Griechische Impressionen

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Griechenland. Sonne, glitzerndes blaues Meer, Ouzo, Sonnenuntergänge, Gastfreundschaft, Postkartenmotive allerorten.

Griechenland. Müll in fast jedem Straßengraben, Plastikflaschen, Plastiktüten, diese werden auch verschwenderisch in Supermärkten benutzt, Wirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit, die Hälfte der Einwohner überschwemmt Athen, das mit Geld zugebuttert wird, während die Landbevölkerung ins Leere starrt.

Schön-schreckliche Eindrücke mischen sich. Die Messe nach griechisch-orthodoxem Ritus ist beeindruckend lang und wird fast nur singend ausgeführt. Kinder rennen unbekümmert hin und her, die Erwachsenen kommen und gehen, es herrscht eine lockere Atmosphäre, an der der Herr seine wahre Freude haben muss. Tiefe Frömmigkeit auf allen Gesichtern. Aber neben dem Friedhof steht ein kleines Haus, das in einem unendlichen Durcheinander Gartenwerkzeug hortet und daneben Knochen sammelt.
Manche befinden sich in Kisten, gekennzeichnet mit Namen und/oder Fotos, aber einige bleiben anonym. Aus einem Sack grinst ein Schädel. Das ist würde- und respektlos. Weiß noch jemand, wer der Tote war?
Einzig tröstlich der Gedanke, dass auch der schlimmste Missetäter am Schluss nur in eine Kiste passt!

Ankunft Athen. Im Flughafen gibt es ein unendliches Gewimmel von Menschen. Es ist laut, es ist voll. Dann ein Schild: "Chapel". Bereits der Weg dorthin ist ruhig. Ein menschenleerer Flur mündet in eine kleine Kapelle. Nur das Summen der Klimaanlage ist zu vernehmen. Liebevoll ausgemalte Wände und Decke sorgen für eine stimmungsvolle Atmosphäre, ein kleiner Altar und viele Ikonen vervollständigen die Einrichtung. Die Stille tut gut, denn niemand ist hier. Einige Stühle laden zur Rast für Körper und Seele ein.
Und später haben die Sicherheitsbeamten noch sekundenlang Zeit für ein Lächeln! Trotz des Menschenheeres.

Man kann nicht in Athen sein, ohne die Akropolis gesehen zu haben. Diese wird uns Maria näher bringen. Maria ist die attraktivste Griechin, die ich je sah. Mit Idealgewicht und Endlos-Beinen, welche gebräunt und in Shorts zur Geltung gebracht werden. Das Erstaunlichste an Maria aber sind die bestimmt 12 Zentimeter hohen Absätze ihrer Sandalen. Damit will sie auf die Akropolis, während wir alle bequemes, rutschfestes Schuhwerk tragen müssen? Sicher wird sie die Schuhe noch vorher tauschen.

Maria erzählt freimütig aus ihrem Leben. Als Einzige der fünfköpfigen Geschwisterschar habe sie "nur" standesamtlich geheiratet. Das ginge gar nicht, denn es gab einen Riesenkrach mit ihrer Mutter. Die Mutter hat in Griechenland eine ungeheure Macht, erklärt Maria. Mit dem Vater könne man verhandeln, mit der Mutter nicht. Diese akzeptiert nur eine kirchliche Heirat. Also betrachtet sie ihre Tochter als unverheiratet. Maria hatte in weiser Voraussicht heimlich geheiratet und niemanden eingeladen. Die Mutter erzählt nun, dass sie hofft, dass Maria noch heiratet. Also richtig. Maria hat es ihr versprochen. Irgendwann wird sie es tun.

Wir erfahren auch, dass die Griechen gerne, laut, viel und heftig diskutieren, was wir durchaus schon erlebt haben, denn in Griechenland mögen zwar drei Leute am Tisch sitzen, aber es gibt dann grundsätzlich vier Meinungen. Deshalb ist das Palaver immer unendlich groß. (Unter uns: Ich finde das herrlich. Bei uns herrscht doch dagegen Grabesruhe in den Kneipen.)

Zurück zur Akropolis. Die Götter gibt es noch, denn sie jagen Sturmwinde über ihre Tempel und machen den Aufenthalt dort oben mühsam. Außerdem muss man ganz schön beschränkt sein, um sich freiwillig und gegen Bezahlung bei 37 Grad im Schatten ein paar kaputte Steine anzusehen. Gemeinsam mit Heerscharen von anderen Menschen. Wir erfahren, dass jedes Jahr sechs Millionen Menschen die Akropolis besuchen. Inzwischen nur noch auf extra angelegten Wegen. Und der Parthenon-Tempel hat eine eigene Baustelle, damit nicht alles ganz kaputt geht.

Maria hat die Schuhe nicht gewechselt und läuft wie eine Gemse die Steine rauf und runter, was einen selbst sofort gefühlsmäßig zum trächtigen Nilpferd mutieren lässt. Marias müheloses Klettern verdrängt fast die Tatsache, dass die alten Griechen die tollsten Sachen gebaut haben, die Maria uns in nahezu perfektem Deutsch erklärt. Und dass man ernsthaft grübelt, ob die Götter nicht doch noch irgendwo hausen, wenn der Volksmund die Hügelkette der Peloponnes als den liegenden Agamemnon bezeichnet, der über die Gegend wacht. Tatsächlich - diese Hügelkette sieht aus wie ein schlafender Riese.....

Maria kehrt mit heilen Sprunggelenken von der Akropolis zurück, während man selbst trotz vernünftigen Schuhwerks völlig erschlagen ist. Später wird man am Meer den Sonnenuntergang genießen. Nebenan palavern drei griechische ältere Damen (vier Meinungen), fein herausgeputzt, während an einem anderen Tisch griechische Männer mit nackten, gebräunten Oberkörpern und darauf baumelnden Goldkreuzen gleich eine ganze Flasche Ouzo leeren und der zufällig vorbeikommende Bekannte sofort eingeladen wird und mitisst und -trinkt.

Man überlegt, was man eigentlich zu Hause soll. Naja, wenigstens den Ouzo kann man ja mitnehmen.
 
Am Thema war ich interessiert und kam auf meine Kosten. Mir gefiel die Mischung aus mal angenehm Auffallendem, mal Befremdlichem. Es scheint sich ja um recht frische kontrastreiche Eindrücke zu handeln.

Ich sollte doch auch etwas zu kritisieren haben? Nun, die Formel von den drei Personen und ihren vier Meinungen glaube ich schon des Öfteren gelesen zu haben, auch bezogen auf andere Länder. Alles Übrige am Text wirkt dagegen durchaus originell bzw. individuell beobachtet.

Schönen Abendgruß
Arno
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno, danke für den freundlichen Kommentar und die Wertung - ich habe diesen Spruch mit den Meinungen dort erst gehört. Alles andere ist natürlich echt und unverfälscht und individuell beobachtet und empfunden.
:)

LG Doc
 



 
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