Es ist die Einsamkeit, die uns verflucht. Sie wirkt so unerbittlich. Manche sagen, es wäre die Unwissenheit, die Angst vor dem Tod, die uns Menschen ein Leben lang diesen Kampf gegen uns selbst beschert. Ich aber sage, es ist die Einsamkeit. Ich bin jetzt 84 Jahre alt. Angst vor dem Tod habe ich nicht mehr. Höchstens Sehnsucht danach. Damals in der Hitlerjugend, wußte ich nicht was Einsamkeit bedeutete. Doch diese Todessehnsucht hatte ich damals schon. Sie war nur anders. Ich hatte immer die Vision ich würde als Held sterben im Kampf um das deutsche Vaterland. Ich dachte wirklich damals, Juden seien etwas schlimmes, verachtungswürdiges. Nun, ich wurde eines besseren belehrt und die Tage flossen dahin. Als ich 44 war, hörte ich auf mit den Zigaretten. 6 Jahre später hörte ich auf mit Pfeifenrauchen. Heute bin ich bei bester Gesundheit, als hätte ich nie geraucht. Freitags um 12 Uhr mittags gehe ich ins Hallenbad an der Budapesterstraße und mache Wassergymnystik. Das hält fit. Vor 5 Jahren ist meine Frau Ruth gestorben, an Gebärmutter-Krebs. Und selbst das hat mich nicht umgehauen. Mein Arzt sagt, ich kann noch hundert werden mit dieser Konstitution und meinem Hang zum Gleichmut. Es ist schön am Leben zu sein ohne Frage und trotz meiner Sehnsucht nach dem Tod und meiner unermesslichen Einsamkeit, werde ich niemals einen Selbstmord in Betracht ziehen. Mein Sohn kommt mich ab und zu besuchen. Der feiert in einer Woche auch schon seinen 60sten. Auch schon ein alter Mann. Nein, das Leben ist schön und am meisten erfreue ich mich an den wechselnden Jahreszeiten. Wenn der Winter geht mit seinem Eis und dem Frost. Wenn helles Grün überall hervortritt; Oder wenn dieses Grün dunkler geworden ist. Wenn es nicht nur tagsüber drückend heiß sein kann, sondern auch in der Nacht; Oder wenn sich die Kraft der Bäume von den Blättern wieder in den Stamm zieht und die bunten Farben sehr traurig und schwächer leuchten; Um dann wieder der unerbittlichen Kälte und Dunkelheit des Winters Platz zu geben. Ich liebe das, diese Wechsel. Dann merke ich, daß was passiert. Ansonsten bedeutet Einsamkeit: Stillstand. Eigentlich fühle ich mich nicht alt. Ich habe nur mein Leben darauf hingearbeitet irgendwann nichts mehr tun zu müssen und das ist das eigentliche Dilemma. Ich glaube man kann in jedem Alter neu beginnen. Ein Anfang ist etwas Großartiges. Man darf sich nur nicht, wie ich, davon überzeugen lassen, dass das Alter eine Zeit des Abschieds ist, das ständige Ende. Für mich ist das zu spät. Ich könnte sogar wieder mit Rauchen beginnen, aber Rauchen ist Schwachsinn und deshalb indiskutabel. Nun habe ich also angefangen zu schreiben und ein Roman wird daraus nicht mehr, denn nach diesem kurzen Abschnitt ist Schluß damit. Ich fühle mich einfach nicht wohl. Es ist mir peinlich etwas zu tun, was meinem Alter nicht entspricht. So bin ich und ich akzeptiere das so.....