Im Silberrausch

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Zwoelfelf

Mitglied
Im Silberrausch

Eingelocht vom Silberrausch
unendlicher Gedichtanfänge,
sitzt ein Kind am Grund der Welt
und spielt mit Wortbausteinen,
mit Wirklichkeitsabbrüchen,
mit aussichtslosen Steinversuchen
eines Schwindelscheins.
Es spielt im Sinngewimmel einer schüttelhaften Welt.

Mit hirngepresstem Sprachensaft
bespritzt es seine Menschnatur
und fühlt sich himmlisch
durchgeknallt und angelacht,
zersprengt im Silberrausch den Schädelblock
und schreibt den Tintenfischen ein Gedicht.

Im grünen Schein des Monitors
suchen oktopodiale Perlentaucher
einen Lesestein, ein Sprechkoskop, ein Meinungsrohr,
eine Dichtungssonde,
mit der man auf den Grund des Weltenkellers schaut.

Aufgeschäumt im Silberrausch
findet man ein Sabbelkind,
das Purzelbäumen Blätter klaut,
das Herzschmerztropfen schlecht verdaut,
das Mundraubverse rückwärts schraubt.

Ein schräg angeschieltes Kellerkind lässt sich nicht stören.

Aufgewacht im Silberrausch unendlicher Gedichtverläufe,
lutscht ein Kind an Spiegelsteinen
und spuckt mit Wortgehuste allem Augenschein,
eine tief verbürgte Wahrheit ins Gesicht:

„Dein Silberrausch ist keine Krone,
ist keines Menschen Diamant!
Dein Silberrausch zerfällt,
bei gutem Licht betrachtet,
in zahnverfaultes Silbenwirr mit schwacher Glaubenskraft.“

Zugestöpselt und im Silberrausch vertäut,
gibt ein Tintenfisch dem anderen
einen Grund der Welt.
Aus diesem Grund spricht man vom Kellerkind
und meint,
man hätte es
nur ungenau verstanden.
 
M

mako

Gast
Hallo Zwoelfelf,

ein faszinierendes Gedicht, das ich hier lese. Interessante Wortspiele und -konstrukte, die Du verwendest. Ich denke, das von Dir verwendete "durchgeknallt" trifft es aus meiner Sicht ganz gut.

Mit meiner Interpretation bin ich mir noch nicht sicher, wieviel Ironie oder Spott hier im Text zu finden ist, ob der Durchschnittlichkeit von Autoren im Allgemeinen oder in der LL im Speziellen. Ich nehme da die vierte Strophe, die wohl Bezug auf aktuelle Texte aus dem Forum Kurzlyrik nimmt(?).

Vielleicht ist hier auch nur zu lesen, sich als Schreibender nicht zu wichtig zu nehmen. ;)

Mir gefällt es, aufgrund seines eigen sinnigen Stils. Bin auf Weiteres gespannt.

Ach so, ja, willkommen im Silbenrausch der Leselupe.

Gruß
Mako
 

Zwoelfelf

Mitglied
Lieber Mako,
schönen Dank für den Kommentar. Es ist ein leidiges Geschäft mit der Interpretation von Gedichten. Ich halte es in dieser Hinsicht mit dem Philosophen Wittgenstein: "Alles, was man sagen kann, kann man einfach sagen."
Das heißt: alles, was man nicht sagen kann, kann man nicht einfach sagen. Bin mir allerdings nicht sicher, ob Schweigen in diesem Fall besser wäre.
ZE
 



 
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