Im Einkaufszentrum

3,40 Stern(e) 5 Bewertungen

Nosie

Mitglied
[ 4]Heinz steht an der Rolltreppe nahe des Eingangs vom Einkaufszentrum, wo sie sich mindestens einmal in der Woche treffen, um gemeinsam Mittagessen zu gehen. Sie haben sich heute via Festnetz verabredet, denn sie hat wieder einmal ihr Handy zu Hause liegen gelassen. Das passiert ihr in letzter Zeit öfter und sie schiebt es dann gerne scherzhaft auf ihr Altern und freut sich, wenn er ihr charmant beteuert, wie jung sie immer noch aussieht. Heute schaut er nicht wie sonst in die Richtung, aus der sie kommt. Er kehrt ihr den Rücken zu und unterhält sich mit einer älteren Dame, die in Begleitung einer Jungen ist, es könnten Mutter und Tochter sein. Seine Frau ist es nicht, die kennt sie von Fotos. Er muß die beiden gerade erst getroffen haben, denn vor fünf Minuten hat Heinz sie noch von seinem Büro aus angerufen, sein Termin wäre zu Ende und er könne jetzt.
[ 4]Sie hält sich in einiger Entfernung, damit die beiden Frauen nicht bemerken, dass Heinz verabredet ist. Immer öfter in letzter Zeit, wenn ihnen jemand aus seinem näheren Umfeld oder aus dem Dorf, in dem er wohnt, über den Weg gelaufen ist, hat sein spürbares Unbehagen ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen, den sie stets tapfer ignoriert hat.
[ 4]Es dauert. Seit 5 Minuten wartet sie auf das Ende der Unterhaltung, doch anstatt aus seinen Gesten eine bevorstehende Verabschiedung zu erkennen, lotst Heinz seine Gesprächspartnerinnen Stück für Stück vom Eingang weg in die Tiefen des Einkaufszentrums, immer weiter redend und gestikulierend. Genau das ist eines von den vielen Dingen, die sie an ihm liebt, seine Art, im Gehen immer wieder innezuhalten und sich seiner Begleitung zuzuwenden, wie um einer Schlüsselstelle des Gesprächs eine besonderes Gewicht zu verleihen.
[ 4]Er wird nicht wissen, ob sie schon da ist und er will um jeden Preis die Möglichkeit eines verräterischen Blickkontaktes mit ihm ausschließen, so deutet sie sein Verhalten.
[ 4]Sie versteht das und wendet sich dem Schaufenster eines Taschengeschäftes zu, um sich abzulenken und nicht immer in die gleiche Richtung zu starren. Diese Situation hat es schon öfter gegeben. Jeden Moment wird er ihr die Hand von hinten auf die Schulter legen, sich tausendmal entschuldigen, ihr erklären, wer die beiden gewesen sind und wird pflichtschuldig darüber klagen, dass diese Stadt „ein Dorf“ und er froh sei, die beiden losgeworden zu sein.
[ 4]Nach einer Unendlichkeit, in der nichts geschieht, wendet sie sich wieder dem Gang voller Menschen zu und hält Ausschau nach Heinz. Dort wo sie ihn zuletzt gesichtet hat, ist er nicht mehr und auch sonst nirgendwo.
[ 4]Er wird von den beiden schnell in ein Geschäft mitgezogen worden und schon auf Nadeln sein, denn er kann annehmen, dass sie längst da ist und wartet. Sie will nicht glauben, dass er das fertig bringt, sie ohne sich umzudrehen einfach so stehen zu lassen, um ein Geheimnis zu wahren, das längst keines mehr sein kann, sie treffen sich seit zwei Jahren an diesem Platz. Sein Verhalten heute lässt sie ungläubig und mit zunehmend flauem Gefühl im Magen in die Menge schauen. Langsam begreift sie, dass er nicht mehr zurückkommen wird.
[ 4]Sie verlässt das Einkaufszentrum durch den Eingang, durch den sie es betreten hat. Die belebte Straße nimmt sie wie in Zeitlupe wahr und alles um sie her ist unwirklich weit weg und leise. Bei der Ampel wartet sie blind, obwohl die längst grün zeigt. Erst als ein anderer Passant an ihr vorbei über die Straße geht, setzt sie sich ebenfalls in Bewegung und bleibt am gegenüberliegenden Gehsteig erneut stehen. Was, wenn er in diesem Moment zurückgekommen ist und sie sucht? Sie dreht um, wartet auf die nächste Grünphase und eilt wieder ins Einkaufszentrum. Nein, er ist nicht da.
[ 4]Zurück in ihrer Firma und ihrem Büro, zeigt das Display ihres Tischtelefons keinen weiteren Anruf, das heißt er ist noch in Gesellschaft, sonst hätte er sie inzwischen zu erreichen versucht. Sie nimmt sich für den Rest des Tages frei, ihr ist nicht gut, was ihre Kollegen deutlich sehen können, ganz blass ist sie.
[ 4]Mit gesenktem Kopf beeilt sie sich, außer Reichweite von bekannten Gesichtern und zu ihrem Auto zu kommen, damit sich der Kloß in ihrem Hals endlich lösen und sie auf der Heimfahrt losheulen kann. Doch ihr Gesicht bleibt trocken, es gibt keine Erleichterung, nur ein Gefühl des Fallens.
[ 4]Zu Hause nimmt sie sich nicht einmal Zeit, die Post aus dem Briefkasten zu holen sondern hastet zu ihrem Handy, das am Netzgerät hängt und längst aufgeladen ist. Keine neuen Anrufe. Sie wählt seine Handy-Nummer, niemand hebt ab, und sie hat keine Ahnung, was sie davon halten soll. Aber zumindest weiß er jetzt, dass sie wieder erreichbar ist.
[ 4]Nach einer halben Stunde, in der sie regungslos auf der Couch sitzt und aus dem Fenster starrt, läutet das Telefon. Er ist untröstlich, ja er weiß, es ist unverzeihlich, wie peinlich, so geht man mit niemandem um. Sie sagt nichts. Es ist die Frau seines Brudes mit ihrer Tochter gewesen, er hätte nicht entrinnen können. …Aber dass du dich nicht einmal kurz losreißen konntest, um…. . Ja, er hat sich überlegt, wie er es anstellen soll, aber es ging nicht, du weißt ja….
[ 4]Sie hört nicht mehr zu. Jedes Wort, das er spricht, macht die Verwandlung vollständiger und als sie auflegt, weiß sie, dass sie endlich fähig sein wird, es zu beenden.
 

Wipfel

Mitglied
Die Idee der Geschichte ist richtig gut. Mir gefällt, wie du nach und nach den Leser zur Kalamität der "Beziehung" führst.

Die Umsetzung gefällt mir noch nicht. Die Sprache finde ich oft zu alltäglich, die Sätze nicht durchdacht. Zwei Beispiele:
Er kehrt ihr den Rücken zu und unterhält sich mit einer älteren Dame, die in Begleitung einer Jungen ist, es könnten Mutter und Tochter sein. Seine Frau ist es nicht [blue](Wer jetzt, die Tochter oder die Mutter?)[/blue], die kennt sie von Fotos. Er muß die beiden gerade erst getroffen haben, denn vor fünf Minuten hat Heinz [blue]sie[/blue] noch von seinem Büro aus angerufen,[blue](Wen jetzt? Die Tochter, die Mutter oder die heimliche Geliebte?)[/blue] sein Termin wäre zu Ende und er könne jetzt.
Kurze Sätze beleben:
Immer öfter in letzter Zeit, wenn ihnen jemand aus seinem näheren Umfeld oder aus dem Dorf, in dem er wohnt, über den Weg gelaufen ist, hat sein spürbares Unbehagen ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen, den sie stets tapfer ignoriert hat.
Vorschlag: In letzter Zeit hatte etwas ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen: immer wenn ihnen Bekannte von Heinz über den Weg liefen, spürte sie sein Unbehagen. Doch sie schwieg dazu. Tapfer.
 

Nosie

Mitglied
[ 4]Heinz steht an der Rolltreppe nahe des Eingangs vom Einkaufszentrum, wo sie sich mindestens einmal in der Woche treffen, um gemeinsam Mittagessen zu gehen. Sie haben sich heute via Festnetz verabredet, denn Eva hat wieder einmal ihr Handy zu Hause liegen gelassen. Das passiert ihr in letzter Zeit öfter und sie schiebt es dann gerne scherzhaft auf ihr Altern und freut sich, wenn er ihr charmant beteuert, wie jung sie immer noch aussieht. Heute schaut er nicht wie sonst in die Richtung, aus der sie kommt. Er kehrt ihr den Rücken zu und unterhält sich mit einer älteren Dame, die in Begleitung einer Jungen ist, es könnten Mutter und Tochter sein. Seine Frau ist es nicht, mit der er redet, die kennt sie von Fotos. Er muß die beiden gerade erst getroffen haben, denn vor fünf Minuten hat er Eva noch von seinem Büro aus angerufen, sein Termin wäre zu Ende und er könne jetzt.
[ 4]Sie hält sich in einiger Entfernung, damit die beiden Frauen nicht bemerken, dass Heinz verabredet ist. Schon oft ist ihnen jemand aus seinem näheren Umfeld über den Weg gelaufen. In letzter Zeit hat sein zunehmendes Unbehagen bei solchen Begegnungen ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen, den sie tapfer ignoriert hat.
[ 4]Es dauert. Seit 5 Minuten wartet sie auf das Ende der Unterhaltung, doch anstatt aus seinen Gesten eine bevorstehende Verabschiedung zu erkennen, lotst Heinz seine Gesprächspartnerinnen Stück für Stück vom Eingang weg in die Tiefen des Einkaufszentrums, immer weiter redend und gestikulierend. Genau das ist eines von den vielen Dingen, die sie an ihm liebt, seine Art, im Gehen immer wieder innezuhalten und sich seiner Begleitung zuzuwenden, wie um einer Schlüsselstelle des Gesprächs eine besonderes Gewicht zu verleihen.
[ 4]Er wird nicht wissen, ob sie schon da ist und er will um jeden Preis die Möglichkeit eines verräterischen Blickkontaktes mit ihm ausschließen, so deutet sie sein Verhalten.
[ 4]Sie versteht das und wendet sich dem Schaufenster eines Taschengeschäftes zu, um sich abzulenken und nicht immer in die gleiche Richtung zu starren. Diese Situation hat es schon öfter gegeben. Jeden Moment wird er ihr die Hand von hinten auf die Schulter legen, sich tausendmal entschuldigen, ihr erklären, wer die beiden gewesen sind und wird pflichtschuldig darüber klagen, dass diese Stadt „ein Dorf“ und er froh sei, die beiden losgeworden zu sein.
[ 4]Nach einer Unendlichkeit, in der nichts geschieht, wendet sie sich wieder dem Gang voller Menschen zu und hält Ausschau nach Heinz. Dort wo sie ihn zuletzt gesichtet hat, ist er nicht mehr und auch sonst nirgendwo.
[ 4]Er wird von den beiden schnell in ein Geschäft mitgezogen worden und schon auf Nadeln sein, denn er kann annehmen, dass sie längst da ist und wartet. Sie will nicht glauben, dass er das fertig bringt, sie ohne sich umzudrehen einfach so stehen zu lassen, um ein Geheimnis zu wahren, das längst keines mehr sein kann, sie treffen sich seit zwei Jahren an diesem Platz. Sein Verhalten heute lässt sie ungläubig und mit zunehmend flauem Gefühl im Magen in die Menge schauen. Langsam begreift sie, dass er nicht mehr zurückkommen wird.
[ 4]Sie verlässt das Einkaufszentrum durch den Eingang, durch den sie es betreten hat. Die belebte Straße nimmt sie wie in Zeitlupe wahr und alles um sie her ist unwirklich weit weg und leise. Bei der Ampel wartet sie blind, obwohl die längst grün zeigt. Erst als ein anderer Passant an ihr vorbei über die Straße geht, setzt sie sich ebenfalls in Bewegung und bleibt am gegenüberliegenden Gehsteig erneut stehen. Was, wenn er in diesem Moment zurückgekommen ist und sie sucht? Sie dreht um, wartet auf die nächste Grünphase und eilt wieder ins Einkaufszentrum. Nein, er ist nicht da.
[ 4]Zurück in ihrer Firma und ihrem Büro, zeigt das Display ihres Tischtelefons keinen weiteren Anruf, das heißt er ist noch in Gesellschaft, sonst hätte er sie inzwischen zu erreichen versucht. Sie nimmt sich für den Rest des Tages frei, ihr ist nicht gut, was ihre Kollegen deutlich sehen können, ganz blass ist sie.
[ 4]Mit gesenktem Kopf beeilt sie sich, außer Reichweite von bekannten Gesichtern und zu ihrem Auto zu kommen, damit sich der Kloß in ihrem Hals endlich lösen und sie auf der Heimfahrt losheulen kann. Doch ihr Gesicht bleibt trocken, es gibt keine Erleichterung, nur ein Gefühl des Fallens.
[ 4]Zu Hause nimmt sie sich nicht einmal Zeit, die Post aus dem Briefkasten zu holen sondern hastet zu ihrem Handy, das am Netzgerät hängt und längst aufgeladen ist. Keine neuen Anrufe. Sie wählt seine Handy-Nummer, niemand hebt ab, und sie hat keine Ahnung, was sie davon halten soll. Aber zumindest weiß er jetzt, dass sie wieder erreichbar ist.
[ 4]Nach einer halben Stunde, in der sie regungslos auf der Couch sitzt und aus dem Fenster starrt, läutet das Telefon. Er ist untröstlich, ja er weiß, es ist unverzeihlich, wie peinlich, so geht man mit niemandem um. Sie sagt nichts. Es ist die Frau seines Brudes mit ihrer Tochter gewesen, er hätte nicht entrinnen können. …Aber dass du dich nicht einmal kurz losreißen konntest, um…. . Ja, er hat sich überlegt, wie er es anstellen soll, aber es ging nicht, du weißt ja….
[ 4]Sie hört nicht mehr zu. Jedes Wort, das er spricht, macht die Verwandlung vollständiger und als sie auflegt, weiß sie, dass sie endlich fähig sein wird, es zu beenden.
 

Nosie

Mitglied
[ 4]Heinz steht an der Rolltreppe nahe des Eingangs vom Einkaufszentrum, wo sie sich mindestens einmal in der Woche treffen, um gemeinsam Mittagessen zu gehen. Sie haben sich heute via Festnetz verabredet, denn Eva hat wieder einmal ihr Handy zu Hause liegen gelassen. Das passiert ihr in letzter Zeit öfter und sie schiebt es dann gerne scherzhaft auf ihr Altern und freut sich, wenn er ihr charmant beteuert, wie jung sie immer noch aussieht. Heute schaut er nicht wie sonst in die Richtung, aus der sie kommt. Er kehrt ihr den Rücken zu und unterhält sich mit einer älteren Dame, die in Begleitung einer Jungen ist, es könnten Mutter und Tochter sein. Seine Frau ist es nicht, mit der er redet, die kennt sie von Fotos. Er muß die beiden gerade erst getroffen haben, denn vor fünf Minuten hat er Eva noch von seinem Büro aus angerufen, sein Termin wäre zu Ende und er könne jetzt.
[ 4]Sie hält sich in einiger Entfernung, damit die beiden Frauen nicht bemerken, dass Heinz verabredet ist. Schon oft ist ihnen jemand aus seinem näheren Umfeld über den Weg gelaufen. In letzter Zeit hat sein zunehmendes Unbehagen bei solchen Begegnungen ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen, den Eva tapfer ignoriert hat.
[ 4]Es dauert. Seit 5 Minuten wartet sie auf das Ende der Unterhaltung, doch anstatt aus seinen Gesten eine bevorstehende Verabschiedung zu erkennen, lotst Heinz seine Gesprächspartnerinnen Stück für Stück vom Eingang weg in die Tiefen des Einkaufszentrums, immer weiter redend und gestikulierend. Genau das ist eines von den vielen Dingen, die Eva an ihm liebt, seine Art, im Gehen immer wieder innezuhalten und sich seiner Begleitung zuzuwenden, wie um einer Schlüsselstelle des Gesprächs eine besonderes Gewicht zu verleihen.
[ 4]Er wird nicht wissen, ob sie schon da ist und er will um jeden Preis die Möglichkeit eines verräterischen Blickkontaktes mit ihm ausschließen, so deutet Eva sein Verhalten.
[ 4]Sie versteht das und wendet sich dem Schaufenster eines Taschengeschäftes zu, um sich abzulenken und nicht immer in die gleiche Richtung zu starren. Diese Situation hat es schon öfter gegeben. Jeden Moment wird er ihr die Hand von hinten auf die Schulter legen, sich tausendmal entschuldigen, ihr erklären, wer die beiden gewesen sind und wird pflichtschuldig darüber klagen, dass diese Stadt „ein Dorf“ und er froh sei, die beiden losgeworden zu sein.
[ 4]Nach einer Unendlichkeit, in der nichts geschieht, wendet sie sich wieder dem Gang voller Menschen zu und hält Ausschau nach Heinz. Dort wo sie ihn zuletzt gesichtet hat, ist er nicht mehr und auch sonst nirgendwo.
[ 4]Er wird von den beiden schnell in ein Geschäft mitgezogen worden und schon auf Nadeln sein, denn er kann annehmen, dass sie längst da ist und wartet. Sie will nicht glauben, dass er das fertig bringt, sie ohne sich umzudrehen einfach so stehen zu lassen, um ein Geheimnis zu wahren, das längst keines mehr sein kann, sie treffen sich seit zwei Jahren an diesem Platz. Sein Verhalten heute lässt sie ungläubig und mit zunehmend flauem Gefühl im Magen in die Menge schauen. Langsam begreift sie, dass er nicht mehr zurückkommen wird.
[ 4]Eva verlässt das Einkaufszentrum durch den Eingang, durch den sie es betreten hat. Die belebte Straße nimmt sie wie in Zeitlupe wahr und alles um sie her ist unwirklich weit weg und leise. Bei der Ampel wartet sie blind, obwohl die längst grün zeigt. Erst als ein anderer Passant an ihr vorbei über die Straße geht, setzt sie sich ebenfalls in Bewegung und bleibt am gegenüberliegenden Gehsteig erneut stehen. Was, wenn er in diesem Moment zurückgekommen ist und sie sucht? Sie dreht um, wartet auf die nächste Grünphase und eilt wieder ins Einkaufszentrum. Nein, er ist nicht da.
[ 4]Zurück in ihrer Firma und ihrem Büro, zeigt das Display ihres Tischtelefons keinen weiteren Anruf, das heißt er ist noch in Gesellschaft, sonst hätte er sie inzwischen zu erreichen versucht. Sie nimmt sich für den Rest des Tages frei, ihr ist nicht gut, was ihre Kollegen deutlich sehen können, ganz blass ist sie.
[ 4]Mit gesenktem Kopf beeilt sie sich, außer Reichweite von bekannten Gesichtern und zu ihrem Auto zu kommen, damit sich der Kloß in ihrem Hals endlich lösen und sie auf der Heimfahrt losheulen kann. Doch ihr Gesicht bleibt trocken, es gibt keine Erleichterung, nur ein Gefühl des Fallens.
[ 4]Zu Hause nimmt Eva sich nicht einmal Zeit, die Post aus dem Briefkasten zu holen sondern hastet zu ihrem Handy, das am Netzgerät hängt und längst aufgeladen ist. Keine neuen Anrufe. Sie wählt seine Handy-Nummer, niemand hebt ab, und sie hat keine Ahnung, was sie davon halten soll. Aber zumindest weiß er jetzt, dass sie wieder erreichbar ist.
[ 4]Nach einer halben Stunde, in der sie regungslos auf der Couch sitzt und aus dem Fenster starrt, läutet das Telefon. Er ist untröstlich, ja er weiß, es ist unverzeihlich, wie peinlich, so geht man mit niemandem um. Sie sagt nichts. Es ist die Frau seines Brudes und dessen Tochter gewesen, er hätte nicht entrinnen können. …Aber dass du dich nicht einmal kurz losreißen konntest, um…. Ja, er hat sich überlegt, wie er es anstellen soll, aber es ging nicht, du weißt ja….
[ 4]Eva hört nicht mehr zu. Jedes Wort, das er spricht, macht die Verwandlung vollständiger und als sie auflegt, weiß sie, dass sie endlich fähig sein wird, es zu beenden.
 

Nosie

Mitglied
Vielen Dank, Wipfel, für deine konstruktive Rezension. Ich war mir bei den vielen Sie's und Er's selbst nicht sicher, ob der Leser da noch den Durchblick behält. Ich habe der Protagonistin nun einen Namen gegeben, und damit die Stelle, wo man nicht weiß, welche von den drei Frauen gerade gemeint ist, entschärft.

Auch die Stelle mit dem langen Satz habe ich überarbeitet. Ich liebe lange, verschachtelte Sätze, aber für den Leser ist das dann sicher mühsam.

Ich lese meine Texte sehr, sehr oft durch, bevor ich sie veröffentliche, aber trotzdem behält man eine Art von Blindheit, und dann sind Beiträge wie der deine sehr hilfreich.

Vielen Dank und liebe Grüße
Nosie
 

Wipfel

Mitglied
Das mit dem Durchlesen ist gut. Ein Text muss reifen dürfen. Meine Texte lese ich mir immer laut vor. Da spürst du, ob das Tempo und der Rhythmus stimmt.
 

poetix

Mitglied
Hallo Nosie,
besonders gefällt mir bei deiner Geschichte, wie du das innere Erleben der Frau schilderst. Dass sie zum Schluss die Bezeihung beenden will, kam für mich trotzdem ein bisschen überraschend, vielleicht, weil über die Beziehung so wenig zu erfahren war, aber das ist schon in Ordnung, das ist der Kunstgriff, dass man alles aus dieser einen Situation erschließen soll. Gefällt mir.
Viele Grüße
poetix
 

James Blond

Mitglied
Gute Idee, anhand einer geplatzten Verabredung eine ganze Beziehungskiste aufzumachen. Was dort zum Vorschein kommt, ist in der Tat deprimierend: eine alternde Geliebte, die sich ihrer allmählich verblassenden Funktion als Lückenbüßerin bewusst wird. Und die nun aus der Enttäuschung über ihren Liebhaber die Kraft entwickeln muss, die Beziehung zu beenden.

Die Schilderung konzentriert sich dabei ganz auf Evas Innenleben, ihre Hoffnungsgedanken und ihr tiefes Schmerzerlebnis. Damit wird die Szene im Einkaufszentrum zum Schlüsselerlebnis der verheimlichten Beziehung, die zerstörerische Kraft auf das Selbstwertgefühl der Protagonistin wird erfahrbar.

Sie will nicht glauben, dass er das fertig bringt, sie ohne sich umzudrehen einfach so stehen zu lassen, um ein Geheimnis zu wahren, das längst keines mehr sein kann, sie treffen sich seit zwei Jahren an diesem Platz.
Nun aber hat Eva genau das erfahren müssen, was sie sich bisher zu glauben geweigert hatte. Insofern ist die Wendung am Schluss erklärt, wenn auch psychologisch nicht gerade plausibel. Denn die Trennungsabsichten schwinden gewöhnlich, sobald der Leidensdruck, wie hier durch den erwarteten Rückruf, abnimmt. Da kippen die guten Vorsätze gleich wieder. Wie gerne nimmt der Mensch Lügen in Kauf, um der schmerzlichen Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen!

Eva hört nicht mehr zu. Jedes Wort, das er spricht, macht die Verwandlung vollständiger und als sie auflegt, weiß sie, dass sie endlich fähig sein wird, es zu beenden.
Sicher lebt die Kurzgeschichte von der jähen Wendung am Schluss, dennoch sollte der finale Gefühlsumschwung, nach soviel vorausgehender einfühlsamer Schilderung etwas besser verdeutlicht werden. Ihre zunehmende innere Distanz zum Partner sollte zum hier Ausdruck gebracht werden. Auch würde ich hier noch nicht von "Verwandlung" sprechen, "Entschluss" reicht auch. Das gäbe mE auch einen besseren Titel ab: "Der Entschluss".

Dennoch gern gelesen.

LG JB
 

Nosie

Mitglied
[ 4]Heinz steht an der Rolltreppe nahe des Eingangs vom Einkaufszentrum, wo sie sich mindestens einmal in der Woche treffen, um gemeinsam Mittagessen zu gehen. Sie haben sich heute via Festnetz verabredet, denn Eva hat wieder einmal ihr Handy zu Hause liegen gelassen. Das passiert ihr in letzter Zeit öfter und sie schiebt es dann gerne scherzhaft auf ihr Altern und freut sich, wenn er ihr charmant beteuert, wie jung sie immer noch aussieht. Heute schaut er nicht wie sonst in die Richtung, aus der sie kommt. Er kehrt ihr den Rücken zu und unterhält sich mit einer älteren Dame, die in Begleitung einer Jungen ist, es könnten Mutter und Tochter sein. Seine Frau ist es nicht, mit der er redet, die kennt sie von Fotos. Er muß die beiden gerade erst getroffen haben, denn vor fünf Minuten hat er Eva noch von seinem Büro aus angerufen, sein Termin wäre zu Ende und er könne jetzt.
[ 4]Sie hält sich in einiger Entfernung, damit die beiden Frauen nicht bemerken, dass Heinz verabredet ist. Schon oft ist ihnen jemand aus seinem näheren Umfeld über den Weg gelaufen. In letzter Zeit hat sein zunehmendes Unbehagen bei solchen Begegnungen ihren Treffen einen bitteren Geschmack verliehen, den Eva tapfer ignoriert hat.
[ 4]Es dauert. Seit 5 Minuten wartet sie auf das Ende der Unterhaltung, doch anstatt aus seinen Gesten eine bevorstehende Verabschiedung zu erkennen, lotst Heinz seine Gesprächspartnerinnen Stück für Stück vom Eingang weg in die Tiefen des Einkaufszentrums, immer weiter redend und gestikulierend. Genau das ist eines von den vielen Dingen, die Eva an ihm liebt, seine Art, im Gehen immer wieder innezuhalten und sich seiner Begleitung zuzuwenden, wie um einer Schlüsselstelle des Gesprächs eine besonderes Gewicht zu verleihen.
[ 4]Er wird nicht wissen, ob sie schon da ist und er will um jeden Preis die Möglichkeit eines verräterischen Blickkontaktes mit ihm ausschließen, so deutet Eva sein Verhalten.
[ 4]Sie versteht das und wendet sich dem Schaufenster eines Taschengeschäftes zu, um sich abzulenken und nicht immer in die gleiche Richtung zu starren. Diese Situation hat es schon öfter gegeben. Jeden Moment wird er ihr die Hand von hinten auf die Schulter legen, sich tausendmal entschuldigen, ihr erklären, wer die beiden gewesen sind und wird pflichtschuldig darüber klagen, dass diese Stadt „ein Dorf“ und er froh sei, die beiden losgeworden zu sein.
[ 4]Nach einer Unendlichkeit, in der nichts geschieht, wendet sie sich wieder dem Gang voller Menschen zu und hält Ausschau nach Heinz. Dort wo sie ihn zuletzt gesichtet hat, ist er nicht mehr und auch sonst nirgendwo.
[ 4]Er wird von den beiden schnell in ein Geschäft mitgezogen worden und schon auf Nadeln sein, denn er kann annehmen, dass sie längst da ist und wartet. Sie will nicht glauben, dass er das fertig bringt, sie ohne sich umzudrehen einfach so stehen zu lassen, um ein Geheimnis zu wahren, das längst keines mehr sein kann, sie treffen sich seit zwei Jahren an diesem Platz. Sein Verhalten heute lässt sie ungläubig und mit zunehmend flauem Gefühl im Magen in die Menge schauen. Langsam begreift sie, dass er nicht mehr zurückkommen wird.
[ 4]Eva verlässt das Einkaufszentrum durch den Eingang, durch den sie es betreten hat. Die belebte Straße nimmt sie wie in Zeitlupe wahr und alles um sie her ist unwirklich weit weg und leise. Bei der Ampel wartet sie blind, obwohl die längst grün zeigt. Erst als ein anderer Passant an ihr vorbei über die Straße geht, setzt sie sich ebenfalls in Bewegung und bleibt am gegenüberliegenden Gehsteig erneut stehen. Was, wenn er in diesem Moment zurückgekommen ist und sie sucht? Sie dreht um, wartet auf die nächste Grünphase und eilt wieder ins Einkaufszentrum. Nein, er ist nicht da.
[ 4]Zurück in ihrer Firma und ihrem Büro, zeigt das Display ihres Tischtelefons keinen weiteren Anruf, das heißt er ist noch in Gesellschaft, sonst hätte er sie inzwischen zu erreichen versucht. Sie nimmt sich für den Rest des Tages frei, ihr ist nicht gut, was ihre Kollegen deutlich sehen können, ganz blass ist sie.
[ 4]Mit gesenktem Kopf beeilt sie sich, außer Reichweite von bekannten Gesichtern und zu ihrem Auto zu kommen, damit sich der Kloß in ihrem Hals endlich lösen und sie auf der Heimfahrt losheulen kann. Doch ihr Gesicht bleibt trocken, es gibt keine Erleichterung, nur ein Gefühl des Fallens.
[ 4]Zu Hause nimmt Eva sich nicht einmal Zeit, die Post aus dem Briefkasten zu holen sondern hastet zu ihrem Handy, das am Netzgerät hängt und längst aufgeladen ist. Keine neuen Anrufe. Sie wählt seine Handy-Nummer, niemand hebt ab, und sie hat keine Ahnung, was sie davon halten soll. Aber zumindest weiß er jetzt, dass sie wieder erreichbar ist.
[ 4]Nach einer halben Stunde, in der sie regungslos auf der Couch sitzt und aus dem Fenster starrt, läutet das Telefon. Er ist untröstlich, ja er weiß, es ist unverzeihlich, wie peinlich, so geht man mit niemandem um. Sie sagt nichts. Es ist die Frau seines Brudes und dessen Tochter gewesen, er hätte nicht entrinnen können. …Aber dass du dich nicht einmal kurz losreißen konntest, um…. Ja, er hat sich überlegt, wie er es anstellen soll, aber es ging nicht, du weißt ja….
[ 4]Eva hört nicht mehr zu. Jedes Wort, das er spricht, lässt den Schleier der Illusion durchsichtiger werden, dieses längst schon fadenscheinige Gespinst aus Hoffnung und Selbstbetrug. Als sie auflegt, ist das Gefühl des Fallens einer schmerzhaften Klarheit und Schärfe gewichen, die sie begrüßt und sie weiß, dass sie endlich fähig sein wird, es zu beenden.
 

Nosie

Mitglied
Vielen Dank, James Blond, für deinen konstruktiven Beitrag. Ich habe den letzten Absatz noch einmal überarbeitet und ausgbaut, sodass die Wendung nicht ganz so aus heiterem Himmel kommt.

Liebe Grüße
Gertraud
 



 
Oben Unten