Gletscherlied

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Joh

Mitglied
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Dieser Text gehört zu einer Reihe, die ich „Atemlos-Prosa“ nenne. Ich bin gespannt auf Eure Meinung.





GLETSCHERLIED




Sturm zerzaust die Baumkronen vor dem Fenster und meine Gedanken, die im Regen tanzen, fortgewaschener Grautag, dazu singen die Böen, und ich trudele auf ihnen bis in die Wolken hinauf, auf einem Sonnenschiff geht es gen Norden, wo die weißen Riesen in ihrer kristallenen Welt nach Beute suchen, unwissend siechend an unseren gasigen Wohltaten, die sie mit ihrem Fang verschlingen, und die Sonne, die nun endlich Einlaß durch die hüllenden Pforten gefunden, die Gletschermütter in immerwährenden Wehen brüllen läßt, die sich in unaufhaltsamen Strömen verzehren, ihre Kälberflut in die kalten Wasser stoßen; keine Reise mehr gen Süden, milchigweiß, Jahrtausende alte Luft ausschmelzend, werden sie zu kreisenden Lebensflößen der weißen Pelziger und Wasserhunden in verhungernden Meeren, deren Rahm von stählernen Bäuchen und Grasmägen verschlungen wird; seid froh ihr eisigen Kinder, müßt euch nicht an öligen Küsten die Leiber zerschürfen, nicht mit Landflüchtigen die verwesenden Reste verschlungener Seewälder suchen, und den verirrten Albatros hören, der in den sterbenden Wehensang einfällt; ich reise mit ihm, sehnend nach Leben, ungetrübt - nur noch in Erinnerungen, und südlichen Winden, die mich nach Hause bringen, zum Regen . . .





Johanna Pless
3.2008



.
 
M

max

Gast
ist das nicht
ein bißchen
"too match"?
ein wenig
"overdresst"?

jedenfalls mußte ich schon
ein wenig schmunzeln
na ja nicht gerade
atemlos
 
N

nobody

Gast
Sprach- und bildgewaltig ohne Zweifel, nur dafür würde ich gerne eine "9" geben, aber doch etwas überbordend (für meinen Geschmack), erzähltechnisch (allerdings in einer lyrisierenden Variante) ähnelt der Text für mich dem „stream of consciousness“ von Joyce, (den ich sehr mag), vielleicht auch der Technik Alexander Kluges, ich bin mir nicht sicher, ob die Betroffenheit des Sängers (oder wenn man will des „lyrischen Ich“) ganz glaubwürdig durch diese Art Prosa rüberkommt. Eine eher „unterkühlte“ Darstellung der Klimakatastrophe unter Nennung von Ross und Reiter (der Verursacher) würde mir eher behagen, und statt des nostalgischen Abgesangs ein „Tun wir doch etwas dagegen!“ Aber eben alles gefühlsmäßig, stilistisch kann ich nicht mitreden bei Texten dieser Art, habe es schon schwer genug mit dem eigenen Stil.
Jedenfalls - die Idee finde ich gut, wie die geschundene Natur zu Worte kommt.
Gruß Franz
 

Joh

Mitglied
Hallo Max,

Du sagst wenigstens ehrlich, was Du von dem Text hältst ;)

ein Gruß an Dich, Johanna
 

Joh

Mitglied
Hallo Franz,

ja, ich gebe zu, beim schreiben ist etwas mit mir durchgegangen ;). Die Atemlostexte entstehen eben aus dem Bauch heraus und werden später zwar überarbeitet, aber ich belasse die Assotiation, daß beim schreiben vorherrschende Gefühl erhalte ich, dieses Mal war es wohl ein bißchen zu heftig. Aber dafür poste ich ja auch, um zu erfahren, wie die Geschichte auf andere Menschen wirkt.

Ich danke dir auf jeden Fall für Deinen freundlichen Kommentar und werde mir auf jeden Fall den Poe zu Gemüte führen.

ein Abendgruß an Dich, Johanna
 
K

KaGeb

Gast
Liebe Johanna,

das ist einfach zuviel des Guten. Federn müssen erst zu Boden gleiten, um erkannt zu werden.
"Atemlos" macht es wirklich, doch verfehlt es dadurch viele Aussagen, die bedacht werden wollen.
Die Kraft ist zu gewaltig, um nachdenken zu können.
Probiere es "portionsweise" und mit Absätzen.
Du jonglierst mit der Sprache in einem Tempo, dass flirren lässt.
Mächtiger Epos, der in Unverständnis führt und nur, weil das Tempo zu schnell ist.
Du hast Potential - großes - doch lasse es wirken!

LG, KaGeb
 

Joh

Mitglied
Hallo Karsten,

danke Dir für Dein Kommentar, das Potential freut mich. Es gibt noch mehr von diesen Atemlosen Texten und ich werde wohl ernsthaft überdenken müssen, ob ich Ihnen nicht doch die Zügel anlegen muß. Schade;)

ein Gruß an Dich, Johanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo Joh,

nicht gleich die Zügel anlegen, lass sie ruhig erst einmal durchgehen.

Lieben Gruß
Franka
 

Joh

Mitglied
Hallo Franka,

danke Dir ;), noch schlummern sie ja ungezügelt und es kommen ja immer mal wieder Neue.

Lieber Gruß, Johanna
 
Ehrlich gesagt, ich habe den Text gar nicht ganz gelesen.
Zu oft muss ich neu ansetzen, um überhaupt zu begreifen, worum es geht.
Mir kommt es vor, als gingen Zusammenhänge verloren, wenn zusammengepfercht in einen Bandwurmsatz zu viele Gegensätze auftauchen. Ich kann mit dem Text nichts anfangen. Ich begreife nicht einmal, was diese Art zu Schreiben bewirken soll.
Bin ich wohl zu doof zu. ;-)
 

Joh

Mitglied
Du bist nicht zu doof, es ist eben eine andere Art von Kurzprosa. Ich habe durch die Kommentare ja schon mitbekommen, daß sie ziemlich schwer verdaulich ist.;)Schade, es macht viel Spaß soetwas zu schreiben.

ein Gruß an Dich, Johanna
 
Ich halte jede Wette, dass auch diese Art Literatur ihre Fans hat. Lass dir von meiner Ignoranz nicht den Spaß daran verderben. ;-)
Da, wo du für ein so einfältiges Seelchen wie mich verständlich schreibst, gefallen mir deine Texte ausnehmend gut. Die "Zwischenzeit" ist bisher die einzige Geschichte in der Lupe (die ich gelesen habe), die die volle Punktzahl verdient.
 

Joh

Mitglied
Was soll ich sagen? Ich bin echt gerührt und freue mich riesig über Dein Lob!

ein Gruß an Dich, Johanna
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hi joh,

ganz so atemlos macht die prosa gar nicht ;).

der text ist ziemlich vollgepackt, das hat charme und ist gut geschrieben. aber es zeigt auch die grenzen des experiments auf. mehr und deutlichere schnitte würden dem text besser zur wirkung kommen lassen, dann aber wäre's nicht mehr atemlos.

wie auch immer, hat mir gefallen; und nur am ausprobieren ist entwicklung möglich.

grüße
nofrank
 

Joh

Mitglied
Hallo Nofrank,

so ein Zuspruch macht Mut, es mit einem noch einmal mit dieser Prosa zu versuchen, dieses Mal nur einen Tick gemäßigter. Ich danke Dir!

LG an Dich, Johanna
 

mori

Mitglied
Hallo Johanna,
das Atemlose habe ich gerade erst endeckt.Dieses intuitive Schreiben macht frei und läßt Bilder wachsen. Man muss es nicht unbedingt überarbeiten.Es hat als Bilderflut auch so Bestand.Eine Möglichkeit: Die schönsten "Traum"-Bilder weiterverwenden. Ich habe mich nur mal aus Spaß darüber hergemacht.Etwas gekürzt ...und Punkt und Komma...und so weiter...
Viel Spaß und liebe Grüße
Annette




Sturm in den Baumkronen vor dem Fenster und meine Gedanken, die mit dem Regen tanzen- fortgewaschener Grautag und singende Böen.Ich trudele in die Wolken, auf einem Sonnenschiff gen Norden.
Die weißen Riesen in ihrer kristallenen Welt suchen nach Beute.Unwissend und siechend an unseren gasigen Wohltaten, die sie mit ihrem Fang verschlingen.
Die Sonne hat Einlaß durch die hüllenden Pforten gefunden.Läßt die Gletschermütter in Wehen brüllen und sich in unaufhaltsamen Strömen verzehren. Ihre Kälberflut stößt in die kalten Wasser.Keine Reise mehr gen Süden.
Milchigweiß, werden sie zu kreisenden Lebensflößen in verhungernden Meeren.
Seid froh ihr eisigen Kinder, müßt euch nicht an öligen Küsten die Leiber zerschürfen, nicht mit Landflüchtigen die verwesenden Reste der Seewälder suchen, und den verirrten Albatros hören, der in den sterbenden Wehensang einfällt.
Ich reise mit ihm, sehne mich nach nach Leben, ungetrübt nur die Erinnerungen- und die südlichen Winde - die mich nach Hause bringen, zum Regen . . .
 

Joh

Mitglied
Hallo Annette,

Deine gezähmte Version gefällt mir, ich werde sie mir gleich kopieren.

Mein Dank und ein lieber Gruß an Dich, Johanna
 



 
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