Gerechtigkeit

3,30 Stern(e) 3 Bewertungen

Stairway

Mitglied
„Weißt du, Opa“, flüsterte der Junge mit einem funkelnden Blick, „ich glaube, es gibt
Gerechtigkeit auf der Welt.“

Gemächlich entzündete der Großvater seine Pfeife und lehnte sich zurück.

„Weißt du, Junge“, begann der Großvater, „vor ein paar Jahren sah ich einen Stadtstreicher. Obwohl sich viele Menschen auf der Straße befanden, fiel mir der Mann schon von weitem auf. Schmuddelig war nicht nur seine Kleidung, sondern seine gesamte Erscheinung. Je näher er mir kam, desto mehr erkannte ich seinen Zustand. Seine Haare waren fettig und ungekämmt, seine Barthaare wuchsen wie sie gerade wollten und seine Hose war zerschlissen, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Er bewegte sich immer näher auf mich zu. Seine Augen waren müde und in seinem Blick spiegelte sich sein Leid wieder.

Als er so an mir vorüberging, hielt er auf einmal inne und starrte auf den Asphalt. Ich glaube, ein freudiges Raunen aus seinem Mund gehört zu haben. Er bückte sich und griff nach etwas, das auf dem Boden lag. Als er sich schließlich erhob, wandte er sich mir zu, lächelte über sein ganzes Gesicht und zeigte mir stolz, was er soeben gefunden hatte. Es war ein Pfennigstück. „Das muss mein Glückstag sein“, sagte er triumphierend. „Ein Glückspfennig.“

Er drehte sich um und ging seines Weges. Ich blickte ihm lächelnd nach, bis er schließlich in der Menschenmenge verschwand.

Nachdem der Bus an der Haltestelle angekommen war und ich gerade einsteigen wollte, merkte ich, dass an meinem Schuh irgendetwas schleifte. Ich sah hinab zu meinen Schuhen und stellte mich schließlich auf ein Bein, um zu sehen, ob etwas an der Sohle haftete. Als ich sah, was an meinem Schuh hing, wusste ich, was ich von der Gerechtigkeit zu halten habe. An der Sohle klebte ein Kaugummi, und am Kaugummi ein Hundertmarkschein."
 

Stairway

Mitglied
An alle Bewerter

Ich finde es ja toll, wenn ihr mein Werk bewertet. Aber leider nützt mir eure Bewertung nichts, wenn ihr keinen Grund angebt. Schließlich kann ich aus der Bewertung nicht entnehmen, ob ihr etwas an meinem rhetorischen Stil auszusetzen habt oder ob sich die Kritik gegen den Inhalt der Geschichte richtet. Letzteres wird wohl immer einen Grund zum Streiten geben.

Herzlichst

Stärwäi
 

Rainer

Mitglied
hallo stairway,

unten meine gedanken zum text

„Weißt du, Opa“, flüsterte der Junge mit einem funkelnden Blick, „ich glaube, es gibt
Gerechtigkeit auf der Welt.“ [blue] warum funkelt der blick; er ist doch nicht wütend oder von vorn herein zu widerspruch aufgelegt – jedenfalls ist es mir nicht erkennbar.
[/blue]
Gemächlich entzündete der Großvater seine Pfeife und lehnte sich zurück. [blue] klingt so ausgekatscht; ein bisschen wie ein schüler, der im aufsatz auf eine bekannte formulierung zurückgreift.
[/blue]
„Weißt du, Junge“, begann der Großvater, „vor ein paar Jahren sah ich einen Stadtstreicher [blue] sehr gut: der opa nennt ihn stadtstreicher, der enkel würde ihn sicher penner nennen.[/blue] Obwohl sich viele Menschen auf der Straße befanden, fiel mir der Mann schon von weitem auf. Schmuddelig war nicht nur seine Kleidung, sondern seine gesamte Erscheinung. kann man von weitem mehr als die schmuddelige kleidung erkennen? Je näher er mir kam, desto mehr erkannte ich seinen Zustand. [blue] das ist wohl immer so. aber ob der großvater seinen ZUSTAND erkannte, wage ich zu bezweifeln. vielleicht hier ein beispiel bringen, und nicht die globale tatsache NENNEN.[/blue]Seine Haare waren fettig und ungekämmt, seine Barthaare wuchsen wie sie gerade wollten und seine Hose war zerschlissen, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Er bewegte sich immer näher auf mich zu. Seine Augen waren müde und in seinem Blick spiegelte sich sein Leid wieder. [blue] s.o.[/blue]

Als er so an mir vorüberging, hielt er auf einmal inne und starrte auf den Asphalt. Ich glaube, ein freudiges Raunen aus seinem Mund gehört zu haben. Er bückte sich und griff nach etwas, das auf dem Boden lag. Als er sich schließlich erhob, wandte er sich mir zu, lächelte über sein ganzes Gesicht und zeigte mir stolz, was er soeben gefunden hatte. Es war ein Pfennigstück. „Das muss mein Glückstag sein“, sagte er triumphierend. „Ein Glückspfennig.“ [blue] hedwig courths-mahler realismus[/blue]

Er drehte sich um und ging seines Weges. Ich blickte ihm lächelnd nach, bis er schließlich in der Menschenmenge verschwand. [blue] ausgekatscht[/blue]

Nachdem der Bus an der Haltestelle angekommen war und ich gerade einsteigen wollte, merkte ich, dass an meinem [red] Schuh[/red] irgendetwas schleifte. Ich sah hinab zu meinen [red] Schuhen[/red] [blue] Füssen[/blue] und stellte mich schließlich auf ein Bein, um zu sehen, ob etwas an der Sohle haftete. Als ich sah, was an meinem Schuh hing, wusste ich, was ich von der Gerechtigkeit zu halten habe. An der Sohle klebte ein Kaugummi, und am Kaugummi ein Hundertmarkschein."[blue] in meinen augen unrealistisch: z.b. wenn ich einen kaugummi an der schuhsohle habe merke ich das, so lange er noch „frisch“ ist – denn mich stört das festkleben am untergrund. ist der kaugummi schon länger dran (so dass ich ihn nicht mehr bemerke), kann er unterwegs keinen hunni einsammeln, denn er ist nach unten hin nicht mehr klebrig.
ich würde den großvater auf andere art zu dem großen schein kommen lassen.
ich hoffe nur, dass du mir jetzt nicht sagst, dass es aber haargenau so passiert ist - dann schreibt wirklich das leben die besten geschichten :)[/blue]


ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen; wir können uns auch gern über alle punkte einzeln unterhalten.

viele grüße

rainer
 

Stairway

Mitglied
Hallo Rainer

Vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, meinen Text so sorgfältig auseinanderzunehmen. Du hast die Geschichte fast nochmal neu geschrieben. Das muss ja schon eine Ewigkeit in Anspruch genommen haben. :)

Wie so oft, war es auch dieses Mal der Fall, dass die Schwächen einer Geschichte erst durch Resonanz erkannt werden. Ich verstehe die einzelnen Punkte, außer den Begriff "Hedwig Courths-Mahler Realismus".

freundliche Grüße

Sascha
 

Rainer

Mitglied
hallo sascha,

hedwig... - ich würde den stadtstreicher nicht sooo überschwenglich reagieren lassen, vielleicht nennt er seinen fund etwas sarkastisch glückspfennig; halt irgendwie ein bißchen realer gestalten.

viele grüße

rainer
 



 
Oben Unten