Heimfahrt mit Hindernissen

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ThomasQu

Mitglied
Heimfahrt mit Hindernissen

Gestern war ich mit dem Gespann auf der A9 unterwegs, hatte gerade ganz gut Tempo, als sich plötzlich die Seitenwagenplane löste – flupp, und weg war sie!
Scheiße, das darf doch nicht wahr sein!
In so einem Moment hat man zehn Gedanken gleichzeitig im Kopf.
Soll ich weiterfahren und die Plane aufgeben? Oder anhalten und versuchen, sie wiederzubekommen?
Bei einem schnellen Blick ins Boot beantworteten sich diese Fragen von selbst, denn alles, was ich am Morgen achtlos hineingeworfen hatte, drohte jetzt herausgewirbelt zu werden.
Also, hektisch rüber auf die rechte Spur und auf den Standstreifen, ich musste die Abdeckung wiederhaben.
Nachdem ich mein Fahrzeug zum Stehen gebracht hatte, riss ich mir den Helm vom Kopf, Lederjacke und Nierengurt vom Leib, es war affenheiß, und lief zurück. Nach einigen hundert Metern sah ich sie, sie flatterte zwischen der rechten und der mittleren Spur und wurde immer wieder stückchenweise vom Sog der vorbeibrausenden Fahrzeuge mitgerissen.

Wer die A9 nahe München kennt, weiß, wie dort der Verkehr ist. Ein LKW nach dem anderen, und wenn die Kolonne mal abriss, wechselten die Fahrzeuge aus der mittleren Spur nach rechts.
So stand ich hilflos da, angelehnt an die Leitplanke, ließ die Lastwagen an mir vorbeirauschen und wartete - worauf, wusste ich selber nicht genau. Es wäre vielleicht sogar möglich gewesen, mit drei beherzten Sprüngen hinzueilen und das Teil zu holen, aber das traute ich mich nicht. Was, wenn jemand wegen mir eine Vollbremsung macht und sich daraus ein Auffahrunfall ergibt?
Auf einmal kam neben mir ein weißer Polo auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Ein orangegewandeter Herr, geschätzt Mitte sechzig, stieg aus und lachte mich freundlich an. Einer von der Autobahnmeisterei, so ein Glück!
„M… meine Plane, ich hab meine …“ stammelte ich aufgeregt.
Er ließ mich nicht mal ausreden, blickte kurz nach links, ging lächelnd und in aller Seelenruhe auf die Fahrbahn, hob die Plane auf und kam tiefenentspannt zurück.
Ich staunte mit offenem Mund, unglaublich! Obwohl die Autos wild hupend an ihm vorbeigerast waren, hatte ihn diese Situation nicht im Geringsten beeindruckt.
Dankend und froh nahm ich meinen Schatz in Empfang. Auf die Frage, ob denn die örtliche Autobahnmeisterei eine Trinkgeldkasse besäße, winkte er nur ab. Er öffnete seine Beifahrertür, ich durfte einsteigen und wir fuhren zurück zu meinem Gespann, das brav mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf mich wartete. Ich solle jetzt noch ein kurzes Stück auf dem Standstreifen weiterfahren, hatte er abschließend gemeint, ein paarhundert Meter weiter gäbe es eine Ausfahrt mit einer Haltebucht und dort könne ich alles wieder ordnen. Da sei es sicherer.
Ich bedankte mich beim Abschied überschwänglich und tat, was er geraten hatte.

Wo es eine Ausfahrt gibt, ist auch eine Einfahrt nicht weit, und die waren durch einen Asphaltstreifen miteinander verbunden, der für den Verkehr gesperrt war. Da konnte ich in Ruhe die Plane befestigen und meine Kleidung richten. Doch als ich kurz aufblickte, stand schon ein Polizeiauto hinter mir, das hatte ich gar nicht kommen hören. Oh nein, jetzt nimmt die Sache doch noch ein schlechtes Ende. Die werden bestimmt schimpfen, es wird Strafe geben und Punkte!
„Haben Sie uns angerufen?“, wollte der auf der Beifahrerseite sitzende Polizist durch das geöffnete Fenster heraus wissen. „Gehörte diese verlorene Plane Ihnen?“
„Nein, äh … angerufen nicht, aber … ja, das war meine Plane … ich hab sie aber wieder!“
„Na, dann machen Sie die jetzt ordentlich fest!“, meinte er noch und die beiden fuhren weiter.

Heimgefahren bin ich mit Tempo fünfundachtzig, ganz rechts, damit ich beim geringsten Anzeichen gleich wieder auf die Standspur kann und später zuhause waren erneut zwei Druckknöpfe lose.
Ich glaube, der erstbeste Sattler macht ein Geschäft mit mir.
 
Zuletzt bearbeitet:

Wipfel

Mitglied
Hallo ThomasQu, den Montagen gehören solche Geschichten. Immer wenn nach einem Wochenende sich die Leute zum Schaffen treffen, erzählt irgendeiner solche Geschichten. Die anderen hören zu und geben mehr oder weniger passende Kommentare. Eigentlich eine Alltagsgeschichte, in der nichts von Bedeutung passiert. Und doch haben sie ihre Berechtigung, irgendwo. Du hast flüssig erzählt, aus der Ich-Perspektive. Jo, kann man machen - und du hast das gut gemacht.

Grüße von wipfel
 

ThomasQu

Mitglied
Guten Morgen Wipfel!

Vielen Dank für deinen Kommentar zum Text.
Ich finde auch, dass Alltagsgeschichten gelegentlich ihre Berechtigung haben.
Normalerweise sind es bei mir Fantasy-Figuren, die meinen Protagonisten unter die Arme greifen oder aus höchster Not retten. Dieses Mal war es eine reale Figur, trotzdem kam mir die Hilfe des Autobahnmeisters richtig märchenhaft vor.
Wusste nur nicht genau, ob Kurzprosa oder Tagebuch das passende Forum dafür ist.

Grüße und schönen Sonntag,

Thomas
 

FrankK

Mitglied
Irgendwie kommt mir das mit der sich lösenden Plane bekannt vor ... :)

Hallo Thomas
Mal eine nette Geschichte, gewidmet den Jungs (und Mädels!) von der Autobahnmeisterei ... gibt es leider nur viel zu selten und - ebenfalls wichtig - mal ein paar vertrauensvolle Polizisten in Bayern / nahe München.


Ansonsten: In Kurzprosa gut aufgehoben, eine Szene, eine Alltagssituation ohne (erzählerisch) bemerkenswerten Höhepunkt. Eine gut leserliche Anekdote.


[blue]Scheiße, das darf doch nicht wahr sein![/blue]
In so einem Moment hat man zehn Gedanken gleichzeitig im Kopf.
Soll ich weiterfahren und die Plane aufgeben? Oder anhalten und versuchen, sie wiederzubekommen?
Das ist ja der reinste Gefühlsausbruch deines Ich-Prot. Ist doch gar nicht so schwer, oder?
Auch der Rest geht tief in die Gedankenwelt des Ich-Erzählers hinein. Hier überwindest du mit klaren und einfachen Mitteln endlich einmal die Distanz zwischen Erzähler und Leser.

Im weiteren Verlauf verfällst du aber leider wieder auf die Taktik, die Geschichte mit etwas mehr Abstand zu erzählen - eher in der Art wie "Ich kenne da jemanden, dessen Freund ist da mal was passiert ..."

Bösartig, wie ich bin, möchte ich mit einem zwinkernden Auge auf den Dialog mit den Polizisten hinweisen. In meinem Kopfkino hat der Text an der Stelle nicht funktioniert. Das sah aus, als hätte der Polizist auf der Beifahrerseite seinen Text wie bei einer Castingprobe von einem Manuskript abgelesen. Da fehlte jeglicher Pepp ...

Wahrscheinlich hatte irgendein Verkehrsteilnehmer sofort nach dem Verlust die Polizei verständigt und der Herr von der Autobahnmeisterei war auch nicht ganz zufällig vorbeigekommen.
Mannomann, noch mal gut ausgegangen, was hätte alles passieren können! Das kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich die aufgewirbelte Plane am Scheibenwischer eines nachfolgenden Wagens verhakt und dem Fahrer die Sicht nimmt.
Ich weiß nicht, wie es andere sehen ... für meinen Geschmack ist dies alles etwas zu viel und überhaupt nicht notwendig.
Insbesondere die Anmerkung zum "Herr von der Autobahnmeisterei" scheint mir nicht richtig zu passen. Bei "weißer Polo" hätte ich eher auf ein Privatfahrzeug getippt, deine "Nacherklärung" deutet eher auf einen öffiziellen Einsatz.


Nur mal so als leise Randbemerkung, damit du noch was zum nachdenken hast. :)


Abendliche Grüße aus Westfalen
Frank
 

ThomasQu

Mitglied
Guten Morgen Frank!

Dass ich von dir eine kleine Anspielung zu Druckknöpfen und Seitenwagenplanen zu lesen bekomme, darauf hätte ich fast gewettet.
Ich könnte ja sagen, dass mich die Diskussion damals zu dieser Geschichte inspiriert hat. Aber nein, dem ist nicht so.
Bei der Geschichte mit dem Hund im Seitenwagen hatte ich mein Vorgänger-Gespann als Vorbild. (Ab jetzt wieder auf meinem Profil zu bewundern.) Da waren die Druckknöpfe so fest, dass man beim Öffnen aufpassen musste, dass die Plane nicht einreißt.
Ganz anders verhält es sich bei meinem jetzigen Fahrzeug, da taugen die Druckknöpfe leider gar nix.

Den Dialog mit dem Polizisten könnte man aufpeppen, keine Frage. Den hatte ich eins zu eins aus meiner Erinnerung übernommen und bei der Textpassage am Schluss, die du kritisierst, habe ich kurz vor der Einstellung einen Satz rausgekürzt, (das war eine fünfzig zu fünfzig Entscheidung), der den ganzen Sachverhalt etwas verdeutlicht hatte. Den muss ich wohl wieder einfügen.

Wahrscheinlich hatte irgendein Verkehrsteilnehmer sofort nach dem Verlust die Polizei verständigt und der Herr von der Autobahnmeisterei war auch nicht ganz zufällig vorbeigekommen.
[blue]Der hatte sich einfach nach Dienstschluss auf seinem Heimweg noch schnell um diese Sache gekümmert.[/blue]
Mannomann, noch mal gut ausgegangen, was hätte alles passieren können! Das kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich die aufgewirbelte Plane am Scheibenwischer eines nachfolgenden Wagens verhakt und dem Fahrer die Sicht nimmt.
Grundsätzlich gesehen ist mir der zweite Teil der Geschichte schon wichtig, denn der versucht zu erklären, warum so schnell jemand von der Autobahnmeisterei aufgetaucht ist und was alles, ohne mein Wissen, an Kommunikation zwischen Polizei und Autobahnmeisterei abgelaufen sein muss.

Viele Grüße und danke für deinen Kommentar,

Thomas
 

ThomasQu

Mitglied
Heimfahrt mit Hindernissen

Gestern war ich mit dem Gespann auf der A9 unterwegs, hatte gerade ganz gut Tempo, als sich plötzlich die Seitenwagenplane löste – flupp, und weg war sie!
Scheiße, das darf doch nicht wahr sein!
In so einem Moment hat man zehn Gedanken gleichzeitig im Kopf.
Soll ich weiterfahren und die Plane aufgeben? Oder anhalten und versuchen, sie wiederzubekommen?
Bei einem schnellen Blick ins Boot beantworteten sich diese Fragen von selbst, denn alles, was ich am Morgen achtlos hineingeworfen hatte, drohte jetzt herausgewirbelt zu werden.
Also, hektisch rüber auf die rechte Spur und auf den Standstreifen, ich musste die Abdeckung wiederhaben.
Nachdem ich mein Fahrzeug zum Stehen gebracht hatte, riss ich mir den Helm vom Kopf, Lederjacke und Nierengurt vom Leib, es war affenheiß, und lief zurück. Nach einigen hundert Metern sah ich sie, sie flatterte zwischen der rechten und der mittleren Spur und wurde immer wieder stückchenweise vom Sog der vorbeibrausenden Fahrzeuge mitgerissen.

Wer die A9 nahe München kennt, weiß, wie dort der Verkehr ist. Ein LKW nach dem anderen, und wenn die Kolonne mal abriss, wechselten die Fahrzeuge aus der mittleren Spur nach rechts.
So stand ich hilflos da, angelehnt an die Leitplanke, ließ die Lastwagen an mir vorbeirauschen und wartete - worauf, wusste ich selber nicht genau. Es wäre vielleicht sogar möglich gewesen, mit drei beherzten Sprüngen hinzueilen und das Teil zu holen, aber das traute ich mich nicht. Was, wenn jemand wegen mir eine Vollbremsung macht und sich daraus ein Auffahrunfall ergibt?
Auf einmal kam neben mir ein weißer Polo auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Ein orangegewandeter Herr, geschätzt Mitte sechzig, stieg aus und lachte mich freundlich an. Einer von der Autobahnmeisterei, so ein Glück!
„M… meine Plane, ich hab meine …“ stammelte ich aufgeregt.
Er ließ mich nicht mal ausreden, blickte kurz nach links, ging lächelnd und in aller Seelenruhe auf die Fahrbahn, hob die Plane auf und kam tiefenentspannt zurück.
Ich staunte mit offenem Mund, unglaublich! Obwohl die Autos wild hupend an ihm vorbeigerast waren, hatte ihn diese Situation nicht im Geringsten beeindruckt.
Dankend und froh nahm ich meinen Schatz in Empfang. Auf die Frage, ob denn die örtliche Autobahnmeisterei eine Trinkgeldkasse besäße, winkte er nur ab. Er öffnete seine Beifahrertür, ich durfte einsteigen und wir fuhren zurück zu meinem Gespann, das brav mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf mich wartete. Ich solle jetzt noch ein kurzes Stück auf dem Standstreifen weiterfahren, hatte er abschließend gemeint, ein paarhundert Meter weiter gäbe es eine Ausfahrt mit einer Haltebucht und dort könne ich alles wieder ordnen. Da sei es sicherer.
Ich bedankte mich beim Abschied überschwänglich und tat, was er geraten hatte.

Wo es eine Ausfahrt gibt, ist auch eine Einfahrt nicht weit, und die waren durch einen Asphaltstreifen miteinander verbunden, der für den Verkehr gesperrt war. Da konnte ich in Ruhe die Plane befestigen und meine Kleidung richten. Doch als ich kurz aufblickte, stand schon ein Polizeiauto hinter mir, das hatte ich gar nicht kommen hören. Oh nein, jetzt nimmt die Sache doch noch ein schlechtes Ende. Die werden bestimmt schimpfen, es wird Strafe geben und Punkte!
„Haben Sie uns angerufen?“, wollte der auf der Beifahrerseite sitzende Polizist durch das geöffnete Fenster heraus wissen. „Gehörte diese verlorene Plane Ihnen?“
„Nein, äh … angerufen nicht, aber … ja, das war meine Plane … ich hab sie aber wieder!“
„Na, dann machen Sie die jetzt ordentlich fest!“, meinte er noch und die beiden fuhren weiter. Wahrscheinlich hatte irgendein Verkehrsteilnehmer sofort nach dem Verlust die Polizei verständigt und der Herr von der Autobahnmeisterei war auch nicht ganz zufällig vorbeigekommen. Der hatte sich einfach nach Dienstschluss auf seinem Heimweg noch schnell um diese Sache gekümmert.
Mannomann, noch mal gut ausgegangen, was hätte alles passieren können! Das kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich die aufgewirbelte Plane am Scheibenwischer eines nachfolgenden Wagens verhakt und dem Fahrer die Sicht nimmt.

Heimgefahren bin ich mit Tempo fünfundachtzig, ganz rechts, damit ich beim geringsten Anzeichen gleich wieder auf die Standspur kann und später zuhause waren erneut zwei Druckknöpfe lose.
Ich glaube, der erstbeste Sattler macht ein Geschäft mit mir.
 

FrankK

Mitglied
Hallo Thomas
... und bei der Textpassage am Schluss, die du kritisierst, habe ich kurz vor der Einstellung einen Satz rausgekürzt, (das war eine fünfzig zu fünfzig Entscheidung), der den ganzen Sachverhalt etwas verdeutlicht hatte. Den muss ich wohl wieder einfügen.
Du erklärst damit deinen Lesern noch einmal deinen Text. Die Leser sind (in den meißten Fällen) aber gar nicht so dumm, als dass sie jeden "Sachverhalt" noch einmal erklärt bekommen müssen:

Wahrscheinlich hatte irgendein Verkehrsteilnehmer sofort nach dem Verlust die Polizei verständigt ...
Diese Information geht aus der gezielten Nachfrage des Polizisten hervor:
„Haben Sie uns angerufen?“, wollte der auf der Beifahrerseite sitzende Polizist durch das geöffnete Fenster heraus wissen. „Gehörte diese verlorene Plane Ihnen?“
Der hatte sich einfach nach Dienstschluss auf seinem Heimweg noch schnell um diese Sache gekümmert.
Er war mit einem Privatwagen unterwegs, daraus geht hervor, dass es entweder vor Dienstantritt oder nach Dienstschluss gewesen sein muss. Was genau ist belanglos.

Das kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich die aufgewirbelte Plane ...
Horrorszenarios "was alles hätte passieren können" darfst du ruhigen Gewissens dem Leser überlassen. Der hat genügend Schreckensbilder im Kopf.


Grundsätzlich gesehen ist mir der zweite Teil der Geschichte schon wichtig, denn der [blue]versucht zu erklären[/blue] ...
Ja, genau das ist das Problem. Eine Verständnisanleitung für den vorausgegangenen Text. Das solltest du nicht machen, denn es wirkt, als trautest du deinen Lesern keine eigene Denkleistung zu.


Ist allerdings nur meine persönliche und völlig unmaßgebliche Meinung. ;)


Dir und deiner Familie noch einen schönen Feiertag
Grüßend
Frank
 

ThomasQu

Mitglied
Heimfahrt mit Hindernissen

Gestern war ich mit dem Gespann auf der A9 unterwegs, hatte gerade ganz gut Tempo, als sich plötzlich die Seitenwagenplane löste – flupp, und weg war sie!
Scheiße, das darf doch nicht wahr sein!
In so einem Moment hat man zehn Gedanken gleichzeitig im Kopf.
Soll ich weiterfahren und die Plane aufgeben? Oder anhalten und versuchen, sie wiederzubekommen?
Bei einem schnellen Blick ins Boot beantworteten sich diese Fragen von selbst, denn alles, was ich am Morgen achtlos hineingeworfen hatte, drohte jetzt herausgewirbelt zu werden.
Also, hektisch rüber auf die rechte Spur und auf den Standstreifen, ich musste die Abdeckung wiederhaben.
Nachdem ich mein Fahrzeug zum Stehen gebracht hatte, riss ich mir den Helm vom Kopf, Lederjacke und Nierengurt vom Leib, es war affenheiß, und lief zurück. Nach einigen hundert Metern sah ich sie, sie flatterte zwischen der rechten und der mittleren Spur und wurde immer wieder stückchenweise vom Sog der vorbeibrausenden Fahrzeuge mitgerissen.

Wer die A9 nahe München kennt, weiß, wie dort der Verkehr ist. Ein LKW nach dem anderen, und wenn die Kolonne mal abriss, wechselten die Fahrzeuge aus der mittleren Spur nach rechts.
So stand ich hilflos da, angelehnt an die Leitplanke, ließ die Lastwagen an mir vorbeirauschen und wartete - worauf, wusste ich selber nicht genau. Es wäre vielleicht sogar möglich gewesen, mit drei beherzten Sprüngen hinzueilen und das Teil zu holen, aber das traute ich mich nicht. Was, wenn jemand wegen mir eine Vollbremsung macht und sich daraus ein Auffahrunfall ergibt?
Auf einmal kam neben mir ein weißer Polo auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Ein orangegewandeter Herr, geschätzt Mitte sechzig, stieg aus und lachte mich freundlich an. Einer von der Autobahnmeisterei, so ein Glück!
„M… meine Plane, ich hab meine …“ stammelte ich aufgeregt.
Er ließ mich nicht mal ausreden, blickte kurz nach links, ging lächelnd und in aller Seelenruhe auf die Fahrbahn, hob die Plane auf und kam tiefenentspannt zurück.
Ich staunte mit offenem Mund, unglaublich! Obwohl die Autos wild hupend an ihm vorbeigerast waren, hatte ihn diese Situation nicht im Geringsten beeindruckt.
Dankend und froh nahm ich meinen Schatz in Empfang. Auf die Frage, ob denn die örtliche Autobahnmeisterei eine Trinkgeldkasse besäße, winkte er nur ab. Er öffnete seine Beifahrertür, ich durfte einsteigen und wir fuhren zurück zu meinem Gespann, das brav mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf mich wartete. Ich solle jetzt noch ein kurzes Stück auf dem Standstreifen weiterfahren, hatte er abschließend gemeint, ein paarhundert Meter weiter gäbe es eine Ausfahrt mit einer Haltebucht und dort könne ich alles wieder ordnen. Da sei es sicherer.
Ich bedankte mich beim Abschied überschwänglich und tat, was er geraten hatte.

Wo es eine Ausfahrt gibt, ist auch eine Einfahrt nicht weit, und die waren durch einen Asphaltstreifen miteinander verbunden, der für den Verkehr gesperrt war. Da konnte ich in Ruhe die Plane befestigen und meine Kleidung richten. Doch als ich kurz aufblickte, stand schon ein Polizeiauto hinter mir, das hatte ich gar nicht kommen hören. Oh nein, jetzt nimmt die Sache doch noch ein schlechtes Ende. Die werden bestimmt schimpfen, es wird Strafe geben und Punkte!
„Haben Sie uns angerufen?“, wollte der auf der Beifahrerseite sitzende Polizist durch das geöffnete Fenster heraus wissen. „Gehörte diese verlorene Plane Ihnen?“
„Nein, äh … angerufen nicht, aber … ja, das war meine Plane … ich hab sie aber wieder!“
„Na, dann machen Sie die jetzt ordentlich fest!“, meinte er noch und die beiden fuhren weiter.

Heimgefahren bin ich mit Tempo fünfundachtzig, ganz rechts, damit ich beim geringsten Anzeichen gleich wieder auf die Standspur kann und später zuhause waren erneut zwei Druckknöpfe lose.
Ich glaube, der erstbeste Sattler macht ein Geschäft mit mir.
 

ThomasQu

Mitglied
Stimmt natürlich, ist erklärend.
Aber ob jeder so aufmerksam liest, (hat nichts mit Dummheit zutun), dass ihm alles gleich klar wird und er sich alle Hintergründe zusammenreimt? Weiß nicht …
Hast ja selbst gesagt, dass der weiße Polo für dich zuerst befremdlich war.
Aber dann probieren wir das mal.
 

FrankK

Mitglied
Ja Thomas
so sieht es - für mein Empfinden - besser aus. ;)

Du hast redundante Informationen entfernt und den Text dadurch etwas gestrafft.
Man könnte - vermutlich - noch weitere Straffungen / Komprimierungen ansetzen. Allerdings würdest du - vermutlich - deinen eigenen Text nur "kryptischer" empfinden.

Für eine Szene aus der Ich-Perspektive, als Anekdote in geselliger Runde zum Besten gegeben, ist es - nach meinem Geschmack - in ausreichend komprimierter Form.


Herzlich Grüßend
Frank
 



 
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