Goodbye

fuchs

Mitglied
es regnet. er wacht auf. er wacht auf, weil es regnet.
fünf uhr dreizehn.
das zimmer, er kennt es nicht. ‘ne matratze, ein kamerastativ, ein spiegel.
es ist trostlos, abgewrackt, stickig.
er will aufstehen, doch fällt sofort wieder in sich zusammen.
fällt zurück in einen komatösen schlaf. wilde träumereien.
dreizehn uhr einundvierzig.
schweißgebadet schlägt er die augen auf. presst luft in die schwarzen lungen.
der schädel wummert, stechender schmerz überall. „Fuck!“
neben ihm ein zettel: „Goodbye...“
wieder mal ‘ne nacht mit sex, drugs und zu viel alk.
aufstehen. rein in die stinkenden, versifften, kaputten klamotten.
rausgehen. raus der wohnung. raus aus dem haus. es regnet.
déjà-vu! jeden tag das selbe. erbärmlich.
gedankenlos irrt er durch die straßen.
alle augen mit bemitleidenswerten blicken auf ihn gerichtet. ihm egal, er scheißt drauf.
die grauen fassaden mit parolen beschmiert:
„Goodbye!“ „Ich bin zu alt für so ne Scheiße!“
er bleibt in einer pfütze stehen.
sein alter ego durchlöchert ihn mit leeren blicken wie ein revolver. augenringe, graue haare, graue haut. grau. wie die welt in der er sein jämmerliches dasein fristet.
um sein abbild entsteht ein bunter ölfilm.
hallus? nein.
er wird von seiner vergangenheit eingeholt.
von einer zeit in der er sich solche fragen niemals gestellt hätte.
eine träne gräbt sich ihren pfad über seine mit falten übersäte backe.
er zerstampft die pfütze und das spiegelbild seiner visage, gezeichnet vom leben, zerstreut sich in zahllose einzelteile.
los, weiter. weg hier. weit weg von mir.

dreiundzwanzig uhr siebenunddreißig.
ein paar stunden, minuten, sekunden später.
das mit wodka gefüllte zwei-zentiliter glas knallt auf den tresen.
er setzt an zum... GOODBYE!
 

James Blond

Mitglied
Lieber fuchs,

wahrscheinlich möchtest Du das trostlose Leben eines Drogenabhängigen im Blick durch ein kurzes Zeitfenster darstellen. Der Leser soll anhand Deiner Schilderung die ganze Verlorenheit dieses Lebens erfahren. Leider rauscht Dein Versuch recht spurlos an ihm vorrüber und Langeweile, nicht Betroffenheit stellt sich ein. Um einen Leser mitzuehmen, bedarf es einer feinen Beobachtungsgabe und der Fähigkeit zur treffenden sprachlichen Wiedergabe. Beides ist in Deinem Text nicht erkennbar.

Beispiele:

es ist trostlos, abgewrackt, stickig.
...
stinkenden, versifften, kaputten klamotten.
...
komatösen schlaf. wilde träumereien.
...
jeden tag das selbe. erbärmlich.
...
bemitleidenswerten blicken
...
sein jämmerliches dasein fristet.
...
er wird von seiner vergangenheit eingeholt.

Ein typischer Anfängerfehler: Interpretationen und Beurteilungen anstelle von beobachtender sprachlicher Beschreibung. Folge: Das Geschilderte bleibt fern, abstrakt. Es berührt nicht.

Hinzu kommt eine stilistische Gedankenlosigkeit. Die eingestreuten Zeitangaben erinnern an den nüchternen Stil einer Reportage. Doch dazu mangelt es dazu nicht nur an Beobachtung, auch der Wechsel zwischen 3. und 1. Person vereitelt den Blick aus der Distanz. Zunehmend verwirrt der Text, indem ein Teil der Gedanken in " " steht, ein anderer Teil jedoch nicht.

Einige Stilblüten runden den Eindruck der Unbeholfenheit noch ab:

sein alter ego durchlöchert ihn mit leeren blicken wie ein revolver.
...
eine träne gräbt sich ihren pfad über seine mit falten übersäte backe.
Das ist so schief, dass es schon wieder gut ist! :)

Zum Schluss noch eine Anmerkung zur Kleinschreibung. Im Gegensatz zur einen, dudengesteuerten, verbindlichen Schreibung existiert ein ganzes Bündel verschiedener Kleinschreibungen, von gemäßigt bis konsequent. Einige beginnen die Eigennamen, Länder, Marken, etc. groß, andere am Satzanfang, wieder andere machen beides oder schreiben gar nichts groß.
Hier liegt nun eine ganz originelle Form vor, die innerhalb der wörtlichen Rede, also zwischen den " " die Dudenschreibung beibehält und sie ansonsten konsequent verwirft.

Manchem mag dies als Ausdruck einer persönlichen Note erscheinen, doch liegt der Sinn der Sprachnorm als Medium der Kommunikation in ihrer Standardisierung. Lieber eine gemeinsame schlechte Regelung als jedem seine (möglichwerweise) bessere eigene! Mittlerweile liegen die Versuche zur Durchsetzung einer Kleinschrift im Deutschen über hundert Jahre zurück, ohne dass sie den Charakter einer künstlichen (statt künstlerischen) Profilierung verloren hätten.

Gern kommentiert.

"GOODBYE"

LG JB
 



 
Oben Unten