textes die viel zu offene und unverdichtete Sprache. Ich fühle mich als Leser vom Gedicht angesprochen wie von einem Menschen, der erbitterte Worte über die Lage der Welt an mich richtet. Das ist durchaus ein verständlicher und für den Sprechenden sicherlich auch befreiender Akt, lyrisch wird eine solche Rede damit aber nicht. Beispiele?:

Alles labert vom Weltfrieden,
doch im Donbass ist Krieg
Alle Worte heizen sich auf,
Wortgefechte eskalieren zu offener Gewalt.
Dennoch hat dein Text aber eine Idee, nämlich die, das unsere Spezies bei den Tieren lernen sollte, wie es mit dem Frieden geht. Diese Idee mag manchen naiv vorkommen, mir sogar ein wenig falsch angesichts der offensichtlichen Brutalität im Tierreich, aber es ist immerhin eine Idee. Ich poche so sehr auf diesem Wort herum, weil ich es für nicht unwichtig halte, denn wäre die Umsetzung der Idee in diesem Text besser geglückt, würde sie mich zweifelsohne ansprechen. Ein Text z.B., der weniger offensichtlich das Thema an den Mann bringt und der am Ende wie beiläufig diese Idee in ein lyrisches Gewand kleidet, würde mir sicherlich Freude bereiten.

Und hier liegt in meinen Augen die entscheidende Schwäche deines Textes, nämlich in der Art und Weise, wie du die Idee präsentierst. Im Großen und Ganzen fehlt es mir schlicht und ergreifend an der lyrischen Umsetzung, aber ich finde auch, dass es in diesem Text Passagen gibt, auf denen sich aufbauen lässt. Ich möchte deshalb kurz drei Verse vergleichen, nämlich Vers 3 und 4 und Vers 9:

genauso wie im Irak und Afghanistan,
Syrien und Jemen, Türkei und Palästina.
Die Sprache des Friedens ist Vogelgezwitscher
Zwischen diesen Versen gibt es meiner Meinung nach einen entscheidenden Unterschied. Die ersten beiden nämlich plätschern dahin wie das Nachrichtenband auf NTV oder N24, es handelt sich um eine bloße Aufzählung von Fakten die überhaupt keinen Raum für irgendwelche Interpretationsansätze, Gefühle, Sinneseindrücke oder irgendetwas anderes bieten - kurz, man überliest sie einfach. Der poetische Gehalt dieser Zeilen ist dementsprechend niedrig.

Aber bei der anderen zitierten Stelle sieht es doch ganz anders aus! Hier gelingt es dir, etwas in meinen Augen durchaus Poetisches zu gestalten - du verbindest nämlich zwei mit Bedeutung aufladbare Begriffe bzw. Wörter in verdichteter Form. Und damit erreichst du, zumindest bei mir, einen viel stärkeren Affekt als mit der langweiligen Aufzählung der Kriegsorte. Hier habe ich auf einmal etwas zum Nachdenken. Wie kann ich das Vogelgezwitscher mit dem Frieden verbinden? Bei diesem Satz beginnt mein ganzer Sinnesapparat zu arbeiten: Frieden, dieses sehnsüchtige Gefühl; Vögel, durch ihre unnachahmliche Eigenschaften in der Luft ebenfalls Tiere der Sehnsucht und der Sehnsucht des Menschen, Dinge zu schaffen, die über seine Natur hinausgehen (wie auch der Frieden?); und Gezwitscher, etwas, dass fröhlich und erweckend in meinen Ohren klingt und damit meine Sinne anspricht. Ich habe auf einmal Bilder vor Augen, Bilder, die du mit einem derart verwobenen Satz wie den zitierten bei mir ausgelöst hast.
Wenn es dir irgendwie gelingt, wäre es bestimmt eine Idee, daran anzusetzen.

Wenn du mir erlaubst, das in meinen Augen Reduntante in deinem Gedicht wegzuschaben und die Essenz stehen zu lassen, käme ich dann bei diesem Ergebnis raus:

Weltfrieden ist
Vogelgezwitscher,
wir beherrschen
unsere Sprache nicht.
Vielleicht mag dir diese Kürzung als Affront gegen deine Arbeit mit dem Text vorkommen, aber das ist tatsächlich der konzentrierte Inhalt deines Gedichtes, wie ich es lese. Und da wären wir wieder bei der Idee. Diese finde ich nämlich doch ganz schön, aber eben erst, wenn sie wie in obiger Form von allem Überflüssigen befreit ist.

Ich hoffe, ich habe dir nicht vor den Kopf gestoßen.

Viele Grüße
Frodomir
 

Walther

Mitglied
Moin Jane,

tiere glauben gar nichts, und Frodomir hat eine sehr gute textarbeit gemacht. das lesen, verstehen und dann handeln - schon schreibst du gute gedichte.

lg W.
 

JaneFond

Mitglied
Vielen lieben Dank, Frodomir!
Deine Kritik freut mich ungemein!
Ja, Du hast es toll auseinander gefieselt, mir fehlte jetzt sogar Zeit zum antworten. Ich werde über das Kürzel meines Gedichtes nachdenken, irgendwie erscheint es mir als nicht genau getroffen, aber vielleicht schlaf ich noch paar Mal drüber und finde heraus, was alles in Deinem Vorschlag drin steckt.

LG JaneFond
 

JaneFond

Mitglied
Hallo Walther!

Ja, Frodomir ist eine gelungene Kritik gelungen!

Aber dass Tiere nichts glauben, zweifle ich an.

LG

JaneFond
 

Walther

Mitglied
Hi Jane,

wir sind uns einig, daß wir tiere lieben. sie ticken ein wenig anders als wir, mit dem glauben haben sie es nicht so. wohl aber mit vertrauen und "bonding". auch mit sympathie/freundschaft. mit dem haben sie es. sehr sogar.

lg W.
 

Ralf Langer

Mitglied
Lasst uns miauen

Hallo Jane Fond,

nach einiger Zeit mit deinem Gedicht, möchte ich gerne erklären, warum mich deine Worte nicht „abholen“, und warum mir dieses Stück fremd bleibt.

Du verquickst hier in einer Art Assoziation Kriegsschauplätze der Menschen und stellst sie der „harmonischen“ Welt der Haustiere gegenüber. Das finde ich grundsätzlich vom lyrischen Ansatz her als bedeutungsvoll.

Deine bewusst gewählte Sprache, gerade zu Anfang, hat etwas von einem „Nachrichten Stil“ der allerdings durch das Wort „labern“ sofort aus diesem Stil herausfällt, und eindeutig Stellung bzw. Wertung bezieht.
Das finde ich zur Eröffnung dieses Gedichtes als Misslungen. Denn es ist doch so, das bis auf das ironisierte „Miauen“ gegen Ende des Textes, dieses Wort ansonsten dem Duktus deines Gedichtes widerspricht.

Ganz besonders „störend“ empfinde ich folgende „Behauptungen“
( ich meine und überprüfe nicht den Wahrheitsgehalt) :

Tiere sind die einzigen Freunde,
die uns Menschen in der Gegenwart bleiben.

Tiere fragen nicht, was sind die Ziele
meines Ichs in der Zukunft?

Die Zeit schenken sie uns immer im Jetzt
und fragen nicht nach unserem Schicksal.

Ich möchte an dieser Stelle auch nicht das Fass aufmachen und behaupten das sei keine Lyrik. Aber, selbst wenn sich die LL Gemeinschaft darauf einigte das sei Prosalyrik oder lyrische Prosa, bleibt – für mich – :
die Sätze sind nicht mehr als lose Formeln.
Sie lassen mich nicht nur kalt, sondern lassen mich „aufschreien“ und sagen, das ist falsch.
Das führte aber nur zu einer Diskussion über diese Behauptungen, und also weg vom Gedicht.

Also bleibe ich erst einmal beim Strukturellen:
Du hast dein Gedicht „en Bloc“ gepostet. Der Text zerfällt aber , denke ich, in drei (bzw. vier)nicht zusammenhängenden Teile, die ich einmal durch Stropheneinteilung kenntlich machen möchte:

Alles labert vom Weltfrieden,
doch im Donbass ist Krieg -
genauso wie im Irak und Afghanistan,
Syrien und Jemen, Türkei und Palästina.
Alle Worte heizen sich auf,
Wortgefechte eskalieren zu offener Gewalt.
Die Schimpfwörter der Hindus kennen wir nicht.
Wir beherrschen nicht einmal unsere Sprache.
Die Sprache des Friedens ist Vogelgezwitscher,
Miauen der Katzen, Wiehern der Pferde.

Tiere sind die einzigen Freunde,
die uns Menschen in der Gegenwart bleiben.
Tiere fragen nicht, was sind die Ziele
meines Ichs in der Zukunft?
Die Zeit schenken sie uns immer im Jetzt
und fragen nicht nach unserem Schicksal.

Lasst uns miauen!

Ich denke diese Einteilung in Strophenform würde dem Leser helfen deiner Idee leichter zu folgen. Die Abschnitte, die ich dir Vorschlage, sind auch und gerade „Denksprünge“
Weiter zum Inhaltlichen:
Es gibt einige Stellen die mich sofort aus dem Fluss des Gedichtes hinauswerfen:
„Die Schimpfwörter der Hindus kennen wir nicht.“

Diese Zeile bleibt mir in ihrer Folgerichtigkeit deines Gedichtes ein Rätsel.
Ich kann ihr nicht folgen. Sie wirft mich heraus.
Dann und das ist das schwierigste für mich:
Tiere sind die einzigen Freunde,
die uns Menschen in der Gegenwart bleiben.
Tiere fragen nicht, was sind die Ziele
meines Ichs in der Zukunft?
Die Zeit schenken sie uns immer im Jetzt
und fragen nicht nach unserem Schicksal.
Dies „Strophe“ ( von mir so, aus erwähnten Gründen, abgesetzt) finde ich als reinen Foirmalismus.
Behauptungen im sprachlichen Duktus zwischen „Philosophie“, „Emperie“ und Kaffeeklatsch.

Und doch ist es dem formellen nach die wichtigste Strophe deines Gedichtes , denn nur sie baut die Brücke
zu den vorherigen Teilen.

Allein dein Fazit:“ Lasst uns miauen!“
Das weiß mir zu gefallen

wenn ich einen Vorschlag machen darf:
Lasst uns miauen
Alles bellt vom Weltfrieden,
doch im Donbass ist Krieg -
genauso wie im Irak und Afghanistan,
Syrien und Jemen, Türkei und Palästina.
Alle Worte summen sich auf
und grunzen vor Gewalt,

Die Schimpfwörter der Heuschrecken kennen wir nicht.
Wir schnattern nur unsere Worte.
Die Worte des Friedens sind Vogelgezwitscher,
das Singen der Wale, Wiehern der Pferde.

Lasst uns miauen!

Ich möchte hier nicht erklären was ich getan habe, denn es ist ja plötzlich ein anderes Gedicht.
Das sind nur Vorschläge, von denen ich glaube, das sie das für mich sehr zusammengewürfelte, zu einer Einheit zusammenführten

Vielleicht ist etwas für dich dabei

Man liest sich
ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
niedlich!

Der stärkste von allen Frieden ist gewiß die Opferstarre des Antilopenkälbchens, wenn der Löwe auf seinen Rücken springt und ihm zärtlich in den Nacken küßt. Was für ein erotisches Grollen!

Die Maden, die andere Tiere von innen her aufessen, sind still und heimlich. Böse Tiere haben keine Lieder.
 

Ralf Langer

Mitglied
Doch Mondnein,
auch die haben ihr Lied:
(zumindestens eine Bennsche Behauptung)

Eure Etüden

Eure Etüden,
Arpeggios, Dankchoral
sind zum Ermüden
und bleiben lokal.

Das Sakramentale –
schön, wer es hört und sieht,
doch auch Hunde und Schakale
die haben ihr Lied.

Das Krächzen der Raben
ist auch ein Stück –
dumm sein und Arbeit haben:
das ist das Glück.

Ach eine Fanfare,
doch nicht an Fleisches Mund,
daß ich erfahre,
wo aller Töne Grund.

"Die Maden, die andere Tiere von innen her aufessen, sind still und heimlich. Böse Tiere haben keine Lieder."

Insgesamt aber ziehe ich meinen Hut vor dieser kurzformulierten, aber ins Schwarze treffenden Analyse deinerseits.
Schmunzelnden Gruß
Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Lieber Ralf!
Das Gedicht von Benn gehört zu meinem (ziemlich bescheidenen) Auswendig-Schatz, schon seit dreißig Jahren.
Und ich glaube nicht, daß er mit den Wölfen, Schakalen und Raben die Propheten des Weltfriedens gemeint hat. Eher "rollende Steine" in der Art von Dylan: "how does it feel to be on your own ..."

grusz, hansz
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Mondnein,
du hast natürlich recht.

Spontanität hat oftmals den Nachteil ungenau zu sein.
(Ich wollte den Benn nur loswerden, weil er mir so schnell ins Gedächtnis kam)

lg
Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
consentio

So, wie er auch mir immer ins Gedächtnis schießt.
 



 
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