Ghasel über das Biertrinken

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Gurke

Mitglied
Ich hab jetzt richtig Lust, ein Bier zu trinken.
Entspannend wär´s, so denk ich mir, zu trinken.

Nur Stress hat´s heute im Betrieb gegeben
und Zoff mit Chef von acht bis vier. Zu trinken

löst kein Problem, ich weiß es wohl und ich
versprech dir heilig, ohne Gier zu trinken.

Und weil ich dabei nicht allein sein möchte,
zieh ich entschieden vor, bei dir zu trinken.

Ob dir das auch gefällt, ist mir egal,
ich komme gleich vorbei, um hier zu trinken.
 

Gurke

Mitglied
Ich hab jetzt richtig Lust, ein Bier zu trinken.
Entspannend wär´s, so denk ich mir, zu trinken.

Nur Stress hat´s heute im Betrieb gegeben
und Zoff mit Chef von acht bis vier. Zu trinken

löst kein Problem, ich weiß es wohl und ich
versprech dir heilig, ohne Gier zu trinken.

Und weil ich dabei nicht allein sein möchte,
zieh ich entschieden vor, bei dir zu trinken.

Ob dir das auch gefällt, ist mir egal -
ich komme gleich vorbei, um hier zu trinken.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Gurke, (Jürgen?)

danke, dass Du uns mit diesem Gedicht eine seltene lyrische Form nahebringst. Für alle, die sehr niedrig gewertet haben, stelle ich mal einen informativen link ein http://de.wikipedia.org/wiki/Ghasel

Auch mir war diese Form nicht gegenwärtig. Mir gefiel aber die Übereinstimmung zwischen dem thematischen Gewöhnungs-/Abhängigkeitsfaktor und dem Reim als reine Wiederholung. Den Begriff "Ghasel" musste ich mir auch ergooglen. Ein wenig stört mich, dass es doch im Ganzen eher unlyrisch anmutet. Dennoch finde ich es sehr eigen und bereichernd, weil es über die bestehenden gewohnten Schemata hinausweist.

Grüße von Elke
 

presque_rien

Mitglied
Hi Gurke,

ich fand's auch sehr interessant, eine neue Form kennenzulernen, musste natürlich auch erstmal Wiki bemühen. Schade, dass einige Leser einfach werten, anscheinend ohne sich mit der Form auseinanderzusetzen (ich finde es übrigens auch sehr schön, wie du den "langweiligen" durchgehenden Reim durch die jeweils viertletzten Silben doch noch variierst). Mich würde noch interessieren, ob du dich an irgendwelche thematischen Vorgaben für die einzelnen Strophen gehalten hast, so wie's ursprünglich für diese Form vorgesehen war (ich hab' nur keine Einzelheiten dazu gefunden).

Lg presque
 

Gurke

Mitglied
Hallo ENachtigall,
Hallo presque-rien,

erstmal vielen Dank für Eure Antworten.

Mich würde noch interessieren, ob du dich an irgendwelche thematischen Vorgaben für die einzelnen Strophen gehalten hast, so wie's ursprünglich für diese Form vorgesehen war (ich hab' nur keine Einzelheiten dazu gefunden).
Ich habe das Ghasel in einem anderen Forum kennengelernt und denke, es ist eine spannende Lyrikform, gerade weil sie etwas ausgefallen ist. Kenne mich aber auch nur oberflächlich aus. Ein Ghasel beschreibt die Schönheiten des Lebens, preist den Lebensgenuss. Das passt ja schon irgendwie mit ganz großen Anführungsstrichen. Die erste Strophe ist das Königshaus, der Grundstein für den Text. Das halte ich schon nicht mehr ein, denn ich schreibe daraufhin eher eine Geschichte mit der "Drohung" gleich vorbeizukommen.


Schade, dass einige Leser einfach werten, anscheinend ohne sich mit der Form auseinanderzusetzen
Ja, den Eindruck hatte ich auch. Aber letztendlich muß ich es akzeptieren, denn ein Text muß auch wirken, ohne dass der Leser die Form kennt oder versteht. Da hat es ein Ghasel natürlich schwer.

Ein wenig stört mich, dass es doch im Ganzen eher unlyrisch anmutet.
Das liegt sicher auch am Thema und an der Alltagssprache. Ich wollte es eher humoristischer halten. Ich mag sowas, z. B. auch gerade bei einem Sonett. Eine Herabwürdigung des Ghasels oder persisch/arabisch/indischer Lyrik sollte das trotz des Themas aber nicht sein. Eher ein humorvoller Umgang damit.

Schönen Abend wünsch ich Euch

Jürgen
 

Wittgenstein

Mitglied
Liebe Gurke,

Asche auf mein Haupt.

Die zwei Punkte kommen von mir - und ich würde sie gerne zurücknehmen.

Ich habe mich total vom ersten Eindruck leiten lassen, da fand ich das Versmaß einfach nur irre nervig.

Einmal unter dem Stichwort "Ghasel" gegoogelt, hätte mir die Augen geöffnet.

Der Ansatz, eine derart exotische Reimform mit einem höchst banalen Thema zu kombinieren (siehe Robert Gernhardts: Ich find Sonette sowas von beschissen ...) ist pfiffig und der Viererreim bei den jeweiligen "A-Strophen" raffiniert und gelungen.

Kann man Wertungen bei anfänglichem Nichtdurchblick eigentlich zurücknehmen?

Peinlich, peinlich, peinlich.

Dir und allen Kommentatoren: Danke für die Nachhilfelektion.

Mit der Bitte um Verzeihung
grüßt

Wittgenstein
 

Joh

Mitglied
Hallo Jürgen,

ich finde es immer wieder spannend neue Formen kennenzulernen, gut, daß ich so spät dazugekommen bin, und es richtig genießen konnte (Lach). Dein Gedicht macht auch Lust, selbst auszuprobieren, ob einem diese Form liegt.

ein Gruß an Dich, Johanna
 

ENachtigall

Mitglied
Hut ab vor Deinem Bekennerschreiben, Wittgenstein! Wertungen können wenn dann nur von der Technik zurückgenommen werden. (Ab nächste Woche wieder am Ball).

Viele Grüße von Elke
 

Gurke

Mitglied
Hallo Wittgenstein,

macht doch nichts. Und danke für Deinen Kommentar.

Hallo Joh,

ja, probier es mal. Man kann auch mit einem Endreim arbeiten. Wichtig ist die Reihenfolge der Reime aa/ba/ca/da...
Im Grunde hast Du also nur einen Reim.

Schönen Abend wünsch ich euch

Jürgen
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo Jürgen,
unter anderen hat August von Platen Ghaselen geschrieben; Du befindest Dich also in guter Gesellschaft.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber, was die letzte Zeile angeht:
ich komme gleich vorbei, um hier zu trinken
"hier" bezieht sich auf den Ort des Sprechers, daher ist es verwirrend, dass er erst irgendwo hingehen will, um "hier" zu sein.
Viele Grüße
Hieronymus
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Nach Neuem lechtzt sie stets, die Künstlerseele
und ganz am Schluss schreibt man sogar Ghasele,
allein nur um des blossen Spielens willen,
auf dass die Langeweil' davon sich stehle,
probiert man selbst die allerfremd'sten Formen,
damit dem Dichter-Repetoire nichts fehle,
allein, mir scheint die Form doch etwas spröde,
drum schüttet Bier der Dichter in die Kehle,
denn ist die Form am Schluss auch noch so trocken,
wie aller-allerfeinste Bäckermehle,
so ist doch weder Malz noch Hopfen verloren,
bekommt man(n) Reime über Bier zu Ohren.

Witzig, werter Namensvetter und gelernt habe ich auch noch etwas, was will man mehr?!

LG

Jürgen
 

Gurke

Mitglied
Hallo JoteS,

Klasse, und wie durchschaut ich mich jetzt fühle (schäm).

Hallo Hieronymus,

Du hast mit Deinem Einwand natürlich Recht. Es war mit zwar bewusst, aber ich habe es mal als Alltagssprache gedeutet. Gleich bei dir um hier, ich dachte, es ging. Über Deinen Vorschlag denke ich nach, spontan mag er mir nicht so recht gefallen. Schier scheint mit mit der benutzten Alltagssprache etwas zu brechen.

Schönen Abend

Jürgen
 
Ein Reim sind doch gleichklingende Wörter, oder?
Ok, das mit dem aa / ba / ca etc habe ich ja begriffen.
Aber dass a hier immer dasselbe Wort ist, hat mich doch gestört.
Aber vielleicht hab ich nur keine Ahnung von Gedichten, egal woher die kommen. :)
 

Gurke

Mitglied
Hallo Schusterjunge,

lies mal im Link von E-Nachtigall das Gedicht von Hugo von Hofmannstal. In dieser Form wird der Reim zentriert gesetzt, danach werden die Worte wiederholt. Genauso bin ich auch vorgegangen (und so habe ich auch Ghaselen kennen gelernt). Bei mir ist der Reim Bier, Gier, dir usw.

Natürlich geht auch bei einem Ghasel der normale Endreim, wie ihn Jote in seinem hervorragend entlarvenden Text benutzt.

Schönen Abend

Jürgen
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Gedicht verwendet eine deutsche Adaption einer Jahrhundertealten Form in einer eigenen Abwandlung des Autors:

Das "normale" deutsche Ghasel hat das Reimschema:

aa ab ac ad ae ...
(mit einer unbestimmten Zahl von Strophen, wobei außer der ersten jede Strophe einen sich nicht mit anderen Strophen reimenden Vers enthält.

Das vorliegende Ghazel wandelt die Form leicht ab zu "aa ba ca ..."

Die Verwendung des "reichen Reimes" ist relativ typisch für das Ghasel, wird aber nicht in allen Gedichten verwendet. In Deutsch ist er selten, hier erscheint er mir gelungen.

Hier ist es sehr schön und trägt zum Zusammenhalt, zum Kernpunkt des Gedichtes bei.

Im klassischen Ghasel gibt es zusätzliche Binnenreime nach dem gleichen Schema, darauf wird aber in Deutsch meist verzichtet. Die Zeilenlänge und innere Struktur ist innerhalb eines Ghasels meist gleichartig, dabei können die Enden der nichtreimenden Verse aber sowohl weiblich als auch männlich sein, unabhängig von den reimenden Versen.

All das hält das vorliegende Werk gut ein.

Es ist schon etwas älter, aber deshalb ein gutes Beispiel. Gedichte sollten nicht so schnell veralten.
 



 
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