Gehorsam

erbsenrot

Mitglied
Gehorsam (eine wahre Geschichte)


„So, liebe Bergfreunde, wir sind da! Heute üben wir Spaltenbergung.“

Die kleine Gruppe, bestehend aus acht angehenden Hochtourenalpinisten, steckt ihre Eispickel in den festgetretenen Schnee auf dem Gletscher. Rosi, eine junge hübsche Frau, schaut dem Bergführer ins Gesicht und hört ihm aufmerksam zu. Das Bergsteigen ist ihre Passion. Es gibt ihr ein Gefühl von Freiheit. Eine Freiheit, die sie so nicht kennt, denn sie ist im Grunde ihres Wesens, eine brave angepasste Person. Schon die Eltern empfanden sie früher nur dann als ein liebes Kind, wenn Rosi tat, was sie sagten. Ohne Widerspruch und unnütze Fragerei, wie Papa immer meinte: „Tu einfach, was ich sage, dann ist das schon richtig!“ Und, wie gesagt, Rosi war ein braves Mädchen.

Der Gletscher glitzert in der hellen Mittagssonne und scheint geruhsam zu warten, was da wohl auf ihn zu kommen könnte. Furchendurchklüftet und höchst gefährlich, schweigt er. Seine Spalten sind zum Teil sehr tief, mit bläulichen Wänden aus blankem Eis. Schon mancher Alpinist hat sein Leben in so einer Falle verloren. Aus diesem Grund bietet der Alpenverein Kurse an, in denen man das richtige Verhalten und die Bergrettung im Hochgebirge lernen kann.
„Ich habe diese Spalte zum Üben ausgesucht. Sie ist nicht so tief und hat schöne glatte Wände.“
Sepp, der Bergführer, schaut in die Runde. Alle legen ihre schweren Rucksäcke ab und binden die Seile los.
„Eins müsst ihr euch merken: Ist jemand in eine Spalte gefallen, muss man schnell handeln und ihn raus holen – es ist nämlich verdammt kalt da unten!“
Gespannt schauen die Teilnehmer auf Sepp, der fortfährt: „Ich erkläre euch noch mal kurz, wie wir vorgehen. Jeder kommt mal dran – deshalb gut aufpassen: Wir bilden Dreiergruppen. Die erste und zweite Person bauen hier oben im Eis, vier Meter vom Rand weg, einen sicheren Standplatz. Zunächst bohren sie eine Eisschraube mit Karabiner in das Eis, um das Seil zu fixieren. Ihr wisst ja, wie das geht. Der Dritte bindet sich in das Ende vom Seil ein und wird, gut gesichert, in den Spalt herabgelassen. Wie die Rettung dann weiter geht, erzähle ich später.“
Sein Blick geht prüfend in die Runde: „Alles verstanden? Hat noch jemand Fragen?“
„Nein, alles klar! Du hast uns ja gestern Abend schon gut instruiert.“ murmelt die Gruppe.
„Gut! Dann verteile ich jetzt die Positionen für die erste Gruppe: Position eins für den Stand – Otmar du! Position zwei für den Stand – der Willi!
Und du, Rosi – springst in die Spalte.“

„O.k.“, nickt Rosi …

… und hops – war sie weg!







(c)Hilda Röder
 

MarenS

Mitglied
Nicht wirklich...oder?
Wenn es sich so abgespielt hat dann ist es gleichzeitig kurios komisch und scheußlich. Gut gedrillt die junge Frau.

Die Geschichte plätschert nett vor sich hin, bis dann der letzte Satz kommt. Man liest ihn einmal, zweimal und will es nicht glauben.

Ich habe gerade unter einen anderen Text geschrieben: Es ist erstaunlich, was Eltern ihren Kindern so alles auf den Lebensweg mitgeben!

Grüße von Maren
 

erbsenrot

Mitglied
Unglaubwürdig?

Doch! Es ist wirklich so passiert. Ich weiß es aus erster Hand, vom Bergführer selbst.

Und eben, weil es so kurios ist, habe ich es aufgeschrieben ;)

Vielen Dank, Maren.

Grüßle
erbsenrot
 



 
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